Pfarrnachrichten 53/20 + 01/21 (B)
Weihnachten 2020
„Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht; über denen, die im Land des Todesschattens wohnten, strahlte ein Licht auf.
Denn ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt. Die Herrschaft wurde auf seine Schulter gelegt. Man rief seinen Namen aus: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens.“ (Jes 9,1.5)
Dieses alttestamentliche Wort ging bei der Geburt Jesu in Bethlehem für immer in Erfüllung.
In diesem Glauben verankert wünschen wir uns gegenseitig, dass wir das Große und Erfüllende erleben, welches Gott allen Menschen seines Willens zuteilwerden lässt.
Von Herzen wünsche ich Ihnen gnadenreiche Weihnachtstage und Gottes reichen Segen im kommenden Jahr
Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
Pfarrnachrichten 52/2020 (A)
Pfarrnachrichten 50/2020 (A)
Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon, zwischenzeitlich hat die Anmelde-Phase zu den Weihnachtsgottesdiensten an Heiligabend und am ersten Weihnachtsfeiertag begonnen. Der tägliche Empfangsdienst bei den Gottesdiensten gibt gerne weitere Auskunft dazu. Soweit nötig, ist er Ihnen auch gerne behilflich.
Alle Details über die am 24. und 25.12. notwendige Vorab-Anmeldung zu den Gottesdiensten finden Sie auch auf unserer Homepage.
Und nun empfehlen ich Ihnen gerne zur adventlichen Besinnung den folgenden Abschnitt aus einer Advents-Predigt des Heiligen Bernhard von Clairvaux († 1153). - Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
Wie groß ist er, der in die Welt kommt
Liebe Brüder, der Name Advent ist wie der aller übrigen Feste in der Welt hinreichend berühmt und bekannt. Mit seiner (tatsächlichen) Bedeutung könnte es jedoch anders sein. Denn die unglücklichen Kinder Adams haben es aufgegeben, nach Wahrheit und Heil zu forschen. Sie suchen nach hinfälligen und vergänglichen Dingen. Mit wem sollen wir die Menschen dieser Generation vergleichen, die sich nicht von irdischem und leiblichem Trost losmachen und trennen können? Wahrhaftig, sie gleichen Menschen, die in Gefahr sind zu ertrinken. Man sieht, wie sie sich zu halten versuchen und um keinen Preis das Erste und Beste loslassen wollen, das ihnen in die Hände geraten ist, was immer es ist und wenn es auch in keiner Weise helfen kann, z. B. Wurzeln von Pflanzen und ähnliches. Kommt ihnen jemand zu Hilfe, so packen sie ihn manchmal und klammern sich an ihn, so dass er weder sich noch sie retten kann. So gehen diese Unglücklichen auf dem großen und weiten Meer zugrunde. Sie sind hinter dem Vergänglichen her und verlieren das Unvergängliche, das sie ergreifen müssten, um auftauchen und ihr Leben retten zu können. Denn nicht vom Vergänglichen, sondern von der unvergänglichen Wahrheit heißt es: "Ihr werdet sie erkennen, und sie wird euch befreien." (1 Joh 8,32)
Liebe Brüder, ihr seid die Kleinen, denen Gott offenbart, was er den Weisen und Klugen verborgen hat. (Vgl. Mt 11,25) Verweilt in eifrigem Nachdenken bei dem, was wirklich dem Heil dient. Überlegt, was dieser Advent bedeutet. Fragt auch, wer da kommt, woher und wohin, wozu und wie er kommt. Eine solche Wissbegierde ist sicher lobenswert und heilbringend. Die ganze Kirche würde den gegenwärtigen Advent ja nicht mit solcher Hingabe feiern, wäre in ihm nicht ein so großes Geheimnis verborgen. Zuallererst sollt ihr mit dem Apostel in Staunen und Bewunderung schauen, wie groß der ist, der (in die Welt) eintritt. Er ist nach dem Zeugnis des Gabriel "der Sohn des Höchsten" (Lk 1,32) und somit selbst der Höchste mit dem Vater; denn es wäre unrecht, auch nur zu denken, der Sohn Gottes sei geringer (als der Vater).
Pfarrnachrichten 48/2020 (A)
Pfarrnachrichten 44/2020 (A)
Es gibt Tage, an denen alles zu viel wird. Aufgaben und Probleme türmen sich. Man ist erschöpf und steht wie vor einer Wand. Vor lauter Bäumen sieht man den Wald nicht mehr. Scheinbar geht nichts mehr.
Ähnlich erging es zahlreichen Juden zur Zeit Jesu. Es fiel ihnen oft schwer, den Willen Gottes zu erfüllen. Der Alltag des gläubigen Juden war durch insgesamt 613 Vorschriften geregelt. Insbesondere am Sabbat war alles minutiös vorgegeben: die Zahl der erlaubten Schritte, zahlreiche Gebetsvorschriften, eine schier endlose Liste stark eingeschränkter oder auch ganz verbotener Arbeiten.
Der Sabbat sollte ganz der Tag des Herrn sein. Doch aus der guten Absicht wurde schließlich ein Paragraphen-Dschungel. Es gab unter den Gesetzeslehrern u.a. ernsthafte Diskussionen darüber, ob ein am Sabbat gelegtes Ei gegessen werden durfte oder nicht.
In manchem geht es uns heute nicht anders. So legt etwa die legendäre Pizza-Verordnung der EU von 2006 auf insgesamt 72 Din A4-Seiten u.a. verbindlich fest, dass die Pizza rund sein muss und einen Durchmesser von maximal 35 Zentimetern nicht überschreiten darf. In der Mitte darf sie nur 0,4 cm hoch sein. Der Teigrand hingegen muss 1-2 cm dick sein. Schön, dass wir jetzt alle wissen, was eine Pizza ist, und worauf wir uns bei einem Pizza-Streit verbindlich berufen können.
Nicht anders war im Laufe der Zeit aus den Zehn Geboten eine unüberschaubare Richtlinien-Sammlung geworden. Die Frage des Gesetzeslehrers im heutigen Sonntagsevangelium (Mt 22,34-40) war also durchaus berichtigt: „Meister, welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste?“
Jesus antwortet mit dem Alten Testament. Neu daran ist, dass er das allen Juden bekannte Schema Israel aus dem Buch Deuteronomium (6,4f) mit dem Gebot der Menschenliebe aus dem Buch Levitikus (19,8) zusammenbringt und beides miteinander untrennbar verknüpft.
Das Schema Israel betet der fromme Jude bis heute; morgens und abends: „Höre Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“. Jesus übernimmt es in leicht abgeänderte Form. Er antwortete dem Gesetzeslehrer: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken.“
Jesus fügt dann hinzu: „Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite.“ Und er fährt fort mit dem allen Juden bekannten Gebot der Menschenliebe aus dem Buch Levitikus (19,8): „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
Beides hängt also untrennbar und zugleich rätselhaft-aufschlussreich zusammen. Das erste ist das Wichtigste; aber das zweite ist ebenso wichtig. Wie kann das sein? Für Jesus steht es unzweifelhaft fest. Und er bekräftigt: „An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“
Der Zusammenhang und die für alles andere grundlegende Bedeutung dieses doppelten Gebotes lässt sich schrittweise erklären. Zuerst einmal: Gott lieben „mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken“ heißt nicht, krampfhaft irgendetwas zu versuchen, was uns am Ende hilflos überfordern würde. Es lässt sich am ehesten mit einem Kind vergleichen, das auf Liebe angewiesen ist. Es wartet und hofft, bis es auf den Schoß genommen wird. Dann wird diesem Kind die Grundlage seines Lebens zuteil: Es lebt aus der Liebe heraus.
So ist auch unser tägliches Beten, die Mitfeier der Eucharistie Sontag für Sonntag, der regelmäßige Empfang des Bußsakramentes, das Wiederholen des ein oder anderen Stoßgebetes usw. kein krampfhaftes Bemühen, sondern ein Warten und ein Hoffen, das Jesus nie enttäuscht. Wir sind, weil Gott uns liebt: weil er uns ohne jede Notwendigkeit sein lassen und glücklich machen will. Der Weg zu dieser Einsicht und Erfahrung ist das Beten.
Nun können wir Gott aber nicht sehen. Wir können ihn auch nicht riechen oder fühlen. Deshalb ist ein zweites Gebot dem ersten gleich. Wenn wir nämlich unseren Nächsten lieben wie uns selbst (bitte immer „the next first“), dann sehen, erleben und begreifen wir schrittweise, wieviel von Gottes unendlicher Liebe in unserem Nächsten steckt. Nur auf diesem Weg werden wir der Grundlage auch unseres Lebens begegnen: der Liebe Gottes.
Für uns, die wir begrenzt sind, bedingt also das eine Gebot das andere. Die betende Begegnung mit Gott stellt unser Liebesverlangen vom Kopf wieder auf die Beine. Man kreist dann nicht mehr eitel und selbstverliebt nur um sich selber. Man gibt seinem Nächsten wieder mehr Bedeutung als seinem Ego. So kommt man heraus aus dem Gefängnis selbstbezogener Eitelkeit und erfährt erneut und progressiv Gottes Liebe; und wie befreiend, Leben spendend und bejahend sie ist.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
Pfarrnachrichten 43/2020 (A)
Pfarrnachrichten 42/2020 (A)
Das fünfte Mal in Folge werden uns nun Sonntag für Sonntag Evangelien vorgetragen, die uns in Form eines Gleichnisses jenes Reich anschaulich vor Augen führen, um das uns Jesus im „Vater unser“ zu beten gelehrt hat. An diesem Sonntag vergleicht Jesus das Himmelreich mit „einem König, der die Hochzeit seines Sohnes vorbereitete.“ (Mt 22,2)
Der König „schickte seine Diener, um die eingeladenen Gäste zur Hochzeit rufen zu lassen. Sie aber wollten nicht kommen. Da schickte er noch einmal Diener und trug ihnen auf: Sagt den Eingeladenen: Mein Mahl ist fertig, die Ochsen und das Mastvieh sind geschlachtet, alles ist bereit. Kommt zur Hochzeit! Sie aber kümmerten sich nicht darum, sondern der eine ging auf seinen Acker, der andere in seinen Laden, wieder andere fielen über seine Diener her, misshandelten sie und brachten sie um.“ (ibid., 3-6)
Da ist man als Zuhörer bzw. Leser nun doch ein wenig überrascht. Wir alle haben bei königlichen Hochzeiten über die Medien miterlebt, wie die Eingeladenen stolz darauf sind, dabei sein zu dürfen. Das königliche Hochzeitspaar adelt die Gäste! Im Gleichnis aber wird mit der Ablehnung der Einladung zugleich all das verschmäht, was diese Einladung an Ehre und Vorzügen mit sich bringt.
