Pfarrnachrichten 52/2019 / 01/2020(A)

Mit dem vierten Adventssonntag steht nun Weihnachten unmittelbar vor der Tür. Auch neigt sich das Jahr seinem Ende zu. Beides ist ein guter Anlass, Rückblick zu halten. Was dabei deutlich wird, ist für das kommende Jahr und darüber hinaus womöglich bedeutsam.

Am vierten Advent bietet uns das Sonntagevangelium (Mt 1,18-24) eine gute Vorlage dafür. Als sich nämlich zeigte, dass Maria durch das Wirken des Heiligen Geistes ein Kind erwartete, kam Josef ins Nachdenken. Er war mit Maria noch nicht zusammengekommen. Aber sicher hatte er längst Pläne gemacht. Die Schwangerschaft seiner Verlobten durchkreuzten sie.

Josef war gerecht und wollte sie nicht bloßstellen. Er stellte sie weder zur Rede, noch wollte er sie öffentlicher Schmach preisgeben. Er wollte in so einer Situation für Maria das Beste. Großmütig und fürsorglich „beschloss er, sich in aller Stille von ihr zu trennen.“

Zugleich war Josef auch ganz offen für Gott und sein Wirken. So konnte der Engel des Herrn ihn in das Geheimnis Mariens einweihen und bitten, Maria als Frau und Jesus durch die Namensgebung als Sohn anzunehmen.

Möge es auch uns gelingen, wie damals dem Heilige Josef, im Rückblick alles gerecht und ganz offen für Gott und sein Wirken zu sehen. Wie damals für Josef, wird dann auch heute für uns Weihnachten. Wir werden erkennen und erleben, dass Gott auch bei uns angekommen ist und uns in eine verheißungsvolle Zukunft begleitet.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 51/2019 (A)

Johannes im Gefängnis (1565-70) - Juan Fernández de Navarrete

Das Evangelium des dritten Adventssonntags ist voller Überraschungen. Der einst so wirkmächtige Prediger, Johannes der Täufer, sitzt im Gefängnis. Der Unbeugsame ist zutiefst gebrochen. Unbeirrt hatte er Umkehr, Bekehrung und Buße gepredigt. Viele ließen sich von seinem Wort treffen. In Scharen stiegen sie vor ihm in den Jordan, um sich taufen zu lassen.

Ich taufe euch nur mit Wasser“, hatte er erklärt. „Der aber, der nach mir kommt, ist stärker als ich und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe auszuziehen.“ (Mt 3,11) Ohne den geringsten Zweifel aufkommen zu lassen und aus tiefster Überzeugung hatte er schließlich von sich weg auf Jesus verwiesen: „Seht, Das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinweg nimmt.Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war.“ (Joh 1, 29-30).

Dann aber hatte Herodes diesen mutigen und starken Mann ins Gefängnis werfen lassen. Nun scheint der Täufer in einer Situation zu sein, die ihn zweifeln und hadern lässt. All seine Kraft und Zuversicht scheinen ihm genommen. So schickt er „seine Jünger zu Jesus und ließ ihn fragen: Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten?

Auch in unserem Leben gibt es immer wieder einmal schwierige Situationen. Augenblicke, die uns vielleicht bis an den Rand der Verzweiflung drängen. Momente, in denen wir nicht mehr sehen, dass es gut weitergehen kann.

Spätestens dann sollten wir es genauso halten, wie Johannes der Täufer. Eigentlich sollten wir uns immer wieder an Jesus wenden. Nicht erst in der Not.

Jesus lässt dem Täufer eine Antwort übermitteln, die ihn nicht nur getröstet haben wird: „Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein, und Taube hören; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt.

Mit dieser Antwort wird der Herr dem Täufer wieder Herz und Augen geöffnet haben. Er ließ ihn noch einmal ganz neu verstehen, dass all sein Wirken und Predigen, seine zahlreichen Taufen und seine geduldige und standhafte Stärke nicht umsonst gewesen waren.

Als die Jünger des Täufers gegangen waren, erklärt Jesus all den anderen, „der Menge“, dass es auf Erden in Zukunft keinen Größeren mehr geben wird, als Johannes den Täufer. Ganz überraschend fügt Jesus dieser Aussage dann noch eine weitere, ganz unerwartete Bemerkung hinzu: „Doch der Kleinste im Himmelreich ist größer als er.“

Darauf läuft alles hinaus, was von Matthäus bis hierhin erzählt wurde. Mit diesem Evangelium erklärt Matthäus mit großem Nachdruck, dass die Größe des Menschen in seiner Beziehung zu Gott, in der Gotteskindschaft liegt. Von Gott empfängt der Mensch alles. Mit Gott verbunden und in Gott ruhend wird das Leben gelingen. Selbst dann, wenn es einem ungerechterweise genommen wird. So ist es dann ja kurz mit Johannes dem Täufer geschehen (vgl. u.a. Mt 14,3-12).

Das regelmäßige Beten, die beständig Erneuerung und das regelmäßig Hineinwachsen in ein lebendiges Bewusstsein, vor Gott zu leben und zu handeln, schenken dem Menschen eine überraschende und menschlich nicht wirklich zu erklärende Größe. Das ist die Glaubenserfahrung, die das Leben derer ganz real prägt und umformt, die es bewusst vor Gott bringen. Sie lassen sich von Gott schenken, das eigene Leben von Gottes Größe her zu erleben und zu verstehen.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 50/2019 (A)

Fatima-Madonna in St. Pantaleon

Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten.“ (Lk 1,51) Mit diesen Worten preist Maria Gott in seiner Größe. Uns stimmen diese Worte ein auf das Marienfest, das die Kirche am 8. Dezember feiert. In diesem Jahr wird es um einen Tag auf den 9. Dezember verlegt. Der zweite Advent hat Vorrang.

Mit diesen Worten beschreibt Maria zudem, was sie erlebt und erfahren hat. Bei näherer Betrachtung dieser Worte fragen wir deshalb vielleicht: Aber warum erleben wir das nicht? … Warum erleben wir nicht, oder nur außerhalb des Gewöhnlichen, dass Gottmachtvolle Taten vollbringt?

Möglicherweise wirkt Gott schon längst und mit großer Ausdauer auch in unser Leben hinein. Aber wir erleben es nicht, weil wir zu wenig darauf achten.

Was Maria erlebt hat, haben auch alle anderen Heiligen erlebt. Und es wird jeder Mensch erleben, der so zu leben versuchen, wie Maria gelebt hat. Machtvoll und kräftig kann Gott nämlich nur da wirken, wo Menschen eine bestimmte Haltung einnehmen. … Wenn Maria betet, dass der Herr „mit seinem Arm machtvolle Taten vollbringt“, dann spricht sie indirekt und zwingend eine bestimmte Grund- und Lebenshaltung an.

Maria hat zum einen gelebt, wie eine Frau aus dem Volke. Sie war mit all den alltäglichen Sorgen und Anliegen des irdischen Lebens beschäftigt – nicht weniger intensiv und anspruchsvoll, wie alle anderen auch. Aber sie hat immer zugleich, und dazu noch in allem, als Kind, als Tochter Gottes gelebt. … Es lohnt sich, weiter auszuleuchten, was das heißt, als Kind, als Tochter oder Sohn Gottes zu leben.

Einen Zugang dazu vermittelt uns das Evangelium des zweiten Adventssonntags. Der Heilige Matthäus berichtet dort (Kapitel 3, Verse 1-12) vom starken Auftreten des Täufers: „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.“ In diesen zwei, nur ganz kurzen Sätzen – einer Aufforderung: „Kehrt um!“; und einer Feststellung: „Das Himmelreich ist nahe.“ – werden die entscheidenden Eckpunkte eines Lebens als Kind Gottes genannt.

Kehrt um!“ Damit ist eine Veränderung der eigenen Perspektive gemeint. Man sieht oft nur sich selber, oder alles von sich aus her. Immer wieder schiebt das „Ego“ sich vor; bis hin zur Ur-Versuchung: „Sei doch dein eigener Gott.“ (vgl. Gen 3,5) … Die Perspektive unseres Nächsten, der Blick von seinen berechtigten Wünschen, Sorgen und Anliegen her, bleibt defizitär und weitgehend unterbelichtet. Ganz zu schweigen von der Perspektive Gottes.

Entscheidend ist in der Tat, wie Gott unser Leben sieht. Deshalb beten wir auf Gottes Anweisung hin: „Dein Wille geschehe.“ … Leider leben wir oft ganz anders und ohne zu fragen, was Gott uns für unser Heil alles noch geben will. Diese Frage aber ist entscheidend. Deshalb muss sich der Mensch vor allem dieser Frage vor Gott stellen.

