Pfarrnachrichten 53/20 + 01/21 (B)

Weihnachten 2020

Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht; über denen, die im Land des Todesschattens wohnten, strahlte ein Licht auf.

Denn ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt. Die Herrschaft wurde auf seine Schulter gelegt. Man rief seinen Namen aus: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens.“ (Jes 9,1.5)

Dieses alttestamentliche Wort ging bei der Geburt Jesu in Bethlehem für immer in Erfüllung.

In diesem Glauben verankert wünschen wir uns gegenseitig, dass wir das Große und Erfüllende erleben, welches Gott allen Menschen seines Willens zuteilwerden lässt.

Von Herzen wünsche ich Ihnen gnadenreiche Weihnachtstage und Gottes reichen Segen im kommenden Jahr

Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

 

Pfarrnachrichten 52/2020 (A)

Geburt Christi - Detail Klaren-Altar im Kölner Dom

Am Sonntag vor Weihnachten begegnet uns im Gottesdienst die Mutter Jesu, wie der Evangelist Lukas (1,26-38) sie uns näherbringt. „Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe.

Maria erschrak nicht über die Ankunft des Engels, sondern über den Gruß. Das Heilige war ihr also vertraut. Daraus lässt sich ableiten, dass sie eine betende Frau war. Denn das Beten ist die Tür, durch die hindurch das Große und Heilige Gottes zu uns Menschen kommt. Was einem dabei zuteilwird, ist erhebend wie gleichermaßen unfassbar. Zugleich wird einem das unfassbar Heilige dadurch vertraut.

Der Engel macht dies Maria kund. Und Maria ist darüber „erschrocken“: Sie ist die „Begnadete“, die Auserwählte Gottes. Der Herr mag sie. Er ist mit ihr. Und er hat gemeinsam und exklusiv mit ihr etwas Besonderes vor.

Wie Maria, so erfährt es jeder, der betet. Weihnachten bringt uns also auch das rechte Beten und die unverzichtbar an das Beten geknüpfte göttliche Erwählung eines jeden näher: „Ihr seid Gottes Volk“. Euch hat Gott erwählt. Er will bei Euch sein. Und er will gemeinsam mit und an Euch Großes tun (vgl. Lk 1, 48f).

Diese göttliche Erwählung, dieser Ruf Gottes, verleiht unserem menschlichen Dasein schon in dieser Welt etwas Ewiges. Und das, obwohl wir begrenzt sind, uns irren und verfehlen. Und auch trotz zahlreicher Schwierigkeiten, denen wir auf unserem Weg ins himmlisch Ewige ausgesetzt bleiben.

Dieser Erwählung, dieser Ruf Gottes ist dauerhafte Gnade. Sie ist also weit mehr als ein frommer Weihnachtgedanke, der mit dem Abschmücken des Baumes wieder verflogen ist. Die Erwählung durch Gott schenkt eine neue Sicht des Lebens. Sie lässt sich mit einem außergewöhnlichen, einem ganz neuen Licht vergleichen, das Gott in uns entzündet.

Der Ruf Gottes ist ein himmlischer Impuls, eine vitale Kraft, die alles mit sich nach oben zieht. Ruf und Erwählung sind Gnade, die das ganze Leben umfasst und als Licht und Kraft erfahren werden. Als ein Licht, das den Weg sehen lässt. Als eine Kraft, die ihn gehen lässt. Der von Gott bereitete und uns zugedachte Weg ist ein irdischer Weg, der in die Verwandlung und Umgestaltung in das unsterblich Heilige führt. Ein Weg, den Gott bereitet hat; den er uns entdecken und mit seiner Hilfe gehen lässt.

Der Ruf Gottes ist allem voran Gnade. Gnade ist immer die erste Ursache. Aber in der Berufung kommen Gottes Gnade und die Großzügigkeit des von Gott Gerufenen zusammen. Dabei wirken Gott und Mensch in voller Freiheit gemeinsam und zusammen.

Durch Gottes Gnade wird unserer Freiheit nicht genommen. Sie wird nicht aufgehoben oder außer Kraft gesetzt. Im Gegenteil: Durch Gottes Gnade findet die Freiheit des Menschen ihre wahre Vollendung; und damit der Mensch sich selber.

Im „Ja“ des Menschen zu Gottes Wort und zu seinem Ruf spielt die Freiheit des Angesprochenen und des Gerufenen eine entscheidende Rolle. … Warum? … Weil der Angesprochene den von Gott empfangenen Ruf in voller Freiheit als seine Berufung annimmt. Und weil er dann gemeinsam und im Einvernehmen mit Gott aus der ihm als Mensch möglichen Freiheit seine Erwählung und Berufung selber voll und ganz mitgestaltet.

So kommen das Reich Gottes und sein Wille, der geschehen soll, hinein in die Welt und in die Mitte unser Leben als das, was und wie auch wir es eigentlich wollen. Gottes Reich ist dann auch unser Reich; und sein Wille, was auch wir von ganzem Herzen wollen.

Als Folge dieser Symbiose ist „Friede bei den Menschen seiner Gnade“, wie es im Weihnachtsevangelium (Lk 2,14) heißt. Ein Friede, wie er allein durch die begrenzten Möglichkeiten des Menschen bislang nie war, und wie er ohne das Große und Heilige Gottes auch nie sein wird.

Vor allem auch darüber ist Maria „erschrocken“: über den Frieden Gottes, der alle irdischen Maßstäbe und die kühnsten Träume der Menschen übersteigt. Und sie ist dafür die auserkorene Botschafterin, die Gottes Friede nicht nur verkünden, sondern selber erfahren und im menschgewordenen Sohn Gottes allen Menschen guten Willens weitergeben und vermittelnd schenken darf.

Ein gnadenreiches und frohes Weihnachtsfest!

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 50/2020 (A)

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon, zwischenzeitlich hat die Anmelde-Phase zu den Weihnachtsgottesdiensten an Heiligabend und am ersten Weihnachtsfeiertag begonnen. Der tägliche Empfangsdienst bei den Gottesdiensten gibt gerne weitere Auskunft dazu. Soweit nötig, ist er Ihnen auch gerne behilflich.

Alle Details über die am 24. und 25.12. notwendige Vorab-Anmeldung zu den Gottesdiensten finden Sie auch auf unserer Homepage.

Und nun empfehlen ich Ihnen gerne zur adventlichen Besinnung den folgenden Abschnitt aus einer Advents-Predigt des Heiligen Bernhard von Clairvaux († 1153). - Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

Wie groß ist er, der in die Welt kommt

Liebe Brüder, der Name Advent ist wie der aller übrigen Feste in der Welt hinreichend berühmt und bekannt. Mit seiner (tatsächlichen) Bedeutung könnte es jedoch anders sein. Denn die unglücklichen Kinder Adams haben es aufgegeben, nach Wahrheit und Heil zu forschen. Sie suchen nach hinfälligen und vergänglichen Dingen. Mit wem sollen wir die Menschen dieser Generation vergleichen, die sich nicht von irdischem und leiblichem Trost losmachen und trennen können? Wahrhaftig, sie gleichen Menschen, die in Gefahr sind zu ertrinken. Man sieht, wie sie sich zu halten versuchen und um keinen Preis das Erste und Beste loslassen wollen, das ihnen in die Hände geraten ist, was immer es ist und wenn es auch in keiner Weise helfen kann, z. B. Wurzeln von Pflanzen und ähnliches. Kommt ihnen jemand zu Hilfe, so packen sie ihn manchmal und klammern sich an ihn, so dass er weder sich noch sie retten kann. So gehen diese Unglücklichen auf dem großen und weiten Meer zugrunde. Sie sind hinter dem Vergänglichen her und verlieren das Unvergängliche, das sie ergreifen müssten, um auftauchen und ihr Leben retten zu können. Denn nicht vom Vergänglichen, sondern von der unvergänglichen Wahrheit heißt es: "Ihr werdet sie erkennen, und sie wird euch befreien." (1 Joh 8,32)

Liebe Brüder, ihr seid die Kleinen, denen Gott offenbart, was er den Weisen und Klugen verborgen hat. (Vgl. Mt 11,25) Verweilt in eifrigem Nachdenken bei dem, was wirklich dem Heil dient. Überlegt, was dieser Advent bedeutet. Fragt auch, wer da kommt, woher und wohin, wozu und wie er kommt. Eine solche Wissbegierde ist sicher lobenswert und heilbringend. Die ganze Kirche würde den gegenwärtigen Advent ja nicht mit solcher Hingabe feiern, wäre in ihm nicht ein so großes Geheimnis verborgen. Zuallererst sollt ihr mit dem Apostel in Staunen und Bewunderung schauen, wie groß der ist, der (in die Welt) eintritt. Er ist nach dem Zeugnis des Gabriel "der Sohn des Höchsten" (Lk 1,32) und somit selbst der Höchste mit dem Vater; denn es wäre unrecht, auch nur zu denken, der Sohn Gottes sei geringer (als der Vater).

 

Pfarrnachrichten 48/2020 (A)

Jüngste Gericht - Stephan Lochner

Mit dem Christkönigsfest an diesem Sonntag enden die sogenannten Sonntage im Jahreskreis. Damit geht auch das Lesejahr „A“ zu Ende. Passend zum Hochfest wird als Evangelium Jesu Rede von seiner Wiederkunft verkündet, wie Matthäus sie im 25. Kapitel, Verse 31-46 überliefert.

In dieser Rede erschließt uns Gott den Sinn der ganzen Schöpfung, und damit auch das Ziel unseres Lebens. Als Christen bekennen wir dies, verdichtet und auf den Punkt gebracht im Glaubensbekenntnis, wenn wir Sonntag für Sonntag sprechen: „Ich glaube … an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben“.

Mit unserem irdischen Tod beginnt der immerwährende und nie mehr endende Abschnitt unseres Daseins, in dem sich erfüllt, woraufhin wir gelebt haben. Dieser Abschnitt beginnt mit einer Trennung. Der sterbliche Leib wird zurückgelassen. Die Person aber besteht fort mit allem, was dann ohne Leib sein kann: mit all ihren Erinnerungen, ihren Taten oder Unterlassungen, ihrer Liebe oder Ablehnung. Und sie erfasst ungetrübt von aller leiblichen Bedingtheit, was sie aus sich selber gemacht hat: mit Gott oder ohne ihn; im Sinne Gottes oder gegen ihn.

Und dann kommt irgendwann, nur Gott kennt diese Stunde, das Ende für alle und alles. Von da an wird die uns bekannte materielle Schöpfung mit ihren Abläufen nicht mehr sein. Ob es der Moment sein wird, wo der Kosmos „thermodynamisch“ erschöpft ist, oder ob Gott dem Universum ein vorzeitiges und anderes Ende bereiten wird, wissen wir nicht. Es beginnt dann aber für immer etwas Neues und Anderes. Die Heilige Schrift spricht von „einem neuen Himmel und einer neuen Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr.“ (Offb. 21,1).

Dieses Neue und Andere kommt von Gott her aus dem Himmel. Es ist das „neue Jerusalem“ (Offb. 21,2) in dem Gott mitten unter den Menschen wohnen wird; „und sie werden sein Volk sein … Dann wird er alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen.“ (Offb. 21,3-4)

Alle werden „von den Toten auferstehen“. Und ein jeder wird sich mit seinem ehemals sterblichen, nun aber unsterblichen Leib wieder vereint vor dem „Menschensohn“ wiederfinden, „der sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen“ und die Menschen in zwei Gruppen trennen wird, „wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet“. (Mt. 25,31f)

Denen, die in ihrem irdischen Leben schöpfungs- und naturgemäß gelebt und sich im Sinne Gottes und seiner Schöpfung entfaltet haben, wird das letzte Wort, das Gott nun über die Geschichte sprechen wird, endgültig und für immer den vollen Sinn und die tiefste Erfüllung ihres Lebens aufschließen.

Dieser jüngste Tag, das große Weltgericht, ist vor allem ein Tag der Freude und des Jubels. An diesem letzten Tag wird Gott in seiner Gerechtigkeit jede Lüge endgültig aufdecken. Sie hat dann keine Chance mehr. Die Wahrheit wird fortan ungetrübt und für immer als Liebe erstrahlen, wie sie in ihrer Größe allein Gott zu eigen ist. In ihr werden dann für immer all die leben, die sich in ihrem irdischen Leben von Gott haben segnen lassen (vgl. Mt 25, 34).

Das letzte Wort über die Geschichte haben nicht Wissenschaftler, Unternehmer, Politiker, selbstberufene Weltverbesserer noch sonst jemand. Jeder Einspruch gegen dieses letzte Wort Gottes wird fortan als Lüge in sich zusammenfallen, ganz und gar machtlos! Gott wird allen, die ihm zu widersprechen suchen, dann für immer sagen: „Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan. Und sie werden weggehen und die ewige Strafe erhalten, die Gerechten aber das ewige Leben.“ (Mt25,45f)

Den Gerechten wird weit über das hinaus, was sie von Gott bis dahin erfahren konnten, ein ihr Leben voll und ganz erfüllender Sinn für immer gegeben. Es ist der Sinn, der sich in ihrem Leben als Dienst am Nächsten in Gottes Liebe nun ganz erfüllen wird (vgl. Mat. 25, 34-40).

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 44/2020 (A)

Es gibt Tage, an denen alles zu viel wird. Aufgaben und Probleme türmen sich. Man ist erschöpf und steht wie vor einer Wand. Vor lauter Bäumen sieht man den Wald nicht mehr. Scheinbar geht nichts mehr.

Ähnlich erging es zahlreichen Juden zur Zeit Jesu. Es fiel ihnen oft schwer, den Willen Gottes zu erfüllen. Der Alltag des gläubigen Juden war durch insgesamt 613 Vorschriften geregelt. Insbesondere am Sabbat war alles minutiös vorgegeben: die Zahl der erlaubten Schritte, zahlreiche Gebetsvorschriften, eine schier endlose Liste stark eingeschränkter oder auch ganz verbotener Arbeiten.

Der Sabbat sollte ganz der Tag des Herrn sein. Doch aus der guten Absicht wurde schließlich ein Paragraphen-Dschungel. Es gab unter den Gesetzeslehrern u.a. ernsthafte Diskussionen darüber, ob ein am Sabbat gelegtes Ei gegessen werden durfte oder nicht.

In manchem geht es uns heute nicht anders. So legt etwa die legendäre Pizza-Verordnung der EU von 2006 auf insgesamt 72 Din A4-Seiten u.a. verbindlich fest, dass die Pizza rund sein muss und einen Durchmesser von maximal 35 Zentimetern nicht überschreiten darf. In der Mitte darf sie nur 0,4 cm hoch sein. Der Teigrand hingegen muss 1-2 cm dick sein. Schön, dass wir jetzt alle wissen, was eine Pizza ist, und worauf wir uns bei einem Pizza-Streit verbindlich berufen können.

Nicht anders war im Laufe der Zeit aus den Zehn Geboten eine unüberschaubare Richtlinien-Sammlung geworden. Die Frage des Gesetzeslehrers im heutigen Sonntagsevangelium (Mt 22,34-40) war also durchaus berichtigt: „Meister, welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste?

Jesus antwortet mit dem Alten Testament. Neu daran ist, dass er das allen Juden bekannte Schema Israel aus dem Buch Deuteronomium (6,4f) mit dem Gebot der Menschenliebe aus dem Buch Levitikus (19,8) zusammenbringt und beides miteinander untrennbar verknüpft.

Das Schema Israel betet der fromme Jude bis heute; morgens und abends: „Höre Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“. Jesus übernimmt es in leicht abgeänderte Form. Er antwortete dem Gesetzeslehrer: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken.“

Jesus fügt dann hinzu: „Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite.“ Und er fährt fort mit dem allen Juden bekannten Gebot der Menschenliebe aus dem Buch Levitikus (19,8): „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

Beides hängt also untrennbar und zugleich rätselhaft-aufschlussreich zusammen. Das erste ist das Wichtigste; aber das zweite ist ebenso wichtig. Wie kann das sein? Für Jesus steht es unzweifelhaft fest. Und er bekräftigt: „An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“

Der Zusammenhang und die für alles andere grundlegende Bedeutung dieses doppelten Gebotes lässt sich schrittweise erklären. Zuerst einmal: Gott lieben „mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken“ heißt nicht, krampfhaft irgendetwas zu versuchen, was uns am Ende hilflos überfordern würde. Es lässt sich am ehesten mit einem Kind vergleichen, das auf Liebe angewiesen ist. Es wartet und hofft, bis es auf den Schoß genommen wird. Dann wird diesem Kind die Grundlage seines Lebens zuteil: Es lebt aus der Liebe heraus.

So ist auch unser tägliches Beten, die Mitfeier der Eucharistie Sontag für Sonntag, der regelmäßige Empfang des Bußsakramentes, das Wiederholen des ein oder anderen Stoßgebetes usw. kein krampfhaftes Bemühen, sondern ein Warten und ein Hoffen, das Jesus nie enttäuscht. Wir sind, weil Gott uns liebt: weil er uns ohne jede Notwendigkeit sein lassen und glücklich machen will. Der Weg zu dieser Einsicht und Erfahrung ist das Beten.

Nun können wir Gott aber nicht sehen. Wir können ihn auch nicht riechen oder fühlen. Deshalb ist ein zweites Gebot dem ersten gleich. Wenn wir nämlich unseren Nächsten lieben wie uns selbst (bitte immer „the next first“), dann sehen, erleben und begreifen wir schrittweise, wieviel von Gottes unendlicher Liebe in unserem Nächsten steckt. Nur auf diesem Weg werden wir der Grundlage auch unseres Lebens begegnen: der Liebe Gottes.

Für uns, die wir begrenzt sind, bedingt also das eine Gebot das andere. Die betende Begegnung mit Gott stellt unser Liebesverlangen vom Kopf wieder auf die Beine. Man kreist dann nicht mehr eitel und selbstverliebt nur um sich selber. Man gibt seinem Nächsten wieder mehr Bedeutung als seinem Ego. So kommt man heraus aus dem Gefängnis selbstbezogener Eitelkeit und erfährt erneut und progressiv Gottes Liebe; und wie befreiend, Leben spendend und bejahend sie ist.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 43/2020 (A)

Die silberne Steuermünze

Zum Sonntagsevangelium (Mt 22, 15-21): Zur Zeit Jesu musste jeder eine „Kopfsteuer“ zahlen. Dafür gab es die Steuermünze: Ein Silberdenar, der ausschließlich für diesen Zweck verwendet wurde. Er trug das Abbild des römischen Kaisers und dazu die Inschrift: „Kaiser Tiberius, anbetungswürdiger Sohn des göttlichen Augustus“. So war die Steuermünze Ausdruck einer verkehrten Welt: Ein Regierungschef und sein Staat maßten sich göttliche Vollmacht an. Sie legitimierten damit ihre vermeintliche Autorität auf Kosten anderer.

Die Steuermünze war so fragwürdig wie das Vorgehen der Pharisäer, wie Matthäus es überliefert hat. Über ihre Jünger gingen die Pharisäer gemeinsam mit den staatsdienerischen „Anhängern des Herodes“ gegen Jesus vor. Zuerst schmeichelten sie Jesus: „Wir wissen, dass du immer die Wahrheit sagst.“ Sie hofften, dass sich Jesus dadurch leichter in der nun folgenden Fangfrage verstricke: „Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuern zu zahlen?