Deshalb wurde der König im Gleichnis zornig. „Er schickte sein Heer, ließ die Mörder töten und ihre Stadt in Schutt und Asche legen. Dann sagte er zu seinen Dienern: Das Hochzeitsmahl ist vorbereitet, aber die Gäste waren es nicht wert, eingeladen zu werden. Geht also hinaus auf die Straßen und ladet alle, die ihr trefft, zur Hochzeit ein.“ (ibid., 7-9)
Mit diesem Gleichnis richtet sich Jesus damals an die Pharisäer und Schriftgelehrten, heute an uns. So wie damals die Pharisäer nicht begriffen, oder nicht begreifen wollten, dass Gott Vater selber dazu einlädt, an der „Hochzeit“ seines Sohnes teilzunehmen, so ist es auch heute. Mit dem gleichnishaften Hochzeitsbild dürfte ganz präzise das gemeint sein, was später der Hl. Paulus als liebevolles Verhältnis Christi zu seiner Kirche mit dem Verhältnis des Mannes zur Frau in der Ehe vergleicht. (Eph. 5,32)
Wir sind auserwählt und berufen, ja wir sind „geadelt“ durch Christus, der uns göttliche Würde verleiht. So wie er sich mit seinem Volk verbindet, so möchte und gewährt er jedem, mit ihm in seiner Göttlichkeit verbunden zu sein und demgemäß zu leben. Das erfordert aber, seine Einladung auch anzunehmen, sie zu schätzen wissen und ihr Folge zu leisten.
Letzteres wird im Gleichnis gleich zweimal betont. Der König richtet sich in seiner Einladung zuerst an die „Eingeladenen“. Damit sind die gemeint, welche der Einladung aufgrund ihrer Voraussetzung am ehesten entsprechen könnten. Damals wären es die Pharisäer und Schriftgelehrten gewesen; heute all die, die in einer christlichen Umgebung aufgewachsen, Christus dennoch kein Gehör schenken.
Da die zuerst Eingeladenen ihre Würde aus eigener Schuld verspielen, werden nun alle anderen eingeladen: „Die Diener gingen auf die Straßen hinaus und holten zusammen, die sie trafen, Böse und Gute, und der Festsaal füllte sich mit Gästen.“ Unter den Gästen bemerkte der König allerdings „einen Mann, der kein Hochzeitsgewand anhatte. Er sagte zu ihm: Mein Freund, wie konntest du hier ohne Hochzeitsgewand erscheinen? Darauf wusste der Mann nichts zu sagen. Da befahl der König seinen Dienern: Bindet ihm Hände und Füße, und werft ihn hinaus in die äußerste Finsternis!“ (Mt 22,10-13)
Zur Zeit Jesu war es üblich, an einem eigens für die Armen vorgesehenen Zugang zu einer königlichen Hochzeit einfache Überwurf-Gewänder auszugeben, damit auch die Armen hochzeitgemäß gekleidet waren. Wer dieses Überwurf-Gewand ablehnte, der lehnte auch den König ab; der war nicht bereit, die vom einladenden König angebotene Würde und Ehre anzunehmen.
Letzten Sonntag haben wir Erntedank gefeiert. Da schließt sich der Kreis. Im Maß der Dankbarkeit für alles Empfangene, ist man in der Lage, besser zu verstehen, wie sehr diese Gaben und Geschenke „adeln“ und herausheben. – Möge uns unser Bemühen um Dankbarkeit mit Christus Jesus eins werden und fähig werden lassen, seine Gaben anzunehmen und ihnen zu entsprechen.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
Pfarrnachrichten 41/2020 (A)
Pfarrnachrichten 40/2020 (A)
Jeder kennt das: Eine Bitte wird abgeschlagen. Wenig später aber ändert der Gebetene seine Meinung und ist dann doch dabei. Er hat es sich anders überlegt. Er bedauert, etwas abgeschlagen zu haben. Er bereut es und ändert sein Verhalten.
Wir kennen aber auch das Gegenteil: Man bittet jemanden um etwas. Der Gebetene sagt „Ja“, lässt einen dann aber im Stich, weil er es vergessen hat oder ihm anderes wichtiger erscheint. So ist es auch in dem Gleichnis von den beiden ungleichen Söhnen im aktuellen Sonntagsevangelium (Mat 21, 28-32).
Auch anderswo berichtet uns die Heilige Schrift von ungleichen Söhne. Gleich zu Beginn, im vierten Kapitel der Genesis. Ein Brudermord: Kain erschlägt Abel [Gen 4]. Und einige Kapitel weiter: Esau und Jakob. Für ein Linsengericht bringt Jakob seinen älteren Bruder Esau um das Erstgeburtsrecht und dann betrügt er, um den Segen des Vaters zu erhalten [Gen 25-27]. Im Lukasevangelium schließlich ist uns das Gleichnis vom verlorenen Sohn überliefert. Bei seiner reumütigen Rückkehr ist der älterer Bruder eifersüchtig und verärgert, weil der Vater den Heimkehrer unerwartet großzügig empfängt und bewegend wiederaufnimmt [Lk 15,11-32].
Und nun hören wir an diesem Sonntag von den zwei Söhnen eines Winzers. Er fordert den ersten auf, zur Arbeit in den Weinberg zu gehen. Dieser sagt: „Ich will nicht.“ Aber später geht er doch. Weil es ihn reut. Der andere, den der Vater dann ebenfalls in den Weinberg schicken will, sagt „Ja”. Aber er geht nicht. Er hält nicht, was er verspricht. Er ist ein schlechter Sohn und ein Heuchler. Er sagt „Ja“ und tut es doch nicht.
Jesus antwortet mit diesem Gleichnis den Hohenpriestern und Ältesten. Im Tempel von Jerusalem hatten sie ihn angesprochen und gefragt, aus welcher Vollmacht er Kranke heile und das Wort Gottes verkünde [vgl. Mt 21,23]. Da sie immer nur darauf lauern, Jesus überführen und anzeigen zu können, antwortet ihnen Jesus mit diesem Gleichnis von den zwei ungleichen Söhnen. Dann fragt er sie: „Wer von den beiden hat den Willen seines Vaters erfüllt?” [V. 31].
Sie antworten ihm: „Der erste”. Diese Antwort ist zweifellos richtig. Der erste Sohn, der zuerst „Ich will nicht“, also „Nein” gesagt, aber dann das Nein bereut hat und zur Arbeit in den Weinberg gegangen ist, hat den Willen des Vaters erfüllt. Zwar nicht sofort, aber dann doch. Jesus will diese Antwort, um seinerseits die Hohenpriester und Pharisäer überführen zu können.
Entscheidend ist nicht das erste „Ja” oder das erste „Nein”. Die zwei ungleichen Söhne haben es wohl schnell daher gesagt; ganz so wie es in ihrer Verschiedenheit dem ungleichen Primärcharakter der beiden entspricht.
Entscheidend ist die Antwort, die aus dem Herzen kommt. Zu einer ehrlichen, von Herzen kommenden Antwort und einem guten wie wahrheitsgemäßen Verhalten gehören unverzichtbar das Bereuen, die Reue und die Umkehr. Der erste Sohn hat „Ja” gesagt, aber dann doch nicht entsprechend gehandelt. Er bereut nichts. Der zweite Sohn hat „Nein” gesagt – „ich will nicht“ – aber dieses „Nein” dann bereut und den Willen des Vaters erfüllt.
„Reue” – „bereuen” – ist ein ganz altes deutsches Wort und bedeutet Betrübnis oder Unzufriedenheit. Wer Reue empfindet, der ist betrübt – der ist traurig – über sein eigenes zurückliegendes oder bisheriges oder noch andauerndes Verhalten. Er möchte das, was er getan oder unterlassen hat, ungeschehen machen oder doch noch nachvollziehen. Wie der Sohn, der „Nein” gesagt hat, dieses „Nein” bereut und die unterlassene Handlung – die Arbeit im Weinberg – nachvollzieht.
Und nun sagt Jesus denen, die ihn mit ihren Fragen endlich loswerden und eine Falle stellen wollen: „Amen, ich sage euch: Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr.“ – Und Jesus sagt das bis heute und für immer all denen, die nicht wirklich glauben: die nur gewohnheitsmäßig oder immer im Dissens „glauben“. Alle Diskurse im Glauben bringen nur Segen, wenn sie zutiefst von Reue und Umkehr geprägt bleiben. Genau darum geht es hier; denn Jesus erinnert nun an Johannes den Täufer.
Johannes der Täufer ist „auf dem Weg der Gerechtigkeit zu euch gekommen und ihr habt ihm nicht geglaubt; aber die Zöllner und die Dirnen haben ihm geglaubt [V. 32].“ Letztere haben zum Glauben gefunden. Sie sind wie der erste Sohn, der zuerst „Nein“ gesagt, dann aber bereut hat und in den Weinberg ging. „Ihr habt es gesehen“ sagt Jesus den Hohenpriestern und Ältesten, „und doch habt ihr nicht bereut und ihm nicht geglaubt“ [V. 32]. Ihr seid wie der zweite Sohn. Ihr seid nur scheinbar gläubige Verbandsvertreter eures Volkes. Aber ihr glaubt nicht, weil ihr Euch verabschiedet habt von Reue und Umkehr, vom Bekennen eurer Schuld und vom bußbereiten Wiedergutmachen derselben.
Manche Philosophen – Friedrich Nietzsche zum Beispiel – haben Reue abgelehnt und für unmännlich, weibisch oder knechtisch erklärt. Wir wissen, wohin das geführt hat. Ohne Reue und Umkehr wird der Mensch unweigerlich zum Gegner Gottes und zum Menschenmörder.
Jesus sagt in unserem Gleichnis zu den Hohenpriestern und Pharisäern: „Ihr habt nicht bereut und … nicht geglaubt” [V. 32]. Wo Glaube ist, da ist auch Reue. Glaube ohne Reue, ohne Bekenntnis und Beichte, ohne sakramentale Umkehr ist bestenfalls gut Gemeintes, aber kein Glaube an unseren Herrn Jesus Christus in enger Verbundenheit mit der von ihm gestifteten Kirche.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
Pfarrnachrichten 39/2020 (A)
Am vergangenen Sonntag hat sich unser Erzbischof zur jetzigen Etappe des pastoralen Zukunftsweges im Erzbistum Köln im Domradio geäußert. Ich gebe das sehr gerne wieder. Mich persönlich hat es inspiriert. Das möchte ich in einigen wenigen Gedanken äußern, die ich daran anschließe.