Die Antwort auf diese Frage, zu der Gott den Seinen durch seine Kirche vermittelt über Umkehr und Bekehrung verhilft, führt in das „Himmelreich“. Deshalb konkretisiert der Täufer in der Tradition des Propheten Jesaja: „Bereitet dem Herrn den Weg. Ebnet ihm die Straßen.“ In der lukanischen Parallelüberlieferung fügt Johannes dem noch hinzu: „Jede Schlucht soll aufgefüllt werden, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden.

Der Advent fordert heraus, sich ernsthaft folgenden Fragen zu stellen: „Wo versacke ich in den Tälern und Schluchten meines Lebens? … Wo steh ich mir selber (als falscher Berg und Hügel) meinem Nächsten und Gott im Wege? … Wo bin ich mir gegenüber unehrlich (krumm und uneben); nicht zuletzt auch, weil ich Gott und die Tradition seiner Kirche sowie die berechtigten Wünsche meines Nächsten ignoriere?

Als wunderbare Hilfe dafür kennt die Kirche auf Jesu Anweisung hin (Joh 20,23) die Beichte. Nicht nur Gott, sondern jeder weiß doch: Nur wer bekennt, der erkennt auch. Alles andere ist Etikettenschwindel.

So wird dann nicht nur in vergangener Zeit, sondern auch heute und auch bei uns wieder erfahrbar, dass Gott „mit seinem Arm machtvolle Taten vollbringt.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 49/2019 (A)

Am ersten Advent wird aus dem Römerbriefe die Stelle vorgetragen, wo Paulus von den "Waffen des Lichtes" und dem "neuen Gewand" spricht. Was sollte nach altchristlicher Tradition anderes  gemeint sein als die Sakramente, insbesondere das Bußsakrament! - Hierzu die folgenden "adventlichen" Gedanken:

"Die Waffen des Lichts!"

Dekorative Zusatzbeleuchtungen, gefühlvoll abgestimmtes Sternschnuppen-Geflitter, wohl temperierte Weihnachtsmusik aus Kaufhauslautsprechern… Man weiß schon, dass alle Jahre wieder Echtes mit Unechtem vermengt wird. Gar mancher kann gläubige Volkstradition und bewährtes Brauchtum schon nicht mehr richtig von deren umsatzsteigernden Missbräuchen unterscheiden. Bei aller Freude, die aufkommen möchte, sind viele die Vorbereitungen auf das große Fest deshalb auch schon wieder leid.

Doch, tragen für diese Zerrissenheit nur die anderen die ganze Schuld? Sind nur sie dafür verantwortlich, dass der Blick für das Echte verloren gegangen ist? Das Pauluswort zum ersten Advent lässt hier aufhorchen: „Bedenkt die gegenwärtige Zeit: Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf. Denn jetzt ist das Heil uns näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden.“

Ein kräftiges Wort, das uns da vorgesetzt wird! Auch passt es gut in den Advent, der ja doch Ankunft des Heils bedeutet. Dann zählt Paulus noch die Werke der Finsternis auf: „maßloses Essen und Trinken, Unzucht und Ausschweifung, Streit und Eifersucht“. Werke, die friedlos machen und spalten, und die geheimnisvoll jenes Gewicht in der Seele zurücklassen, von dem wir Menschen aus eigener Kraft uns gerade nicht befreien können.

Hier sind wir ganz auf Gott angewiesen, der sein erlösendes Wirken an die Sakramente, hier besonders an das Bußsakrament gebunden hat. Wohl deshalb stellt Paulus den „Werken der Finsternis“ die „Waffen des Lichts“ entgegen, und fordert dazu auf, diese Waffen anzulegen.

Wenn Paulus abschließend sogar dazu ermuntert, „als neues Gewand den Herrn Jesus Christus“ anzulegen, dann dürfte es hiermit nun klar sein: Den Schritt zu dieser kühnen Vertrautheit mit Jesus kann nur derjenige wagen, der die göttlichen „Waffen des Lichts“, hier das Bußsakrament, „ange­legt“, d. h. wieder einmal den Weg zur Beichte gefunden hat. Wer meint, Gott müsse ihm auch ohne dieses Sakrament verzeihen, der wird am Ende die „unbekleidete“ Blöße seiner stolzen Selbstgerechtigkeit vergeblich zu verdecken suchen.

Dem Empfang gerade dieses Sakramentes erwächst ein tiefer innerer Friede und wahre Freude. Trägt derjenige, der in der adventlichen Vorbereitungszeit religiös-geistlich einfach „weiterschläft“, nicht mit dazu bei, dass der weihnachtliche Friede und seine Freude schon länger nicht mehr alle Getauften erreicht?

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

 

 

Pfarrnachrichten 48/2019 (C)

Christkönig: Redemptor mundi miserere nobis; Andachtsbild um 1900, gemeinfrei

An einem Christkönigssonntag wurden Kinder in einer Familienmesse vor Jahren gefragt, warum Jesus als König denn so wichtig sei: viel wichtiger als alle anderen Kaiser und Könige; viel wichtiger als Präsidenten, Kanzler und Minister. Für alle überraschend antwortete ein Kind mit heller, aber klarer Stimme: „Unser Bundeskanzler Kohl hat uns ja nicht erlöst.“ Das Kind hatte nicht nur die Lacher auf seiner Seite, sondern zugleich alles erklärt.

Ähnlich überraschend erklärt das Evangelium, warum das Königreich des Gottessohnes so viel anders, aber zugleich so viel schöner und größer ist, als viele meinen, die meist ein selbstbewusstes, aber in manchem doch ziemlich „verpeiltes“ Leben führen. So wie damals, als Jesu vor Pilatus stand und erklärte (Joh 18,36 ff): „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn mein Königtum von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Nun aber ist mein Königtum nicht von hier.“

Auf die Frage des Pilatus: „Also bist du doch ein König?“ antwortet Jesus: „Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.“ Daraufhin beendete Pilatus das Gespräch mit der Frage, die treffend den gelebten Relativismus charakterisiert: „Was ist Wahrheit?“

Wahr ist hier nur, was man selber für wahr hält; und was sich pragmatisch im alltäglichen Leben bewährt. Die auf das Leben als Ganzes zielende Frage, ob diese subjektiv-pragmatische Wahrheit sich auch über die alltäglichen Lebensvollzüge hinaus bewährt, wird nicht gestellt. Man weicht ihr aus; erklärt sie für obsolet.

Damit verdunstet die königliche Würde des Menschen. Man lebt dann weit unter dem Level, das einem entspricht und zu dem man sich aufschwingen könnte. Man lebt am Ende nur noch in seiner Welt. Die aus der Solidarität mit Gott und dem Nächsten erwachsenden Möglichkeiten verschwinden.

Lässt man sich vom anderen, besonders auch in der Familie, nichts mehr sagen, dann zerfällt die Gesellschaft, zuerst die Familie, und damit auch das Individuum. Man lebt nicht mehr „königlich“, wie es einem entspricht, sondern wie ein Sklave: ganz in sich verfangen.

Das funktioniert solange relativ gut, wie man autonom leben kann. Nicht jedoch am Anfang, am Ende und noch weniger jenseits des irdischen Lebens. Deshalb werden das Alter, das Sterben und was danach kommt mehr ausgeblendet als bedacht.

Aus eben dieser Lebenshaltung erwuchsen angesichts Jesu am Kreuz der Hohn und das spöttische Lachen, welche zuerst „die führenden Männer des Volkes“ so ausdrückten: „Anderen hat er geholfen, nun soll er sich selbst helfen, wenn er der erwählte Messias Gottes ist.“ Ähnlich verspotteten ihn danach „auch die Soldaten. Sie traten vor ihn hin, reichten ihm Essig und sagten: Wenn du der König der Juden bist, dann hilf dir selbst!“ (Lk 23,35-37)

Hier lassen sich Menschen in Gottes Nähe genauso verblenden und verführen wie damals im Paradies Adam und Eva. „Ihr werdet nicht sterben“, sagt die scheinbar kluge Schlange. Helft Euch! Esst von der Frucht der Erkenntnis! Dann „gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse.“ Nach dem Genuss gingen ihnen tatsächlich die Augen auf „und sie erkannten, dass sie nackt waren.“ (vgl. Gen 3, 4-7)

Dies Nacktheit steht für die Erbärmlichkeit des zum Sklaven seiner selbst Gewordenen, der als alleiniger Maßstab für Gut und Böse auf das Ganze gesehen sehr relativ und nicht mehr königlich leben kann. Die Kraft des Königtums Christi wird demgegenüber all jenen zuteil, die wie der Verbrecher am Kreuz in seiner Schwachheit, in seinem untrüglich und wahrheitsgemäß erkannten Unvermögen sagte: „Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ Daraufhin erwiderte ihm Jesus: „Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ (Lk 23, 42 f)

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 44/2019 (C)

Gottlob, dass ich kein Zöllner bin, wie dieser da! - 19. Jh., Englische Schule

Eine meiner lebendigen Kindheitserinnerungen hat mit dem heutigen Evangelium zu tun. Ich weiß nicht mehr genau in welchem, aber es muss in einem Alter gewesen sein, wo ich mit der einleitenden Hinführung des Heiligen Lukas zum nachfolgenden Gleichnis noch nichts anfangen konnte. Ich muss sie deshalb ohne jedes weitere Verstehen nichtsahnend einfach überlesen haben. Das war für das dann folgende Erleben bei der weiteren Lektüre ausschlaggebend.