Die öffentliche Steuerverweigerung galt im römischen Reich als Kapitalverbrechen. Sie wurde als Auflehnung gegen den gottgleichen Kaiser und Herrn drakonisch bestraft. Die Pharisäer und Führende des Volkes Israel haben sich mit dieser Situation damals teils grenzwertig arrangiert, sogar kollaboriert. So auch hier. Gemeinsam mit den Herodianern gingen sie gegen den vor, der „wirklich den Weg Gottes lehrte“.

Jesus erkannte ihre böse Absicht“. Mit der erhofften Ja-oder-Nein Antwort auf die wohl überlegte Fangfrage wollten seine Gegner ihn entweder als Kapitalverbrecher von den Römern abführen lassen oder öffentlich als Steuerzahler, und damit als Verräter ‚der Wahrheit und der Wege Gottes’ bloßstellen. „Ihr Heuchler“, erwiderte er und forderte sie auf, ihm eine Steuermünze zu zeigen.

Die dummen Mitläufer „hielten … ihm einen Denar hin“. Damit hat Jesus die Sache für sich entschieden. Nicht er, sondern sie waren Verräter. Nicht er, sondern sie waren unterwürfige Steuerzahler. Die kompromittierende Münze, die sie sogleich zur Hand hatten, legte alles offen. Jesus ließ sie sich nur zeigen. Er nahm sie nicht einmal in die Hand.

Wessen Bild und Aufschrift ist das?“, fragte er sie. Man hört sogar heraus, dass er diese Münze nicht einmal kennen wollte „Sie antworteten: Des Kaisers. Darauf sagte er zu ihnen: Gebt also dem Kaiser zurück (griechisch: apódote“), was dem Kaiser gehört, und Gott was Gott gehört.“ Das Erzählte läuft auf diese Aussage hin.

Die ersten Christen haben so gelebt. Als Beamte, Landwirte, Handwerker, Soldaten, Geschäftsleute, Mütter, Väter, Ehelose, Verheiratet, Musiker, Dichter und Philosophen… Über die ersten Christen schrieb im dritten Jahrhundert ein unbekannter Autor in einem Brief, der an einen gewissen Diognet adressiert war, folgendes: „Sie sind Menschen in der Welt wie die übrigen: sie unterscheiden sich von den anderen nicht nach Land, Sprache oder Gebräuchen. Sie bewohnen keine eigene Stadt, sprechen keine eigene Mundart, und ihre Lebensweise hat nichts Ungewöhnliches. …

Wie sie jedoch zu ihrem Leben als solchem stehen und es gestalten, darin zeigen sie eine erstaunliche und, wie alle zugeben, unglaubliche Besonderheit. Sie wohnen zwar in ihrer Heimat, aber wie Zugereiste aus einem fremden Land. An allem haben sie teil wie Bürger, ertragen aber alles wie Fremde. Jede Fremde ist ihnen Heimat und jede Heimat Fremde. Sie heiraten wie alle anderen und zeugen Kinder, aber sie verstoßen nicht die Frucht ihres Leibes. Den Tisch haben sie alle gemeinsam, nicht aber das Bett. Sie sind im Fleisch, leben aber nicht nach dem Fleisch; sie weilen auf der Erde, aber ihre Heimat haben sie im Himmel. Sie gehorchen den Gesetzen, überbieten aber die Gesetze durch ihr eigenes Leben. Sie lieben alle Menschen, und doch werden sie von allen verfolgt. … Sie werden beschimpft, doch sie segnen. Sie werden verachtet, doch sie erweisen Ehre. Sie tun Gutes und werden dennoch bestraft, als wären sie böse. … Um es kurz zu sagen: Was die Seele im Leib ist, das sind die Christen in der Welt.

Die ersten Christen vermochten der weltlichen Übermacht der Römer und dem Trend der Zeit bis zum Martyrium zu widerstehen, weil sie vor dem Abbild des Kaisers nicht in die Knie gingen, sondern betend das Abbild Gottes suchten, das er seiner ganzen geliebten Schöpfung eingeprägt hat.

Um es zu finden, muss man freilich zuerst beten … und noch einmal beten. Daraus folgt dann das rechte Tun. So haben die scheinbar Machtlosen betend, und erst dann handelnd, das zu Unrecht gewordene römische Herrschaftssystem schließlich bezwungen und dem Zusammenklang der in Gott gegründeten Natur und der Vernunft des Menschen als Spiegel der schöpferischen Vernunft Gottes bis in unsere Gegenwart zu seinem Recht und einer wunderbaren Entfaltung verholfen.

Man muss immer neu lernen, dem Kaiser zurück zu geben, was dem Kaiser gehört, und Gott zu geben, was Gott gehört. Zu viele Christen sind derzeit hingegen dabei, durch Verweltlichung, Anpassung und innere Aufweichung zu kapitulieren.

Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 42/2020 (A)

Das fünfte Mal in Folge werden uns nun Sonntag für Sonntag Evangelien vorgetragen, die uns in Form eines Gleichnisses jenes Reich anschaulich vor Augen führen, um das uns Jesus im „Vater unser“ zu beten gelehrt hat. An diesem Sonntag vergleicht Jesus das Himmelreich mit „einem König, der die Hochzeit seines Sohnes vorbereitete.“ (Mt 22,2)

Der König „schickte seine Diener, um die eingeladenen Gäste zur Hochzeit rufen zu lassen. Sie aber wollten nicht kommen. Da schickte er noch einmal Diener und trug ihnen auf: Sagt den Eingeladenen: Mein Mahl ist fertig, die Ochsen und das Mastvieh sind geschlachtet, alles ist bereit. Kommt zur Hochzeit! Sie aber kümmerten sich nicht darum, sondern der eine ging auf seinen Acker, der andere in seinen Laden, wieder andere fielen über seine Diener her, misshandelten sie und brachten sie um.“ (ibid., 3-6)

Da ist man als Zuhörer bzw. Leser nun doch ein wenig überrascht. Wir alle haben bei königlichen Hochzeiten über die Medien miterlebt, wie die Eingeladenen stolz darauf sind, dabei sein zu dürfen. Das königliche Hochzeitspaar adelt die Gäste! Im Gleichnis aber wird mit der Ablehnung der Einladung zugleich all das verschmäht, was diese Einladung an Ehre und Vorzügen mit sich bringt.

Deshalb wurde der König im Gleichnis zornig. „Er schickte sein Heer, ließ die Mörder töten und ihre Stadt in Schutt und Asche legen. Dann sagte er zu seinen Dienern: Das Hochzeitsmahl ist vorbereitet, aber die Gäste waren es nicht wert, eingeladen zu werden. Geht also hinaus auf die Straßen und ladet alle, die ihr trefft, zur Hochzeit ein.“ (ibid., 7-9)

Mit diesem Gleichnis richtet sich Jesus damals an die Pharisäer und Schriftgelehrten, heute an uns. So wie damals die Pharisäer nicht begriffen, oder nicht begreifen wollten, dass Gott Vater selber dazu einlädt, an der „Hochzeit“ seines Sohnes teilzunehmen, so ist es auch heute. Mit dem gleichnishaften Hochzeitsbild dürfte ganz präzise das gemeint sein, was später der Hl. Paulus als liebevolles Verhältnis Christi zu seiner Kirche mit dem Verhältnis des Mannes zur Frau in der Ehe vergleicht. (Eph. 5,32)

Wir sind auserwählt und berufen, ja wir sind „geadelt“ durch Christus, der uns göttliche Würde verleiht. So wie er sich mit seinem Volk verbindet, so möchte und gewährt er jedem, mit ihm in seiner Göttlichkeit verbunden zu sein und demgemäß zu leben. Das erfordert aber, seine Einladung auch anzunehmen, sie zu schätzen wissen und ihr Folge zu leisten.

Letzteres wird im Gleichnis gleich zweimal betont. Der König richtet sich in seiner Einladung zuerst an die „Eingeladenen“. Damit sind die gemeint, welche der Einladung aufgrund ihrer Voraussetzung am ehesten entsprechen könnten. Damals wären es die Pharisäer und Schriftgelehrten gewesen; heute all die, die in einer christlichen Umgebung aufgewachsen, Christus dennoch kein Gehör schenken.

Da die zuerst Eingeladenen ihre Würde aus eigener Schuld verspielen, werden nun alle anderen eingeladen: „Die Diener gingen auf die Straßen hinaus und holten zusammen, die sie trafen, Böse und Gute, und der Festsaal füllte sich mit Gästen.“ Unter den Gästen bemerkte der König allerdings „einen Mann, der kein Hochzeitsgewand anhatte. Er sagte zu ihm: Mein Freund, wie konntest du hier ohne Hochzeitsgewand erscheinen? Darauf wusste der Mann nichts zu sagen. Da befahl der König seinen Dienern: Bindet ihm Hände und Füße, und werft ihn hinaus in die äußerste Finsternis!“ (Mt 22,10-13)

Zur Zeit Jesu war es üblich, an einem eigens für die Armen vorgesehenen Zugang zu einer königlichen Hochzeit einfache Überwurf-Gewänder auszugeben, damit auch die Armen hochzeitgemäß gekleidet waren. Wer dieses Überwurf-Gewand ablehnte, der lehnte auch den König ab; der war nicht bereit, die vom einladenden König angebotene Würde und Ehre anzunehmen.

Letzten Sonntag haben wir Erntedank gefeiert. Da schließt sich der Kreis. Im Maß der Dankbarkeit für alles Empfangene, ist man in der Lage, besser zu verstehen, wie sehr diese Gaben und Geschenke „adeln“ und herausheben. – Möge uns unser Bemühen um Dankbarkeit mit Christus Jesus eins werden und fähig werden lassen, seine Gaben anzunehmen und ihnen zu entsprechen.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 41/2020 (A)

Dieser Sonntag wird oft als Erntedank-Sonntag gefeiert. Zum Bild: Ernte, Pissaro 1876

Relativ oft greift Jesus auf das Bild vom Weinberg, und damit zugleich auf das Alte Testament zurück. Im Alten Testament steht der Weinberg als gleichnishaftes Bild meist für Israel, für das Volk Gottes.

Vor zwei Wochen hörten wir das Gleichnis von einem Weinbergbesitzer, der auf dem Marktplatz zu unterschiedlichen Stunden Arbeiter für seinen Weinberg anheuert. Letzte Woche von einem Vater, der seine Söhne zum Arbeiten im Weinberg anhält. Diesen Sonntag nun (Mt 21, 33–43) von einem Gutsbesitzer, der einen prächtigen Weinberg anlegt, ihn an Winzer verpachtet und dann in ein fremdes Land reist.

Als er zur Erntezeit „Knechte zu den Winzern schickte“ (V. 34), um seinen Anteil holen zu lassen, wurden einige Knechte von den Pächter-Winzern verprügelt, andere gesteinigt oder sogar umgebracht. Darauf schickte der Weinbergbesitzer „andere Knechte, mehr als das erste Mal. Mit ihnen machten sie es genauso. Zuletzt sandte er seinen Sohn zu ihnen; denn er dachte: Vor meinem Sohn werden sie Achtung haben. Als die Winzer den Sohn sahen, sagten sie zueinander: Das ist der Erbe. Auf, wir wollen ihn umbringen, damit wir sein Erbe in Besitz nehmen. Und sie packten ihn, warfen ihn aus dem Weinberg hinaus und brachten ihn um.“ (V. 36-39)

Auf die Frage Jesu, was „der Herr des Weinbergs … mit jenen Winzern tun“ werde, antworten ihm die Hohepriester und Ältesten des Volkes: „Er wird diese bösen Menschen vernichten und den Weinberg an andere Winzer verpachten, die ihm die Früchte abliefern, wenn es Zeit dafür ist.“ (V. 40-41)

Damit hat Jesus die Hohepriester und Ältesten selber aussprechen lassen, was eintreten und ihnen widerfahren wird: Wenig später haben sie Gottes Sohn vor der Stadtgrenze (vor dem umzäunten Weinberg) grausam umgebracht. Sie wollten ihn, wie die bösen Winzer den Sohn des Gutsbesitzers, aus dem Weg schaffen. In der Folge wird ihnen das Volk Gottes, das ihnen bis dahin – wie im Gleichnis den bösen Winzern der Weinberg – anvertraut war, genommen. Es geht über auf andere Völker. Im Neuen Bund Gottes mit den Menschen kommt es als das neue Volk Gottes zur Blüte und bringt reiche Früchte.

In der lukanischen Parallelüberlieferung sagen die Zuhörer noch: „Das darf nicht geschehen!“ (Lk 20,16). Und wegen dieser Rede hätten „die Schriftgelehrten und die Hohepriester … gern noch in derselben Stunde Hand an ihn gelegt; aber sie fürchteten das Volk. Denn sie hatten gemerkt, dass er sie mit diesem Gleichnis meinte.“ (V. 19) Sie haben das Gleichnis verstanden. Aber sie haben sich das Gemeinte nicht so zu Herzen genommen, wie Jesus es gesagt hat.

Das ist wieder ganz aktuell! Denn das Volk Gottes geht derzeit nicht nur einfach durch bewegte Zeiten. Vielmehr geht es dort um sein Überleben, wo es bislang meist segensreich war. Subjektiv geben Viele ihr Bestes. Und sie engagieren sich von ihrer Perspektive aus nach bestem Wissen und Gewissen. Zudem mit hohem und auch höchstem Einsatz.

Für persönliche Zwecke und Ziele mag das ausreichen; denn mehr kann man ehrlicherweise nicht tun. Aber wenn es um das Reich Gottes geht, liegt die Grundidee bei Gott. Jede menschliche Inspiration zum vermeintlichen Wohl des Gottesvolkes ist ohne ihn oder an ihm vorbei zum Scheitern verurteilt.

Wir sprechen seit Jahren von Getauften und Gefirmten, die als mündige Christen auch kircheninterne Aufgaben übernehmen können. Aber flächendeckend wird der theologische Gehalt ihres Weltcharakters vergessen, der im II. Vatikanum bahnbrechend entfaltet wurde. Es wird darüber hinaus vergessen und für nicht mehr erstrebenswert gehalten, was zu Gottes Grundidee von seinem Volk objektiv dazugehört. Ein Christ wird seine Mündigkeit nicht entfalten können, und sie am Ende gar verlieren, wenn er den Zugang und einen persönlichen Bezug zum höchsten aller Sakramente, zur Eucharistie, schrittweise aufgibt.

Dieser Verlust hängt unlösbar zusammen mit einer wachsenden Geringschätzung von Umkehr, Reue und Vergebung. Wer seine Verfehlung nicht in das Bußsakrament bringt, ist kein mündiger Christ. Womöglich versteht er Mündigkeit zunehmend und aus einer falschen Gewöhnung heraus schon fast unbewusst, als Emanzipation von Gott und seiner Kirche.

Wer seine Verfehlungen gegen Gott, gegen die Kirche Gottes sowie gegen den Nächsten nur noch aus eigener Perspektive wahrnimmt, der blendet die ersten öffentlichen und grundlegenden Worte Jesu aus: „Kehrt um und glaubt.“ Ohne Umkehr gibt es keinen Glauben, wie Gott ihn dann schenkt. Ohne Umkehr gibt es nur Gutgemeintes. Damit lässt sich das Reich Gottes indes nicht aufbauen.

Das Volk Gottes wird leben und lebendig blieben bis zum Ende der Welt. Es bleibt erhalten und wird nicht genommen, wo es das Gleichnis vom Weinberg und den Winzern im Sinne Jesu, und von daher in der ihm als Volk Gottes eigenen Kontinuität liest und bedenkt.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 40/2020 (A)

Jeder kennt das: Eine Bitte wird abgeschlagen. Wenig später aber ändert der Gebetene seine Meinung und ist dann doch dabei. Er hat es sich anders überlegt. Er bedauert, etwas abgeschlagen zu haben. Er bereut es und ändert sein Verhalten.

Wir kennen aber auch das Gegenteil: Man bittet jemanden um etwas. Der Gebetene sagt „Ja“, lässt einen dann aber im Stich, weil er es vergessen hat oder ihm anderes wichtiger erscheint. So ist es auch in dem Gleichnis von den beiden ungleichen Söhnen im aktuellen Sonntagsevangelium (Mat 21, 28-32).

Auch anderswo berichtet uns die Heilige Schrift von ungleichen Söhne. Gleich zu Beginn, im vierten Kapitel der Genesis. Ein Brudermord: Kain erschlägt Abel [Gen 4]. Und einige Kapitel weiter: Esau und Jakob. Für ein Linsengericht bringt Jakob seinen älteren Bruder Esau um das Erstgeburtsrecht und dann betrügt er, um den Segen des Vaters zu erhalten [Gen 25-27]. Im Lukasevangelium schließlich ist uns das Gleichnis vom verlorenen Sohn überliefert. Bei seiner reumütigen Rückkehr ist der älterer Bruder eifersüchtig und verärgert, weil der Vater den Heimkehrer unerwartet großzügig empfängt und bewegend wiederaufnimmt [Lk 15,11-32].

Und nun hören wir an diesem Sonntag von den zwei Söhnen eines Winzers. Er fordert den ersten auf, zur Arbeit in den Weinberg zu gehen. Dieser sagt: „Ich will nicht.“ Aber später geht er doch. Weil es ihn reut. Der andere, den der Vater dann ebenfalls in den Weinberg schicken will, sagt „Ja”. Aber er geht nicht. Er hält nicht, was er verspricht. Er ist ein schlechter Sohn und ein Heuchler. Er sagt „Ja“ und tut es doch nicht.

Jesus antwortet mit diesem Gleichnis den Hohenpriestern und Ältesten. Im Tempel von Jerusalem hatten sie ihn angesprochen und gefragt, aus welcher Vollmacht er Kranke heile und das Wort Gottes verkünde [vgl. Mt 21,23]. Da sie immer nur darauf lauern, Jesus überführen und anzeigen zu können, antwortet ihnen Jesus mit diesem Gleichnis von den zwei ungleichen Söhnen. Dann fragt er sie: „Wer von den beiden hat den Willen seines Vaters erfüllt?” [V. 31].

Sie antworten ihm: „Der erste”. Diese Antwort ist zweifellos richtig. Der erste Sohn, der zuerst „Ich will nicht“, also „Nein” gesagt, aber dann das Nein bereut hat und zur Arbeit in den Weinberg gegangen ist, hat den Willen des Vaters erfüllt. Zwar nicht sofort, aber dann doch. Jesus will diese Antwort, um seinerseits die Hohenpriester und Pharisäer überführen zu können.

Entscheidend ist nicht das erste „Ja” oder das erste „Nein”. Die zwei ungleichen Söhne haben es wohl schnell daher gesagt; ganz so wie es in ihrer Verschiedenheit dem ungleichen Primärcharakter der beiden entspricht.

Entscheidend ist die Antwort, die aus dem Herzen kommt. Zu einer ehrlichen, von Herzen kommenden Antwort und einem guten wie wahrheitsgemäßen Verhalten gehören unverzichtbar das Bereuen, die Reue und die Umkehr. Der erste Sohn hat „Ja” gesagt, aber dann doch nicht entsprechend gehandelt. Er bereut nichts. Der zweite Sohn hat „Nein” gesagt – „ich will nicht“ – aber dieses „Nein” dann bereut und den Willen des Vaters erfüllt.