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„Was er Euch sagt, das tut!“ (13. September 2020)
Wort des Bischofs zum pastoralen Zukunftsweg
Auf dem pastoralen Zukunftsweg hier bei uns im Erzbistum Köln befinden wir uns jetzt auf der Zielgeraden der jetzigen Etappe. Jeder Läufer weiß: Auf den letzten Metern, da geht es noch mal um alles. Aber eben auch darum, all die Mühen und Anstrengungen des bis jetzt zurückgelegten Weges nicht zu vergessen und kraftvoll über die Ziellinie zu bringen. Schon heute bin ich sehr dankbar, dass über 30.000 Menschen aus unseren Gemeinden und Verbänden und Gemeinschaften und viele Hauptberufliche im pastoralen Dienst diesen Weg aktiv mitgegangen sind. Dankbar für den fruchtbaren Austausch in guten Gesprächen und Diskussionen. Besonders dankbar auch für die vielen neuen Anregungen und Ideen, die wir gemeinsam entwickeln konnten.
Bereits am Anfang war klar, unser pastoraler Zukunftsweg, der würde kein leichter Spaziergang. Auch jetzt, wo nach den letzten Beratungen in den unterschiedlichsten Gremien und dem baldigen Hören auf die Rückmeldungen aus 170 Seelsorgebereichen die notwendigen Entscheidungen getroffen werden müssen, ist mir bewusst: Ganz gleich, wie ich mich auch aufstelle – bei den vielen unterschiedlichen Erwartungen wird es nicht nur Beifall geben. Das gilt besonders jetzt am Ende, wo eben auch folgenschwere Entscheidungen notwendig sein werden, wenn wir bei uns im Erzbistum die Zukunft wirklich gewinnen wollen.
Nachdem ich in den vergangenen Jahren so viel Rat und auch unterstützende Tat erfahren durfte, vertraue ich jetzt auf der Zielgeraden ohne Wenn und Aber unserem letzten Ratgeber: Christus! Ich bin mir sicher – er war und er ist für uns auf unserem ganzen pastoralen Zukunftsweg der verlässliche Wegweiser und der Mut machende Wegbereiter. Ihm vertraue ich unser Erzbistum und mich selber gerade jetzt auch auf den letzten Metern an. Hier gilt gestern, heute und morgen ganz alleine die Empfehlung seiner Mutter, Maria: „Was er Euch sagt, das tut!“ Versuchen wir es. Und ich bin überzeugt und mir sicher – es wird dann alles gut!
Ihr Rainer Woelki, Erzbischof von Köln
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Es gehört in der Tat viel Gottvertrauen dazu, auf eine gute Zukunft der katholischen Kirche hier bei uns zu hoffen. In den letzten Jahrzehnten hat sie im privaten wie im öffentlichen Leben spürbar an Bedeutung verloren. Gesamtgesellschaftlich wird sie teils gar nicht mehr wahrgenommen. Einer größer werdenden Mehrheit ist sie längst bedeutungslos. Auch die Gemeinschaft der Bischöfe scheint brüchig zu sein.
So ist etwa durch Corona der Besuch der Sonntagsgottesdienste bundesweit von 9 % aller katholisch Getaufter im Vorjahr auf inzwischen weniger als die Hälfte, vielleicht noch ein Drittel davon, also auf grob geschätzt zwischen 3 und 4,5 % zurückgegangen. Mehrheitlich sind es die Älteren und die ganz Alten, die trotz Corona an diesem elementaren und die Kirche konstituierenden Glaubensvollzug festhalten. Auf die Fläche projiziert schreitet die Verabschiedung von der Kirche nun sogar beschleunigt voran. Daran werden die den pastoralen Zukunftsweg begleitenden Umstrukturierungen im Kölner Erzbistum aus sich heraus nichts ändern. Als solche ist diese Umstrukturierung ein notwendiges soziologisch-strukturelles Planspiel; nicht mehr.
Für das Erzbistum Köln ist eine Zusammenlegung der bisherigen Orts-Pfarreien auf 50 bis 60 Großpfarreien der Zukunft geplant. Diese sollen professionell gut aufgestellt werden. Das lässt sich mit den derzeit vorhandenen Ressourcen auf den ersten Blick auch ganz gut bewerkstelligen. Zu jeder der 50 bis 60 Groß-Pfarreien sollen dann viele unterschiedliche Gemeinden gehören. Die Groß-Pfarrei mit ihren örtlichen oder personenbezogenen Gemeinden wird verbindlich von einem Pfarrer geleitet und persönlich verantwortet. Das christliche Leben in den Gemeinden und vor Ort sollen die dort lebenden Menschen in verbindlicher Absprache mit dem einen, leitenden Pfarrer verlebendigen. Das ist schon anspruchsvoller. Haben das die bisherigen Pfarrer vor Ort denn „geschafft“?
Die Menschen vor Ort lassen sich nur unter einer Voraussetzung nachhaltig dafür gewinnen und motivieren; und nur dann bleiben sie auch zusammen: Alle, angefangen von den durch das Weihesakrament für die Kirche konstitutiven Bischöfen und Priestern über die in Deutschland inzwischen größere Zahl der von Kirchensteuern bezahlten „Kirchenprofis“ bis hin zu den noch zahlreicheren christgläubigen Laien, müssen nach dem Wort des Herrn „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Markus 1,15) so denken und handeln, dass sie keine intellektuelle wie praktische Verabschiedung von dem der Kirche anvertrauten Evangelium kultivieren und in Wort und Tat uneingeschränkt katholisch leben wollen. Diese Voraussetzung ist entscheidend. Professionalität und strukturelle Umgestaltung sind ihr nachgeordnet.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
Pfarrnachrichten 37/2020 (A)
Im Evangelium von diesem Sonntag (Mt 18, 15-20) spricht Jesus sehr unterschiedliche Themen an, die der Evangelist Matthäus scheinbar etwas unzusammenhängend aneinandergereiht hat. Schaut man näher hin, dann hat Matthäus das alles in dieser Reihenfolge wohl bedacht zusammengestellt.
Am Anfang des Sonntagsevangeliums geht es um die christliche Zurechtweisung, die seit Beginn der Kirche in vielen Gemeinschaften und Gemeinden praktiziert wurde. Sie geht unmittelbar auf Jesus zurück, wie wir in diesem Evangelium erfahren. Die christliche Zurechtweisung wird deshalb auch in Zukunft praktiziert werden, wo Jesu Worte ernst genommen werden.
Jesus fordert seine Jünger auf: „Wenn dein Bruder sündigt dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen.“
Im Grunde weiß und spürt jeder, dass dies der Normalfall sein sollte. Leider werden zu selten Mut und Stärke aufgebracht, andere auf ein offensichtliches Fehlverhalten hinzuweisen und zur Rede zu stellen. Das sollte am Anfang offen und ehrlich, immer nur unter vier Augen und in wohlwollender Absicht geschehen. Stattdessen wird hinter dem Rücken der Betroffenen viel zu oft einfach nur schlecht geredet. Das heizt zusätzliche die Gerüchteküche an. Das Übel wird damit nicht behoben. Es wird nur noch schlimmer.
Wer aber das Glück hat, zurecht gewiesen zu werden ganz im Sinne des Herrn, der sollte dankbar schweigen und genau zuhören. Nur so kann er in Ruhe darüber nachdenken und dann zum Wohl aller positiv an sich arbeiten, sich verändern und verbessern. Auch hier sieht die Realität leider oft ganz anders aus. Auf ein Fehlverhalten angesprochen neigen viele dazu, sich sofort zu rechtfertigen. So wird man am Ende wie ein übler Krankheitserreger resistent gegen jeden Heilungsversuch. Und man schadet der Vitalität und Gesundheit des Ganzen, also der Gemeinschaft.
Nicht weniger übel ist die Strategie, dem anderen als Reaktion auf eine gut gemeinte Zurechtweisung einfach vor Augen zu führen, dass ja auch er alles andere als vollkommen ist. Und dass zwischen den beiderseitigen Defiziten womöglich ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Die richtige und notwendige Veränderung bleibt so auf der Strecke.
Deshalb geht Jesus einen Schritt weiter. Er macht Mut und zeigt einen interessanten Weg auf, um in der Komplexität menschlicher Fehlreaktionen nicht zu resignieren. Er sagt wörtlich mit Blick auf den wohlwollend und ehrlich Zurechtweisenden und den resistenten Zurechtgewiesenen: „Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Männer mit, denn jede Sache muss durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden. Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner.“
Die dargelegte Eskalation wird nicht nötig sein, wo die grundlegende Intention des Herrn verstanden, im Glauben vollzogen und im konkreten Tun realisiert wird. Über das rein Menschliche hinaus inspiriert Jesus die Gemeinschaft seiner Jünger zudem vom Himmel aus. Und deshalb werden „die Mächte der Unterwelt“, wie Jesus es zuvor formuliert hatte (Mt 16,18) diese Gemeinschaft „nicht überwältigen“.
Hier wird der innere Zusammenhang des Sonntagsevangeliums deutlich. Die Aufforderung Jesu zur christlichen Zurechtweisung verbindet Matthäus vom inneren Zusammenhang her mit Worten Jesu über die Besonderheit der christlichen Gemeinschaft, der Kirche: „Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein. Weiter sage ich euch: Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“
Pfarrnachrichten 36/2020 (A)
Das Sonntagsevangelium (Mt 16, 21-27) gibt Antwort auf die wichtige Frage: „Wer bin ich eigentlich als Mensch und wie ist Gott zu mir?“ Petrus hatte zuvor (Mt 16,13-20) Jesus als den Gesalbten, den Sohn des lebendigen Gottes bekannt. Von der ersten, entscheidenden Begegnung an hat Petrus in Jesus zunehmend Gott erkannt, der ihm in Jesus als Mensch entgegenkommt, der heilt und befreit, der Beziehung stiftet und Leben schenkt. Auch wir identifizieren uns gerne mit diesem positiven Gottesbild. Aber Jesus korrigiert dieses Gottesbild auch: gegen unsere Verfälschungen nämlich.
Gott, der heilt, befreit und erlöst, mutet dem in Jesus menschgewordenen Sohn, und genauso auch uns, auch Leiden zu. Deshalb möchten auch wir heute, wie Petrus damals, den Sohn Gottes vorwurfsvoll beiseite nehmen (Mt 16,22): „Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir (uns) geschehen!“ – Wie Petrus damals fällt es auch uns heute schwer, zu verstehen und zu akzeptieren, dass zur Erlösung, zum Heil und zur Erfüllung unverzichtbar das Kreuz gehört. Es scheint oberflächlich betrachtet dem christlich-optimistischen Gottesbild zu widersprechen.