Der Heilige Lukas erklärt nämlich einleitend, dass „Jesus einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten“, die folgende Beispielgeschichte erzählte. Da ist dann die Rede von „zwei Männer, die zum Tempel hinaufgingen, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner.“ Mir war bekannt, dass weder von den Pharisäern noch von den Zöllnern Gutes zu erwarten war.

Umso beeindruckender war ich Satz für Satz von dem, was Jesus beispielhaft vom Pharisäer erzählte: „Der Pharisäer stellte sich hin und sprach leise dieses Gebet.“ Ein Pharisäer, der leise betet: das war doch schon mal gut, so dachte ich. Dieser Pharisäer schien ganz anders, wie man sich als Kind, das mit der Bibel langsam vertraut wurde, die nur in der Öffentlichkeit Betenden: „um von den Leuten gesehen zu werden“ (Mt 23,5), vorgestellt hatte.

Und es war darüber hinaus ein scheinbar wirklich ehrlicher und gottesfürchtiger Pharisäer. In seinem Gebet dankt er Gott nicht nur flüchtig. Nicht nur so, wie man es als streng erzogenes Kind kannte: „Geh sofort zurück, und bedank dich bitte.

In seinem Dankgebet zählt der Pharisäer detailliert all das auf, was ihn vom sündigen Zöllner und allen anderen Sündern tugendhaft unterscheidet: „Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. Ich faste zweimal in der Woche und gebe dem Tempel den zehnten Teil meines ganzen Einkommens.“

So will auch ich einmal werden, dachte ich als Kind bei meiner ersten, bewussten Lektüre dieses Gleichnisses, das sich mir tief ins Bewusstsein eingeprägt hat. Ich dachte es ganz spontan. Und der nächste Vers schien es zu bestätigen: „Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wagte nicht einmal, seine Augen zum Himmel zu erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig!“

Diese faule Socke“, so dachte ich. Dieser Zöllner, der meint, sich mit so einer pauschalen Bitte um Erbarmen in den Himmel hineinschwindeln zu können. Nicht mehr als eine billige Ausrede; und ohne etwas dafür zu tun!

Mein Erstaunen, ja Entsetzen war groß, als ich ganz erschrocken gleich mehrfach, als ob ich nicht recht verstanden hätte, zum Ende lesen musste: „Ich sage euch: Dieser kehrte als Gerechter nach Hause zurück, der andere nicht.“ Ich hatte anfangs Zuordnungsschwierigkeiten. Aber vom Satzbau und der Grammatik war es eindeutig. Jesus sagt von diesem Zöllner, dass er als Gerechter zurückkehrt. Der Pharisäer aber als Ungerechter; als Unfrommer, Unehrlicher, Undankbarer usw.

Es braucht Zeit und Reife. Und als Kind fällt einem schwer zu verstehen, was Jesus mit der abschließenden Aussage meint: „Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“

Aber mit der Zeit fand ich den Schlüssel, dieses Gleichnis für mich zu entschlüsseln. Der Pharisäer war ganz bei sich, und blieb in sich verfangen. Er war nicht bei Gott: Weder mit seinem Herzen noch bei all dem scheinbar Guten, was er leistete. Anders der Zöllner, der durch sein Leben weise geworden, vom hohen Ross heruntergestiegen war. Sein Reichtum, sein wie auch immer gutes Auskommen und Leben hatte ihn verblendet. Er hatte sich täuschten lassen. Dafür bittet er nun um Gottes Hilfe, Beistand und Gnade.

Der Schlüssel zur wahren Gerechtigkeit und Erfüllung vor Gott und den Menschen lässt sich als Frage wie folgt formulieren: „Bin ich mit Gottes Hilfe in allem, was ich bin und leiste, bei ihm und meinem Nächsten? Oder bleibe ich, nur um mich selber kreisend, am Ende doch wieder nur bei mir und meiner unerfüllbaren Endlichkeit?“

Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 41/2019 (C)

Jesus heilt 10 Aussätzige - Codex Aureus Epternacensis, ca. 1035

Im Gottesdienst geht dem Evangelium gewöhnliche ein Halleluja-Vers voran, der auf das Anliegen des nachfolgenden Evangeliums einstimmt. Das ist auch an diesem Sonntag der Fall: „Halleluja. Halleluja. Dankt für alles; denn das will Gott von euch, die ihr Christus Jesus gehört. Halleluja.“

Im sich anschließenden Evangelium berichtet der Hl. Lukas (17,11-19), wie Jesus zehn Aussätzigen begegnete. „Sie blieben in der Ferne stehen und riefen: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns! Als Jesus „sie sah, sagte er zu ihnen: Geht, zeigt euch den Priestern!“

Eine mittelalterliche Miniatur aus dem „Codex Aureus Epternacensis“ (s. Bild) erzählt diese Begebenheit malerisch nach: Im gebührenden Abstand bitten zehn mit Wunden bedeckte Aussätzige Jesus um Hilfe. Dabei strecken sie Jesus ihre geöffneten Hände entgegen. Jesus ist ihnen zugewandt und segnet sie mit seiner Rechten, der typisierten „Christushand“.

Im Text steht von dieser Geste zwar nichts; auch nicht, dass Jesus eine Schriftrolle in der linken Hand trug. Aber hier deutet und veranschaulicht die Malerei zu Recht folgenden Zusammenhang: Gemäß dem alttestamentlichen Buch Levitikus, Kapitel 14 sollen Menschen, die vom Ansatz geheilt wurden, zum Priester geschickt werden. Dieser soll zum einen feststellen, dass tatsächlich eine vollständige Heilung vom Aussatz vorliegt. Und dann soll er vor allem dafür sorgen, dass die Opferungs- und Reinigungszeremonie abgehalten werden.

Damit führt das Bild dem Betrachter anschaulich vor Augen, dass Jesus die Aussätzigen mit Schriftrolle und Segensgestus schon vor der sichtbaren Heilung zum Priester schickt, weil er sie unausgesprochen bereits geheilt hat.

Rechts im Bild wird in einer zweiten Darstellung veranschaulicht, was daraufhin geschah, und wie der Heilige Lukas es berichtet: „Während sie zu den Priestern gingen, wurden sie rein. Einer von ihnen aber kehrte um, als er sah, dass er geheilt war; und er lobte Gott mit lauter Stimme. Er warf sich vor den Füßen Jesu zu Boden und dankte ihm. Dieser Mann war aus Samarien. Da sagte Jesus: Es sind doch alle zehn rein geworden. Wo sind die übrigen neun? Ist denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren, außer diesem Fremden? Und er sagte zu ihm: Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gerettet.“

Unterwegs zu den Priestern stellten die Zehn also fest, dass sie geheilt waren. Neun von ihnen ziehen weiter, und nur ein einziger kehrt zu Jesus zurück. Er lobt Gott und dankt Jesus auf den Knien. Dieser, ein Samariter hat als einziger den Zusammenhang verstanden, der besteht zwischen der Tat Jesu, der vollständigen physischen Heilung, und der damit unauflösbar verbundenen Dankbarkeit und Anbetung Gott gegenüber, die den Menschen auch seelisch heilen und gesund sein lassen: „Dein Glaube hat dich gerettet.„Gerettet“ und eben nicht nur, wie es bislang in der älteren Übersetzung hieß: „geholfen“.

Die Darstellung ganz rechts im Bild lädt abschließend zur Besinnung ein. Nur ein Geheilter ist zurückgekehrt, um Jesus zu danken. Die Neun anderen gehen einfach ihren Weg. Zu wem gehören Du oder Ich? Zu dem einen, der in Jesus den Herrn erkennt, sich bei ihm bedankt und in ihm in der Anbetung Gott sucht? Oder zu den neun, die das Geschenk des Lebens und seiner Wiederherstellung nicht würdigen und so am Bildrand im Abseits verschwinden?