Reue” – „bereuen” – ist ein ganz altes deutsches Wort und bedeutet Betrübnis oder Unzufriedenheit. Wer Reue empfindet, der ist betrübt – der ist traurig – über sein eigenes zurückliegendes oder bisheriges oder noch andauerndes Verhalten. Er möchte das, was er getan oder unterlassen hat, ungeschehen machen oder doch noch nachvollziehen. Wie der Sohn, der „Nein” gesagt hat, dieses „Nein” bereut und die unterlassene Handlung – die Arbeit im Weinberg – nachvollzieht.

Und nun sagt Jesus denen, die ihn mit ihren Fragen endlich loswerden und eine Falle stellen wollen: „Amen, ich sage euch: Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr.“ – Und Jesus sagt das bis heute und für immer all denen, die nicht wirklich glauben: die nur gewohnheitsmäßig oder immer im Dissens „glauben“. Alle Diskurse im Glauben bringen nur Segen, wenn sie zutiefst von Reue und Umkehr geprägt bleiben. Genau darum geht es hier; denn Jesus erinnert nun an Johannes den Täufer.

Johannes der Täufer ist „auf dem Weg der Gerechtigkeit zu euch gekommen und ihr habt ihm nicht geglaubt; aber die Zöllner und die Dirnen haben ihm geglaubt [V. 32].“ Letztere haben zum Glauben gefunden. Sie sind wie der erste Sohn, der zuerst „Nein“ gesagt, dann aber bereut hat und in den Weinberg ging. „Ihr habt es gesehen“ sagt Jesus den Hohenpriestern und Ältesten, „und doch habt ihr nicht bereut und ihm nicht geglaubt“ [V. 32]. Ihr seid wie der zweite Sohn. Ihr seid nur scheinbar gläubige Verbandsvertreter eures Volkes. Aber ihr glaubt nicht, weil ihr Euch verabschiedet habt von Reue und Umkehr, vom Bekennen eurer Schuld und vom bußbereiten Wiedergutmachen derselben.

Manche Philosophen – Friedrich Nietzsche zum Beispiel – haben Reue abgelehnt und für unmännlich, weibisch oder knechtisch erklärt. Wir wissen, wohin das geführt hat. Ohne Reue und Umkehr wird der Mensch unweigerlich zum Gegner Gottes und zum Menschenmörder.

Jesus sagt in unserem Gleichnis zu den Hohenpriestern und Pharisäern: „Ihr habt nicht bereut und … nicht geglaubt” [V. 32]. Wo Glaube ist, da ist auch Reue. Glaube ohne Reue, ohne Bekenntnis und Beichte, ohne sakramentale Umkehr ist bestenfalls gut Gemeintes, aber kein Glaube an unseren Herrn Jesus Christus in enger Verbundenheit mit der von ihm gestifteten Kirche.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 39/2020 (A)

Am vergangenen Sonntag hat sich unser Erzbischof zur jetzigen Etappe des pastoralen Zukunftsweges im Erzbistum Köln im Domradio geäußert. Ich gebe das sehr gerne wieder. Mich persönlich hat es inspiriert. Das möchte ich in einigen wenigen Gedanken äußern, die ich daran anschließe.

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„Was er Euch sagt, das tut!“ (13. September 2020)

Wort des Bischofs zum pastoralen Zukunftsweg

Auf dem pastoralen Zukunftsweg hier bei uns im Erzbistum Köln befinden wir uns jetzt auf der Zielgeraden der jetzigen Etappe. Jeder Läufer weiß: Auf den letzten Metern, da geht es noch mal um alles. Aber eben auch darum, all die Mühen und Anstrengungen des bis jetzt zurückgelegten Weges nicht zu vergessen und kraftvoll über die Ziellinie zu bringen. Schon heute bin ich sehr dankbar, dass über 30.000 Menschen aus unseren Gemeinden und Verbänden und Gemeinschaften und viele Hauptberufliche im pastoralen Dienst diesen Weg aktiv mitgegangen sind. Dankbar für den fruchtbaren Austausch in guten Gesprächen und Diskussionen. Besonders dankbar auch für die vielen neuen Anregungen und Ideen, die wir gemeinsam entwickeln konnten.

Bereits am Anfang war klar, unser pastoraler Zukunftsweg, der würde kein leichter Spaziergang. Auch jetzt, wo nach den letzten Beratungen in den unterschiedlichsten Gremien und dem baldigen Hören auf die Rückmeldungen aus 170 Seelsorgebereichen die notwendigen Entscheidungen getroffen werden müssen, ist mir bewusst: Ganz gleich, wie ich mich auch aufstelle – bei den vielen unterschiedlichen Erwartungen wird es nicht nur Beifall geben. Das gilt besonders jetzt am Ende, wo eben auch folgenschwere Entscheidungen notwendig sein werden, wenn wir bei uns im Erzbistum die Zukunft wirklich gewinnen wollen.

Nachdem ich in den vergangenen Jahren so viel Rat und auch unterstützende Tat erfahren durfte, vertraue ich jetzt auf der Zielgeraden ohne Wenn und Aber unserem letzten Ratgeber: Christus! Ich bin mir sicher – er war und er ist für uns auf unserem ganzen pastoralen Zukunftsweg der verlässliche Wegweiser und der Mut machende Wegbereiter. Ihm vertraue ich unser Erzbistum und mich selber gerade jetzt auch auf den letzten Metern an. Hier gilt gestern, heute und morgen ganz alleine die Empfehlung seiner Mutter, Maria: „Was er Euch sagt, das tut!“ Versuchen wir es. Und ich bin überzeugt und mir sicher – es wird dann alles gut!

Ihr Rainer Woelki, Erzbischof von Köln

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Es gehört in der Tat viel Gottvertrauen dazu, auf eine gute Zukunft der katholischen Kirche hier bei uns zu hoffen. In den letzten Jahrzehnten hat sie im privaten wie im öffentlichen Leben spürbar an Bedeutung verloren. Gesamtgesellschaftlich wird sie teils gar nicht mehr wahrgenommen. Einer größer werdenden Mehrheit ist sie längst bedeutungslos. Auch die Gemeinschaft der Bischöfe scheint brüchig zu sein.

So ist etwa durch Corona der Besuch der Sonntagsgottesdienste bundesweit von 9 % aller katholisch Getaufter im Vorjahr auf inzwischen weniger als die Hälfte, vielleicht noch ein Drittel davon, also auf grob geschätzt zwischen 3 und 4,5 % zurückgegangen. Mehrheitlich sind es die Älteren und die ganz Alten, die trotz Corona an diesem elementaren und die Kirche konstituierenden Glaubensvollzug festhalten. Auf die Fläche projiziert schreitet die Verabschiedung von der Kirche nun sogar beschleunigt voran. Daran werden die den pastoralen Zukunftsweg begleitenden Umstrukturierungen im Kölner Erzbistum aus sich heraus nichts ändern. Als solche ist diese Umstrukturierung ein notwendiges soziologisch-strukturelles Planspiel; nicht mehr.

Für das Erzbistum Köln ist eine Zusammenlegung der bisherigen Orts-Pfarreien auf 50 bis 60 Großpfarreien der Zukunft geplant. Diese sollen professionell gut aufgestellt werden. Das lässt sich mit den derzeit vorhandenen Ressourcen auf den ersten Blick auch ganz gut bewerkstelligen. Zu jeder der 50 bis 60 Groß-Pfarreien sollen dann viele unterschiedliche Gemeinden gehören. Die Groß-Pfarrei mit ihren örtlichen oder personenbezogenen Gemeinden wird verbindlich von einem Pfarrer geleitet und persönlich verantwortet. Das christliche Leben in den Gemeinden und vor Ort sollen die dort lebenden Menschen in verbindlicher Absprache mit dem einen, leitenden Pfarrer verlebendigen. Das ist schon anspruchsvoller. Haben das die bisherigen Pfarrer vor Ort denn „geschafft“?

Die Menschen vor Ort lassen sich nur unter einer Voraussetzung nachhaltig dafür gewinnen und motivieren; und nur dann bleiben sie auch zusammen: Alle, angefangen von den durch das Weihesakrament für die Kirche konstitutiven Bischöfen und Priestern über die in Deutschland inzwischen größere Zahl der von Kirchensteuern bezahlten „Kirchenprofis“ bis hin zu den noch zahlreicheren christgläubigen Laien, müssen nach dem Wort des Herrn „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Markus 1,15) so denken und handeln, dass sie keine intellektuelle wie praktische Verabschiedung von dem der Kirche anvertrauten Evangelium kultivieren und in Wort und Tat uneingeschränkt katholisch leben wollen. Diese Voraussetzung ist entscheidend. Professionalität und strukturelle Umgestaltung sind ihr nachgeordnet.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 37/2020 (A)

Im Evangelium von diesem Sonntag (Mt 18, 15-20) spricht Jesus sehr unterschiedliche Themen an, die der Evangelist Matthäus scheinbar etwas unzusammenhängend aneinandergereiht hat. Schaut man näher hin, dann hat Matthäus das alles in dieser Reihenfolge wohl bedacht zusammengestellt.

Am Anfang des Sonntagsevangeliums geht es um die christliche Zurechtweisung, die seit Beginn der Kirche in vielen Gemeinschaften und Gemeinden praktiziert wurde. Sie geht unmittelbar auf Jesus zurück, wie wir in diesem Evangelium erfahren. Die christliche Zurechtweisung wird deshalb auch in Zukunft praktiziert werden, wo Jesu Worte ernst genommen werden.

Jesus fordert seine Jünger auf: „Wenn dein Bruder sündigt dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen.“

Im Grunde weiß und spürt jeder, dass dies der Normalfall sein sollte. Leider werden zu selten Mut und Stärke aufgebracht, andere auf ein offensichtliches Fehlverhalten hinzuweisen und zur Rede zu stellen. Das sollte am Anfang offen und ehrlich, immer nur unter vier Augen und in wohlwollender Absicht geschehen. Stattdessen wird hinter dem Rücken der Betroffenen viel zu oft einfach nur schlecht geredet. Das heizt zusätzliche die Gerüchteküche an. Das Übel wird damit nicht behoben. Es wird nur noch schlimmer.

Wer aber das Glück hat, zurecht gewiesen zu werden ganz im Sinne des Herrn, der sollte dankbar schweigen und genau zuhören. Nur so kann er in Ruhe darüber nachdenken und dann zum Wohl aller positiv an sich arbeiten, sich verändern und verbessern. Auch hier sieht die Realität leider oft ganz anders aus. Auf ein Fehlverhalten angesprochen neigen viele dazu, sich sofort zu rechtfertigen. So wird man am Ende wie ein übler Krankheitserreger resistent gegen jeden Heilungsversuch. Und man schadet der Vitalität und Gesundheit des Ganzen, also der Gemeinschaft.

Nicht weniger übel ist die Strategie, dem anderen als Reaktion auf eine gut gemeinte Zurechtweisung einfach vor Augen zu führen, dass ja auch er alles andere als vollkommen ist. Und dass zwischen den beiderseitigen Defiziten womöglich ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Die richtige und notwendige Veränderung bleibt so auf der Strecke.

Deshalb geht Jesus einen Schritt weiter. Er macht Mut und zeigt einen interessanten Weg auf, um in der Komplexität menschlicher Fehlreaktionen nicht zu resignieren. Er sagt wörtlich mit Blick auf den wohlwollend und ehrlich Zurechtweisenden und den resistenten Zurechtgewiesenen: „Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Männer mit, denn jede Sache muss durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden. Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner.“

Die dargelegte Eskalation wird nicht nötig sein, wo die grundlegende Intention des Herrn verstanden, im Glauben vollzogen und im konkreten Tun realisiert wird. Über das rein Menschliche hinaus inspiriert Jesus die Gemeinschaft seiner Jünger zudem vom Himmel aus. Und deshalb werden „die Mächte der Unterwelt“, wie Jesus es zuvor formuliert hatte (Mt 16,18) diese Gemeinschaft „nicht überwältigen“.

Hier wird der innere Zusammenhang des Sonntagsevangeliums deutlich. Die Aufforderung Jesu zur christlichen Zurechtweisung verbindet Matthäus vom inneren Zusammenhang her mit Worten Jesu über die Besonderheit der christlichen Gemeinschaft, der Kirche: „Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein. Weiter sage ich euch: Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.

Pfarrnachrichten 36/2020 (A)

Das Sonntagsevangelium (Mt 16, 21-27) gibt Antwort auf die wichtige Frage: „Wer bin ich eigentlich als Mensch und wie ist Gott zu mir?“ Petrus hatte zuvor (Mt 16,13-20) Jesus als den Gesalbten, den Sohn des lebendigen Gottes bekannt. Von der ersten, entscheidenden Begegnung an hat Petrus in Jesus zunehmend Gott erkannt, der ihm in Jesus als Mensch entgegenkommt, der heilt und befreit, der Beziehung stiftet und Leben schenkt. Auch wir identifizieren uns gerne mit diesem positiven Gottesbild. Aber Jesus korrigiert dieses Gottesbild auch: gegen unsere Verfälschungen nämlich.

Gott, der heilt, befreit und erlöst, mutet dem in Jesus menschgewordenen Sohn, und genauso auch uns, auch Leiden zu. Deshalb möchten auch wir heute, wie Petrus damals, den Sohn Gottes vorwurfsvoll beiseite nehmen (Mt 16,22): „Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir (uns) geschehen!“ – Wie Petrus damals fällt es auch uns heute schwer, zu verstehen und zu akzeptieren, dass zur Erlösung, zum Heil und zur Erfüllung unverzichtbar das Kreuz gehört. Es scheint oberflächlich betrachtet dem christlich-optimistischen Gottesbild zu widersprechen.

Petrus hatte es also gewagt, aus der Schar der dem Herrn Folgenden auszuscheren, nach vorne zu gehen und neben Jeus zu treten. Vermeintlich auf Augenhöhe möchte er Jesus nun ausreden, dass der barmherzige Gott ihm größtes Leiden zumute. Daraufhin wird er von Jesus in einer Schärfe zurückgewiesen, die kaum noch zu ertragen ist (Mt 16,23): „Tritt hinter mich, du Satan. Ein Ärgernis bist du mir, denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.

Die Abfuhr, die Jesus ihm erteilt, kann schlimmer nicht sein. Petrus, den Jesus eben noch (vgl. Mt 16, 17f) selig gepriesen und zum Felsen der Kirche gekürt hatte, hat sich in dieser Sache offenbar ganz schlimm verrannt. Deshalb Jesus nennt Petrus nun „Satan“. Ein verkürztes Gottesbild wirkt sich nämlich auch verheerend auf das davon abhängige Menschenbild aus.

Gott ist eben anders, als wir oft denken. Gott sei Dank! Und dieser andere Gott hilft, dass wir uns so verstehen, wie wir wirklich sind. „Selbstbild und Gottesbild hängen miteinander zusammen. Jesus setzt nun am Menschenbild an, um das einseitige Gottesbild des Petrus zu korrigieren. Wenn wir in unsere Buchhandlungen nach Büchern zur Lebenshilfe Ausschau halten, dann stoßen wir immer auf Titel wie »die eigene Kraft entdecken«, »positiv denken«, »erfolgreich leben«. Es geht immer darum, dass es dem Menschen gut geht, dass er möglichst viel aus seinem Leben macht.“ (Anslem Grün)

Auch wenn sich viel Gescheites in Büchern dieser Art finden lässt: Jesus setzt anders an. Seine Worte können uns gerade heute „einen Weg zeigen, wie das Leben wirklich gelingt, wie wir frei werden können von dem selbst gemachten Erfolgsdruck, möglichst viel aus dem Leben herausholen zu müssen.“ (ibid.)

Da gibt es zum Beispiel Augenblicke, in denen wir das Geheimnis Gottes berühren und einen tiefen inneren Frieden erfahren. Aber im nächsten Augenblick steigen schon wieder eigene Gedanken und Wünsche empor, die diese Gottesbegegnung verfälschen. „Wir denken dann nicht mehr gottgemäß, sondern wie es den Menschen gefällt.“ (ibid.) Unsere Gedanken spiegeln dann menschliche Erwartungen und Projektionen wieder. Oft stammen diese dann nicht mehr von Gott.

Solange Gott sich so verhält, wie wir es wünschen, scheint alles gut. Sobald uns aber Leid widerfährt, bricht alles zusammen. So hat die Leidensankündigung Petrus dazu verleitet, „sein (unreifes) Gottesbild gegen das Bild zu verteidigen, das sich in den Worten und im Schicksal des Herrn abzeichnete. Und deshalb musste Jesus das Gottesbild und das Menschenbild des Petrus korrigieren. … Wir können Gott nicht für uns benutzen; etwa damit es uns besser geht, damit wir uns freier und heiler fühlen. Gott ist nicht unser Wunscherfüller.“ (ibid.)

Gott sagt uns vielmehr durch seinen Sohn (Mt 16, 24-26a): „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen. Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt?

Man darf das Wort von der Selbstverleugnung nicht mit Selbstentwertung verwechseln. Richtig verstanden hat die Selbstverleugnung eine unverzichtbare Bedeutung, etwa „angesichts eines verbürgerlichten Christentums und … einer Spiritualität, die Gott für das eigene Wohlergehen vereinnahmen möchte.“ (AnselmGrün)

Das griechische Wort „aparneisthai“ (sich selber verleugnen) heißt nein sagen, sich weigern. Als Jünger Jesu muss man „Nein“ sagen, wenn man nur alles haben, alles für sich benützen und sich möglichst ungeschoren behaupten möchte. Der Mensch muss Widerstand leisten gegen das Habenwollen, um nicht zu haben, sondern um zu sein, um Mensch zu sein. Damit das eigentliche Selbst sichtbar werden kann, muss man jede krampfhafte Selbstbewahrung aufgeben. Wer um sein Ich kreist, wird nie in seine Mitte gelangen.

Die rechte Selbstverleugnung, wie Jesus sie predigt, führt zu Gott und zu sich selber. Dabei muss man „die verkrampfenden und an sich raffenden Seiten der menschlichen Seele loslassen“ (ibid.) So findet man sein wahres Selbst, „das einzigartige Bild der Seele, in dem Gott selbst sich spiegelt in seiner unbeschreiblichen und unermesslichen Schönheit. Um sich selbst zu finden, muss ich mich zuerst von mir distanzieren. Ich brauche Abstand zu mir selbst, um in mir herauszuhören, was mein wahres Selbst ist und was nur Größenphantasien und infantile Wünsche sind.“ (ibid.) Dort begegne ich dann auch Gott, und verstehe, warum er auch mir das erlösende Kreuz und mit diesem Kreuz das Leiden zumutet, das mich positiv verändert und mich von meinem falschen Ich befreit und erlöst.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 35/2020 (A)

Im Gebiet von Cäsaréa Philíppi hat Jesus seinen Jüngern einmal eine interessante Frage gestellt: „Für wen halten mich die Leute?“ (vgl. Matthäus 16,13)

Diese Frage ist bis heute aktuell. Denn wer nicht im Aberglauben leben möchte, dass der Mensch sich selbst genüge, wer vielmehr nüchtern und realitätsnah über sich selber Klarheit gewinnen möchte, kommt an dieser neuralgischen Frage nicht vorbei: „Wer ist Jesus?