Petrus hatte es also gewagt, aus der Schar der dem Herrn Folgenden auszuscheren, nach vorne zu gehen und neben Jeus zu treten. Vermeintlich auf Augenhöhe möchte er Jesus nun ausreden, dass der barmherzige Gott ihm größtes Leiden zumute. Daraufhin wird er von Jesus in einer Schärfe zurückgewiesen, die kaum noch zu ertragen ist (Mt 16,23): „Tritt hinter mich, du Satan. Ein Ärgernis bist du mir, denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.“
Die Abfuhr, die Jesus ihm erteilt, kann schlimmer nicht sein. Petrus, den Jesus eben noch (vgl. Mt 16, 17f) selig gepriesen und zum Felsen der Kirche gekürt hatte, hat sich in dieser Sache offenbar ganz schlimm verrannt. Deshalb Jesus nennt Petrus nun „Satan“. Ein verkürztes Gottesbild wirkt sich nämlich auch verheerend auf das davon abhängige Menschenbild aus.
Gott ist eben anders, als wir oft denken. Gott sei Dank! Und dieser andere Gott hilft, dass wir uns so verstehen, wie wir wirklich sind. „Selbstbild und Gottesbild hängen miteinander zusammen. Jesus setzt nun am Menschenbild an, um das einseitige Gottesbild des Petrus zu korrigieren. Wenn wir in unsere Buchhandlungen nach Büchern zur Lebenshilfe Ausschau halten, dann stoßen wir immer auf Titel wie »die eigene Kraft entdecken«, »positiv denken«, »erfolgreich leben«. Es geht immer darum, dass es dem Menschen gut geht, dass er möglichst viel aus seinem Leben macht.“ (Anslem Grün)
Auch wenn sich viel Gescheites in Büchern dieser Art finden lässt: Jesus setzt anders an. Seine Worte können uns gerade heute „einen Weg zeigen, wie das Leben wirklich gelingt, wie wir frei werden können von dem selbst gemachten Erfolgsdruck, möglichst viel aus dem Leben herausholen zu müssen.“ (ibid.)
Da gibt es zum Beispiel Augenblicke, in denen wir das Geheimnis Gottes berühren und einen tiefen inneren Frieden erfahren. Aber im nächsten Augenblick steigen schon wieder eigene Gedanken und Wünsche empor, die diese Gottesbegegnung verfälschen. „Wir denken dann nicht mehr gottgemäß, sondern wie es den Menschen gefällt.“ (ibid.) Unsere Gedanken spiegeln dann menschliche Erwartungen und Projektionen wieder. Oft stammen diese dann nicht mehr von Gott.
Solange Gott sich so verhält, wie wir es wünschen, scheint alles gut. Sobald uns aber Leid widerfährt, bricht alles zusammen. So hat die Leidensankündigung Petrus dazu verleitet, „sein (unreifes) Gottesbild gegen das Bild zu verteidigen, das sich in den Worten und im Schicksal des Herrn abzeichnete. Und deshalb musste Jesus das Gottesbild und das Menschenbild des Petrus korrigieren. … Wir können Gott nicht für uns benutzen; etwa damit es uns besser geht, damit wir uns freier und heiler fühlen. Gott ist nicht unser Wunscherfüller.“ (ibid.)
Gott sagt uns vielmehr durch seinen Sohn (Mt 16, 24-26a): „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen. Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt?“
Man darf das Wort von der Selbstverleugnung nicht mit Selbstentwertung verwechseln. Richtig verstanden hat die Selbstverleugnung eine unverzichtbare Bedeutung, etwa „angesichts eines verbürgerlichten Christentums und … einer Spiritualität, die Gott für das eigene Wohlergehen vereinnahmen möchte.“ (AnselmGrün)
Das griechische Wort „aparneisthai“ (sich selber verleugnen) heißt nein sagen, sich weigern. Als Jünger Jesu muss man „Nein“ sagen, wenn man nur alles haben, alles für sich benützen und sich möglichst ungeschoren behaupten möchte. Der Mensch muss Widerstand leisten gegen das Habenwollen, um nicht zu haben, sondern um zu sein, um Mensch zu sein. Damit das eigentliche Selbst sichtbar werden kann, muss man jede krampfhafte Selbstbewahrung aufgeben. Wer um sein Ich kreist, wird nie in seine Mitte gelangen.
Die rechte Selbstverleugnung, wie Jesus sie predigt, führt zu Gott und zu sich selber. Dabei muss man „die verkrampfenden und an sich raffenden Seiten der menschlichen Seele loslassen“ (ibid.) So findet man sein wahres Selbst, „das einzigartige Bild der Seele, in dem Gott selbst sich spiegelt in seiner unbeschreiblichen und unermesslichen Schönheit. Um sich selbst zu finden, muss ich mich zuerst von mir distanzieren. Ich brauche Abstand zu mir selbst, um in mir herauszuhören, was mein wahres Selbst ist und was nur Größenphantasien und infantile Wünsche sind.“ (ibid.) Dort begegne ich dann auch Gott, und verstehe, warum er auch mir das erlösende Kreuz und mit diesem Kreuz das Leiden zumutet, das mich positiv verändert und mich von meinem falschen Ich befreit und erlöst.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
Pfarrnachrichten 35/2020 (A)
Im Gebiet von Cäsaréa Philíppi hat Jesus seinen Jüngern einmal eine interessante Frage gestellt: „Für wen halten mich die Leute?“ (vgl. Matthäus 16,13)
Diese Frage ist bis heute aktuell. Denn wer nicht im Aberglauben leben möchte, dass der Mensch sich selbst genüge, wer vielmehr nüchtern und realitätsnah über sich selber Klarheit gewinnen möchte, kommt an dieser neuralgischen Frage nicht vorbei: „Wer ist Jesus?“
Bis heute antworten viele ganz ähnlich wie damals. Daran hat sich nicht viel geändert. Die Jünger zählen auf: „Die einen (halten dich) für Johannes den Täufer, andere für Elíja, wieder andere für Jeremía oder sonst einen Propheten.“ Heute wird dem – vermeintlich fortschrittlich – noch hinzugefügt, Jesus sei ein Religionsstifter, der Begründer des Christentums; … er wäre ein guter Mensch, Inbegriff echten Menschseins gewesen; … ein Weisheitslehrer; … ein Sozialrevolutionär, den die Machthaber seiner Zeit umbrachten; …“
Für die Apostel damals wohl nicht ganz unerwartet fragt Jesus sie dann: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ (ibid., 15) Anders als aus der nur beobachtenden Distanz sind sie jetzt persönlich gefragt. Jesus provoziert und fordert einen Perspektivenwechsel. Warum er das tut, liegt auf der Hand: Man kann Jesus nicht aus der Distanz verstehen; und damit auch nicht seine historische Bedeutung, sein fortwährendes erlösendes Wirken usw.
Wer etwa mit dem katholischen Glaubensbuch (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 423) antwortet: „Jesus von Nazaret, ein Jude, zur Zeit des Königs Herodes des Großen und des Kaisers Augustus von einer Tochter Israels in Betlehem geboren, von Beruf Zimmermann und während der Herrschaft des Kaisers Tiberius unter dem Statthalter Pontius Pilatus in Jerusalem am Kreuz hingerichtet, ist der menschgewordene ewige Sohn Gottes. Er ist ,,von Gott ausgegangen" (Joh 13,3), ,,vom Himmel herabgestiegen" (Joh 3, 13; 6,33), ,,im Fleisch gekommen" (1 Joh 4,2). Denn ,,das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit ... Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade um Gnade" (Joh 1,14.16)“, der zitiert zutreffend und korrekt was Christen weltweit glauben. Aber um umfassend zu verstehen, was Christen da glauben, bedarf es existentieller, und damit lebensbestimmender und lebensverändernder Erfahrungen mit Jesus.
Alles, was Christen über Jahrhunderte in unverzichtbaren Kirchlichkeit mit Jesus erlebt, was sie durchbetet und folgerichtig durchdacht haben, ist beeindruckend und überzeugend. Vieles davon ist dokumentiert. Aber aus Dokumenten und Zeugnissen versteht man Jesus nur bedingt. Wirklich verstehen kann man Jesus nur, wenn man auch selber mit und durch ihn Lebensveränderungen erfährt.
Neben vielem anderen geht es zutiefst eben auch darum im Evangelium dieses Sonntags, das die Verse 13-20 im 16. Kapitel bei Matthäus umfasst.
Jesus nennt Petrus „selig“. Warum? Seit er Jesus folgt, ist er nicht mehr nur der Fischer, wie er es vorher war. Und er ist nicht mal nur Menschenfischer, sondern ein Seliger, dem sich der himmlische Vater offenbart: „Selig bist du, Simon Barjóna; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel.“
Die seligmachende Veränderung des Petrus geht so weit, dass Jesus ihm seine Kirche und für seine Kirche die Bind- und Lösegewalt anvertraut. Eine Aufgabe, die Petrus vor seiner Begegnung mit Jesus, also als Mensch, wie er es einmal war, nicht gewachsen gewesen wäre, zumal „die Mächte der Unterwelt“ die ihm nun anvertraute Kirche „nicht überwältigen werden.“
Und für wen hältst Du Jesus? Wer ist er für Dich? Es ist nicht schwer, sich auf diesen Jesus einzulassen, der dann auch mit Dir einen seligmachenden Weg einschlagen wird.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
Pfarrnachrichten 34/2020 (A)
Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!
Nun habe wir seit dem ersten Mai in St. Pantaleon recht unbeschwert Woche für Woche zahlreiche Gottesdienste gefeiert. Die Zahl der Gottesdienstbesucher sowohl in den beiden Werktags-Messen um 12:00 und um 18:30 Uhr, wie an den fünf Sonntagsmessen hat in dieser Zeit spürbar zugenommen. Täglich sind es von Montag bis Freitag zwischen 60 und 70 Gläubige, die seitdem hier in St. Pantaleon gemeinsam Eucharistie feiern; und Samstag / Sonntag ein Mehrfaches davon.
Dabei haben wir uns zugleich sehr bemüht, mit Augenmaß, mit mikrobiologischem Sach- und nicht zuletzt mit gesundem Menschenverstand die viel befürchtete Infektionsgefahr so zu minimieren, dass ein ernsthaftes Risiko nach bestem Wissen und Gewissen zu jeder Zeit ausgeschlossen werden konnte. Bislang ist auch alles sehr gut gegangen. Dennoch bitte ich hiermit erneut ausdrücklich darum, bis auf Weiteres die jede Virus-Infektion minimierenden Regeln gewissenhaft einzuhalten.
Bislang ist alles gut gegangen, weil die Regeln im Großen und Ganzen konsequent eingehalten wurden. Aber wenn über eine längere Zeit alles gut gegangen ist, neigt man dazu, nachlässig zu werden. Da dies in den letzten zwei Wochen vereinzelt zu beobachten war, schreibe ich Ihnen diese Zeilen und bitte noch einmal alle, um solidarisches Mitwirken.
