BUCH zum Glaubenskurs

Deutsche Tagespost vom 15.10.2020, S. 14

Buchbespechung in "Die Tagespost" vom 15. Oktober 2020 auf S. 14

Ein Garten in der Wüste

Cesar Martinez erschließt Sinnsuchern die Schätze des katholischen Glaubens – VON BARBARA STÜHLMEYER

„Ich bin felsenfest überzeugt, wenn wir Christen so lebten, dass wir in den menschlichen Begebenheiten Gott entdeckten, würde die Krise der Kirche bald verschwinden.“ Der das schreibt, weiß, wovon er spricht. Denn er verkündet nicht nur seit vielen Jahren unermüdlich den Glauben, er versteht auch etwas davon, wie es gelingen kann, die gegenwärtigen Wüsten spiritueller Verödung wieder in Gärten zu verwandeln. Cesar Martinez bietet in dem vorliegenden Buch „Verborgene Schätze des Glaubens“ eine profunde Einführung in die Grundlagen christlichen Lebens an. Basierend auf dem in der Kölner Gemeinde St. Pantaleon gehaltenen Glaubenskurs entfaltet er in acht Vorträgen das Geheimnis von Schöpfung und Erlösung.

Dass seine Texte die Leser unmittelbar in das Mysterium fidei hineinziehen und dessen Leuchtkraft so eindrucksvoll zu vermitteln vermögen, hat Gründe. Der 1936 geborene und in Galizien aufgewachsene Priester des Opus Dei verfügt über die Begabung des Geschichtenerzählers. Er verbindet geistig-geistliche Durchdringung mit einer Verkündigungsform, die auch komplexe Inhalte Schritt für Schritt und stets praxisbezogen zu entfalten pflegt. Intellektualität und profundes theologisches Wissen sind für Martinez die Grundlagen seines Wirkens. Aber sie sind nicht etwas, das er präsentiert, um sich in den Vordergrund zu spielen, sondern vielmehr Werkzeuge, die er ganz und gar unauffällig in den Dienst der Glaubensverkündigung stellt. Letzteres ist Teil jener Spiritualität, die der vom heiligen Papst Johannes Paul II. heiliggesprochene Gründer des Opus Dei, Josefmaría Escrivá so auf den Punkt bringt: „Jede noch so alltägliche Situation birgt etwas Heiliges, etwas Göttliches in sich, und euch ist es aufzugeben, das zu entdecken … Es gibt keinen anderen Weg. Entweder lernen wir, den Herrn in unserem alltäglichen Leben zu entdecken, oder wir werden ihn niemals finden.“ „Aus der Prosa des Alltags epische Dichtung zu machen“, wie Escrivá es ausdrückt, gelingt Cesar Martinez, der seit 1964 in Deutschland lebt und hier die Anfänge des Opus Dei vor allem im Norden der Republik begleitete, in begeisternder und das Feuer des Glaubens entzündender Form. Seine Sprache ist poetisch, oft heiter und hat eine innere Verwandtschaft mit der chassidischen Spiritualität. Er legt Wert auf logisch nachvollziehbare Erklärungen und verbindet sie zugleich unprätentiös mit den Wahrheiten des Glaubens. Axiome fürchtet er nicht. Er vermittelt sie aber nicht doktrinär, sondern vielmehr wie einer, der seinem Gegenüber behutsam ein kostbares Geschenk in die Hände legt.

Den Katechismus bezieht er regelmäßig in seine vertiefenden Entfaltungen der Glaubenswahrheiten ein und verlockt so zum Weiterstudium. Die Fragen, die er stellt, sind scheinbar einfach: „Was machte Gott die ganze Zeit vor der Schöpfung?“ ist der erste Vortrag überschrieben. Aber hinter der Neugier, die sich dahinter verbirgt, steckt große Theologie. Denn es macht einen erheblichen Unterschied, ob Gott die Welt aus dem Nichts ins Dasein gerufen und dem Wechsel der Zeit unterworfen hat, oder ob alles immer schon da war. Die Antworten, die Cesar Martinez gibt, führen immer wieder zum Brennpunkt des Glaubens. Was Gott machte, bevor er die Welt schuf, beantwortet er mit der schlagfertigen Reaktion von Papst Franziskus, dem diese Frage einst gestellt worden war und auf die er mit dem ebenso kurzen, wie prägnanten Satz „Er liebte“, reagierte.

In seinem zweiten Vortrag beschäftigt sich Martinez ebenfalls mit einer höchst praktischen Frage: „Wie lebte der Mensch bis zum Sündenfall“. Dass der spanische Priester so viele Fragen stellt, hat einen tieferen Sinn. Denn die sokratische Methode wirkt öffnend. Sie evoziert Bilder im Zuhörer und bereitet so den Boden dafür, dass die Samenkörner des Glaubens wachsen können. Zusammen mit der einerseits folgerichtig und in logisch nachvollziehenden Schritten sich entwickelnden Argumentation und der bildreichen Sprache entsteht so ein Erlebnisraum, in dem Geist, Herz und Seele gleichermaßen angesprochen werden. Und weil Martinez immer wieder praktische Beispiele aus dem Alltagsleben einbezieht, das zu heiligen der Kernauftrag der Spiritualität des Opus Dei ist, wirken seine Vorträge so einprägsam.

Dass die Erbsünde eine unwiderrufliche seinsmäßige Veränderung für den Menschen zur Folge hatte, diese aber keine Strafe, sondern vielmehr eine Konsequenz seiner eigenen Entscheidungen war, dass Gott ihm liebevoll zur Seite steht und ihm die Erlösung anbietet, sind in Martinez Theologie keine abstrakten Gedankenspiele, sondern vielmehr ein notwendiges Hintergrundwissen, wenn man ein gelingendes christliches Leben führen will. Dass seine Vorträge über den durch die Sünde entstellten Menschen, Gottes Reaktion auf die Sünde, den erlösten Menschen, das Verhältnis des Kindseins gegenüber Gott und den göttlichen Wert des menschlichen so praxisbezogen und nachvollziehbar und zugleich so überraschend neu wirken, hat auch damit zu tun, dass all dies sehr lange und von sehr vielen nicht mehr verkündet worden ist. Der schmale Band vermittelt nicht nur Schätze des Glaubens, er ist selbst ein solcher Schatz. Wer immer in diesem Land in einer Wüstensituation lebt, wird diese geistliche Oase dankbar aufsuchen und nicht vergessen, anderen davon zu erzählen.

Cesar Martinez: Verborgene Schätze des Glaubens. Pantaleonsschriften. Christiana-Verlag im Fe-Medienverlag, Kisslegg, 2019, 144 Seiten, EUR 6,95