Bis heute antworten viele ganz ähnlich wie damals. Daran hat sich nicht viel geändert. Die Jünger zählen auf: „Die einen (halten dich) für Johannes den Täufer, andere für Elíja, wieder andere für Jeremía oder sonst einen Propheten.“ Heute wird dem – vermeintlich fortschrittlich – noch hinzugefügt, Jesus sei ein Religionsstifter, der Begründer des Christentums; … er wäre ein guter Mensch, Inbegriff echten Menschseins gewesen; … ein Weisheitslehrer; … ein Sozialrevolutionär, den die Machthaber seiner Zeit umbrachten; …“

Für die Apostel damals wohl nicht ganz unerwartet fragt Jesus sie dann: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ (ibid., 15) Anders als aus der nur beobachtenden Distanz sind sie jetzt persönlich gefragt. Jesus provoziert und fordert einen Perspektivenwechsel. Warum er das tut, liegt auf der Hand: Man kann Jesus nicht aus der Distanz verstehen; und damit auch nicht seine historische Bedeutung, sein fortwährendes erlösendes Wirken usw.

Wer etwa mit dem katholischen Glaubensbuch (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 423) antwortet: „Jesus von Nazaret, ein Jude, zur Zeit des Königs Herodes des Großen und des Kaisers Augustus von einer Tochter Israels in Betlehem geboren, von Beruf Zimmermann und während der Herrschaft des Kaisers Tiberius unter dem Statthalter Pontius Pilatus in Jerusalem am Kreuz hingerichtet, ist der menschgewordene ewige Sohn Gottes. Er ist ,,von Gott ausgegangen" (Joh 13,3), ,,vom Himmel herabgestiegen" (Joh 3, 13; 6,33), ,,im Fleisch gekommen" (1 Joh 4,2). Denn ,,das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit ... Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade um Gnade" (Joh 1,14.16)“, der zitiert zutreffend und korrekt was Christen weltweit glauben. Aber um umfassend zu verstehen, was Christen da glauben, bedarf es existentieller, und damit lebensbestimmender und lebensverändernder Erfahrungen mit Jesus.

Alles, was Christen über Jahrhunderte in unverzichtbaren Kirchlichkeit mit Jesus erlebt, was sie durchbetet und folgerichtig durchdacht haben, ist beeindruckend und überzeugend. Vieles davon ist dokumentiert. Aber aus Dokumenten und Zeugnissen versteht man Jesus nur bedingt. Wirklich verstehen kann man Jesus nur, wenn man auch selber mit und durch ihn Lebensveränderungen erfährt.

Neben vielem anderen geht es zutiefst eben auch darum im Evangelium dieses Sonntags, das die Verse 13-20 im 16. Kapitel bei Matthäus umfasst.

Jesus nennt Petrus „selig“. Warum? Seit er Jesus folgt, ist er nicht mehr nur der Fischer, wie er es vorher war. Und er ist nicht mal nur Menschenfischer, sondern ein Seliger, dem sich der himmlische Vater offenbart: „Selig bist du, Simon Barjóna; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel.

Die seligmachende Veränderung des Petrus geht so weit, dass Jesus ihm seine Kirche und für seine Kirche die Bind- und Lösegewalt anvertraut. Eine Aufgabe, die Petrus vor seiner Begegnung mit Jesus, also als Mensch, wie er es einmal war, nicht gewachsen gewesen wäre, zumal „die Mächte der Unterwelt“ die ihm nun anvertraute Kirche „nicht überwältigen werden.“

Und für wen hältst Du Jesus? Wer ist er für Dich? Es ist nicht schwer, sich auf diesen Jesus einzulassen, der dann auch mit Dir einen seligmachenden Weg einschlagen wird.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 34/2020 (A)

Am 15. August feiert die Kirche das Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!

Nun habe wir seit dem ersten Mai in St. Pantaleon recht unbeschwert Woche für Woche zahlreiche Gottesdienste gefeiert. Die Zahl der Gottesdienstbesucher sowohl in den beiden Werktags-Messen um 12:00 und um 18:30 Uhr, wie an den fünf Sonntagsmessen hat in dieser Zeit spürbar zugenommen. Täglich sind es von Montag bis Freitag zwischen 60 und 70 Gläubige, die seitdem hier in St. Pantaleon gemeinsam Eucharistie feiern; und Samstag / Sonntag ein Mehrfaches davon.

Dabei haben wir uns zugleich sehr bemüht, mit Augenmaß, mit mikrobiologischem Sach- und nicht zuletzt mit gesundem Menschenverstand die viel befürchtete Infektionsgefahr so zu minimieren, dass ein ernsthaftes Risiko nach bestem Wissen und Gewissen zu jeder Zeit ausgeschlossen werden konnte. Bislang ist auch alles sehr gut gegangen. Dennoch bitte ich hiermit erneut ausdrücklich darum, bis auf Weiteres die jede Virus-Infektion minimierenden Regeln gewissenhaft einzuhalten.

Bislang ist alles gut gegangen, weil die Regeln im Großen und Ganzen konsequent eingehalten wurden. Aber wenn über eine längere Zeit alles gut gegangen ist, neigt man dazu, nachlässig zu werden. Da dies in den letzten zwei Wochen vereinzelt zu beobachten war, schreibe ich Ihnen diese Zeilen und bitte noch einmal alle, um solidarisches Mitwirken.

Angesichts der staatlicherseits nachgebesserten Verhaltensregeln haben nun auch wir beschlossen, das teils doch recht großzügige gehandhabte Mitbeten und vor allem Mitsingen, was unter gewöhnlichen Verhältnissen sehr erfreulich ist, geschickt und gekonnt doch wieder spürbar, aber keineswegs störend einzuschränken und ein gutes Stück zurückzufahren. Wenn, dann geht ja ein Großteil der Infektionen über die Atemwege und die Atemluft. Das konnte ja inzwischen nachgewiesen werden; vor allem auch dann, wenn die Atemluft kraftvoll ausgestoßen wird. Und das ist eben beim lauten Beten und vor allem Singen der Fall.

Darüber hinaus wäre ich dankbar, wenn sich weitere Personen dazu bereitfänden, bei den Sonntagsmessen (inkl. Samstagvorabendmesse) die weiterhin notwendigen Dienste von Empfang und Einweisung mitzutragen. Bislang wurden diese Dienste von nur ganz wenigen und immer denselben all die Wochen bereitwillig versehen. Eine Verstärkung bei diesem unverzichtbaren Dienst täte allen gut. Und es sollten für jeden Gottesdienst immer zwei Personen gleichzeitig diesen Dienst verrichten. Bislang war es immer nur eine Person. Da kam es schon mal zu Engpässen.

Am Sonntag, dem 20. September werden wir die für die größere Gruppe von 11 Kindern verschobene Erstkommunionfeier um 11:00 Uhr nachholen. Das Hochamt fällt dafür aus. Bitte besuchen Sie stattdessen die 12:15 Uhr – Sonntagsmesse; oder die Abend- oder Vorabendmesse; notfalls auch die 10:00 Uhr – Familienmesse; wenn diese nicht schon zu gut besucht ist.

Auch wenn es bereits in den Hinweisen steht, möchte ich hier noch einmal eigens zum sogenannten „Seelsorgebereichs-Forum“ einladen. Es findet für alle, die sich St. Pantaleon verbunden fühlen, am 24.9.20 in den Räumen von St. Peter, Jabachstraße 1, 50676 Köln statt. Unser Erzbischof möchte über dieses Forum möglichst viele Gläubige, denen die Zukunft der Kirche am Herzen liegt, am pastoralen Zukunftsprozess in unserem Erzbistum teilhaben und mitwirken lassen. Bitte melden Sie Ihre Teilnahme bis zum 21.09.2020 im Pfarrbüro St. Pantaleon an. Es wird sicher auch für Sie interessant und aufschlussreich.

Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 32/2020 (A)

Ab-Schalten! - Wort des Bischofs vom 02.08.2020

Gerade im Home-Office haben wir uns daran gewöhnt, fast immer erreichbar zu sein. Einfach mal nicht ans Handy gehen? Fast undenkbar, es könnte ja wichtig sein. Kardinal Woelki rät dringend zu ganz bewussten Abschaltzeiten!

Ich gebe es gerne zu: Mir fällt es schwer, richtig abzuschalten! Mein Handy ist am Tag eigentlich immer "ON". Da geht es mir wie vielen anderen. Klar, das Handy ist für mich alles andere als ein Freizeitspaß. Es ist in erster Linie ein Arbeitsgerät. Aber selbst in meiner Freizeit und in den Ferien fällt mir das Ausschalten nicht immer leicht. Natürlich kann ich mir selber etwas vormachen und sagen. "Gerade ich muss doch immer gut erreichbar sein! Das Handy dient doch nur der schnellen, notwendigen Kommunikation!"

Aber mal ganz ehrlich, unter uns: Auch ich muss nicht immer "ON" sein. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass mir das bewusste Abschalten guttut. Ich kann dann endlich mal die Arbeit und viele Dinge, die mich im Alltag beschäftigen, hinter mir lassen. Gerade dieses Loslassen, dieser Abstand zu den Dingen ist wichtig für unser Leben. Denn nur mit dem nötigen Abstand gelingt es uns, Dinge richtig zu beurteilen. Wir sind dann nicht mehr selber der Mittelpunkt, um den sich alles dreht. Wir erkennen Zusammenhänge neu – und können die besseren Prioritäten für unser Leben setzen.

Ich möchte Sie daher heute einladen, in diesen Ferientagen Ihr Handy einfach mal aus zu lassen – für ein gutes Gespräch zum Beispiel mit einem Menschen, der Ihnen nahe ist. Da braucht es keine Technik. Selbst in diesen Corona-Zeiten, wo wir alle auf Abstand bleiben müssen, ist das direkte Gespräch, der Austausch, bei dem man sich in die Augen sehen kann, durch nichts zu ersetzen.

Für den Austausch mit Gott braucht es übrigens noch nicht einmal ein Handy. Gott ist immer „ON“. Immer für uns erreichbar. Jederzeit und überall ansprechbar – immer ganz da für uns. Aber vielleicht sollten wir DAS auch wirklich besser unserem Himmlischen Vater überlassen.

Wir Menschen müssen nicht wie Gott sein – schon Adam und Eva haben damit keine guten Erfahrungen gemacht. Wir Menschen, wir dürfen ruhig mal „Abschalten“.

Ihr Rainer Woelki, Erzbischof von Köln

https://www.domradio.de/video/wort-des-bischofs-239

 

 

Pfarrnachrichten 30-31/2020 (A)

Mehr Gott am Meer – Impuls unseres Erzbischofs zu den Sommerferien

In den Ferien zieht es die Menschen ans Meer. Die See ist so unvorhersehbar und verändert sich stetig - wie unser Leben. Auch das führt uns näher zu Gott.

So notwendig sie ist – manchmal nervt sie schon, diese Maske. Doch wie wunderbar ist es, dass wir uns jetzt in den Sommerferien nach all den Corona-Einschränkungen endlich wenigstens wieder etwas freier bewegen können. Viele von uns, die in diesen Tagen im verdienten Urlaub sind, zieht es ans Meer. Ganz gleich, ob die Wogen des Meeres an herrlichen Sandstränden auflaufen oder an felsigen Steilküsten – das Meer hat für uns Menschen eine magische Anziehungskraft. Gleich, ob wir auf dem Meeresboden tauchen oder uns sportlich an der Meeresoberfläche tummeln, ob wir uns allein in die kalten Fluten stürzen oder stundenlang im warmen Wasser auf der Luftmatratze liegen – Wasser begeistert schon kleinste Kinder. Wir sind fasziniert, selbst, wenn wir den Sonnenuntergang am Meer nur auf Fotos oder Postkarten sehen.

Woran aber liegt es, dass es uns Menschen immer wieder ans Meer oder gar weit hinaus auf die hohe See zieht? Hängt es damit zusammen, dass unser ganzes Leben hier auf der Erde aus dem Wasser kommt? Liegt es vielleicht daran, dass sich das Meer wie unser eigenes Leben immer wieder neu verändert? Mal ruhig, mal stürmisch, mal belebend, mal lebensbedrohlich? Es mag damit zusammenhängen. Die Weite der Ozeane und Meere erinnern uns immer auch an die Unendlichkeit. Und an unsere irdische Endlichkeit. Wenn die Sonne am frühen Morgen aus dem Meer emporsteigt oder am späten Abend tief im Westen im Meereshorizont abtaucht, spürt fast jeder von uns etwas von dieser Weite und Unendlichkeit, die uns als Menschen ganz klein werden lässt.

Wenn ich am Meer solche Momente erlebe, danke ich Gott für seine großartige, unendlich weite und schöne Schöpfung. Selbst wenn ich mich dann ganz klein und verloren fühle, denke ich an Gottes Zuspruch: "Fürchte Dich nicht, denn ich habe Dich erlöst. Ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen. Du bist mein. Hab keine Angst. Wenn Du durch Wasser gehst, will ich bei Dir sein, dass Dich die Ströme nicht ertrinken lassen… Ich, Dein Gott, bin bei Dir, bis ans Ende der Welt!"

Ihr Rainer Woelki, Erzbischof von Köln

https://www.domradio.de/radio/sendungen/wort-des-bischofs/wort-des-bischofs-140

 

Pfarrnachrichten 29-30/2020 (A)

Impuls unseres Erzbischofs zu den Sommerferien

… Die großen Sommerferien sind da. Nach all den Unruhen und Ausfällen aufgrund des Coronavirus ist jetzt für viele von uns eine verdiente Auszeit angesagt. Nicht nur die Schulkinder – auch viele Berufstätige freuen sich auf die … Ferien, die … für die meisten von uns sogar die „schönsten Wochen des Jahres“ sein sollen.

Doch ganz gleich, ob Sie in den Ferien verreisen oder in diesem Corona-Jahr den Sommer lieber auf dem heimischen Balkon oder im eigenen Garten verleben: Ich möchte Ihnen allen nicht einfach nur schöne Ferien wünschen. Vor allem wünsche ich Ihnen, dass die Ferienzeit für Sie wirklich eine kostbare, eine wertvolle Zeit wird.

Kostbar und wertvoll ist die Zeit zum Beispiel dann, wenn Eltern sie ganz bewusst mit ihren Kindern teilen, indem sie mit ihnen ausgiebig spielen oder auf eine spannende Entdeckungstour gehen. Kostbar ist die Zeit, die Ehepaare sich für gemeinsame Unternehmungen oder ein lange aufgeschobenes Gespräch nehmen. Wertvoll ist die Zeit, die Freunde investieren, um gemeinsam Freude oder Leid zu teilen.

Kostbar – das wissen wir, wenn wir auf unser Leben zurückblicken – waren in der Regel immer die Augenblicke, in denen wir unser Leben ganz bewusst gelebt und mit anderen geteilt haben. Wertvolle Momente, in denen wir gespürt haben, dass unser Leben ein einzigartiges, wunderbares Geschenk unseres Schöpfers ist. Stimmt schon! Unsere Zeit, die liegt in Gottes Händen. Aber es liegt auch an uns, was wir aus dieser Zeit machen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen also nicht nur eine Ferienzeit, in der Sie abschalten und ausspannen können, sondern vor allem auch eine kostbare Zeit mit vielen wunderbaren, wertvollen Momenten, in denen Sie das Leben und Gottes Gegenwart in seiner Schöpfung und im Leben der Menschen, denen Sie sich verbunden wissen, wieder neu entdecken können! Schöne und erholsame Ferien.

Ihr Rainer Woelki, Erzbischof von Köln

https://www.domradio.de/radio/sendungen/wort-des-bischofs/endlich-ferien-wort-des-bischofs

 

Pfarrnachrichten 27-28/2020 (A)

Im vergangenen Jahr, am 07.07.2019, spendete der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki allen Urlaubern den folgenden Reisesegen: "… Ganz gleich wie und wohin es Sie zieht, ob Sie wandern oder radeln, ob Sie entspannen oder sich auch im Urlaub Ziele setzen, ob Sie in die Ferne reisen oder in der Nähe bleiben: Ich wünsche Ihnen eine richtig erholsame Zeit. Lassen Sie einfach mal all die Sorgen des Alltags hinter sich. Ja, brechen Sie selbst dann auf, wenn Sie Ihren Urlaub zuhause verbringen.

Der Aufbruch, den ich meine, das ist der Aufbruch in ein neues, bewusstes Leben. Der kann auch in den eigenen vier Wänden gelingen. Überall, wo wir Menschen uns Zeit für uns und unsere Lieben gönnen, spüren wir, wie kostbar, wie unendlich kostbar unser Leben ist. Welches Geschenk jede Stunde Lebenszeit ist. Denn unsere Lebenszeit liegt ja nicht in unseren eigenen Händen. Sie ist eine wunderbare Zeit, sie ist geschenkte Zeit; sie ist von Gott immer wieder neu geschenkte Zeit. Eigentlich sollten wir jeden Tag unseres Lebens so bewusst leben, als wenn es unser letzter wäre – nicht nur im Urlaub.

Aber gerade jetzt in der Urlaubszeit können wir damit anfangen und unser Leben als Geschenk neu entdecken. Das wünsche ich allen, die jetzt am Beginn der 'großen Ferien' stehen. Sie alle haben dabei den besten Wegbegleiter, den es gibt: Jesus Christus. Und so segne und behüte Sie alle jetzt auf dem Weg in die Ferien der allmächtige Gott: der Vater und der Sohn und der Heilige Geist – Amen!

Ihr Rainer Woelki, Erzbischof von Köln, der Ihnen schöne Ferien wünscht!“

https://www.domradio.de/radio/sendungen/wort-des-bischofs/reisesegen-wort-des-bischofs

 

Pfarrnachrichten 26/2020 (A)

Michael Wolgemut - Das jüngste Gericht

Das Sonntagsevangelium (Mt 10, 26–33) beginnt mit der Aufforderung Jesu: „Fürchtet euch nicht vor den Menschen!“ Denn alles Verborgene werde irgendwann allen bekannt werden: „Nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt wird, und nichts ist verborgen, was nicht bekannt wird.

Es gehört zur christlichen Überzeugung, dass spätestens am letzten Tag, dem jüngsten Gericht, alles allen offenbar werde. Wörtlich steht dazu im Katechismus der Katholischen Kirche (1039): „Im Angesicht Christi, der die Wahrheit ist, wird die wahre Beziehung jedes Menschen zu Gott endgültig offengelegt werden. Das Letzte Gericht wird bis in die äußersten Folgen an den Tag bringen, was jeder während seines Erdenlebens an Gutem getan oder nicht getan hat.

Wenn ohnehin einmal alles allen bekannt wird, warum dann also über das schwiegen und es für sich behalten, wovon wir zutiefst überzeugt sind, was uns überaus wertvoll ist und uns erfüllt. So sagt dann Jesus auch am Ende des Sonntagsevangeliums (ibid. 32f): „Jeder, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen.

In unserer Gesellschaft ist es fast schon ein Tabu, über Religion oder gar über den christlichen Glauben zu sprechen. Es ging hier ja um höchst Intimes und ganz Privates. Also rede man in der Öffentlichkeit nicht über seine religiösen Überzeugungen.

Das stimmt so aber nicht. Denn wo Menschen aus der Kraft des Glaubens und der Gnade Gottes leben, wirkt sich das gewaltig auf das Zwischenmenschliche und meist sehr positiv auf die ganze Gesellschaft aus. Deshalb sind manche froh, und scheinen sogar nur darauf zu warten, wenn etwa in einer Diskussionsrunde jemand dieses Tabu bricht und seinen Glauben auch ganz persönlich ins Gespräch bringt. Und hat sich einer einmal überwunden, öffentlich zu seinem Glauben zu stehen, dann steht er oft gar nicht so alleine da, wie man denkt. Außerdem toleriert unsere Gesellschaft alle möglichen Verrücktheiten. Da darf man also auch Respekt vor dem eigenen Glauben einfordern!