Die Dankbarkeit ist eine unverzichtbare Haltung. Ohne sie ist und bleibt der Mensch krank. Er schreibt sich Dinge zu, die er gar nicht sich selber verdankt. So sucht er vergeblich das Glück in sich selber, und in dem, was er vermeintlich alles selber geleistet hat. Aber dort kann er das Glück nicht finden. Ohne Dankbarkeit und die rechte Anbetung verliert der Mensch sich am Ende ohne weitere Hoffnung in sich selber. Er gerät ins Abseits und verfängt sich in seinen eigenen Grenzen.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 40/2019 (C)

Bereits im letzten Schuljahr hatte sich die 5 c, jetzt 6 c der Kaiserin-Theophanu-Schule aus Köln-Kalk mit Erfolg um den St. Pantaleonspreis bemüht. Dieser Preis anlässlich der anstehenden Sanierung der Kirche St. Pantaleon, aktuell in Höhe von 500,- €, wurde diesen Freitag, dem 27.09.2019 um 10:30 Uhr zum ersten Mal überreicht.

Der St. Pantaleonspreis wird vom Freundeskreis St. Pantaleon e.V. gestiftet. Er soll Schüler, Auszubildende und Studierende motivieren, sich mit der Kirche St. Pantaleon, ihrer Geschichte und ihrem Erbe auseinanderzusetzen. Die Bedeutung dieser Kirche war ausschlaggebend für den großzügigen Betrag, den das Erzbistum Köln für ihre Instandsetzung zu Verfügung gestellt hat. Mit weiteren Spenden und öffentlichen Fördermitteln sind dafür insgesamt 12 Millionen Euro aufzubringen.

Der St. Pantaleonspreis soll jungen Menschen helfen, die Investition von so viel Geld einordnen zu können. Er wird überreicht von Dr. Volker Mann, der den Freundeskreis St. Pantaleon vertritt, gemeinsam mit OStR i.R. Wolfgang Höhl, der alles organisiert hat, und dem Pfarrer von St. Pantaleon, Dr. Volker Hildebrandt. Davor werden die Schüler die geschichtsträchtige Kirche bei einer spannenden Führung noch besser kennen lernen.

Was heute von der Kirche sichtbar ist, wurde vor über 1.000 Jahren vom ersten Kanzler des deutschen Reiches erbaut: Dem Heiligen Bruno, der gleichzeitig Erzbischof von Köln war und Bruder des deutschen Kaisers Otto des Großen. Die Ursprünge der Kirche gehen noch deutlich weiter bis in die Römerzeit zurück.

Nach sorgfältiger Planung wird die Kirche St. Pantaleon in den nächsten drei Jahren nun umfassend instandgesetzt. Bei den vorausgegangenen Untersuchungen des Gebäudes, ausgelöst durch die marode Schieferdeckung, wurde dringender Sanierungsbedarf festgestellt. Unter anderem ist das Blei der Obergadenfenster in einem so schlechten Zustand, dass alle Fenster erneuert werden müssen. Das betrifft auch Teile des Dachstuhls.

Die gründliche Sanierung ist auch denkmalpflegerisch von Bedeutung. So sind etwa im Gebäudeinneren Mauern und Säulen viel zu salzbelastet. Ohne Ursachenbekämpfung gingen sie auf Dauer für immer verloren. Durch die Sanierung wird nun der weitere Verlust historischer Bausubstanz gestoppt.

Die Instandsetzung der Kirche St. Pantaleon ist eine der größeren Kirchensanierungen im Erzbistum Köln. Für den ersten Bauabschnitt wird im März 2020 das gesamte Westwerk eingerüstet. Von da an wird das Vorhaben weithin sichtbar sein. Der sehr lebendigen Kirchengemeinde stehen dadurch drei entbehrungsreiche Jahre bevor. Auch wenn alle Gottesdienste und Aktivitäten vor Ort weiter möglich sein werden, freut man sich schon jetzt auf das Ende der insgesamt drei Bauabschnitte und zugleich auf eine der schönsten romanischen Kirchen weltweit.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 39/2019 (C)

Gleichnis vom ungerechten Verwalter - Radierung Jan Luykens

„Kein Sklave kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den andern lieben, oder er wird zu dem einen halten und den anderen verachten. Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon.“ Mit diesen bekannten Worten endet das Evangelium des 25. Sonntags im Jahreskreis (Lk 16, 1-13). Und von diesen Worten her ist das vorausgehende Gleichnis Jesu vom ungerechten Verwalter dann auch gut zu verstehen.

In diesem Gleichnis geht es um einen Verwalter, möglicherwiese um einen der damals hoch dotierten Sklaven, dem Unregelmäßigkeiten nachgesagt wurden. „Er verschleudere …“ das ihm anvertraute „Vermögen“. Daraufhin stellte ihn sein Herr zur Rede: „Was höre ich über dich? Leg Rechenschaft ab über deine Verwaltung! Du kannst nicht länger mein Verwalter sein.“

Es bleibt offen, wieweit der Herr dem Verwalter die Gelegenheit gegeben hat, sein Verhalten zu rechtfertigen. Er wird fristlos entlassen. Verschlagen wie er ist, nutzt er seine letzte Chance. Er überlegt: „Mein Herr entzieht mir die Verwaltung. Was soll ich jetzt tun? Zu schwerer Arbeit tauge ich nicht, und zu betteln schäme ich mich.“

So lässt er die Schuldner seines Herrn einzeln zu sich kommen. Auf seine Anweisung hin werden die Schuldscheine zu Gunsten der Schuldner geändert. Folglich werden diese ihn zukünftig, wenn er „als Verwalter abgesetzt“ ist, aufnehmen und Unterhalt gewähren müssen.

Daraufhin „lobte der Herr die Klugheit des unehrlichen Verwalters und sagte: Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes. Ich sage euch: Macht euch Freunde mit Hilfe des ungerechten Mammons, damit ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet, wenn es mit euch zu Ende geht.“

Vom Ende her wird deutlich (s.o.), dass mit diesem Gleichnis nicht die Ungerechtigkeit des Verwalters gelobt wird, sondern seine tatkräftige und pfiffige Klugheit. Diese wird dann noch wie folgt präzisiert: „Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen, und wer bei den kleinsten Dingen unrecht tut, der tut es auch bei den großen. Wenn ihr im Umgang mit dem ungerechten Reichtum nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann das wahre Gut anvertrauen? Und wenn ihr im Umgang mit dem fremden Gut nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann euer wahres Eigentum geben?

Das Gleichnis steht in engem Zusammenfassung mit der christlichen Lebensweise: „Gott über alles aus ganzem Herzen lieben, und den Nächsten wie sich selbst.“ – Nur wenn Gott tatkräftig, effektiv und im alltäglichen Leben erfahrbar an erster Stelle steht, nur dann steht auf Dauer auch der Nächster so an erster Stelle, wie es seiner Würde entspricht.

Andernfalls wird die Sorge um das eigene Wohl überhandnehmen, alles andere bestimmen, vereinnahmen und ersticken. Die Gemeinschaft mit Gott und den Menschen würde auseinanderdriften. Die Vereinzelung nähme bedrohlich bis zur Atomisierung der menschlichen Gemeinschaft zu. Deshalb hat Gott den Menschen von Anfang an gesagt (Gen 1,28) „unterwerft euch die Erde“, damit nicht das Irdische den Menschen vereinnahmt und versklavt.

Aus eigener Kraft vermag niemand auf Dauer über die Erde zu „herrschen“ (vgl. Gen 1,26) und sich das irdische Leben zu „unterwerfen“. Dafür muss Gott der wichtigste und alles entscheidende Platz eingeräumt werden. Und das mit einer der tatkräftigen, raffinierten und klugen Verschlagenheit des ungerechten Verwalters vergleichbaren Konsequenz „in den kleinsten Dingen“: beim täglichen Beten, der ausdauernd-konsequent liebenden Mitfeier des sonntäglichen Gottesdienstes sowie der regelmäßigen Umkehr durch das Sakrament der Beichte und Versöhnung.

Nur dann wird man auch den „großen Dingen“ entsprechen und gut leben. Nur dann wird man sich als täglich bewusst vor Gott und in seiner Liebe lebenden Menschen erfahren, der froh, befreit und erlöst von irdischen Daseinszwängen und -begrenzungen das eigene Leben mit einer Perspektive selbstbestimmt, die weit über das Irdische hinausreicht.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 38/2019 (C)

REMBRANDT – Der verlorene Sohn – Auffällig sind die unterschiedlichen Hände des Vaters (Männer- und Frauenhand), mit denen Rembrandt die Weite von Gottes Barmherzigkeit veranschaulichen möchte.