Angesichts der staatlicherseits nachgebesserten Verhaltensregeln haben nun auch wir beschlossen, das teils doch recht großzügige gehandhabte Mitbeten und vor allem Mitsingen, was unter gewöhnlichen Verhältnissen sehr erfreulich ist, geschickt und gekonnt doch wieder spürbar, aber keineswegs störend einzuschränken und ein gutes Stück zurückzufahren. Wenn, dann geht ja ein Großteil der Infektionen über die Atemwege und die Atemluft. Das konnte ja inzwischen nachgewiesen werden; vor allem auch dann, wenn die Atemluft kraftvoll ausgestoßen wird. Und das ist eben beim lauten Beten und vor allem Singen der Fall.
Darüber hinaus wäre ich dankbar, wenn sich weitere Personen dazu bereitfänden, bei den Sonntagsmessen (inkl. Samstagvorabendmesse) die weiterhin notwendigen Dienste von Empfang und Einweisung mitzutragen. Bislang wurden diese Dienste von nur ganz wenigen und immer denselben all die Wochen bereitwillig versehen. Eine Verstärkung bei diesem unverzichtbaren Dienst täte allen gut. Und es sollten für jeden Gottesdienst immer zwei Personen gleichzeitig diesen Dienst verrichten. Bislang war es immer nur eine Person. Da kam es schon mal zu Engpässen.
Am Sonntag, dem 20. September werden wir die für die größere Gruppe von 11 Kindern verschobene Erstkommunionfeier um 11:00 Uhr nachholen. Das Hochamt fällt dafür aus. Bitte besuchen Sie stattdessen die 12:15 Uhr – Sonntagsmesse; oder die Abend- oder Vorabendmesse; notfalls auch die 10:00 Uhr – Familienmesse; wenn diese nicht schon zu gut besucht ist.
Auch wenn es bereits in den Hinweisen steht, möchte ich hier noch einmal eigens zum sogenannten „Seelsorgebereichs-Forum“ einladen. Es findet für alle, die sich St. Pantaleon verbunden fühlen, am 24.9.20 in den Räumen von St. Peter, Jabachstraße 1, 50676 Köln statt. Unser Erzbischof möchte über dieses Forum möglichst viele Gläubige, denen die Zukunft der Kirche am Herzen liegt, am pastoralen Zukunftsprozess in unserem Erzbistum teilhaben und mitwirken lassen. Bitte melden Sie Ihre Teilnahme bis zum 21.09.2020 im Pfarrbüro St. Pantaleon an. Es wird sicher auch für Sie interessant und aufschlussreich.
Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
Pfarrnachrichten 32/2020 (A)
Ab-Schalten! - Wort des Bischofs vom 02.08.2020
Gerade im Home-Office haben wir uns daran gewöhnt, fast immer erreichbar zu sein. Einfach mal nicht ans Handy gehen? Fast undenkbar, es könnte ja wichtig sein. Kardinal Woelki rät dringend zu ganz bewussten Abschaltzeiten!
Ich gebe es gerne zu: Mir fällt es schwer, richtig abzuschalten! Mein Handy ist am Tag eigentlich immer "ON". Da geht es mir wie vielen anderen. Klar, das Handy ist für mich alles andere als ein Freizeitspaß. Es ist in erster Linie ein Arbeitsgerät. Aber selbst in meiner Freizeit und in den Ferien fällt mir das Ausschalten nicht immer leicht. Natürlich kann ich mir selber etwas vormachen und sagen. "Gerade ich muss doch immer gut erreichbar sein! Das Handy dient doch nur der schnellen, notwendigen Kommunikation!"
Aber mal ganz ehrlich, unter uns: Auch ich muss nicht immer "ON" sein. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass mir das bewusste Abschalten guttut. Ich kann dann endlich mal die Arbeit und viele Dinge, die mich im Alltag beschäftigen, hinter mir lassen. Gerade dieses Loslassen, dieser Abstand zu den Dingen ist wichtig für unser Leben. Denn nur mit dem nötigen Abstand gelingt es uns, Dinge richtig zu beurteilen. Wir sind dann nicht mehr selber der Mittelpunkt, um den sich alles dreht. Wir erkennen Zusammenhänge neu – und können die besseren Prioritäten für unser Leben setzen.
Ich möchte Sie daher heute einladen, in diesen Ferientagen Ihr Handy einfach mal aus zu lassen – für ein gutes Gespräch zum Beispiel mit einem Menschen, der Ihnen nahe ist. Da braucht es keine Technik. Selbst in diesen Corona-Zeiten, wo wir alle auf Abstand bleiben müssen, ist das direkte Gespräch, der Austausch, bei dem man sich in die Augen sehen kann, durch nichts zu ersetzen.
Für den Austausch mit Gott braucht es übrigens noch nicht einmal ein Handy. Gott ist immer „ON“. Immer für uns erreichbar. Jederzeit und überall ansprechbar – immer ganz da für uns. Aber vielleicht sollten wir DAS auch wirklich besser unserem Himmlischen Vater überlassen.
Wir Menschen müssen nicht wie Gott sein – schon Adam und Eva haben damit keine guten Erfahrungen gemacht. Wir Menschen, wir dürfen ruhig mal „Abschalten“.
Ihr Rainer Woelki, Erzbischof von Köln
https://www.domradio.de/video/wort-des-bischofs-239
Pfarrnachrichten 30-31/2020 (A)
Mehr Gott am Meer – Impuls unseres Erzbischofs zu den Sommerferien
In den Ferien zieht es die Menschen ans Meer. Die See ist so unvorhersehbar und verändert sich stetig - wie unser Leben. Auch das führt uns näher zu Gott.
So notwendig sie ist – manchmal nervt sie schon, diese Maske. Doch wie wunderbar ist es, dass wir uns jetzt in den Sommerferien nach all den Corona-Einschränkungen endlich wenigstens wieder etwas freier bewegen können. Viele von uns, die in diesen Tagen im verdienten Urlaub sind, zieht es ans Meer. Ganz gleich, ob die Wogen des Meeres an herrlichen Sandstränden auflaufen oder an felsigen Steilküsten – das Meer hat für uns Menschen eine magische Anziehungskraft. Gleich, ob wir auf dem Meeresboden tauchen oder uns sportlich an der Meeresoberfläche tummeln, ob wir uns allein in die kalten Fluten stürzen oder stundenlang im warmen Wasser auf der Luftmatratze liegen – Wasser begeistert schon kleinste Kinder. Wir sind fasziniert, selbst, wenn wir den Sonnenuntergang am Meer nur auf Fotos oder Postkarten sehen.
Woran aber liegt es, dass es uns Menschen immer wieder ans Meer oder gar weit hinaus auf die hohe See zieht? Hängt es damit zusammen, dass unser ganzes Leben hier auf der Erde aus dem Wasser kommt? Liegt es vielleicht daran, dass sich das Meer wie unser eigenes Leben immer wieder neu verändert? Mal ruhig, mal stürmisch, mal belebend, mal lebensbedrohlich? Es mag damit zusammenhängen. Die Weite der Ozeane und Meere erinnern uns immer auch an die Unendlichkeit. Und an unsere irdische Endlichkeit. Wenn die Sonne am frühen Morgen aus dem Meer emporsteigt oder am späten Abend tief im Westen im Meereshorizont abtaucht, spürt fast jeder von uns etwas von dieser Weite und Unendlichkeit, die uns als Menschen ganz klein werden lässt.
Wenn ich am Meer solche Momente erlebe, danke ich Gott für seine großartige, unendlich weite und schöne Schöpfung. Selbst wenn ich mich dann ganz klein und verloren fühle, denke ich an Gottes Zuspruch: "Fürchte Dich nicht, denn ich habe Dich erlöst. Ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen. Du bist mein. Hab keine Angst. Wenn Du durch Wasser gehst, will ich bei Dir sein, dass Dich die Ströme nicht ertrinken lassen… Ich, Dein Gott, bin bei Dir, bis ans Ende der Welt!"
Ihr Rainer Woelki, Erzbischof von Köln
https://www.domradio.de/radio/sendungen/wort-des-bischofs/wort-des-bischofs-140
Pfarrnachrichten 29-30/2020 (A)
Impuls unseres Erzbischofs zu den Sommerferien
… Die großen Sommerferien sind da. Nach all den Unruhen und Ausfällen aufgrund des Coronavirus ist jetzt für viele von uns eine verdiente Auszeit angesagt. Nicht nur die Schulkinder – auch viele Berufstätige freuen sich auf die … Ferien, die … für die meisten von uns sogar die „schönsten Wochen des Jahres“ sein sollen.
Doch ganz gleich, ob Sie in den Ferien verreisen oder in diesem Corona-Jahr den Sommer lieber auf dem heimischen Balkon oder im eigenen Garten verleben: Ich möchte Ihnen allen nicht einfach nur schöne Ferien wünschen. Vor allem wünsche ich Ihnen, dass die Ferienzeit für Sie wirklich eine kostbare, eine wertvolle Zeit wird.
Kostbar und wertvoll ist die Zeit zum Beispiel dann, wenn Eltern sie ganz bewusst mit ihren Kindern teilen, indem sie mit ihnen ausgiebig spielen oder auf eine spannende Entdeckungstour gehen. Kostbar ist die Zeit, die Ehepaare sich für gemeinsame Unternehmungen oder ein lange aufgeschobenes Gespräch nehmen. Wertvoll ist die Zeit, die Freunde investieren, um gemeinsam Freude oder Leid zu teilen.
Kostbar – das wissen wir, wenn wir auf unser Leben zurückblicken – waren in der Regel immer die Augenblicke, in denen wir unser Leben ganz bewusst gelebt und mit anderen geteilt haben. Wertvolle Momente, in denen wir gespürt haben, dass unser Leben ein einzigartiges, wunderbares Geschenk unseres Schöpfers ist. Stimmt schon! Unsere Zeit, die liegt in Gottes Händen. Aber es liegt auch an uns, was wir aus dieser Zeit machen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen also nicht nur eine Ferienzeit, in der Sie abschalten und ausspannen können, sondern vor allem auch eine kostbare Zeit mit vielen wunderbaren, wertvollen Momenten, in denen Sie das Leben und Gottes Gegenwart in seiner Schöpfung und im Leben der Menschen, denen Sie sich verbunden wissen, wieder neu entdecken können! Schöne und erholsame Ferien.
Ihr Rainer Woelki, Erzbischof von Köln
https://www.domradio.de/radio/sendungen/wort-des-bischofs/endlich-ferien-wort-des-bischofs
Pfarrnachrichten 27-28/2020 (A)
Im vergangenen Jahr, am 07.07.2019, spendete der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki allen Urlaubern den folgenden Reisesegen: "… Ganz gleich wie und wohin es Sie zieht, ob Sie wandern oder radeln, ob Sie entspannen oder sich auch im Urlaub Ziele setzen, ob Sie in die Ferne reisen oder in der Nähe bleiben: Ich wünsche Ihnen eine richtig erholsame Zeit. Lassen Sie einfach mal all die Sorgen des Alltags hinter sich. Ja, brechen Sie selbst dann auf, wenn Sie Ihren Urlaub zuhause verbringen.