Im Übrigen: auch Ungläubigen sind oft unsicher und ängstlich! Wenn sie gegen den christlichen Glauben spotten, verhüllen sie oft nur eigene Unsicherheit. Wer an nichts glaubt, kann sich seiner Meinung noch weniger sicher sein; denn vielleicht ist ja doch etwas dran an der Religion...

Andererseits gibt es auch im Glauben Augenblicke des Zweifelns, der Verzagtheit und des eigenen Versagens. So muss man etwa mangelnden Bekennermut auch erst einmal lernen anzunehmen! Es bleibt ein Wagnis, zu glauben. Und vordergründig gibt auch der Glaube keine letzte Sicherheit. Jeder Glaube nimmt vielmehr an Reife zu, wenn er durch Zweifeln geprüft wird. Diese bringt der Gläubige vor Gott. Und daran wächst er im Glauben.

Wenn angesichts solcher Widersprüche ein Gläubiger gelassen bleibt und seine Überzeugung ruhig vertritt, hilft er dem andern, hinter der Mauer seiner eigenen Angst oder Unsicherheit hervorzukommen. So findet der Ungläubige beim Gläubigen Verständnis für seine kritischen Fragen, und im Glauben zugleich klare Antworten. Dann kann ein echtes, ehrliches und von peinlichen Gefühlen freies Gespräch über den Glauben zustande kommen.

Am besten ist es, wenn der Ungläubige von sich aus nach dem Glauben fragt. Hier gilt nämlich eine bekannte Regel. Sie lautet: „Rede über deinen Glauben erst dann, wenn du gefragt wirst. – Aber lebe zugleich so, dass man dich nach deinem Glauben fragt!“

Genau dazu möchte ich Sie gerne ermutigen. Es gibt viele Suchende in unserer Gesellschaft. Haben wir ein waches Auge für die Chance, wenn wir einem von ihnen begegnen. Wir werden ihm unseren Glauben nahebringen: durch das, was und wie wir es leben, und wonach er uns dann fragen wird.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 25/2020 (A)

Die Berufung des Zöllners Matthäus

Das Evangelium von diesem Sonntag (11. Sonntag im Jahreskreis, Leseordnung A: Mt 9,36–10,8) erzählt die Berufung der Zwölf Apostel – wie die anderen Evangelien auch recht – bewusst sehr feierlich. Denn hier geschieht Großes. Die Zwölf sind durch Jesus von Gott selbst gerufen. Sie empfangen Vollmachten Gottes und damit verbunden den Auftrag, sein Reich zu verkünden und das Gottesreich in der ganzen Welt zu beheimaten.

Die Zahl „zwölf“ geht auf die 12 Stämme bzw. Stammväter Israels zurück: auf die 12 Söhne des Patriarchen Jakob. Die 12 Apostel sind nun das Fundament für das „neue Israel“, das Gott Vater durch seinen Sohn Jesus Christus für diese Welt jetzt endgültig bis zu ihrem Ende errichten will. Gott erneuert Israel von Grund auf und lässt es neu entstehen.

Die besondere Berufung der Apostel führt sie später in die ganze Welt hinaus. Noch heute kennen wir jeden Einzelnen mit Namen. Das sollte aber nicht dazu verleiten, die eigene Berufung und das Außergewöhnliche zu übersehen, das Gott jedem schenken möchte. Auch die Apostel waren nur gewöhnliche Menschen. Das Außergewöhnliche kam von Gott, und sie haben es angenommen und sich damit identifiziert.

Gottes „Ruf“ ergeht an jeden Menschen und er verleiht jedem äußerlich normalen und gewöhnlichen Leben eine Bedeutung, die mit Himmlischem erfüllt und entsprechend leben lässt: jetzt und dereinst.

Schon in uns als Mensch ist eine Berufung enthalten: Wer bin ich? Wozu bin ich auf der Welt? Was ist meine Aufgabe in dieser Welt? Worin finde ich Sinn und Erfüllung für mein Leben? Es sind Fragen nach dem ganz persönlichen Weg, der einem „auf den Leib geschneidert“ ist, der einem entspricht. Oft in Verbindung mit dem Wunsch, sehr ausgeprägt bei jungen Menschen oder auch in der Mitte des Lebens („Midlife-Crisis“), etwas Besonderes zustande zu bringen, damit das eigene Leben von Bedeutung ist.

Hier geht es um Berufung! Wenn ein Mensch ihr nachgeht, sich nicht einfach treiben lässt, sondern bewusste Entscheidungen trifft und seinen eigenen Weg sucht und ihn – am Ende mit Gottes Hilfe – findet: im Beruf, in der Familie, in seinen Engagements..., dann wird er „er selbst“. Er kommt in Einklang mit sich und seinem tiefsten Wesen. Er wird zufrieden und sein Leben als erfüllt empfinden.

Selbstverständlich hat das mit Gott zu tun! Er hat jeden Menschen einmalig, als ganz eigene Persönlichkeit erschaffen. Und jedem legt er einen Auftrag ins Herz, der einem ganz entspricht. Wer diesem Auftrag folgt, der wie ein „innerer Ruf“ ist, und das in eigener Verantwortung und zugleich vor Gott, verwirklicht einen einzigartig und unverwechselbar „Plan“, einen Auftrag Gottes und finde damit zugleich den Sinn seines Lebens.

Die Frage nach der eigenen „Berufung“ stellt sich dort, wo die Weichen des Lebens zu stellen sind. Sie kehren wieder, in der Lebensmitte (oft als „Midlife-Crisis“) oder wenn man älter wird. Dann beschäftigen einen die Fragen: Was habe ich aus meinem Leben gemacht? Habe ich meine Aufgaben erfüllt; habe ich sie gut erfüllt? Liegt vielleicht noch einmal etwas ganz Neues vor mir? Es ist nie zu spät, sich mit der Frage nach der eigenen Berufung auseinanderzusetzen!

Wann haben Sie das zum letzten Mal getan? Ich möchte Sie dazu ermutigen! Denn wenn wir nach unserer Berufung fragen, erfüllen wir den „Willen Gottes“. Wir stellen unser Leben unter seinen Ruf, unter seine Pläne. Für die meisten bedeutet das, ihr „normales“ Leben bewusst nach dem Willen Gottes zu gestalten. Darin liegt Segen. Und Erfüllung. Und so baut man das Reich Gottes auf!

Es hat revolutionären Auswirkungen, wenn sich Menschen im Auftrag Gottes verstehen: als Handwerker, als Anwalt, als Schuster, als Unternehmer, als Landwirt, als Sekretär oder als Vater bzw. Mutter, als Nachbar, Freund oder Vorsitzende oder Schatzmeister usw. usw. Vieles sähe anders aus, froher, erfüllender und beglückender, als sonst üblich.

Der inzwischen heiliggesprochene John Henry Newman, hat das so ausgedrückt: „Gott hat mich erschaffen, damit ich das bin und tue, was nur mir und keinem andern bestimmt ist; ich habe einen Platz in den Absichten und in der Welt Gottes, den kein anderer einnimmt. Ich habe eine Sendung. ... Ich bin an meinem Platz ebenso notwendig wie der Erzengel an dem seinen!“

Leben wir also bewusst mit Gott! Und fragen wir explizit nach seinem Willen, wenn Entscheidungen anstehen. So schaffen wir eine „Atmosphäre“, in der dann auch andere den Ruf Gottes wieder hören. Dann werden auch wieder junge Frauen und Männer ihre Berufung zu einer besonderen Hingabe im unmittelbaren Dienst an der Kirche, in klösterlichen oder geistlichen Gemeinschaften, als Priester, Ordensleute oder christgläubige Laien entdecken.

Neben dem unverzichtbaren Gebet besonders für Priesterberufungen leisten wir dafür einen sogar sehr direkten Beitrag, indem wir selber das eigene Leben als Berufung Gottes gestalten!

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 24/2020 (A)

„Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des einzigen Sohnes Gottes geglaubt hat.“

Es sind Worte Jesu aus dem Johannes Evangelium (3,16-18). Wir hören sie an diesem Sonntag, dem Dreifaltigkeitssonntag. Diese Worte regen den Gottesdienstbesucher an, seine eigene Würde zu bedenken. Zugleich offenbaren diese Worte aber auch die Größe Gottes. Gott hat dies Welt geschaffen. Er rettet sie auch. Und das aus eigenem Entschluss und ohne von außen dazu gedrängt zu werden. Gott schafft und rettet ohne jede Notwendigkeit und – wegen seiner Dreifaltigkeit: s.u. – ganz aus sich selber heraus. Weil er selber ganz groß ist. Nichts ist größer, als er wahrhaft in seiner Dreieinigkeit.

Die zweite Person Gottes des Sohnes, die sich ganz für uns hingibt, durchschreitet als Mensch wie wir ein Stück Heimatlosigkeit und Entfremdung: In seinem Heimatort wurde er angefeindet. Angetrieben von seiner Sendung. durchwanderte er das ganze Land und hatte „keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen konnte“ (vgl. Matthäus-Evangelium 8,20). Auch er war ein „Nomade“, wie Menschen heute und zu allen Zeiten.

Dennoch wusste sich die zweite Person Gottes des Sohnes auch als Mensch ganz tief geborgen. Denn Jesus lebte als Mensch nicht aus sich selbst! Er lebte ganz aus Gott, den er „seinen Vater“ nannte. Von ihm her empfing er Rückhalt, Kraft und Geborgenheit. So war er unabhängig, nicht angewiesen auf menschliche Bindungen und auf Bestätigung durch die Anerkennung anderer. Darum konnte er ebenso gut Konflikte wagen (gerade in seiner Heimat Nazaret; vgl. u.a. Lukas-Evangelium 4,16-30!), wie Gemeinschaft aufbauen. Weil er sich selbst ganz vom Vater her empfing, konnte er sich ganz an die Menschen verschenken und allen „Mühseligen und Beladenen Ruhe verschaffen“ (vgl. Matthäus-Evangelium 11,28).

Darin besteht das Geheimnis der Person von Jesus: Seine wahre Heimat liegt jenseits der Menschenwelt – sie ist das innere Leben Gottes, das Le-en der Dreifaltigkeit! So offenbart sich in seiner Gestalt etwas vom tiefsten Wesen Gottes. Wenn wir seine Weise zu leben betrachten, verstehen wir auch deutlich mehr von dem einen Gott in drei Personen. Wir verstehen die Allerheiligsten Dreifaltigkeit dann besser.

Wir tun hier einen Blick ins Innere einer Gemeinschaft unvorstellbarer Intensität: Der Vater verschenkt sich ganz an den Sohn; der Sohn empfängt sich ganz vom Vater her. „Ich bin im Vater, und der Vater ist in mir“ (vgl. Johannes-Evangelium 14,10-11). Zwischen ihnen flutet eine Liebe, die selbst Person ist: der Heilige Geist. Er ist „das ‚Wir‘ in Person“. Nicht aus sich selbst, sondern ganz vom andern her zu leben – das ist das innere Lebensgeheimnis Gottes!

Und deshalb wirkt Gott so überraschend aus sich selber, weil er ganz vom anderen her lebt. Die Einheit des einen Gottes in den drei real voneinander verschiedenen Personen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes sprengt unsere Vorstellung. Aber in dieser Einheit liegt unser Zukunft. In dieser Einheit sind wir schon jetzt zu Hause und in bester, stärkender Gemeinschaft.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 23/2020 (A)

Maria empfängt als Sinnbild der Kirche in der Mitte der Apostel den Heiligen Geist in Überfülle

Paulus stellt den Jünger aus Ephesus eine interessante Frage: „Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, als ihr gläubig wurdet?“ Diese Frage legt nahe, dass man es merken kann, ob man den Geist bekommen hat oder nicht! - Das lässt uns weiterfragen: Gibt es denn auch Wirkungen, an denen man den Heiligen Geist erkennt?

Von der Erfahrung her kann man das jedenfalls eindeutig bejahen. Der Heilige Geist ist der wirkende Gott. Er ist Gott, der in uns und unter uns lebt und vor allem von innen heraus wirkt. Wenn man von ihm spricht, muss man auch von seinen Wirkungen sprechen.

Wo Menschen sich Gott öffnen, entwickelt sich bei ihnen eine gewisse Sensibilität, eine Empfänglichkeit für die Stimme des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist macht sich bemerkbar: im eigenen Inneren nämlich. Und als Gläubiger nimmt man dieses Wirken Gottes auch sehr unmittelbar als Antrieb des Heilige Geistes wahr.

Was da geschieht ist meist vielfältig. Man nimmt wahr, wie man anfangs meist noch recht allgemein angetrieben wird, jede Situation aus dem Glauben und aus der Liebe zu gestalten. Manchmal auch zu Unternehmungen oder Wagnissen, zuweilen entgegen aller vernünftigen Überlegung.

Man spürt das einfach: Gott will dies ... jenes will er nicht ... darauf soll ich mich einlassen ... davon halte ich mich besser fern ... um diesen Menschen soll ich mich kümmern ... hier ist mein ganzer Einsatz gefordert, usw. Manchmal spürt man genau, dass eine bestimmte Sache entgegen aller Wahrscheinlichkeit gut enden wird. Auch bei größeren Entscheidungen sollte man dem „Luftzug des Heiligen Geistes“ folgen: wohin er – durch äußere Zeichen ebenso wie durch die „innere Stimme“ – führen will.

Der Geist „führt in die volle Wahrheit ein“ (vgl. Johannes-Evangelium 16,13). Die innere Klarheit und das tiefere Verständnis für die Botschaft Jesu sind sein Werk: Plötzlich rührt das Wort der Heiligen Schrift persönlich an. Manchmal vermittelt es klare Weisungen für konkrete Situationen: eine lange dunkel gebliebene Stelle beginnt zu sprechen... Wie bei den „Emmaus-Jünger“ kann man dann sagen: „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss?“ (Lk 24,32).

Oder die Glaubenslehre erschließt sich in ihrem wahren Sinn: Sie ist nicht mehr trockenes Dogma, sondern wird lebendig. Es sind nicht länger nur Lehrsätze, die man aufgrund der Autorität der Kirche für wahr hält. Man entdeckt vielmehr von der geistlichen Erfahrung her, was diese oder jene Lehre mir zu sagen hat. In der Glaubenslehre verdichten sich Glaubens-Erfahrung und führen im Heilige Geist zu einem Verstehen „von innen her“ und zu einer Zustimmung des Herzens.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 22/2020 (A)

Eine seltene Darstellung: Maria predigt den Aposteln in Erwartung des Pfingstfestes

Wir haben hier in St. Pantaleon seit dem ersten Mai nun schon sehr viele und auch sehr gut besuchte Gottesdienste gefeiert. Dankbare Rückmeldungen sprechen zahlreich von frohmachenden Gottesdiensten, die als befreiend erlebt wurden. Das liegt wohl auch an der überzeugenden Art, wie wir die verbindlichen Vorsichtsmaßnahmen zur Vermeidung von Neuinfektionen haben umsetzen können.

Gestern allerdings, am 22. Mai, hat sich erstmals ein Gottesdienstbesucher beklagt. Er hat sich wohl nicht ganz sicher gefühlt, weil u.a. sein Sitz-Nachbar den Sicherheitsabstand nicht eingehalten habe, usw. Das muss und will ich aufgreifen; denn ich erlebe ja selber, wie sehr ein frohmachender und befreiender Gottesdienst Corona an den Platz verweist, einen untergeordneten nämlich, wo die scheinbar alles beherrschende Epidemie in Wirklichkeit hingehört. Das darf aber bitte nicht dazu führen, Corona und die von diesem Virus ausgehende globale und nur bedingt beherrschbare Gefährdung ganz zu vergessen, geschweige denn die notwenigen Maßnahmen außer Acht zu lassen. So bitte ich mit diesen Zeilen zum ersten Mal erneut um Einhaltung einer vernünftig durchdachten wie unverzichtbaren „Corona-Disziplin“.

An den Sonn- und Feiertagen sind die getrennten Wege zum Betreten wie zum Verlassen der Kirche strikt einzuhalten. Es käme sonst unweigerlich zu „Verdichtungen“, die den Mindestabstand von zwei Metern unmöglich machen. Das darf nicht sein! An diesen Tagen dürfen Sie die Kirche bitte nur durch den bekannten Tageseingang mit seinem historischen Windfang betreten und nur durch die Außentür der Josefmaria-Kapelle zum historischen Innenhof hin verlassen. Und bitte immer im gebührenden Abstand von zwei Metern. (Unter anderem wurde hier ein Regelverstoß moniert!)

Bitte lassen Sie im Familiengottesdienst, sonntags um 10.00 Uhr, die Bänke im Mittelschiff für FAMILIEN frei. Belegen Sie als Einzelperson / Paar bitte die Seitenschiffe und den Hochchor. Ich kann nicht verstehen, warum – wie vorgekommen – eine ältere Einzelperson eine Bank im Mittelschiff gegen eine kinderreiche Familie „verteidigt“, statt bereitwillig auf einen der freien Einzelplätze auszuweichen. Und das während einer Heiligen Messe!!

Bitte achten Sie ebenfalls auf den vorgeschriebenen Abstand in den Bänken. Wenn ein Paar auf der einen Seite einer Bank im Mittelschiff sitzt, muss es bitte – wie vorgesehen (s. ausliegende „Sitzplatzregelung“) – bis auf den beigestellten Hocker ausweichen, damit zu einem hinzukommenden zweiten Paar der Mindestabstand von zwei Metern gewahrt bliebt. Auch hier kann ich nicht verstehen, warum – wie vorgekommen, und das war ein weiterer Grund der oben genannten Beschwerde – ein älteres Paar trotz der in diesem Moment noch einmal klar ausgesprochenen Bitte um Einhaltung des vorgeschriebenen Mindestabstandes diesen verweigert. Und das während einer Heiligen Messe!!

Dann noch ein Wort zur Kommunionausteilung. Der Kommunionausteiler kann auf einen zum Schutz für den Kommunionempfänger gedachten Mundschutz verzichten, und wir praktizieren es hier so, weil wir einen mikrobiologisch gleichwertigen Schutz des Kommunionempfängers wie des -spenders praktizieren. Die Hosteinschale – in der Sakristei streng nach Hygienevorschrift gefüllt – bleibt während des gesamten Gottesdienstes bis zur Kommunionausteilung zugedeckt. So bleiben alle Hostien gegen jeden „Spuck“ geschützt.

Bei der Kommunionausteilung wird die Hostienschale konsequent seitlich, außerhalb des möglichen „Spuck-Radius“ gehalten. Ebenso die Hostie auf der anderen Seite während der liturgischen Worte „Der Leib Christi“. Hier sind die kurzen Atem- und Sprechpausen im rechten Augenblick wichtig. Dann bleibt die Hostie auch hier gegen jeden „Spuck“ geschützt. Der Kommunionspender kommt zu Ihnen in den Bänken. Bleiben Sie also bitte dort, wo Sie sind. Und alles bleibt ruhig und hilft der betenden Begegnung mit dem Herrn.

Erst wenn Sie als Kommunionempfänger das liturgische „Amen“ gesprochen haben, tritt der Kommunionspender bei beiderseitig ausgestrecktem Arm und kurz angehaltenem Atem – worum ich hiermit erneut bitte – auf einen immer noch ungefährlichen Mund-zu-Mund-Abstand von über 1,50 Metern und für gerade einmal drei Sekunden zur „Übergabe“ der Kommunion noch einmal, aber weiterhin ungefährlich näher. Und er begibt sich sofort danach wieder in den über zwei Meter messenden „Hochsicherheitsabstand“.