Die zwei wunderbaren Gleichnisse vom Verlorenen und Wiedergefundenen an diesem Sonntag werden noch übertroffen durch das dritte und überhaupt das längste Gleichnis, das uns von Jesus überliefert ist (s. Lk 15, 1-32). Es ist das Gleichnis vom Vater und den beiden Söhnen, von denen der Jüngere all das verschleudert und verschwendet, was er von seinem Vater als Erbe überlassen bekam.

"Als er alles durchgebracht hatte," so heißt es in diesem Sonntagsevangelium, "kam eine große Hungersnot über jenes Land und er begann Not zu leiden. Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten. Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon. Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben Brot im Überfluss, ich aber komme hier vor Hunger um. Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner!"

Die Reaktion des Vaters ist überwältigend. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass dieser Sohn den Ertrag seiner jahrelangen Arbeit in kürzester Zeit sinnlos und nur auf sein eigenes Vergnügen bedacht verschleudert hat. "Der Vater sah ihn schon von Weitem kommen," so überliefert uns Lukas das von Jesus Erzählte, "und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn."

Kein Groll von Seiten des Vaters, keine Vorwürfe, keine Verurteilung, geschweige denn ewige Verdammung. Stattdessen lässt der Vater dem Sohn die gerade notwendige Zeit, um seine schwere Schuld zu bekennen. Unmittelbar als Antwort auf dieses Bekenntnis beauftragt der Vater seine Knechte, dem Heimgekehrten das beste Gewand zu holen, einen Ring an die Hand zu stecken und ihm Schuhe anzuziehen. Er lässt das Mastkalb schlachten und ordnet ein Fest an: "Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden."

Mit diesem Gleichnis charakterisiert Jesus die grenzenlose Barmherzigkeit des göttlichen Vaters. ln der gewöhnlichen Auslegung ist das die eigentliche Aussage dieses Gleichnisses. Es enthält aber noch eine andere, nicht weniger wichtige Botschaft: mit Blick auf das nämlich, was Gott dem Menschen als Erbe anvertraut hat. Es ist das Kostbarste von allem: das eigene Leben.

Gesamtgesellschaftliche nimmt der Trend zu, das eigene Leben wie ein Eigentum zu sehen, dass beliebig, ganz nach subjektiver Überzeugung und Einstellung ausgelebt werden kann. Das Ergebnis zeigt, dass es so nicht stimmt. Ausgelebte Typen haben am Ende weder etwas Erfüllendes für sich, noch etwas Gutes für die Gesellschaft erbracht. Wer so lebt, endet im Schweinestall.

Gott ist auch dann barmherzig. Aber dafür muss man umkehren, wie der Sohn im Gleichnis, und dem Vater bekennen: "Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein."

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 37/2019 (C)

Es kann hilfreich sein, das Evangelium vom 23. Sonntag im Jahreskreis „C“ (Lukas 14,25-33) mit dem zweiten Teil zu beginnen. Dort veranschaulicht Jesus die folgende Aussage und Aufforderung, die im Sonntagsevangeliums (Vers 27) am Anfang steht: „Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein.

Ein Kreuz tragen wird meist als unangenehm empfunden. Aber wer einen Turm baut, so erklärt es Jesus, der setzt sich zuvor der Mühe aus, alles genau zu planen: „Sonst könnte es geschehen, dass er das Fundament gelegt hat, dann aber den Bau nicht fertig stellen kann. Und alle, die es sehen, würden ihn verspotten und sagen: Der da hat einen Bau begonnen und konnte ihn nicht zu Ende führen.“ (Vers 29f).

Auch ein König, der sich gegen einen andern zur Wehr setzt, überlegt zuerst, ob er überhaupt eine Chance hat. Wenn nicht (Vers 32), „dann schickt er eine Gesandtschaft, so lange der andere noch weit weg ist, und bittet um Frieden.“ Ähnlich ist es, wenn man Jesus als Jünger folgen will. Dafür muss man „auf seinen ganzen Besitz verzichten.“

Daraufhin mag man kontern: „Wer will, kann ja auf alles verzichten und Jesus nachfolgen. Ich bleibe, wie ich bin. Und ich behalte, was ich habe. Ich gehe meinen eigenen Weg.“

Genau darum geht es. Gegen diesen vermeintlich modern-emanzipierten und fortschrittlich-aufgeklärten Lebensstil „Ich gehe meinen Weg: Ich bleibe, wer ich bin und behalte, was ich habe“ setzt das biblische Buch der Weisheit die weitsichtigere Lebenserfahrung (Buch der Weisheit 9, 14): „Unsicher sind die Berechnungen der Sterblichen und hinfällig unsere Gedanken.

Nur die unreife Jugend kann über die Erfahrung lächeln, die dieses biblische Buch dann treffend auf den Punkt bringt (ibid., 14-16a): “Der vergängliche Leib beschwert die Seele, und das irdische Zelt belastet den um vieles besorgten Geist. Wir erraten kaum, was auf der Erde vorgeht, und finden nur mit Mühe, was doch auf der Hand liegt.“ Der daraus folgende Hinweis (ibid. 16b) „Wer kann dann ergründen, was im Himmel ist?“ ist für den Kurzsichtigen dann erst recht verzichtbar.

Realistischer, wahrer und weiser ist aber am Ende die Heilige Schrift. Sie ermutigt und bestätigt, dass der Mensch wirkliches und dauerhaftes Glück findet. Allerdings nicht aus sich selber heraus, sondern nur, wenn er sich ganz und ohne Vorbehalt Gott übereignet. Gott zuerst, dann alles andere. So ist zu verstehen, warum Jesus ohne jede Herabsetzung sagen kann (Lukas 14, 26): „Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben geringachtet, dann kann er nicht mein Jünger sein.“

Im Vergleich zu Gott ist alles andere gering. Aber in Beziehung zu Gott findet alles seine Würde und Größe und seinen eigenen, von Gott zugedachten Wert. Der Mensch, als besonderes und privilegiertes Geschöpf Gottes, kann dabei jedoch nicht passiv bleiben. Seine Freiheit bringt es mit sich, dass er das wollen und anstreben muss: Wie jemand, der einen Turm bauen will oder sich gegen eine feindliche Übernahme zur Wehr setzt.

Wer Christ sein will, wird es nur sein können, wenn er regelmäßig betet, im Gottesdienst die besondere Begegnung mit Gott sucht und das Geschenk der Versöhnung mit Gott und seinem Nächsten kultiviert: Vorzugsweise auf dem sakramentalen Weg, wie ihn Jesu in der Eucharistie und Beichte als starkes Erbe hinterlassen hat.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 36/2019 (C)

Veronika Steiner nun als Schwester Maria Lea am Tag ihrer Einkleidung; zusammen mit dem Bamberger Erzbischof Dr. Ludwig Schick

Veronika Steiner heißt nun Schwester Maria Lea. Vielen aus St. Pantaleon ist sie gut bekannt. Bis vor zwei Jahren wohnte sie in unserem Pantaleonsviertel „um die Ecke“, in der Pantaleonsstraße 1. Von da ging sie vor gut zwei Jahren zu den Auerbacher Schulschwestern, mit denen sie schon länger verbunden war und immer spürbarer „liebäugelte“. Am 31. August hat sie dort nun nicht nur ihre zivile Kleidung abgelegt, ihr Handy abgegeben und ihren E-Mail-Account stillgelegt, sondern zugleich und mit großer Freude als Novizin „den Schleier genommen“.

Auf der Hompage der Schulschwestern geben diese einen rührenden Einblick in ihre gottgeweihte Welt und erzählen überzeugend, warum sie ins Kloster gegangen sind: berührt und gerufen von Jesus Christus, der in seiner Liebe unschlagbar und überwältigend ist, und der seine Liebe immerfort neu schenkt: http://schulschwestern-auerbach.de/mediathek/videos/.

Bevor Veronika bei den Auerbacher Schwestern Quartier bezog, war sie oft im Gottesdienst in St. Pantaleon. Veronika hat den Kirchenchor bereichert und war Frau Mailänder eine große Stütze im „Chörchen“. Sie hat auch über vier Jahre lang als gewähltes Mitglied im Kirchenvorstand St. Pantaleon mitgewirkt und sich dort zum Wohl der Kirchengemeinde eingebracht.