Der Aufbruch, den ich meine, das ist der Aufbruch in ein neues, bewusstes Leben. Der kann auch in den eigenen vier Wänden gelingen. Überall, wo wir Menschen uns Zeit für uns und unsere Lieben gönnen, spüren wir, wie kostbar, wie unendlich kostbar unser Leben ist. Welches Geschenk jede Stunde Lebenszeit ist. Denn unsere Lebenszeit liegt ja nicht in unseren eigenen Händen. Sie ist eine wunderbare Zeit, sie ist geschenkte Zeit; sie ist von Gott immer wieder neu geschenkte Zeit. Eigentlich sollten wir jeden Tag unseres Lebens so bewusst leben, als wenn es unser letzter wäre – nicht nur im Urlaub.
Aber gerade jetzt in der Urlaubszeit können wir damit anfangen und unser Leben als Geschenk neu entdecken. Das wünsche ich allen, die jetzt am Beginn der 'großen Ferien' stehen. Sie alle haben dabei den besten Wegbegleiter, den es gibt: Jesus Christus. Und so segne und behüte Sie alle jetzt auf dem Weg in die Ferien der allmächtige Gott: der Vater und der Sohn und der Heilige Geist – Amen!
Ihr Rainer Woelki, Erzbischof von Köln, der Ihnen schöne Ferien wünscht!“
https://www.domradio.de/radio/sendungen/wort-des-bischofs/reisesegen-wort-des-bischofs
Pfarrnachrichten 26/2020 (A)
Pfarrnachrichten 25/2020 (A)
Pfarrnachrichten 24/2020 (A)
„Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des einzigen Sohnes Gottes geglaubt hat.“
Es sind Worte Jesu aus dem Johannes Evangelium (3,16-18). Wir hören sie an diesem Sonntag, dem Dreifaltigkeitssonntag. Diese Worte regen den Gottesdienstbesucher an, seine eigene Würde zu bedenken. Zugleich offenbaren diese Worte aber auch die Größe Gottes. Gott hat dies Welt geschaffen. Er rettet sie auch. Und das aus eigenem Entschluss und ohne von außen dazu gedrängt zu werden. Gott schafft und rettet ohne jede Notwendigkeit und – wegen seiner Dreifaltigkeit: s.u. – ganz aus sich selber heraus. Weil er selber ganz groß ist. Nichts ist größer, als er wahrhaft in seiner Dreieinigkeit.
Die zweite Person Gottes des Sohnes, die sich ganz für uns hingibt, durchschreitet als Mensch wie wir ein Stück Heimatlosigkeit und Entfremdung: In seinem Heimatort wurde er angefeindet. Angetrieben von seiner Sendung. durchwanderte er das ganze Land und hatte „keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen konnte“ (vgl. Matthäus-Evangelium 8,20). Auch er war ein „Nomade“, wie Menschen heute und zu allen Zeiten.
Dennoch wusste sich die zweite Person Gottes des Sohnes auch als Mensch ganz tief geborgen. Denn Jesus lebte als Mensch nicht aus sich selbst! Er lebte ganz aus Gott, den er „seinen Vater“ nannte. Von ihm her empfing er Rückhalt, Kraft und Geborgenheit. So war er unabhängig, nicht angewiesen auf menschliche Bindungen und auf Bestätigung durch die Anerkennung anderer. Darum konnte er ebenso gut Konflikte wagen (gerade in seiner Heimat Nazaret; vgl. u.a. Lukas-Evangelium 4,16-30!), wie Gemeinschaft aufbauen. Weil er sich selbst ganz vom Vater her empfing, konnte er sich ganz an die Menschen verschenken und allen „Mühseligen und Beladenen Ruhe verschaffen“ (vgl. Matthäus-Evangelium 11,28).
Darin besteht das Geheimnis der Person von Jesus: Seine wahre Heimat liegt jenseits der Menschenwelt – sie ist das innere Leben Gottes, das Le-en der Dreifaltigkeit! So offenbart sich in seiner Gestalt etwas vom tiefsten Wesen Gottes. Wenn wir seine Weise zu leben betrachten, verstehen wir auch deutlich mehr von dem einen Gott in drei Personen. Wir verstehen die Allerheiligsten Dreifaltigkeit dann besser.
Wir tun hier einen Blick ins Innere einer Gemeinschaft unvorstellbarer Intensität: Der Vater verschenkt sich ganz an den Sohn; der Sohn empfängt sich ganz vom Vater her. „Ich bin im Vater, und der Vater ist in mir“ (vgl. Johannes-Evangelium 14,10-11). Zwischen ihnen flutet eine Liebe, die selbst Person ist: der Heilige Geist. Er ist „das ‚Wir‘ in Person“. Nicht aus sich selbst, sondern ganz vom andern her zu leben – das ist das innere Lebensgeheimnis Gottes!
Und deshalb wirkt Gott so überraschend aus sich selber, weil er ganz vom anderen her lebt. Die Einheit des einen Gottes in den drei real voneinander verschiedenen Personen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes sprengt unsere Vorstellung. Aber in dieser Einheit liegt unser Zukunft. In dieser Einheit sind wir schon jetzt zu Hause und in bester, stärkender Gemeinschaft.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
Pfarrnachrichten 23/2020 (A)
Pfarrnachrichten 22/2020 (A)
Pfarrnachrichten 21/2020 (A)
Pfarrnachrichten 20/2020 (A)
Pfarrnachrichten 19/2020 (A)
Pfarrnachrichten 14/2020 (A)
Pfarrnachrichten 12/2020 (A)
Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!
Im Erzbistum Köln finden von diesem Sonntag (15. März) an bis Karfreitag (10. April) keine öffentlichen Gottesdienste (Hl. Messen, Hochzeiten, Taufen, Andachten usw.) statt. Damit folgt unser Erzbistum in entschlossener Mitsorge um das Wohl aller dem kommunalen Verbot jeglicher Veranstaltung im Kölner Stadtgebiet.
Zugleich werden wir mit dieser einschneidenden Maßnahme an eine elementare Christenpflicht erinnert und dazu aufgerufen. Denn die Sorge und Verantwortung um das Wohl aller gehören unverzichtbar zum christlichen Glauben. Zurzeit gilt, die gegenwärtige Herausforderung beispielhaft und aus tiefster Überzeugung solidarisch auch dann mitzutragen, wenn einem manches in der Seele sehr weh tut.
Sonntagsmesse und Sonntagspflicht
Von daher werden alle Gläubigen gebeten, Gottesdienstübertragungen in Fernsehen, Radio oder Internet zu verfolgen. Hierzu finden Sie eine Übersicht u.a. auf der Internetseite des Erzbistums: https://www.erzbistum-koeln.de/presse_und_medien/magazin/Live-Uebertragungen-der-Hl.-Messe-an-Sonntagen-und-Werktagen/.
Die „Sonntagspflicht“, gemäß der alle Katholiken der Weisung der Kirche folgend sich letztlich selber dazu verpflichten, an allen Sonn- und gebotenen Feiertagen der Feier der Eucharistie (Heilige Messe) „andächtig beizuwohnen“, ist in dieser Ausnahmesituation nach alter Tradition und kirchenrechtlicher Regelung „aus schwerwiegenden Gründen“ ausgesetzt.
Die private Zelebration der Priester bleibt unverändert erlaubt und ist gegenwärtig als stellvertretender Vollzug besonders empfohlen.
So werden auch in St. Pantaleon – der Regelung in der Bischofskirche, unserem geliebten Dom folgend – ab sofort keine heiligen Messen unter physischer Anwesenheit von Gläubigen stattfinden. Selbstverständlich werden wir Priester für die Gläubigen und die Welt die heilige Messe auch weiterhin täglich feiern.
Die 12:00 Uhr Mittags-Messe jeweils am Montag in St. Pantaleon – und womöglich weitere Heilige Messen an anderen Tagen – wird wie bislang über KTV (https://k-tv.org/programm) weltweit übertragen. Auch diese Heiligen Messen mit einer Kurzpredigt können Sie am Bildschirm mitfeiern. Bis zum 10. April wird sie von nun an allerdings ebenfalls ohne physische Anwesenheit von Gläubigen gefeiert. Deshalb wird die Kirche in dieser Zeit geschlossen bleiben. Von daher ist ein Besuch der Kirche in diesem Zeitfenster nicht möglich.
Darüber hinaus wird St. Pantaleon „zu den gewohnten Zeiten in der je üblichen Weise und unter Beachtung der bekannt gemachten Hygieneregeln für das persönliche Gebet geöffnet bleiben. Hierbei sind in jedem Falle die jeweils geltenden amtlichen Verfügungen (z.B. Versammlungsbeschränkungen oder –verbote) maßgeblich.“ (zitiert aus der Pressemittelung des Kölner Erzbistums vom 14. März 2020, 17:43)
Sakramenten-Empfang: Beichte und Kommunion
Die Beichte wird wie bislang (s. Pfarrbrief) angeboten. Allerdings nicht im Beichtstuhl, sondern offen bei entsprechendem Abstand und bis auf Weiteres in der Taufkapelle. Bis auf weiteres bleibt auch das Pfarrbüro wie gewohnt erreichbar. Alle anderen Veranstaltungen werden ersatzlos verschoben und fallen auch weiterhin bis zum 10. April aus.
Dass die Kommunion nur noch im schweren Krankheits- und Sterbefall gereicht werden soll, ist in diesen Umständen besonders schmerzhaft. Denn die Kommunion ist nach dem Wort des urchristlichen Märtyrerbischofs Ignatius von Antiochien (+112) „Pharmazie der Unsterblichkeit“. Also eine Arznei par excellence, die gerade auch heute vielen sehr gut tun und sie nicht nur in der Seele, sondern in der Folge dann auch in ihrem Leib heilen würde.
Sehen Sie darin bitte eine wunderbare Chance, im Glauben zu wachsen und die ganz persönliche Verbundenheit mit Gott durch das Gebet und die sogenannte „geistige Kommunion“ zu suchen.
Mein Nachbarpfarrer und guter Freund hat zur gegenwärtigen Lage geschrieben: „Es tut ja gut, dass die Absagen Verlustschmerz hinterlassen. … In all dem wage ich – nicht zur Schmerzverweigerung – diese Situation als eine geistliche Herausforderung zu sehen und anzunehmen. Ich weiß im Moment nicht, was der Geist uns mit diesem Verzicht auf Gottesdienstfeiern in der Gemeinschaft sagen will. Vermutlich wird sich uns bei einiger geistlicher Wachsamkeit etwas zeigen. Das ist die Einladung an uns …, dass wir alle uns wach halten für das, was der Geist uns für die Zwischenzeit mit auf den Weg gibt." Das ist wunderbar, und gerne gebe ich das so weiter!
Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
Pfarrnachrichten 11/2020 (A)
Pfarrnachrichten 10/2020 (A)
Die Fastenzeit hat in der katholischen Kirche eine lange Tradition. Ursprünglich fiel der erste Fastentag auf den 6. Sonntag vor Ostern. Papst Gregor der Große (590-604) verlegte den Beginn auf den davorliegenden Mittwoch, um die Sonntage als „Tag des Herrn“ von der Fastenzeit auszunehmen. So beläuft sich die Zeit exakt auf 40 Tage.
Die 40 Tage erinnern an den Zeitraum, in dem Jesus nach dem Zeugnis der Schrift (vgl. Mt 4, 1-11) in der Wüste gefastet hat. In der österlichen Bußzeit bereiten sich die Gläubigen durch Besinnung auf den Glauben, Reduzierung auf das Wesentliche und durch Sühne für begangene Schuld auf das Osterfest vor. Es ist das höchste Fest im Kirchenjahr. Die innere Einkehr und die Nachfolge Jesus in seinem Fasten stehen dabei im Vordergrund.
In einem berühmten Karnevalslied heißt es: „Am Aschermittwoch ist alles vorbei“ und das närrische Treiben geht zu Ende. Das Ende des Straßenkarnevals markiert also gleichzeitig den Beginn der christlichen Fastenzeit. Das hat seinen Grund darin, dass der Ursprung des Karnevals in der nahenden Fastenzeit liegt. Die Menschen wollen – als Tradition besonders ausgeprägt im Rheinland – vor der Fastenzeit die Freunde des Lebens noch einmal zünftig würdigen. Das Wort "Karneval" kommt wahrscheinlich aus dem Lateinischen und bedeutet "Carne vale", also "Fleisch - lebe wohl". Von daher abgeleitet gibt schon das Wort "Karneval" selber einen guten Hinweis auf den eigentlichen Sinn dieser Tage.
Die Tradition, an Aschermittwoch ein Aschekreuz auszuteilen, geht in das 10. Jahrhundert zurück. Am Aschermittwoch wird die Asche im Gottesdienst vom Priester gesegnet und mit Weihwasser vermengt. Mit den Worten „Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst" oder alternativ die Worte Jesu: "Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium" (Mk 1,15b) malt er den Gläubigen das Aschekreuz auf die Stirn.
Die Asche kann auch in Form eines Kreuzes auf den Kopf gestreut werden. Auch Laien können bei der Ausgabe des Aschekreuzes mithelfen, wenn sie vom Ortspfarrer dazu beauftragt worden sind, da es sich nicht um ein Sakrament handelt.
Und woher kommt die Asche für das Aschekreuz? Seit dem 12. Jahrhundert wird die Asche bis heute durch das Verbrennen von den Palmzweigen vom Palmsonntag aus dem letzten Jahr erzeugt. Die Asche steht dabei stellvertretend für die Vergänglichkeit und die Reinigung der Seele, da Asche ab dem Mittelalter auch als Reinigungsmittel genutzt wurde.
An Aschermittwoch und an Karfreitag, zum Beginn und zum Ende der Fastenzeit, gibt es traditionell das „Fischessen“, zu dem sich viele Karnevalsjecken treffen. Fisch – besonders Hering – war früher ein „Arme-Leute-Essen“ und im Gegensatz zu anderen Speisen sehr günstig. Und man verzichtet ganz auf Fleisch. Diese beiden Tage gelten als strenge Fast- und Abstinenztage. Sie heben sich damit von der übrigen 40-tägigen Fastenzeit ab.
Die kirchliche Fast- und Bußordnung ordnet für alle an – sofern sie das 21. Lebensjahr vollendet und das 60. noch nicht begonnen haben, und soweit nicht Krankheit etwas Anderes gebietet –, am Aschermittwoch und Karfreitag nur eine volle Mahlzeit einzunehmen. Darüber hinaus sind zwei kleine Stärkungen gestattet.
Für die Fastenzeit selber gibt es viele Möglichkeiten, ihr gerecht zu werden. Die wohl beliebteste Variante ist der Verzicht auf Genussmittel wie Kaffee, Alkohol, Süßigkeiten oder Zigaretten. In der jüngeren Vergangenheit kam es in Mode, elektronischen Geräten wie dem Fernseher oder dem Smartphone zu entsagen. Auch „Autofasten“ oder „Plastikfasten“ liegen im Trend. Aus christlicher Perspektive bleibt entscheidend, dass das eigentliche Ziel des Fastens nicht aus dem Blick gerät: die innere Vorbereitung auf das Osterfest.
Über die Fastenzeit hinaus soll jeder Gläubige das ganze Jahr über jeden Freitag im Gedenken an den Tod Jesu ein Opfer bringen.
Pfarrnachrichten 09/2020 (A)
Im Evangelium dieses Sonntags drängt Jesus mit großer Entschiedenheit alle Menschen guten Willens, selbst da keine Gewalt anzuwenden, wo einem Unrecht widerfährt (Mt 5, 38-48): „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin. Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel. Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm.“
Dieses Drängen, alles mit und durch Gewaltlosigkeit zu klären, gipfelt in der finalen Aufforderung zur Feindesliebe: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet.“
Sein Recht um jeden Preis durchsetzen ist nicht das Beste. Das wissen wir alle. Denn vielleicht fügt man altem Unrecht neues hinzu. Und man nährt den Hass. Natürlich scheint es erste einmal vernünftig, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Aber nur solange, wie Gott durch seine Menschwerdung noch nicht so nahe war wie jetzt. Was einst sogar für das Volk Gottes, für Israel galt, kann jetzt dem weltweiten Volk Gottes, den Christen nicht mehr als der Wille Gottes gelten.
Das neue Gebot Jesu heißt lieben ohne Wenn und Aber, ohne einschränkenden Vorbehalt, einfach bedingungslos. Wer es fertig bringt, auf sein Recht ohne Bitterkeit zu verzichten, gewinnt damit etwas Größeres: die Freiheit und den Frieden; im Äußersten die Freiheit und den Frieden in Gottes Ewigkeit. Deshalb hat Jesus vorgezogen, brutalste Grausamkeit und infame Ungerechtigkeit zu ertragen und das irdisch schmachvolle Kreuz auf sich zu nehmen: dem Willen des göttlichen Vaters gemäß und gegen sein abgrundtief bedrängendes Leiden (vgl. Lk 22,41-44). Mit diesem Hintergrund ist Jesus bewusst und freiwillig in den dann unvermeidlichen Tod gegangen, auf den die Auferstehung folgte.
Diese freie Entscheidung des Gottmenschen Jesu hat seinen letzten Grund in Gottes eigenem Wesen und Verhalten. Gott liebt bedingungslos, absolut und uneigennützig. Kritiker mögen einwenden: Wenn Gott alles hat, wie ihr Gläubige behauptet, und ihm weder seine Schöpfung noch sonst etwas einen Mehrwert bringt, dann ist die selbstlose Liebe für Gott auch ganz leicht. Und ebenso leicht ist es für euch Gläubige, das so zu behaupten. Aber für uns irdische Menschen ist und bleibt das Illusion und weltfremde Träumerei. Als Menschen, so wie wir nun mal sind, bleiben wir auf einen Mehrwert durch unser Tun und Leisten angewiesen. Deshalb müssen wir uns auch unser Recht erkämpfen.
Dem hält der Gläubige kraftvoll mit der Heiligen Schrift entgegen, dass schon das Alte Testament, unter anderem das Buch Levitikus (vgl. die erste Lesung von diesem Sonntag), eine Sammlung von Gesetzen enthält, die man unter dem Namen „Heiligkeitsgesetz“ zusammenfasst (Kap 17-25).
Das Volk Israel ist „heilig“, weil es Gott geweiht ist, ihm in besonderer Weise gehört, und zwar vom Anfang seiner Geschichte her. „Ich bin Jahwe, euer Gott, der euch aus Ägypten herausgeführt hat“ (Lev 19,36). Daraus ergeben sich Folgerungen für das Leben dieses Volkes: für die Nächstenliebe nämlich. Der „Nächste“ war zunächst der Angehörige des eigenen Volkes, der „Bruder“. Ihn lieben heißt: ihm Gutes wollen und Gutes tun.
Jesus hat daraufhin das alte Gesetz vertieft und seinen eigentlichen Sinn verdeutlicht. Nicht nur den Nächsten, den „Bruder“, den Angehörigen des eigenen Volkes, sondern auch den Feind soll man lieben.
Das ist jetzt auch möglich, weil jeder Gläubige und die ganze Gemeinde Christi lebendige Tempel Gottes sind (vgl. 1 Kor 3, 16-23; die zweite Lesung von diesem Sonntag): „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ Gott wohnt nun nicht mehr in den Tempeln aus Stein, in den keiner hineindurfte. Sonst war man des Todes.
Gott wohnt nun in jedem, der es zulässt und sich nach Gott sehnt. Das verändert grundlegend: „Denn Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr.“ Nun kann der Heilige, der durch Gott in seinem ganzen Sein Verwandelte, so wie Gott lieben. Von daher kann Paulus scheinbar vermessen und völlig abgehoben, aber im Leben eines Gläubigen handfest erfahrbar und überwältigend real erklären: „Keiner täusche sich selbst. Wenn einer unter euch meint, er sei weise in dieser Welt, dann werde er töricht, um weise zu werden. Denn die Weisheit dieser Welt ist Torheit vor Gott. … Der Herr kennt die Gedanken der Weisen; er weiß, sie sind nichtig. Daher soll sich niemand eines Menschen rühmen. Denn alles gehört euch. … Welt, Leben, Tod, Gegenwart und Zukunft: alles gehört euch; ihr aber gehört Christus, und Christus gehört Gott.“
Damit schließt sich der Kreis. Die grenzenlos selbstlose Liebe wird im Verzicht auf vorschnelle Gegengewalt oder rein irdischer Logik durch die Gegenwart Gottes im Tempel, der wir selber sind, bereits in diesem Leben möglich und als erfüllend, befreiend und beglückend erfahrbar.
Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
Pfarrnachrichten 08/2020 (A)
Von seinem Wesen her wünscht ein jeder, frei zu sein. Zugleich erfahren wir, dass unserem Wunsch nach Freiheit klare Grenzen gesetzt sind. Keiner kann sich ganz frei in die Luft und darüber hinaus in die Weite des Alls begeben, auch wenn einem danach ist. Gerader dieser Wunsch nach grenzenloser Freiheit, den jeder von Kindheit an in sich verspürt, ist zugleich interessant und weiterführend.
In dieser Linie liegt dann auch die folgende Annäherung an das, was Freiheit ist: „Der ist ein freier Mensch, der tun und lassen kann, was er will.“ Da ist viel Wahres dran. Es trifft den Kern von Freiheit aber nur, wenn man richtig versteht, was „wollen“ und „können“ bedeuten.