Auch wollen wir weiterhin ein ganz einfaches System praktizieren, um mögliche, wenn auch sehr unwahrscheinliche Infektionsketten nachverfolgen zu können. Bitte tragen Sie dafür auch in Zukunft am Samstag und Sonntag auf die jeweils vorbereiteten Zettel entweder Ihre Festnetz- oder Ihre Handynummer oder Ihre E-Mail-Adresse ein. Das reicht. Nach zwei Wochen werden diese Zettel vernichtet. Die dafür notwenige Datenschutzerklärung liegt ja bereits in der Kirche aus.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 21/2020 (A)

Himmelfahrt - Detail eines Gemaeldes von Hans Suess von Kulmbach (16. Jh.)

Erinnern Sie sich noch an Ihre Kindheit? Haben Sie noch in Erinnerung, was ein Kind denkt und fühlt, wenn die Mutter etwa beim sonntäglichen Nachmittagskaffee ein besonders großes Stück Kuchen dem Kind abschneidet und auf den Teller legt, das sie mehr als die anderen liebt?

Für uns Menschen ist es äußerst schwer, Liebe und Gerechtigkeit in genau der richtigen Weise miteinander zu verbinden. Wir müssen uns darum bemühen, gut abzuwägen und alles in rechter Weise aufeinander abzustimmen. Da aber wirkliche und wahre Liebe alle Grenzen übersteigt, stehen wir hier vor einem „Liebes-Dilemma“; denn die Gerechtigkeit setzt notwendigerweise Grenzen. Aber setzt sie auch der Liebe Grenzen?

Hier hilf das Evangelium vom sechsten Ostersonntag (Joh. 14,15-21). Am häufigsten kommt in ihm das Wort „Liebe“ vor: Insgesamt fünf Mal. Aber es bleibt gewöhnungsbedürftig, dass unser Herr die häufig genannte Liebe wiederholt in ganz enge Verbindung mit den Geboten bringt: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten“ bzw. „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt.

Wo genau liegt unsere Schwierigkeit bei dieser Verbindung von „Liebe“ und „Gebot“? – Hier ist hilfreich, das Gebot vom Verbot zu unterscheiden. Nicht bei allen der 10 Gebote heißt es verbietend: „du sollst nicht …“. Bei einigen heiß es auch gebietend: „du sollst ...“.

Das Verbotene benennt das, was nicht mehr geht: „du sollst nicht “, weil es der Liebe zutiefst widerspricht. Das Gebotene hingegen benennt das, was der Liebe entspricht: „du sollst …“. Von daher ist hinter jedem Verbot nicht nur zu sehen, was es verbietet, sondern immer auch das, was es gebietet.

So ist im Verbot zu Lügen das Gebot zur Wahrhaftigkeit mit eingeschlossen. Und wie das Lügen in negativer Richtung der Liebe widerspricht und sie tötet, so entspricht in positiver Richtung das Gebot zur Wahrhaftigkeit der Liebe und bringt sie zum Leben. Hier wird deutlich, wie tief der Zusammenhang zwischen beidem, zwischen der Liebe und dem Gebotenen ist: Wer die Gebote hält und wer das Gebotene tut, der wächst in der Liebe. Das Verbotene hingegen benennt deutlich das, wodurch die Liebe stirbt und sie verloren geht.

Im alltäglichen Leben ist das oft mit Mühe verbunden. Nicht selten gleicht ein Tag dem anderen. Und die Wochen vergehen, ohne dass große Veränderungen sichtbar werden. Aber wer sich immer wieder neu mit Gottes Hilfe darum bemüht, das Verbotene draußen vor zu lassen und sich dem Gebotenen zu öffnen, der tritt nicht auf der Stelle, sondern schreitet voran; denn schon das nicht Zurückfallen in die Sünde ist segensreich und bereits ein großer Fortschritt.

Schaut man sich das Evangelium dieses Sonntags näher an, fällt auf, dass der Evangelist Johannes zu Beginn mit Worten Jesu die Verbindung von Liebe und Gebot herstellt (Joh. 14,15): „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.“ Unmittelbar darauf gibt Johannes die folgenden Worte Jesu wieder (ibid., 16f): Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird.“

Nach weiteren Ankündigungen der Herabkunft des Heiligen Geistes und Aussagen über den besonderen Beistand, den Gott seinen Kindern im Übermaß gewährt – ibid. 18: „Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, sondern ich komme wieder zu euch“ – kommt Johannes mit Worten Jesu auf die enge Verbindung von Gebot und Liebe – jetzt sogar in umgekehrter Reihenfolge – zurück (ibid. 21): „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt.

Bei der Mühe im alltäglichen Leben und dem täglichen Bemühen darum, nicht in die Sünde zurück zu fallen, sondern – wiederholt auch beschwerlich und nicht ohne Selbstüberwindung – das Gebotene („dein Wille geschehe“) zu tun und darin voranzuschreiten, steht der Gläubige als Kind Gottes nie alleine. Die Verbundenheit mit Gott schenkt ihm nicht nur Kraft; sondern wachsende Liebe, die erfüllt und zugleich erkennen lässt, wie groß die Veränderungen und Verwandlungen sind, welche die Treue in den Geboten mit sich bringt.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 20/2020 (A)

Das inzwischen weitgehend eingerüstete Westwerk von innen. - Das ist nur der Anfang. Dafür wird das Ende überwältigend. Eine Durststrecke von drei Jahren liegt jetzt vor uns!

Nun gehen wir in das zweite Wochenende der offenen Gottesdienste. In den vergangenen Tagen, wie auch Wochen davor, haben wir Bewegendes und für die ganze Gemeinde Bereicherndes erlebt.

Unter anderem haben wir uns gegen ein Ticketsystem und für eine weitere Sonntagsmesse entschieden. Ganz nüchtern geleitet vom Grundsatz, irrationale Ängste nicht auch im Raum der Kirche zu schüren. Die Kirche ist mit derzeit auf 1.300 qm reduzierter Grundfläche – wegen umfassender Baumaßnahmen – weiterhin sehr groß. Sollten wider Erwarten die auf rundum zwei Meter-Abstand konsequent ausgemessenen Plätze alle belegt sein, muss man halt den nächsten der nun insgesamt fünf Sonntags-Gottesdienste abwarten.

Auf diese Weise haben vom ersten bis zum dritten Mai zwischen 430 und 450 Gläubige in aller Ruhe in St. Pantaleon wieder Eucharistie feiern können. Außerdem haben wir fortsetzten können, was wir hier ab der Karwoche begonnen haben.

In den April-Wochen war die Kirche durchgehend von neun Uhr vormittags bis gegen zwanzig Uhr abends geöffnet. Über Stunden war mindestens einer von uns Priestern in der Kirche. Mit zahlreichen Betenden, die kamen und gingen, haben wir vor allem die Kraft des Allmächtigen ganz neu erfahren, wenn er unter der Gestalt des Brotes in der Monstranz auf dem Altar „steht“. Dadurch ermutigt haben wir sehr bald im Halbstunden-Takt ab 17:00 Uhr dann auch die Kommunion gespendet.

Es waren am Ende zwischen fünf- und sechshundert „Osterkommunionen“ und ähnlich vielen „Osterbeichten“. Ganz genau weiß ich es nicht. Aber irgendwo dazwischen ist exakt.

Dabei hat sich eine einfache und risikofreie Kommunionspendung „entwickelt“; wohl auch gefördert durch die persönliche Erfahrung, bis zum 27. Lebensjahr als vom Staat examinierter Chemiker den Umgang mit wirklich giftigen Stoffen frei von irrationaler Angst sicher und wiederholt erprobt zu haben.

So geht Kommunizieren frei von Infektionsrisiken dann auch ohne Mundschutz: Auf Distanz und nicht gegen, sondern vorbei an der seitlich versetzt gehaltenen Hostie spricht der Kommunionspender die liturgischen Worte „der Leib Christi“ und wartet das „Amen“ des Kommunikanten ab. Erst dann wird die Distanz von über zwei Metern bis auf zwei ausgestreckte Armlängen und einem Mund-zu-Mund Abstand von ca. 1,5 m für drei Sekunden verringert. In diesem Augenblick der „physischen Kommunionspendung“ atmen die Beteiligten nicht. Und schon begibt der Kommunionspender sich wieder in den Hochsicherheitsabstand von über zwei Metern.

Die Bewegungsabläufe werden nach kurzer Eingewöhnung elegant. Eine Infektion lässt sich auf diese Weise ziemlich sicher ausschließen. Und die Gläubigen sind vorher darüber instruiert. Weiterhin bleiben die Gläubigen für den Kommunion-Empfang auf ihrem Platz und der Kommunionspender kommt zu ihnen. Mit passender kirchenmusikalischer Begleitung sind alle entspannt und finden schnell zur betenden Gemeinschaft mit Gott und untereinander.

Final als „abstract“: Konsequenter Zwei-Meter-Abstand nach allen Seiten, auch beim Hinein- und Hinausgehen und nur beim Kommunionempfang für drei Sekunden und ohne Atmungsaktivität auf 1,5 Meter reduziert, immer frische Luft (leichter Durchzug!), eine hygienisch einwandfrei gereinigte Kirche, ohne Gesang aber mit sauberen Händen: Damit haben wir alles Notwendige getan, und mehr bitte nicht, um dann von ganzem Herzen mit Jesu Worten zu beten (Joh 14,1): „Euer Herz sei ohne Furcht …“ Andere übersetzen: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich.

Corona verhält sich außerhalb des menschlichen Körpers wie jedes andere Virus. Unberechenbar ist Corona nur in unserem Körper. Von daher verstehe ich nicht, warum Theologen, teils weltfremd und mit ungesundem Menschenverstand, den Gläubigen durch zusätzlich auferlegten, aber wenig wirksamen bis unwirksamen „Schutzmaßnahmen“ den Glaubensvollzug mühsam bis unerträglich machen.

Dieser Tage erhielt ich u.a. folgende Mail: „Es war heute Mittag in St. Pantaleon (im Gegensatz zur Frühmesse in XY, wo ich alles schrecklich einengend und bedrückend fand) trotz der Einschränkungen eine so schöne Atmosphäre und alles so unaufgeregt! Ja, wirklich friedlich und Frieden verbreitend! Morgen bringe ich meinen Mann mit! :-)

In diesem Sinne bitte ich nachdrücklich, alle notwendigen Vorgaben für die öffentlichen Gottesdienste auch weiterhin konsequent zu beachten. Sie liegen als Gedrucktes in der Kirche aus! So können wir feiern und uns der Nähe Gottes erfreuen.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 19/2020 (A)

Der hl. Josef von Guido Reni zwischen 1640 und 1642, Galleria Nazionale d’Arte Antica, Rom

Seit dem ersten Mai sind nun auch öffentliche Gottesdienste wieder möglich. Viele haben sich sehr darüber gefreut. Die Freude hat damit zu tun, dass insbesondere die Feier der Heiligen Eucharistie durch nichts zu ersetzten ist. Sie ist zudem „Quelle und Höhepunkt“ (II. Vatikanum) des christlichen Lebens.

Was das konkret bedeutet, wurde unter anderem auch gestern gleich wieder deutlich. In den zwei bewegenden Gottesdiensten, die wir öffentlich feiern konnten, haben wir am Fest des Heiligen Josef, des Arbeiters, aus dem Buch Genesis folgendes gehört (Gen 1,27f): „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar, und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.

Mit der „Unterwerfung der Erde“ ist nicht gemeint, dass wir sie ausbeuten. Im Gegenteil. Damit ist gemeint, dass sie uns nicht unterwirft und wir uns von ihr nicht unterwerfen lassen. Genau das passiert aber leider; immer wieder und viel zu oft.

Die Schöpfung ist wunderschön, aber nicht perfekt. Es gibt Naturkatastrophen, Krankheit und Tod. Wo man das mehr vor Augen hat, als das Leben, all das Gute und Schöne, da lässt man sich von der Welt beherrschen und unterwerfen. Von daher kommt dann auch das Wort „Heidenangst“. Es ist die Angst der Heiden, der Gottlosen. Die Angst derer, die in ihrer Wahrnehmung auf das Irdische begrenzt bleiben. So bleiben sie, nur das Irdische suchend, dem Irdischen ausgeliefert.

Wo man nur das Irdische sucht und sich darin verliert – also in irdischer Selbsterfüllung und Selbstgefälligkeit; m.a.W.: in der Suche seines Selbst nur im Irdischen – da wird man dem Auftrag Gottes, sich die Welt zu unterwerfen, nie gerecht werden. Man bleibt ihr ausgeliefert, ihr unterworfen.

Ein faszinierender Weg – weg davon – ist uns in der Eucharistie geschenkt. In dieser Feier werden Brot und Wein zum Altar gebracht. Sie sind – wie der Priester im Gabengebet spricht – „Frucht der Erde und Frucht der menschlichen Arbeit“. Diese Gaben gehen durch die Kreativität des Menschen aus der bibelgemäßen Unterwerfung der Schöpfung hervor. Aber das ist noch nicht alles. Denn oft unterwirft das, was der Mensch schaffen und wirken kann, ihn doch wieder der Welt. Dann nämlich, wenn ihn seine Eitelkeit und seine Suche nach seinem Selbst allein in dem, was er irdisch hervorbringen kann, doch nur wieder im Irdischen verloren sein lässt.

Anders durch die Feier der Eucharistie. Hier werden alle Gaben, alle Früchte der Erde und der menschlichen Arbeit – dargestellt in den Gaben von Brot und Wein –, zu Gott gebracht. Und dann geschieht Verwandlung, reale Gegenwart Gottes im Irdischen und in all unserem Tun. Hier ist die Quelle für das christliche Leben. Diese Quelle ist nicht nur das Geglaubte, sondern das real Vollzogene.

Am Ende ist nur die Realität dieses Vollzugs die nicht und von niemand zu erschütternde Grundlage allen christlichen Glaubens. Die dazu gehörende Glaubenserfahrung ist in unserem Land leider schwach geworden. Unter anderem, weil dem realen Vollzug womöglich zu wenig Bedeutung beigemessen und er wohl nicht mehr bedingungslos und aus tiefster innerer Überzeugung vollzogen wird. Hier schränkt das eine das andere ein. – Umso mehr freut es mich, dass der reale Vollzug dieser geheimnisvollen Glaubenswirklichkeit nun wieder öffentlich ist.

Ich bitte Sie nachdrücklich, alle Vorgaben für die öffentlichen Gottesdienste konsequent zu beachten. Sie liegen in der Kirche aus!

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 14/2020 (A)

St. Pantaleon - im Hintergrund der Kölner Dom

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!

Nun bin ich mehrfach und wiederholt gebeten worden, aus meiner unfreiwilligen Quarantäne doch auch an alle noch etwas zu schreiben, mich bei ihnen zu melden etc. … Nun ja, ein paar Worte habe ich in der Zwischenzeit ja auch öffentlich an die gerichtet, die es mitbekommen haben: anlässlich des Hochfestes der Verkündigung des Herrn am 25. März: https://youtu.be/89FR_rMGiuo. In dem jüngst eingerichteten „Youtube“ Kanal von St. Pantaleon finden Sie eine weitere Betrachtung zum Hochfest von unserem lieben Msgr. Dr. Cesar Martinez: https://youtu.be/39IFI3eXZaw. … Derzeit helfen wir uns gegenseitig, dass unsere Quarantäne zu einem Wachsen nach Innen werde.

Mit einer gewissen Verzögerung lade ich Sie nun ab nächsten Sonntag (Palmsonntag, 5. April 2020) ein, nach dem bistumsweiten Läuten aller Kirchenglocken ab 19:30 Uhr gemeinsam das Gebet zu sprechen „Unter Deinen Schutz und Schirm ….“. Unser Erzbischof hat dies ja angeregt. Im Anschluss daran – und darauf freue ich mich – werde ich bis auf Weiteres täglich ein kurzes geistliches Wort im „livestream“ auf dem neu eingerichteten Youtube-Kanal von St. Pantaleon an alle richten, die sich zuschalten möchten. Die livestreams werden automatisch gespeichert. So können Sie sich diese auch im Nachherein noch anschauen und mit dabei sein.

Am besten, Sie „abonnieren“ den Youtube-Kanal „Sankt Pantaleon – Köln“. Melde Sie sich dafür (1) auf Ihrem Computer bei YouTube an: Mit einem Google-Konto, dass Sie, sofern Sie noch keines haben, kostenlos erstellen können. Rufen Sie dann (2) eines der beiden oben genannten Videos auf und klicken Sie (3) unter dem Videoplayer auf „Abonnieren“. Wenn Sie dann zukünftig unter Ihrem Google-Konto bei Youtube sind, finden Sie den Kanal „Sankt Pantaleon – Köln“, indem Sie unter den drei waagerechten Strichen, die Sie oben ganz links neben dem Logo von YouTubeDEfinden, weiter unten auf „Abos“ klicken. So bekommen Sie jederzeit alles mit!

Für morgen oder übermorgen wird zudem eine bistumsweite Regelung erwartet, die den Kommunionempfang außerhalb der Heiligen Messe für Einzelpersonen ermöglichen wird, die darum gemäß Can. 918 CIC bitten, unter Beachtung aller, der derzeitigen Situation geschuldeten staatlichen und hygienischen Vorschriften. Auch darauf freue ich mich sehr.

Derzeit feiere ich weiterhin täglich die Heilige Messe um 12:00 Uhr. Nun in unserer kleinen Kapelle im sog. Pfarrhaus. Wie schon vor der Quarantäne sind Sie alle im Geiste mit dabei. Dabei bitte ich den Herrn jeweils um die verschiedenen Intentionen, die Sie uns als Messintentionen anvertraut haben.

Seien auch Sie bitte zuversichtlich, dass in der derzeit ein wenig verwaisten Gemeinde St. Pantaleon ab Palm-Sonntag – bei aller weiterhin gebotenen Distanz – wieder eine andere Präsenz möglich sein kann und wird.

Ihr Pfarrer Dr. Volker Hildebrandt

Pfarrnachrichten 12/2020 (A)

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!

Im Erzbistum Köln finden von diesem Sonntag (15. März) an bis Karfreitag (10. April) keine öffentlichen Gottesdienste (Hl. Messen, Hochzeiten, Taufen, Andachten usw.) statt. Damit folgt unser Erzbistum in entschlossener Mitsorge um das Wohl aller dem kommunalen Verbot jeglicher Veranstaltung im Kölner Stadtgebiet.

Zugleich werden wir mit dieser einschneidenden Maßnahme an eine elementare Christenpflicht erinnert und dazu aufgerufen. Denn die Sorge und Verantwortung um das Wohl aller gehören unverzichtbar zum christlichen Glauben. Zurzeit gilt, die gegenwärtige Herausforderung beispielhaft und aus tiefster Überzeugung solidarisch auch dann mitzutragen, wenn einem manches in der Seele sehr weh tut.

Sonntagsmesse und Sonntagspflicht

Von daher werden alle Gläubigen gebeten, Gottesdienstübertragungen in Fernsehen, Radio oder Internet zu verfolgen. Hierzu finden Sie eine Übersicht u.a. auf der Internetseite des Erzbistums: https://www.erzbistum-koeln.de/presse_und_medien/magazin/Live-Uebertragungen-der-Hl.-Messe-an-Sonntagen-und-Werktagen/.