Veronika hat darüber hinaus den Glaubenskurs EVEN an St. Pantaleon entscheidend mit auf den Weg gebracht. Gut vier Jahre lang haben wir uns hier in St. Pantaleon während des Semesters jede Woche mittwochs dazu getroffen. Die regelmäßigen Begegnungen bei EVEN haben nicht nur den Glauben aller bestärkt. Aus diesen Begegnungen sind auch gleich mehrere frische und gute katholische Ehen hervorgegangen; inzwischen bereits mit quicklebendigem Nachwuchs. Einer der Teilnehmer hat vor einiger Zeit zum Opus Dei gefunden. Und Veronika ist nun sichtbar auch für die Öffentlichkeit ihrem Ruf gefolgt.

In seiner Predigt bei der Einkleidungsfeier von Veronika hat der Bamberger Erzbischof Dr. Ludwig Schick diesen Tag „einen Anlass zur Freude und zum Dank“ genannt: "Wofür danken wir? Dafür, dass Sie sich so in Jesus Christus verliebt haben, dass Sie ganz für Ihn leben wollen. Ordensgemeinschaften sind dazu da, diese große Liebe zu ermöglichen und zu fördern."

Wir wünschen der neuen Novizin Gottes reichen Segen, bleiben ihr im Gebet verbunden und werden für Sie Gott um seine liebevolle Gnade bitten. Zugleich stützen wir von ihrer zeitweiligen Wohngemeinde uns auch auf ihr Gebet, in dem sie uns aus langjähriger Verbundenheit gewiss nicht vergessen wird.

 

Pfarrnachrichten 30-31/2019 (C)

Zum Bild im Nazarener-Stil: Das Eine, was die Not wendet. Jesus bei Marta und Maria.

Am kommenden 16. Sonntag im Jahreskreis wird uns aus dem Lukas-Evangelium (Kapitel 10, Verse 38 – 42) eine interessante Begebenheit vorgetragen: Jesus wird von einer Frau namens Marta gastlich aufgenommen. Marta „hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu. Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen zu dienen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen! Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden.“

Damit spricht sich Jesus in keiner Weise dagegen aus, Gäste freundschaftlich zu empfangen und vorzüglich zu bedienen. Jesu Vorwurf richtet sich eindeutig nicht gegen den äußerlich vorbildhaften Einsatz; hier von Marta zum Wohl ihrer Gäste. Jesus weist vielmehr grundsätzlich auf ein existentielles Defizit hin, das konkret deutlich sichtbar wird in Martas Frust und Ärger: Auf eine innere Leere nämlich, die sich unweigerlich in unser aller Leben einschleicht, wenn wir das „eine Notwendige“ im Einsatz zum Wohl anderer und unseres eigenen übersehen; am Ende gar vergessen.

Das „Eine Notwendige“ wendet diese Not. Es ist jenes „Not-Wendige“, das die tiefste, innere Not des Menschen wendet. Dieses „Not-Wendige“ befreit aus der inneren Leere eines nur äußerlich vorbildhaften Tuns, dem früher oder später der erfüllende Sinn fehlt. Diese Zusammenhänge hat vor allem Maurice Blondel in seinem 1893 erschienen Hauptwerk „L’Action“ unübertroffen analysiert.

Maria hingegen „hat den guten Teil gewählt, der ihr nicht genommen werden wird.“

Der „gute Teil“ ist letztlich das Gespräch mit Jesus, mit Gott selber. Hier geht es nicht um infantiles Beten, das um Erfüllung eigenen Wünschens und Wollens kreist. Gemeint ist hingegen das reife Beten, wie es uns Jesus als Hinhören auf Gott gelehrt hat: „Dein Wille geschehe“. Maria ist in diesem Sinne eine „Hörende“, die aus ihrem Hinhören empfängt, was all ihr Tun zutiefst und unvergänglich erfüllt.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 28-29/2019 (C)

Im Evangelium vom 14. Sonntag im Jahreskreis wird davon berichtet, dass Jesus 72 weitere Jünger zu zweit in all die Städte und Ortschaften voraussandte, in die er selber gehen wollte.

Und er gab ihnen folgende Impulse mit auf ihre Reise: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden. Geht! Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Schuhe! Grüßt niemand unterwegs!

Der eigentliche Grund Ihrer Aussendung wir uns erst ganz am Ende des Sonntagsevangeliums mitgeteilt: „Heilt die Kranken, die dort sind, und sagt den Leuten: Das Reich Gottes ist euch nahe.“

Nun gibt es viele unterschiedliche „Sendungsaufträge“, die von Gott an die Seinen ergehen. Den Sendungsauftrag der 12 Apostel, den dieser 72 weiteren Jünger. Und es gibt auch einen Sendungsauftrag für einen jeden von uns.

Unter uns gibt es die Großen und die Kleinen, die Männer und die Frauen, die Alten und die Jungen. Wie an die 12 und die 72 ergeht auch an einen jeden von uns ein ganz spezifischer „Sendungsauftrag“. Durch jeden von uns möchte Gott seine Gegenwart hier in dieser unserer Zeit und die Nähe seines Reiches in unserem Jahrhundert etablieren und wachsen lassen.

Die nun beginnenden Schulferien sind eine gute Gelegenheit, darüber neu nachzudenken und diese Sendung konkret werden zu lassen: Durch einen jeden von uns in seiner eigenen Familie wie auch in seinem sozialen und beruflichen Umfeld.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 26/2019 (C)

Kommender Sonntag: PFARRFEST

Das aktuelle Sonntagsevangelium (Lk 8,18-24) leitet der Evangelist Lukas mit der aufschlussreichen Bemerkung ein, dass Jesus in der Einsamkeit betete und erst daraufhin die ihn begleitenden Jünger fragte: „Für wen halten mich die Leute?

Sie antworteten: „Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija; wieder andere sagen: Einer der alten Propheten ist auferstanden.“ Im nächsten Schritt richtete Jesus dann diese Frage auch an die Apostel persönlich: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Auf die an alle Apostel gerichtete Frage antwortete Petrus, der längst als Sprecher der anderen akzeptiert und anerkannt war: „Für den Messias Gottes.

Jesu Reaktion darauf, wie der Evangelist Lukas diese dann auch für den Leser erst einmal überraschend erzählt, zwingt inne zu halten und nachzudenken: „Doch er verbot ihnen streng, es jemand weiterzusagen.“ Auf den ersten Blick würde man eher erwarten, dass sich Jesus über die Antwort des Petrus gefreut und daraufhin den Aposteln den Auftrag erteilt hätte, dies nun all denen zu sagen, die das noch nicht erkannt hätten.

Demgegenüber nötigt Lukas, bewusst und gekonnt, nun auch den Leser, in die Tiefe gehend zu reflektieren, was sich da abspielt.

Es sind ja zwei Gespräche, um die es hier geht. An erster Stelle steht das Gespräch Jesu mit Gott, seinem Vater im Himmel. Erst dann wendet Jesus sich seinen Jüngern zu. Es liegt von daher nahe, dass Jesu Frage an seine Jünger inhaltlich mit dem Gespräch in enger Beziehung steht, welches Jesus bis dahin mit seinem himmlischen Vater geführt hat. Jesus setzt sein vorangegangenes Gespräch mit seinem Vater im Himmel nun also auch inhaltlich mit seinen Jüngern fort.

Jesus ist nach dem allen Christen gemeinsamen Glauben der eine, wahre und dreifaltige Gott, der durch seine besondere Nähe als Heiliger Geist nach der freien Zustimmung der Jungfrau Maria in ihr Mensch wurde. Somit ist Jesus in seiner spezifischen Individualität und in der Einheit seiner Person Mensch und Gott zugleich. Wer das nicht glaubt, teilt weder den urchristlichen Glauben, noch ist er Christ. Er glaubt dann nur, wenn überhaupt, was damals so die Leute über Jesus dachten (s.o.).

Für den gläubigen Christen erschließt sich aus diesem Glauben, dass Jesus als Mensch uns in allem gleich war, bis auf die Sünde. Als Mensch stellen sich ihm folglich dieselben Fragen, die sich uns stellen. Auch die Frage nach dem eigenen Selbstverständnis. Um diese Frage geht es hier. Sie beschäftigt Jesus als Mensch in seiner uneingeschränkten, umfassenden und existentiellen personalen Verbundenheit mit dem allmächtigen Gott genauso wie uns.

Dass es eben genau darum geht, wird nun auch aus dem Folgenden ersichtlich, wie es Lukas erzählt: „Und er (Jesus) fügte hinzu: Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er wird getötet werden, aber am dritten Tag wird er auferstehen.“

Auf den Punkt gebracht: Es gibt für uns Menschen nichts Schöneres, als Mensch zu sein in engster Verbundenheit mit Gott. Diese Verbundenheit wird uns geschenkt: von Gott nämlich. Aber wir müssen sie innerlich nachvollziehen und sie annehmen. Das kostet einem alle Kraft und vollen Einsatz. Sonst bliebt die göttliche Verbundenheit äußerlich. Und dann erfüllt sie auch nicht. Am Ende bis dahin nicht, dass man sie für entbehrlich und überflüssig hält. So verliert man sich schließlich für alle Zeit in seiner eigenen und am Ende immer nur traurigen Selbstgefälligkeit.