Die Fülle richtig verstandenen „Wollens“ und „Könnens“ hat nämlich mit Gehorsam zu tun. Und zwar so sehr, dass zur Freiheit immer und unbedingt auch Gehorsam gehört. Ohne Gehorsam gibt es keine Freiheit. Denn frei ist der Mensch nicht nur, wenn er „tun und lassen kann, was er will“, sondern wenn er auch zugleich das zu tun vermag, was er nicht will, ihm aber im Gehorsam nachkommt, weil es das Gebotene ist. Dann will man also, und kann es dann auch – weil man frei ist –, was man zuerst nicht wollte.
Wer nicht gehorcht, der wird nie wirklich frei. Der bleibt ewig Sklave seiner Launen, Triebe und Impulse. Eine solch vermeintliche Freiheit ist in Wirklichkeit Willkür, und hat mit Freiheit wenig, am Ende gar nichts zu tun. Willkür will der Mensch, da er frei sein möchte, eben nicht. Es gibt also keine Freiheit ohne Gehorsam!
Der für die Freiheit notwendige Gehorsam bezieht sich auf die Wirklichkeiten des Lebens. Und da kann und darf ich nun mal nicht alles. Tue ich es dennoch, verliere ich meine Freiheit und womöglich die Grundlage meines Lebens. Genau hier haben die Gebote – richtig formuliert und erkannt – ihren Platz. Sie spielen eine segensreiche und wichtige Rolle bei der Selbstformung, die bis zum Lebensende andauert. Die Gebote verpflichten nämlich auf die Wirklichkeiten des Lebens.
Du sollst nicht töten. Du sollst nicht die Ehe brechen und somit auch deiner Sexualität nicht wirklichkeitsfremd – also lieblos und unfruchtbar – freien Lauf lassen. Du sollst nicht stehlen. Du sollst nicht lügen und somit auch sich selber ehrlich bleiben und sich nicht von dem entfernen, was man als Gegebenes und Gebotenes vorfindet.
Im Sonntagsevangelium (Mt 5, 17-37) dieser Woche sagt Jesus (ibid., 17): „Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen.“ Und er hält dazu an, dass unsere Gerechtigkeit weit größer sein muss (ibid., 19) „als die der Schriftgelehrten und Pharisäer.“ Andernfalls „werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“
Hier schließt sich der Kreis für unsere kurze Darlegung. Denn frei ist nicht jener, der seine Ehe einfach weiterlaufen lässt, aber mit dem Herzen längst woanders ist. Deshalb sagt Jesus im Evangelium dieses Sonntags (ibid., 28): „Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.“
Frei ist hingegen jener, der dem für ein ganzes Leben gegebene Wort – und der damit gemeinten Person – treu bleiben will und es auch kann, weil er ein Leben lang an der dafür notwendigen Freiheit arbeitet, dass er es jederzeit kann.
Das ist vergleichbar mit einem Kind, das man nicht auf Probe zeugen und zur Welt bringen kann. Die Entscheidung für ein Kind lässt sich so wenig rückgängig machen wie die Entscheidung für einen Menschen, mit dem man ein Leben lang zusammenbleiben will. Dafür ist es dann nötig, ein Leben lang daran zu arbeiten, sich die Freiheit dieser seiner Lebensentscheidung nicht nehmen zu lassen.
In dieser Freiheit und in diesem Gehorsam der gebotenen Wirklichkeit gegenüber kann sich jene Liebe entwickeln, die als Grundlage von Anfang bis Ende Jesu Bergpredigt durchzieht (ibid., 34a; 37): „Ich aber sage euch: Schwört überhaupt nicht. Euer Ja sein ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen.“
Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
Pfarrnachrichten 06/2020 (A)
Pfarrnachrichten 05/2020 (A)
„Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf.“ (Jes 8,1) Dieses biblische Wort hören wir an diesem Sonntag gleich zweimal. Das erste Mal in der alttestamentlichen Lesung. Und das zweite Mal im Evangelium (vgl. Mt 4,16).
Dem Evangelisten Matthäus scheint es ein dringendes Anliegen zu sein, die alttestamentlichen Worte als durch Jesus Christus erfüllt zu deuten. „Es sollte sich erfüllen“, lesen wir bei ihm, „was durch den Propheten Jesaja gesagt worden ist“ (ibid.,14). Und er gibt, eng an Jesaja angelehnt, dessen Prophezeiung als Geschehenes wieder: „das Volk, das im Dunkel lebte, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen.“ (ibid.,16)
Im Folgenden legt Matthäus anschaulich dar, was dies bedeutet. Ganz grundsätzlich und noch sehr allgemein gibt er zuerst Jesus Worte wieder, die Jesus am Anfang seines nun beginnenden öffentlichen Auftretens und Wirkens predigte: „Von da an begann Jesus zu verkünden: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.“ (ibid.,17)
Daraufhin wird es sehr konkret und anschaulich zugleich. Matthäus berichtet: „Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und seinen Bruder Andreas; sie warfen ihre Netze in den See, denn sie waren Fischer. Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm.“ (ibid.,18-20)
Petrus und Andreas waren zwei gestandene Männer. Es spricht manches dafür, dass Petrus in einem Kleinunternehmen mehreren Fischerei-Mitarbeitern vorstand. Er hatte also Rang und Namen, trug Verantwortung für seine Mitarbeiter und war in Kafarnaum gut eingeführt. Da ist es schon überraschend, dass er und sein Bruder „sofort“ ihre Netze liegen ließen und ihm, dem Herrn auf der Stelle folgten. Ähnliches ereignete sich kurz darauf.
Als Jesus „weiterging, sah er zwei andere Brüder, Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren mit ihrem Vater Zebedäus im Boot und richteten ihre Netze her. Er rief sie, und sogleich verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten Jesus.“ (ibid.,21f) Wie Petrus und Andreas waren auch Jakobus und Johannes gut etabliert. Sie hatten ein sicheres und gutes Einkommen. Dennoch verlassen sie ebenfalls „sogleich“ nicht nur ihren festen Arbeitsplatz, sondern darüber hinaus auch ihren Vater. Ähnlich wie Petrus ja auch seine Frau „verlassen“ hat. (vgl. Mt. 8,14 usw.)
Von daher lässt sich nun gut erklären, was genau Jesus allgemeingültig an den Anfang seines Predigens und Wirkens stellt: „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.“ Und es lässt sich auch erklären, warum Matthäus Jesu erstes Auftreten und die dabei eingeschlagene Richtung und Weichenstellung für alles Folgende als nun eingetretene Erfüllung der Voraussage bei Jesaja (s.o.) deutet. Ich möchte es wie folgt erklären.
Man beginnt als Christ erst dann christlich zu leben, wenn man sein Leben mit Gottes Hilfe daraufhin prüft, ob irgendetwas im eigenen Leben dem Wort Jesu und damit der Nähe Gottes entgegensteht. Seien es bestimmte Launen, eine Tätigkeit oder Arbeitshaltung, bestimmte Kontakte oder Lebensvollzüge, die in sich nicht einmal böse sein müssen. Bis hin zu allem, was in sich eher schlecht und zugleich böse ist: Übereifer oder Faulheit, Bequemlichkeit, Gleichgültigkeit, Unehrlichkeit … oder was auch immer.
Man beginnt also als Christ zu leben, wenn mit der Aufforderung Jesu „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe“ die Frage zugelassen wird, was im eigenen Leben Gottes Nähe behindert und ihr entgegensteht. Und man daraufhin – auch wiederum mit Gottes Hilfe – sich so schnell davon löst – oder es zumindest versucht; und mit Gottes Hilfe wird es überraschend gut gelingen –, wie die Apostel ihr Bisheriges „sofort“ und „sogleich“ verlassen haben.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
Pfarrnachrichten 03/2020 (A)
Pfarrnachrichten 02/2020 (A)
Die Geschichte der Heiligen Drei Könige gehört mit zu den bekanntesten biblischen Erzählungen (Mt 2,1-12). Wohl auch, weil sie den Reiz des Geheimnisvollen in sich trägt. Dazu gehört die Faszination, dass ein Stern einer Gruppe Auserwählter den Weg weist. Und die Auserwählten sind nicht irgendjemand. Es sind Kluge und Weise, die Ansehen genießen und in ihrem Leben gewöhnlich gut zurechtkommen.
Der Stern führt sie über ihre von Natur gegebenen Möglichkeiten hinaus, wobei sich die Auserwählten klug und weise führen lassen. Ihr außergewöhnliches Verhalten lässt sie schließlich Gottes übergroßen Segen erfahren. Und dadurch werden sie auch selber für andere zum Segen.
In Jerusalem, der damaligen Hauptstadt Israels angekommen, fragen Sie nach dem neugeborenen König der Juden. Noch wissen sie nichts vom abgründigen Alleinanspruch des Herodes, der sich am Ende in der widerlichen Ermordung unschuldiger Kinder entlädt. Schlimm ist auch das Verhalten der Hohepriester und Schriftgelehrten. Obwohl sie nun wissen, dass der "Hirt des Volkes Israel" in Bethlehem, in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft geboren wird, bleiben sie einfach zu Hause.
Die Geschichte hat auch mit uns zu tun. Einem jeden ist ein "Stern" beschieden. Gott gewährt auch uns ein gutes Maß weiser Klugheit. Er schenkt darüber hinaus in Anderen und in Ereignissen wunderbare Anhaltspunkte, um den eigenen Weg zu finden: Einen Weg, den er uns bereitet hat, und den wir für uns aus eigener Kraft passender und schöner nicht finden können. Dafür müssen wir es jedoch so machen, wie die "Sterndeuter aus dem Osten".
Sie begeben sich auf den Weg. Sie fragen und lassen sich helfen. Dabei bedient sich Gott sogar derer, die in ihrem Leben enttäuschend und auch erschreckend scheitern. Anders als diese gehen die drei Könige vor dem göttlichen Kind in die Knie. Sie beten den wahren Gott an. Deshalb können sie auch dem Stern folgen, der sie am Ende punktgenau ins Ziel führt. Und sie wurden auf ihrem Weg bis dorthin von sogar "sehr großer Freude erfüllt", wie es wörtlich im Evangelium nach Matthäus (ibid., Vers 10) heißt.
Zu guter Letzt haben sie mit Gottes Hilfe den Mut und die Kraft, ihnen inzwischen bekannte, aber unheilbringende Wege fortan zu meiden. So suchen und finden sie souverän andere Wege, auf denen sie ankommen und ihr Ziel, schließlich ihr endgültiges Zuhause sicher erreichen.
Nun ist es an uns, die Heiligen Drei Könige als zutiefst gottverbundene Friedensbringer in ihrer Kraft und Segen spendenden Lebensweise auch für uns persönlich zu entdecken.
(Pfr. Dfr. Volker Hildebrandt)