Die „Sonntagspflicht“, gemäß der alle Katholiken der Weisung der Kirche folgend sich letztlich selber dazu verpflichten, an allen Sonn- und gebotenen Feiertagen der Feier der Eucharistie (Heilige Messe) „andächtig beizuwohnen“, ist in dieser Ausnahmesituation nach alter Tradition und kirchenrechtlicher Regelung „aus schwerwiegenden Gründen“ ausgesetzt.

Die private Zelebration der Priester bleibt unverändert erlaubt und ist gegenwärtig als stellvertretender Vollzug besonders empfohlen.

So werden auch in St. Pantaleon – der Regelung in der Bischofskirche, unserem geliebten Dom folgend – ab sofort keine heiligen Messen unter physischer Anwesenheit von Gläubigen stattfinden. Selbstverständlich werden wir Priester für die Gläubigen und die Welt die heilige Messe auch weiterhin täglich feiern.

Die 12:00 Uhr Mittags-Messe jeweils am Montag in St. Pantaleon – und womöglich weitere Heilige Messen an anderen Tagen – wird wie bislang über KTV (https://k-tv.org/programm) weltweit übertragen. Auch diese Heiligen Messen mit einer Kurzpredigt können Sie am Bildschirm mitfeiern. Bis zum 10. April wird sie von nun an allerdings ebenfalls ohne physische Anwesenheit von Gläubigen gefeiert. Deshalb wird die Kirche in dieser Zeit geschlossen bleiben. Von daher ist ein Besuch der Kirche in diesem Zeitfenster nicht möglich.

Darüber hinaus wird St. Pantaleon „zu den gewohnten Zeiten in der je üblichen Weise und unter Beachtung der bekannt gemachten Hygieneregeln für das persönliche Gebet geöffnet bleiben. Hierbei sind in jedem Falle die jeweils geltenden amtlichen Verfügungen (z.B. Versammlungsbeschränkungen oder –verbote) maßgeblich.“ (zitiert aus der Pressemittelung des Kölner Erzbistums vom 14. März 2020, 17:43)

Sakramenten-Empfang: Beichte und Kommunion

Die Beichte wird wie bislang (s. Pfarrbrief) angeboten. Allerdings nicht im Beichtstuhl, sondern offen bei entsprechendem Abstand und bis auf Weiteres in der Taufkapelle. Bis auf weiteres bleibt auch das Pfarrbüro wie gewohnt erreichbar. Alle anderen Veranstaltungen werden ersatzlos verschoben und fallen auch weiterhin bis zum 10. April aus.

Dass die Kommunion nur noch im schweren Krankheits- und Sterbefall gereicht werden soll, ist in diesen Umständen besonders schmerzhaft. Denn die Kommunion ist nach dem Wort des urchristlichen Märtyrerbischofs Ignatius von Antiochien (+112) „Pharmazie der Unsterblichkeit“. Also eine Arznei par excellence, die gerade auch heute vielen sehr gut tun und sie nicht nur in der Seele, sondern in der Folge dann auch in ihrem Leib heilen würde.

Sehen Sie darin bitte eine wunderbare Chance, im Glauben zu wachsen und die ganz persönliche Verbundenheit mit Gott durch das Gebet und die sogenannte „geistige Kommunion“ zu suchen.

Mein Nachbarpfarrer und guter Freund hat zur gegenwärtigen Lage geschrieben: „Es tut ja gut, dass die Absagen Verlustschmerz hinterlassen. … In all dem wage ich – nicht zur Schmerzverweigerung – diese Situation als eine geistliche Herausforderung zu sehen und anzunehmen. Ich weiß im Moment nicht, was der Geist uns mit diesem Verzicht auf Gottesdienstfeiern in der Gemeinschaft sagen will. Vermutlich wird sich uns bei einiger geistlicher Wachsamkeit etwas zeigen. Das ist die Einladung an uns …, dass wir alle uns wach halten für das, was der Geist uns für die Zwischenzeit mit auf den Weg gibt." Das ist wunderbar, und gerne gebe ich das so weiter!

Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 11/2020 (A)

Raffael: Transfiguration (1516/20), Vatikanische Museen, Rom

Der heutige, zweite Sonntag in der Fastenzeit wird bestimmt vom vielschichtigen Evangelium der Verklärung Jesu (vgl. Mt 17,1-9). Der Evangelist Matthäus berichtet über dieses Ereignis folgendes: „In jener Zeit nahm Jesus Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg.“ Man könnte auch übersetzen: „Er nahm sie zu sich“; denn auf dem Berg zeigte er den Auserwählten die überwältigende Schönheit seines Gottseins. „Er wurde vor ihren Augen verwandelt (metemorjwqh). Sein Gesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden blendend weiß wie das Licht.

Im Verlauf des Berichtes wird deutlich, dass all unsere Worte wohl nur unvermögend beschreiben können, was den drei Aposteln zuteil wurde. Auch die Reaktion der Apostel lässt ein gewisses Unvermögen erkennen. Sie haben Schwierigkeiten, allen voran Petrus, situationsgemäß zu antworten, wie im Folgenden deutlich wird: „Da erschienen plötzlich vor ihren Augen Mose und Elija und redeten mit Jesus. Und Petrus sagte zu ihm: Herr, es ist gut, dass wir hier sind. Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija.

Petrus ist so überwältigt, dass er das Erlebte festhalten möchte, am liebsten für immer. Aber er weiß nicht so recht, wie das geht. Und das Erlebte scheint zugleich überirdisch intensiv, wie er es bislang noch nie erlebt hat.

Ähnliches erfährt der Gläubige, wenn er dann wirklich einmal Gott im Gebet begegnet. Wo ein Gläubiger regelmäßig betet, wird er Solches mit großer Wahrscheinlichkeit auch wirklich erfahren. Ein solches „Gebets-Erlebnis“ ist selten. Sogar ziemlich selten. Dafür prägt es aber und reicht aus für ein ganzes Leben.

Nicht weniger aufschlussreich ist dann das Nächste, was sich ereignete. „Noch während er (Petrus) redete, warf eine leuchtende Wolke ihren Schatten auf sie, und aus der Wolke rief eine Stimme: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören Als die Jünger das hörten, bekamen sie große Angst und warfen sich mit dem Gesicht zu Boden. Da trat Jesus zu ihnen, fasste sie an und sagte: Steht auf, habt keine Angst! Und als sie aufblickten, sahen sie nur noch Jesus.

Wie konnte eine Wolke leuchten? Und wie konnte sie dann als “leuchtende Wolke ihren Schatten auf sie werfen“? Doch nur, wenn sie von Jesus erleuchtet wurde, von dem wiederum ein so intensives Licht ausging, dass die durch ihn „leuchtende Wolke“ die Apostel nicht in helles Licht, sondern in ihren Wolken-Schatten tauchte.

Das einzige Licht, das dem Menschen alles Verborgene aufdeckt und ins Licht setzt, ist Jesus Christus allein. So verwandelt am Ende auch nur er all unsere gottlosen Heidenängste in christliche Zuversicht und Gelassenheit: „Habt keine Angst!

Mit dem abschließenden Redeverbot sichert Jesus die unauslotbare Bedeutung seiner Worte und Taten. So werden sie nicht profaniert. So führen sie ins Heilige und zur Heiligkeit.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 10/2020 (A)

Die Fastenzeit hat in der katholischen Kirche eine lange Tradition. Ursprünglich fiel der erste Fastentag auf den 6. Sonntag vor Ostern. Papst Gregor der Große (590-604) verlegte den Beginn auf den davorliegenden Mittwoch, um die Sonntage als „Tag des Herrn“ von der Fastenzeit auszunehmen. So beläuft sich die Zeit exakt auf 40 Tage.

Die 40 Tage erinnern an den Zeitraum, in dem Jesus nach dem Zeugnis der Schrift (vgl. Mt 4, 1-11) in der Wüste gefastet hat. In der österlichen Bußzeit bereiten sich die Gläubigen durch Besinnung auf den Glauben, Reduzierung auf das Wesentliche und durch Sühne für begangene Schuld auf das Osterfest vor. Es ist das höchste Fest im Kirchenjahr. Die innere Einkehr und die Nachfolge Jesus in seinem Fasten stehen dabei im Vordergrund.

In einem berühmten Karnevalslied heißt es: „Am Aschermittwoch ist alles vorbei“ und das närrische Treiben geht zu Ende. Das Ende des Straßenkarnevals markiert also gleichzeitig den Beginn der christlichen Fastenzeit. Das hat seinen Grund darin, dass der Ursprung des Karnevals in der nahenden Fastenzeit liegt. Die Menschen wollen – als Tradition besonders ausgeprägt im Rheinland – vor der Fastenzeit die Freunde des Lebens noch einmal zünftig würdigen. Das Wort "Karneval" kommt wahrscheinlich aus dem Lateinischen und bedeutet "Carne vale", also "Fleisch - lebe wohl". Von daher abgeleitet gibt schon das Wort "Karneval" selber einen guten Hinweis auf den eigentlichen Sinn dieser Tage.

Die Tradition, an Aschermittwoch ein Aschekreuz auszuteilen, geht in das 10. Jahrhundert zurück. Am Aschermittwoch wird die Asche im Gottesdienst vom Priester gesegnet und mit Weihwasser vermengt. Mit den Worten „Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst" oder alternativ die Worte Jesu: "Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium" (Mk 1,15b) malt er den Gläubigen das Aschekreuz auf die Stirn.

Die Asche kann auch in Form eines Kreuzes auf den Kopf gestreut werden. Auch Laien können bei der Ausgabe des Aschekreuzes mithelfen, wenn sie vom Ortspfarrer dazu beauftragt worden sind, da es sich nicht um ein Sakrament handelt.

Und woher kommt die Asche für das Aschekreuz? Seit dem 12. Jahrhundert wird die Asche bis heute durch das Verbrennen von den Palmzweigen vom Palmsonntag aus dem letzten Jahr erzeugt. Die Asche steht dabei stellvertretend für die Vergänglichkeit und die Reinigung der Seele, da Asche ab dem Mittelalter auch als Reinigungsmittel genutzt wurde.

An Aschermittwoch und an Karfreitag, zum Beginn und zum Ende der Fastenzeit, gibt es traditionell das „Fischessen“, zu dem sich viele Karnevalsjecken treffen. Fisch – besonders Hering – war früher ein „Arme-Leute-Essen“ und im Gegensatz zu anderen Speisen sehr günstig. Und man verzichtet ganz auf Fleisch. Diese beiden Tage gelten als strenge Fast- und Abstinenztage. Sie heben sich damit von der übrigen 40-tägigen Fastenzeit ab.

Die kirchliche Fast- und Bußordnung ordnet für alle an – sofern sie das 21. Lebensjahr vollendet und das 60. noch nicht begonnen haben, und soweit nicht Krankheit etwas Anderes gebietet –, am Aschermittwoch und Karfreitag nur eine volle Mahlzeit einzunehmen. Darüber hinaus sind zwei kleine Stärkungen gestattet.

Für die Fastenzeit selber gibt es viele Möglichkeiten, ihr gerecht zu werden. Die wohl beliebteste Variante ist der Verzicht auf Genussmittel wie Kaffee, Alkohol, Süßigkeiten oder Zigaretten. In der jüngeren Vergangenheit kam es in Mode, elektronischen Geräten wie dem Fernseher oder dem Smartphone zu entsagen. Auch „Autofasten“ oder „Plastikfasten“ liegen im Trend. Aus christlicher Perspektive bleibt entscheidend, dass das eigentliche Ziel des Fastens nicht aus dem Blick gerät: die innere Vorbereitung auf das Osterfest.

Über die Fastenzeit hinaus soll jeder Gläubige das ganze Jahr über jeden Freitag im Gedenken an den Tod Jesu ein Opfer bringen.

Quelle: https://www.erzbistum-koeln.de/presse_und_medien/magazin/Aschermittwoch-Mit-Aschekreuz-in-die-Fastenzeit-starten/

 

Pfarrnachrichten 09/2020 (A)

Im Evangelium dieses Sonntags drängt Jesus mit großer Entschiedenheit alle Menschen guten Willens, selbst da keine Gewalt anzuwenden, wo einem Unrecht widerfährt (Mt 5, 38-48): „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin. Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel. Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm.

Dieses Drängen, alles mit und durch Gewaltlosigkeit zu klären, gipfelt in der finalen Aufforderung zur Feindesliebe: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet.

Sein Recht um jeden Preis durchsetzen ist nicht das Beste. Das wissen wir alle. Denn vielleicht fügt man altem Unrecht neues hinzu. Und man nährt den Hass. Natürlich scheint es erste einmal vernünftig, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Aber nur solange, wie Gott durch seine Menschwerdung noch nicht so nahe war wie jetzt. Was einst sogar für das Volk Gottes, für Israel galt, kann jetzt dem weltweiten Volk Gottes, den Christen nicht mehr als der Wille Gottes gelten.

Das neue Gebot Jesu heißt lieben ohne Wenn und Aber, ohne einschränkenden Vorbehalt, einfach bedingungslos. Wer es fertig bringt, auf sein Recht ohne Bitterkeit zu verzichten, gewinnt damit etwas Größeres: die Freiheit und den Frieden; im Äußersten die Freiheit und den Frieden in Gottes Ewigkeit. Deshalb hat Jesus vorgezogen, brutalste Grausamkeit und infame Ungerechtigkeit zu ertragen und das irdisch schmachvolle Kreuz auf sich zu nehmen: dem Willen des göttlichen Vaters gemäß und gegen sein abgrundtief bedrängendes Leiden (vgl. Lk 22,41-44). Mit diesem Hintergrund ist Jesus bewusst und freiwillig in den dann unvermeidlichen Tod gegangen, auf den die Auferstehung folgte.

Diese freie Entscheidung des Gottmenschen Jesu hat seinen letzten Grund in Gottes eigenem Wesen und Verhalten. Gott liebt bedingungslos, absolut und uneigennützig. Kritiker mögen einwenden: Wenn Gott alles hat, wie ihr Gläubige behauptet, und ihm weder seine Schöpfung noch sonst etwas einen Mehrwert bringt, dann ist die selbstlose Liebe für Gott auch ganz leicht. Und ebenso leicht ist es für euch Gläubige, das so zu behaupten. Aber für uns irdische Menschen ist und bleibt das Illusion und weltfremde Träumerei. Als Menschen, so wie wir nun mal sind, bleiben wir auf einen Mehrwert durch unser Tun und Leisten angewiesen. Deshalb müssen wir uns auch unser Recht erkämpfen.

Dem hält der Gläubige kraftvoll mit der Heiligen Schrift entgegen, dass schon das Alte Testament, unter anderem das Buch Levitikus (vgl. die erste Lesung von diesem Sonntag), eine Sammlung von Gesetzen enthält, die man unter dem Namen „Heiligkeitsgesetz“ zusammenfasst (Kap 17-25).

Das Volk Israel ist „heilig“, weil es Gott geweiht ist, ihm in besonderer Weise gehört, und zwar vom Anfang seiner Geschichte her. „Ich bin Jahwe, euer Gott, der euch aus Ägypten herausgeführt hat“ (Lev 19,36). Daraus ergeben sich Folgerungen für das Leben dieses Volkes: für die Nächstenliebe nämlich. Der „Nächste“ war zunächst der Angehörige des eigenen Volkes, der „Bruder“. Ihn lieben heißt: ihm Gutes wollen und Gutes tun.

Jesus hat daraufhin das alte Gesetz vertieft und seinen eigentlichen Sinn verdeutlicht. Nicht nur den Nächsten, den „Bruder“, den Angehörigen des eigenen Volkes, sondern auch den Feind soll man lieben.

Das ist jetzt auch möglich, weil jeder Gläubige und die ganze Gemeinde Christi lebendige Tempel Gottes sind (vgl. 1 Kor 3, 16-23; die zweite Lesung von diesem Sonntag): „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ Gott wohnt nun nicht mehr in den Tempeln aus Stein, in den keiner hineindurfte. Sonst war man des Todes.

Gott wohnt nun in jedem, der es zulässt und sich nach Gott sehnt. Das verändert grundlegend: „Denn Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr.“ Nun kann der Heilige, der durch Gott in seinem ganzen Sein Verwandelte, so wie Gott lieben. Von daher kann Paulus scheinbar vermessen und völlig abgehoben, aber im Leben eines Gläubigen handfest erfahrbar und überwältigend real erklären: „Keiner täusche sich selbst. Wenn einer unter euch meint, er sei weise in dieser Welt, dann werde er töricht, um weise zu werden. Denn die Weisheit dieser Welt ist Torheit vor Gott. … Der Herr kennt die Gedanken der Weisen; er weiß, sie sind nichtig. Daher soll sich niemand eines Menschen rühmen. Denn alles gehört euch. … Welt, Leben, Tod, Gegenwart und Zukunft: alles gehört euch; ihr aber gehört Christus, und Christus gehört Gott.

Damit schließt sich der Kreis. Die grenzenlos selbstlose Liebe wird im Verzicht auf vorschnelle Gegengewalt oder rein irdischer Logik durch die Gegenwart Gottes im Tempel, der wir selber sind, bereits in diesem Leben möglich und als erfüllend, befreiend und beglückend erfahrbar.

Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 08/2020 (A)

Von seinem Wesen her wünscht ein jeder, frei zu sein. Zugleich erfahren wir, dass unserem Wunsch nach Freiheit klare Grenzen gesetzt sind. Keiner kann sich ganz frei in die Luft und darüber hinaus in die Weite des Alls begeben, auch wenn einem danach ist. Gerader dieser Wunsch nach grenzenloser Freiheit, den jeder von Kindheit an in sich verspürt, ist zugleich interessant und weiterführend.

In dieser Linie liegt dann auch die folgende Annäherung an das, was Freiheit ist: „Der ist ein freier Mensch, der tun und lassen kann, was er will.“ Da ist viel Wahres dran. Es trifft den Kern von Freiheit aber nur, wenn man richtig versteht, was „wollen“ und „können“ bedeuten.

Die Fülle richtig verstandenen „Wollens“ und „Könnens“ hat nämlich mit Gehorsam zu tun. Und zwar so sehr, dass zur Freiheit immer und unbedingt auch Gehorsam gehört. Ohne Gehorsam gibt es keine Freiheit. Denn frei ist der Mensch nicht nur, wenn er „tun und lassen kann, was er will“, sondern wenn er auch zugleich das zu tun vermag, was er nicht will, ihm aber im Gehorsam nachkommt, weil es das Gebotene ist. Dann will man also, und kann es dann auch – weil man frei ist –, was man zuerst nicht wollte.

Wer nicht gehorcht, der wird nie wirklich frei. Der bleibt ewig Sklave seiner Launen, Triebe und Impulse. Eine solch vermeintliche Freiheit ist in Wirklichkeit Willkür, und hat mit Freiheit wenig, am Ende gar nichts zu tun. Willkür will der Mensch, da er frei sein möchte, eben nicht. Es gibt also keine Freiheit ohne Gehorsam!

Der für die Freiheit notwendige Gehorsam bezieht sich auf die Wirklichkeiten des Lebens. Und da kann und darf ich nun mal nicht alles. Tue ich es dennoch, verliere ich meine Freiheit und womöglich die Grundlage meines Lebens. Genau hier haben die Gebote – richtig formuliert und erkannt – ihren Platz. Sie spielen eine segensreiche und wichtige Rolle bei der Selbstformung, die bis zum Lebensende andauert. Die Gebote verpflichten nämlich auf die Wirklichkeiten des Lebens.

Du sollst nicht töten. Du sollst nicht die Ehe brechen und somit auch deiner Sexualität nicht wirklichkeitsfremd – also lieblos und unfruchtbar – freien Lauf lassen. Du sollst nicht stehlen. Du sollst nicht lügen und somit auch sich selber ehrlich bleiben und sich nicht von dem entfernen, was man als Gegebenes und Gebotenes vorfindet.

Im Sonntagsevangelium (Mt 5, 17-37) dieser Woche sagt Jesus (ibid., 17): „Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen.“ Und er hält dazu an, dass unsere Gerechtigkeit weit größer sein muss (ibid., 19) „als die der Schriftgelehrten und Pharisäer.“ Andernfalls „werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.

Hier schließt sich der Kreis für unsere kurze Darlegung. Denn frei ist nicht jener, der seine Ehe einfach weiterlaufen lässt, aber mit dem Herzen längst woanders ist. Deshalb sagt Jesus im Evangelium dieses Sonntags (ibid., 28): „Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.“

Frei ist hingegen jener, der dem für ein ganzes Leben gegebene Wort – und der damit gemeinten Person – treu bleiben will und es auch kann, weil er ein Leben lang an der dafür notwendigen Freiheit arbeitet, dass er es jederzeit kann.

Das ist vergleichbar mit einem Kind, das man nicht auf Probe zeugen und zur Welt bringen kann. Die Entscheidung für ein Kind lässt sich so wenig rückgängig machen wie die Entscheidung für einen Menschen, mit dem man ein Leben lang zusammenbleiben will. Dafür ist es dann nötig, ein Leben lang daran zu arbeiten, sich die Freiheit dieser seiner Lebensentscheidung nicht nehmen zu lassen.

In dieser Freiheit und in diesem Gehorsam der gebotenen Wirklichkeit gegenüber kann sich jene Liebe entwickeln, die als Grundlage von Anfang bis Ende Jesu Bergpredigt durchzieht (ibid., 34a; 37): „Ich aber sage euch: Schwört überhaupt nicht. Euer Ja sein ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen.

Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 06/2020 (A)

Rembrandt - Simeon und das Jesuskind

Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel.“ Mit diesen Worten drückt der greise Símeon seine ganze Freude und Ergriffenheit aus, am Ziel seines irdischen Lebens, bei Gott angekommen zu sein. Seitdem beten täglich weltweit inzwischen Hunderttausende mit diesen Worten das „Abendlob der Kirche“ zum Abschluss des Tages.

Über diesen Símeon sagt das Evangelium an diesem Sonntag (Lk 2,11-40), der mit dem Fest der Darstellung des Herrn im Tempel zusammenfällt, dass er „gerecht und fromm war und auf den Trost Israels wartete“. Ihm „war vom Heiligen Geist offenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Christus des Herrn gesehen habe.“ So wurde Símeon vom Geist genau zu dem Augenblick „in den Tempel geführt, als die Eltern das Kind Jesus hereinbrachten, um mit ihm zu tun, was nach dem Gesetz üblich war.“ So kam es, dass „Símeon das Kind in seine Arme nahm“ und sich lobpreisend und dankend mit eben diesen Worten an Gott wendete.

Rembrandt Harmensz van Rijns hat mit seinem Bild des greisen Símeon mit dem Jesuskind nicht nur Símeon mit dem Kind, sondern allem, was sich dahinter offenbart, ein eindrucksvolles Denkmal geschaffen. Im Folgenden zitiere ich Ralph Pechmann:

»Sein Leben lang hatte dieses Motiv den Maler angezogen. Es gibt viele Skizzen und Darstellungen, die er dazu ausführte. Sein letztes Gemälde jedoch unterscheidet sich wesentlich von allen früheren Darstellungen. Als Rembrandt am 4. Oktober 1669 einsam und verarmt starb, war er 63 Jahre alt. Am Tag nach seinem Tode fand man unter vielen Gemälden dieses unvollendete Bild, das Símeon mit dem Kind auf den Armen zeigt.

Rembrandts frühe Símeonbilder zeigen hohe Hallen mit Menschen, die in einer Ecke versammelt und in Gestik und Haltung um Símeon und das Kind angeordnet sind. Am meisten drängte es den Künstler, die Hauptpersonen in Licht zu tauchen und ihre Heiligkeit durch den Kontrast zu dem sie umgebenden Dunkel zu steigern. Das Licht verlieh allem Sichtbaren in geheimnisvoller Weise Form und Kontur und drängte die Allgegenwart des Dunkels zurück. Mit jeder weiteren Ausführung des Motivs nahm die Anzahl der beteiligten Personen ab und der Kontrast von Licht und Dunkel an Intensität zu. (…)

Rembrandt verdichtet in seinen Bildern zunehmend seine Sicht vom Geheimnis Jesu. Am Ende dieses Prozesses entsteht die besondere Schau von einem intimen Geschehen: Der Künstler entdeckt sich selbst im alten Símeon – vom Kind auf den Armen getröstet nach Jahren der äußeren und inneren verzweifelten Unruhe und der Sehnsucht nach einer heilvolleren Zeit. Das "unvollendete Gemälde Simeon und das Jesuskind zeigt, (...) wie der betagte Maler am Ende seines Lebens sich selbst versteht" (Henri J.M. Nouwen). Die Geburt Jesu ist ihm weit mehr als ein historisches Ereignis: das Kind ist ihm geboren worden, er wird zum Christusträger.

Selbst fast erblindet, aber innerlich zum Sehenden geworden, malte Rembrandt den alten Símeon mit trüben Augen, die mehr in innerer Schau erkennen, als dass sie tatsächlich sehen, wen er auf seinen Armen hält. Símeons Hände wirken steif, als fassten sie ins Leere. Sein Antlitz aber leuchtet von dankbarem Ergriffensein. "Was die Augen sehen, das entscheiden nicht die Augen, sondern das Herz", sagt Martin Buber. Nicht Símeon hatte ergriffen, was er lebenslang geglaubt hatte: er selbst ist am Ende der Ergriffene, für den in diesem Kind die Gegenwart Gottes als Mitte seines Lebens, Ehre seines Volkes und Licht der Völker prophetisch aufleuchtet. Als reichte er uns den Heiland herüber, um ihn in unsere Arme zu legen – so lebendig wirken seine Ergriffenheit und seine freudige Überraschung. Nun kann Símeon in Frieden scheiden, denn er ist gewiss, dass er die Zukunft der Welt, den Erlöser in den Händen hält. Seine Sehnsucht ist an ihr Ziel gelangt!

Rembrandt malte die Weihnachtsfreude des frommen Alten gerade so, wie sie ihm selbst widerfahren war. Schließlich vollendet sich Símeons sehnsuchtsvolles Warten durch Gottes leibhaftige Antwort. "Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geborn und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verlorn" – du hättest keinen Anteil daran –, formulierte Rembrandts Zeitgenosse Angelus Silesius. Kein noch so wichtiges Geschehen in der Geschichte vermag uns zu berühren oder gar zu verwandeln, wenn es sich nicht in unserem Leben fortsetzt: Uns ist ein Kind geboren, auf dass es uns zu eigen werde.«

Pfarrnachrichten 05/2020 (A)

Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf.“ (Jes 8,1) Dieses biblische Wort hören wir an diesem Sonntag gleich zweimal. Das erste Mal in der alttestamentlichen Lesung. Und das zweite Mal im Evangelium (vgl. Mt 4,16).

Dem Evangelisten Matthäus scheint es ein dringendes Anliegen zu sein, die alttestamentlichen Worte als durch Jesus Christus erfüllt zu deuten. „Es sollte sich erfüllen“, lesen wir bei ihm, „was durch den Propheten Jesaja gesagt worden ist (ibid.,14). Und er gibt, eng an Jesaja angelehnt, dessen Prophezeiung als Geschehenes wieder: „das Volk, das im Dunkel lebte, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen.“ (ibid.,16)

Im Folgenden legt Matthäus anschaulich dar, was dies bedeutet. Ganz grundsätzlich und noch sehr allgemein gibt er zuerst Jesus Worte wieder, die Jesus am Anfang seines nun beginnenden öffentlichen Auftretens und Wirkens predigte: „Von da an begann Jesus zu verkünden: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.“ (ibid.,17)

Daraufhin wird es sehr konkret und anschaulich zugleich. Matthäus berichtet: „Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und seinen Bruder Andreas; sie warfen ihre Netze in den See, denn sie waren Fischer. Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm.“ (ibid.,18-20)

Petrus und Andreas waren zwei gestandene Männer. Es spricht manches dafür, dass Petrus in einem Kleinunternehmen mehreren Fischerei-Mitarbeitern vorstand. Er hatte also Rang und Namen, trug Verantwortung für seine Mitarbeiter und war in Kafarnaum gut eingeführt. Da ist es schon überraschend, dass er und sein Bruder „sofort“ ihre Netze liegen ließen und ihm, dem Herrn auf der Stelle folgten. Ähnliches ereignete sich kurz darauf.

Als Jesus „weiterging, sah er zwei andere Brüder, Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren mit ihrem Vater Zebedäus im Boot und richteten ihre Netze her. Er rief sie, und sogleich verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten Jesus.“ (ibid.,21f) Wie Petrus und Andreas waren auch Jakobus und Johannes gut etabliert. Sie hatten ein sicheres und gutes Einkommen. Dennoch verlassen sie ebenfalls „sogleich“ nicht nur ihren festen Arbeitsplatz, sondern darüber hinaus auch ihren Vater. Ähnlich wie Petrus ja auch seine Frau „verlassen“ hat. (vgl. Mt. 8,14 usw.)

Von daher lässt sich nun gut erklären, was genau Jesus allgemeingültig an den Anfang seines Predigens und Wirkens stellt: „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.“ Und es lässt sich auch erklären, warum Matthäus Jesu erstes Auftreten und die dabei eingeschlagene Richtung und Weichenstellung für alles Folgende als nun eingetretene Erfüllung der Voraussage bei Jesaja (s.o.) deutet. Ich möchte es wie folgt erklären.

Man beginnt als Christ erst dann christlich zu leben, wenn man sein Leben mit Gottes Hilfe daraufhin prüft, ob irgendetwas im eigenen Leben dem Wort Jesu und damit der Nähe Gottes entgegensteht. Seien es bestimmte Launen, eine Tätigkeit oder Arbeitshaltung, bestimmte Kontakte oder Lebensvollzüge, die in sich nicht einmal böse sein müssen. Bis hin zu allem, was in sich eher schlecht und zugleich böse ist: Übereifer oder Faulheit, Bequemlichkeit, Gleichgültigkeit, Unehrlichkeit … oder was auch immer.

Man beginnt also als Christ zu leben, wenn mit der Aufforderung Jesu „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe“ die Frage zugelassen wird, was im eigenen Leben Gottes Nähe behindert und ihr entgegensteht. Und man daraufhin – auch wiederum mit Gottes Hilfe – sich so schnell davon löst – oder es zumindest versucht; und mit Gottes Hilfe wird es überraschend gut gelingen –, wie die Apostel ihr Bisheriges „sofort“ und „sogleich“ verlassen haben.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 03/2020 (A)

Johannes tauft Jesus im Jordan

Mit dem Fest der Taufe des Herrn an diesem Sonntag geht die Weihnachtszeit zu Ende. Vor wenigen Tagen haben wir noch den Besuch der Heiligen Drei Könige in Bethlehem gefeiert. Zwischen diesem Ereignis und der Taufe Jesu am Jordan liegen drei Jahrzehnte. In diesen Jahren wuchs Jesus heran: Fluchterfahrung, Rückkehr in seine Heimatstadt Nazareth, Kindheit und Jugend.

Für seine Eltern schmerzhaft begann er eigene Wege zu gehen (vgl. Lk 2,41-52) und trat schließlich als „Sohn des Zimmermanns“ (vgl. Mt 13,55) in die Fußstapfen seines Pflegevaters Josef. In diesen Jahren seines „verborgenen“ Lebens verdiente er sich sein tägliches Brot durch gute und rechtschaffene Arbeit.

Es sind Jahre, in denen der Gott-Mensch Jesus in seiner irdisch-sterblichen Persönlichkeit als Mensch heranreift, wie jeder andere auch. Es sind nicht nur interessante, sondern auch unverzichtbare Jahre für das Heil der Menschen. Leider sind diese Jahre des verborgenen Lebens Jesu in ihrer Bedeutung und Tragweite für das irdische Glück, das Gott uns ebenfalls schenken möchte, immer noch viel zu wenig erschlossen. 

Zu Beginn seines öffentlichen Lebens lässt Jesus sich taufen. Anfangs wollte Johannes „es nicht zulassen“. Er widersetzte sich mit den Worten: „Ich müsste von dir getauft werden, und du kommst zu mir?“ (Mt 3,14)

Jesus aber (Mt 3,15) „antwortete ihm: Lass es nur zu! Denn so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen. Da gab Johannes nach.“ – Andere Übersetzung lassen Jesus sagen: „Gott will es so!“ Und in der noch nicht revidierten Einheitsübersetzung stand hier bis 2016 noch: „Denn nur so können wir die Gerechtigkeit, die Gott fordert, ganz erfüllen.“

Jesus tut, was Gott will. Und Gott wiederum will die Taufe Jesu aus Gründen der Gerechtigkeit. Jesus, der ganz gerecht und ganz ohne Sünde ist, lebt mit uns, die wir nie ganz gerecht und nie ganz ohne Sünde sind. In dieser Solidarität Jesu mit uns tilgt er unsere Sünden und Ungerechtigkeiten, indem er sie sich selber aufbürdet (vgl. 2. Kor 5, 21). So geht er uns als Erster voran: durch das Bad der Taufe und der erlösenden Annahme des täglichen und schließlich des finalen Kreuzes.

Von hier aus lassen sich die drei Jahrzehnte des verborgenen Lebens Jesu in ihrer Bedeutung für uns erschließen: In seinem menschlichen Leben lebt Gott selber das Menschlich-Alltägliche. Er lebt es als Kind, als Jugendlicher, als Studierender oder Auszubildender und schließlich als Erwachsener und Erwerbstätiger. Damit durchformt und verändert sich unser Alltagsleben – durch Gottes überraschende Nähe nämlich –, bis auch wir richtig sind und gerecht dastehen. Aus eigener Kraft vermag das keiner von uns. Wohl aber mit Jesus Christus, der beständig mit uns geht.

So sind die dreißig Jahre, in denen Jesus unerkannt und verborgen arbeitete und sein Brot verdiente, eine großartige Offenbarung Gottes. Vor allem einer Offenbarung christlicher Lebenshaltung: „Lass es nur zu!“ Diese Lebenshaltung prägte dann auch das öffentliche Leben Jesu bis in den erlösenden Kreuzestod und die Auferstehung hinein.

Lassen auch wir zu, was Gott Tag für Tag, Stunde für Stunde in unsere alltäglichen Lebensvollzüge hineingeben möchte? Und auch so, wie es von ihm kommt?

Implizit wird deutlich: Das Gespür und die hautnahe Erfahrung dieser umwerfenden Nähe Gottes im alltäglichen Leben bedarf einer starken Glaubens- und Gebetspraxis. Nur dann wächst die Erfahrung, dass Gott in unserem Leben, unserem Bemühen und Arbeiten bis hinein in unser hoffnungsvolles Aushalten von Krankheit und Gebrechen überraschend Großes bewirkt. Viel Größeres, als wir aus eigener Kraft vermögen.

Und was genau ist das Große, was Gott bewirkt?

Wer betend und in vertrauter Zwiesprache mit Gott zulässt, was Gott für unser alltägliches Leben in all seinen Vollzügen will – und auch so, wie Gott es will: „dein Wille geschehe“ –, der steht zunehmend richtig und gerecht da. Der begegnet mit unfehlbarer Gewissheit Gott selber in seiner göttlichen Liebe.

Es gibt nichts Schöneres und Wertvolleres, nichts, was mehr erfüllt und beglückt, als jene Liebeserklärung, wie Gottvater sie dann Jesus gegenüber ausgesprochen hat (Mt 3,16-17): „Kaum war Jesus getauft und aus dem Wasser gestiegen, da öffnete sich der Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.“

Gott konnte vom Himmel aus so zu Jesus sprechen, weil Jesus in seinem Leben als Mensch Gott immer wieder zugehört und ihn dann so hat handeln und wirken lassen. Was also Jesus dem Johannes sagte: „Lass es nur zu!“, das sagt Jesus auch uns!

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 02/2020 (A)

Die Geschichte der Heiligen Drei Könige gehört mit zu den bekanntesten biblischen Erzählungen (Mt 2,1-12). Wohl auch, weil sie den Reiz des Geheimnisvollen in sich trägt. Dazu gehört die Faszination, dass ein Stern einer Gruppe Auserwählter den Weg weist. Und die Auserwählten sind nicht irgendjemand. Es sind Kluge und Weise, die Ansehen genießen und in ihrem Leben gewöhnlich gut zurechtkommen.

Der Stern führt sie über ihre von Natur gegebenen Möglichkeiten hinaus, wobei sich die Auserwählten klug und weise führen lassen. Ihr außergewöhnliches Verhalten lässt sie schließlich Gottes übergroßen Segen erfahren. Und dadurch werden sie auch selber für andere zum Segen.

In Jerusalem, der damaligen Hauptstadt Israels angekommen, fragen Sie nach dem neugeborenen König der Juden. Noch wissen sie nichts vom abgründigen Alleinanspruch des Herodes, der sich am Ende in der widerlichen Ermordung unschuldiger Kinder entlädt. Schlimm ist auch das Verhalten der Hohepriester und Schriftgelehrten. Obwohl sie nun wissen, dass der "Hirt des Volkes Israel" in Bethlehem, in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft geboren wird, bleiben sie einfach zu Hause.

Die Geschichte hat auch mit uns zu tun. Einem jeden ist ein "Stern" beschieden. Gott gewährt auch uns ein gutes Maß weiser Klugheit. Er schenkt darüber hinaus in Anderen und in Ereignissen wunderbare Anhaltspunkte, um den eigenen Weg zu finden: Einen Weg, den er uns bereitet hat, und den wir für uns aus eigener Kraft passender und schöner nicht finden können. Dafür müssen wir es jedoch so machen, wie die "Sterndeuter aus dem Osten".

Sie begeben sich auf den Weg. Sie fragen und lassen sich helfen. Dabei bedient sich Gott sogar derer, die in ihrem Leben enttäuschend und auch erschreckend scheitern. Anders als diese gehen die drei Könige vor dem göttlichen Kind in die Knie. Sie beten den wahren Gott an. Deshalb können sie auch dem Stern folgen, der sie am Ende punktgenau ins Ziel führt. Und sie wurden auf ihrem Weg bis dorthin von sogar "sehr großer Freude erfüllt", wie es wörtlich im Evangelium nach Matthäus (ibid., Vers 10) heißt.

Zu guter Letzt haben sie mit Gottes Hilfe den Mut und die Kraft, ihnen inzwischen bekannte, aber unheilbringende Wege fortan zu meiden. So suchen und finden sie souverän andere Wege, auf denen sie ankommen und ihr Ziel, schließlich ihr endgültiges Zuhause sicher erreichen.

Nun ist es an uns, die Heiligen Drei Könige als zutiefst gottverbundene Friedensbringer in ihrer Kraft und Segen spendenden Lebensweise auch für uns persönlich zu entdecken.

(Pfr. Dfr. Volker Hildebrandt)