Deshalb endet das Sonntagsevangelium nach Lukas mit den Worten: „Zu allen sagte er: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten.

 

Pfarrnachrichten 25/2019 (C)

Am Sonntag nach Pfingsten feiert die Kirche den Dreifaltigkeitssonntag als Hochfest. Die für diesen Sonntag vorgesehenen Schriftlesungen führen vor Augen, dass der unendliche, ewige und unfassbare Gott sich uns, im Verhältnis zu ihm kleinen und unbedeutenden Menschen zugewendet und geöffnet hat. Beides ist wichtig: Wie Gott in sich ist und wer er für uns ist.

Aus der verheißungsvollen Ahnung, wer Gott in sich selber ist, erwächst ein überraschend großes Verständnis dafür, wer Gott für uns ist. Erst von dieser doppelten Perspektive her und aus ihr – Gott in sich und Gott für uns – können wir gemäß der vom Schöpfer in uns angelegten gottähnlichen Größe leben.

Gott ist nicht der unverständlich murmelnde alte Mann mit weißem Bart in der Himmelsecke, den man vergessen kann. Ebenso wenig ist Gott der Kumpel von nebenan, mit dem man sich auf die Schulter klopft und für alles Verständnis hat.

Gott ist über alles erhaben, ewig und groß. Die orthodoxe Kirche hat das in ihrer Liturgie wunderbar entfaltet und bewahrt. Sie pflegt in besonderer Weise weiterhin die Verehrung des über allem erhabenen, ewigen und allmächtigen Gottes. So werden wir es bei unserem diesjährigen Theophanu-Gedenken, dem 28. in Folge, an diesem 15. Juni wieder beeindruckend erleben können.

Wir „westlichen Christen“ können viel davon lernen. Uns ist in dieser Hinsicht vieles verloren gegangen. Unsere Liturgie wird oft in falsch verstandener Weise allzu menschlich gefeiert, viel zu sehr auf unsere auch schon sehr ichbezogenen Bedürfnisse hin orientiert. Da geht schnell etwas ganz Wichtiges, insbesondere das fundamental bedeutende Gespür für die Größe und Erhabenheit des einen und dreifaltigen Gottes verloren.

Angesichts der Unfassbarkeit Gottes ist es zwar menschlich, und von daher in gewisser Weise auch nachvollziehbar, wenn man sich weniger für Gott selber interessiert. Dennoch bliebe es unentschuldbar, wenn man stattdessen und zunehmend exklusiv das liturgische und seelsorgliche Bemühen auf die Perspektive fokussiert, wie Gott zu uns Menschen und noch verengender zugespitzt, wer Gott für einen selber ist.

Man darf die andere Perspektive, sowohl das betende Ringen um die Frage wie auch die liturgisch und betend gefeierte Wirklichkeit, wer und wie Gott in sich selber ist, nicht vernachlässigen. Sonst bleibt Gott für uns sehr schnell auf das beschränkt, was wir als Menschen von ihm begreifen. So würde Gott zunehmend auf den eigenen Wahrnehmungshorizont reduziert. Damit würde Gott am Ende vom Himmel heruntergeholt, und man ließe ihn nur noch den guten Kumpel aus der Nachbarschaft sein, mit dem man für alles Verständnis hat (s.o). Am Ende wird man so dann gar nichts mehr richtig verstehen.

Das Große und Überwältigende an Gott ginge uns verloren. Es ginge uns auch für unsere Lebenspraxis verloren. Gott möchte uns doch gerade über die Grenzen des eigenen Horizontes hinausführen. Erst dadurch werden uns Erfüllung und Erlösung umfassend zuteil.

Der Dreifaltigkeitssonntag bietet dieser vermenschlichenden und Gott sozial-verniedlichenden Tendenz segensreich Einhalt und durchkreuzt sie. Er ist ganz geprägt von der Anbetung und Verehrung Gottes. Wer Gott anbetet; seine Größe und Erhabenheit sucht, der entdeckt auch wieder wirklichkeitsgemäß Größe und Würde des Menschen, der nach Gottes Abbild geschaffen ist.

Die biblischen Texte dieses Sonntags machen deutlich, dass Gott in sich verschiedene, ja gegensätzlich anmutende Eigenschaften vereinigt: Gott ist heilige und unnahbare Liebe und Gerechtigkeit in einem. Gott ist in dieser uns unnahbaren Größe in sich selber für uns zugleich überwältigende Nähe und Barmherzigkeit. Beides gehört in Gott souverän und erhaben zusammen; ganz unabhängig davon, dass wir dies immer nur ansatzweise begreifen.

Nur dieser seiner unnahbaren Größe wegen kann Gott in unfassbarer Nähe liebende Barmherzigkeit und Gerechtigkeit zugleich sein, die all unser menschliches Begreifen übersteigt. Das spricht etwa der Antwortpsalm (Ps 8, 4–5.6–7.10) zwischen den beiden Lesungen dieses Sonntags im Lesejahr „C“ wunderbar an: „Seh ich deine Himmel, die Werke deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, du hast ihn gekrönt mit Pracht und Herrlichkeit. Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über die Werke deiner Hände, alles hast du gelegt unter seine Füße. Herr, unser Herr, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde!“

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 24/2019 (C)

Rabbula Evangeliar - um 586

Im Rückblick auf das eigene Leben entdecken viele eine Art „roten Faden“, einen Sinnzusammenhang, den sie nicht selbst geplant hatten. Manches hätte ganz anders laufen können. Wo stünde ich dann heute? Vieles zunächst Unverständliche hat später doch eine Bedeutung bekommen. Es war gut und wichtig, dass man so manche auch schwierige Erfahrung gemacht hat.

Ohne selbst viel dafür zu tun, ist man vor Gefahren, Versuchungen und Irrwegen bewahrt worden. Wichtige Entscheidungen hat man wie unter einer Eingebung getroffen. Im Nachherein haben sie sich als richtig erwiesen.

Von dieser Erfahrung her sagt der dänische Religionsphilosoph Sören Kierkegaard: „Verstehen kann man das Leben nur rückwärts – leben muss man es vorwärts.“

Indirekt sagt Kierkegaard damit auch: Um das Leben in rechter Weise vorwärts leben zu können, bedarf es der gewohnheitsmäßigen Besinnung auf das Vergangene. Denn nur der Blick auf das Vergangene lässt das Leben verstehen. Man kommt dann nicht länger um die Frage herum: Hat da jemand mein Leben gelenkt, mich sanft bei der Hand genommen und ohne Zwang geführt?

Wirklichkeitsnah wird in rechter Weise nur der nach vorne leben, der vorurteilsfrei den Blick nach rückwärts wagt.

Nicht weniger erstaunlich ist, dass trotz aller Zerrissenheit in unserer Welt immer wieder überraschend viele positive Kräfte da sind. Insbesondere Menschen mit einer Leidenschaft für Frieden, Gerechtigkeit und einem in der Summe schier unerschöpflichem Einsatz für ihre Mitmenschen. Wo immer das Böse wirkt und zunimmt, regen sich noch energischer auch die positiven Gegenkräfte. Oft setzen Menschen ihr Leben dafür ein.

Was treibt sie an, sich einzusetzen ohne Rücksicht auf sich selbst, ohne etwas davon zu haben, oft mit hohem Risiko?

Was liegt näher und was ist vernünftiger, als in all dem eine Spur des Heiligen Geistes zu sehen – sogar in denen, die keinem ausdrücklichen Glauben folgen, sich aber für Werte und Ideale engagieren. In jedem Menschenherzen lebt ein Funke des Guten. Gottes Geist drängt Menschen über sich hinaus; er äußert sich in „selbstloser“ Liebe und „selbstvergessener“ Hingabe.

Der Heilige Geist ist da – mehr als man gewöhnlich denkt! Er inspiriert und leitet an.

Dazu zwei persönliche Fragen: Bin ich dankbar dafür, wie und wohin er mich bislang geführt hat? Und wäre es nicht sinnvoll, in Zukunft bewusster nach seinen Eingebungen zu fragen und mich nach ihnen zu richten?

Ich wünsche Ihnen von Herzen ein geistgeführtes und -erfülltes Pfingstfest und den ehrlichen Vorsatz, auf die zuletzt gestellten Fragen dem allmächtigen Gott persönlich zu antworten.

Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 23/2019 (C)

Die Steinigung des Hl. Stephanus, Rembrandt van Rijn

Bei der ersten Lektüre des Evangeliums (Johannes-Evangelium 17, 20-26) von diesem Sonntag, dem siebten in der Osterzeit, versteht man wohl nur bedingt, was Jesus sagen möchte. Bei genauerer Lektüre und sorgfältigem Hinhören fallen dann aber drei „Leitworte“ ins Auge: „Einheit – Liebe – Herrlichkeit“. Am besten fängt man mit dem dritten an.

„Ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast“ (ibid. 17,22), sagt Jesus. Er drückt damit aus, dass Gottes Herrlichkeit in denen aufleuchtet, die seine Kirche sind. Angesichts der gegenwärtigen Situation mag das überraschen.

Die Zeiten scheinen doch vorbei, in denen die Kirche ihre herrlichen Seiten zeigen und entsprechend auftreten konnte; etwa nach der Art des Liedes: „Ein Haus voll Glorie schauet…“ Demgegenüber wird sie heute belächelt, sogar beschimpft. Schmierigste Verbrechen sind in ihren engsten Kreisen begangen worden. Mancher möchte ihr deshalb schon den Untergang prophezeien. Andere hingegen schütten gleich das Kinde mit dem Bade aus, und wollen die Kirche dem Zeitgeist angepasst auf den Kopf stellen.

Was ist das für eine „Herrlichkeit“, so müssen wir also fragen, die Jesus vom Vater empfangen und an die Seinen weitergegeben hat? – Die gemeinte Herrlichkeit besteht nicht in Ansehen und äußerem Glanz; und erst recht nicht in Machtpositionen, um die einige auch innerkirchlich erneut zu streiten suchen. Weder hatte die Kirche der Anfangszeit dieses, noch ging es ihr um jenes.

Das Wort „Herrlichkeit“ steht in der Heiligen Schrift demgegenüber immer in Verbindung mit dem Erscheinen Gottes. So wird etwa über alles Geschaffene gesagt, eben weil es Gottes Schöpfung ist: „Himmel und Erde sind erfüllt von seiner Herrlichkeit“ (vgl. Jesaja 6,3 und das liturgische „Sanctus“).

Wo Menschen Gott begegnen, wo Gott wirkmächtig in dieser Welt gegenwärtig ist oder seine Spuren hinterlässt, dort leuchtet die hier gemeinte und einzig erstrebenswerte Herrlichkeit auf. Dort zeigt Gott die ihm eigene Herrlichkeit, die er über Jesus an seine Jünger weitergegeben hat, als einzigartig faszinierende Wirklichkeit, die alles andere, was in der Welt Bedeutung hat, unendlich überragt. Deshalb sieht Stephanus (vgl. Apostelgeschichte 7,55) „die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen“. Solche „Herrlichkeit“ ist also Kennzeichen der Offenbarung Gottes und damit auch seiner Kirche.

Nur wo Menschen Gott begegnen „wohnt seine Herrlichkeit“. Eben und nur dadurch zeichnet sich die Gemeinschaft der Jünger und seiner Kirche aus. In der von Gott kommenden Herrlichkeit besteht ihre wahre, ihre eigentliche Größe!

Frucht und Zeichen dieser Herrlichkeit sind dann die Einheit und die Liebe. Damit sind wir bei den zwei anderen Leitworten.

Seht, wie sie einander lieben!”. Mit diesen Worten beschreibt der antike Schriftsteller Tertullian (Apologeticus, 39 §7) den Zusammenhalt und die Einheit der ersten Christen. Die Liebe unter den Gliedern der urchristlichen Gemeinden und ihre Einmütigkeit in Christus versetzte die Heiden in große Verwunderung, weil sie ein Mehr an Liebe entdeckten, das sie nicht kannten. Dies und die Bereitschaft, um Christi willen Schmach, Verfolgung oder gar den Tod zu erleiden, waren der Grund für die Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten.

Ähnliches lesen wir über die Urgemeinde in der Apostelgeschichte (4,32): „Die Menge derer, die gläubig geworden waren, war ein Herz und eine Seele.“ Und mit Blick darauf sagt Jesus im Johannes-Evangelium (17,21): „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.“

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 22/2019 (C)

Auch an diesem Sonntag sind es auf den ersten Blick recht unterschiedliche Lesungen aus der Bibel, die uns vorgelegt werden. Dennoch lässt sich ein roter Faden erkennen, der diese drei scheinbar völlig verschiedenen Texte verbindet. Dieser rote Faden lässt in interessanter und spannender Weise übergreifende Zusammenhänge erkennen. Die unterschiedlichen Einzelaussagen werden nicht nur einfach verbunden. Sie eröffnen zudem eine wundervolle Perspektive für das alltägliche Leben.

In der Vision des Heiligen Johannes (Offb 21, 10-14.22-23) kommt „die heilige Stadt Jerusalemvon Gott her aus dem Himmel herab.“ Sie ist ganz „erfüllt von der Herrlichkeit Gottes“. In ihr ist kein Tempel zu entdecken. „Denn der Herr, ihr Gott, der Herrscher über die ganze Schöpfung, ist ihr Tempel.“ Deshalb „braucht die Stadt weder Sonne noch Mond, die ihr leuchten. Denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie.“

Dass es sich hier nicht um eine weltfremde Wunschvorstellung eines religiösen Träumers handelt, wird dann in den Worten Jesu im Sonntagsevangelium (Joh 14, 23-29) deutlich. Jesus spricht u.a. von einem besonderen Frieden: „nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch.“ Es ist vielmehr ausdrücklich ein Friede, wie er ihn gibt: „meinen Frieden gebe ich euch“. Deshalb kann er auch sagen: „Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.“

Jesus verspricht in diesen Zeilen darüber hinaus den „Heiligen Geist“. Er ist „der Beistand …, den der Vater … senden wird.“ Dieser Beistand „wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“

Dieser heilige Geist, der besondere Beistand, verändert die Perspektive. Dafür steht exemplarisch die erste Sonntags-Lesung (Apg 15, 1-2.22-29). In ihr wird von der ersten Auseinandersetzung unter Christen in Fragen des Glaubens berichtet: Müssen die Heiden, wenn sie sich taufen lassen und Christen werden wollen, den Weg des Alten Testamentes durchschreiten, also (durch die Beschneidung) zuerst Juden und erst in einem zweiten Schritt Christen werden?

Obwohl diese religiöse Frage „große Aufregung“ verursachte und „heftige Auseinandersetzungen“ nach sich zog, wurde sie am Ende einmütig und schlicht geklärt. „Denn der Heilige Geist und wir haben beschlossen“, so berichtet die Apostelgeschichte, „euch keine weitere Last aufzuerlegen als diese notwendigen Dinge: Götzenopferfleisch, Blut, Ersticktes und Unzucht zu meiden. Wenn ihr euch davor hütet, handelt ihr richtig. Lebt wohl.“

Blicken wir also auf den roten Faden und heben wir ihn empor! Entdecken wir ihn auch in unserem Leben!

Nach der Auferstehung und der Himmelfahrt, wie dann besonders nach dem Pfingstfest: Gott, der in unsere Geschichte und in unser Leben eingetreten ist, weilt fortan bleibend unter uns. Er zieht sich nicht wie ein Ruheständler aus allem zurück, um noch einen schönen Lebensabend zu verbringen. Gott wird segensreich sichtbar in der Geschichte und ihrem Verlauf, wo immer wir das wünschen und wollen.

Dass wir tatsächlich erlöst sind, wird immer wieder sichtbar, wenn wir unser Leben vor Gott bringen. Nicht, dass Gott es nicht schon längst kennen würde. Sondern wir realisieren, dass er es wirklich kennt! Und dann kann man ganz anders als ohne diesen am besten täglichen Austausch im Gebet, ihm alles anvertrauen. So erfahren wir, wie es uns und unser Leben sieht, und wie er was mit unserer Zustimmung segensreich voranbringt und hineinführt in die Erlösung.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 21/2019 (C)

Das himmlische Jerusalem - St. Pantaleon Deckengemälde im Westwerk von Gottfried Kadow

In der Leserordnung von diesem fünften Sonntag der Osterzeit folgt auf ausgewählte Verse der johanneischen Endzeitvision (Offb 21,1-5a) als zweite Lesung ein besonderes Vermächtnis Jesu aus dem Johannesevangelium (Joh 13, 31-33a.34-35). Es liegt nahe, nach dem Verbindenden zu fragen.

Der heiligen Johannes sieht „einen neun Himmel und eine neue Erde“, in der Gott „alle Tränen von ihren Augen abwischen wird.“ Dort wird „kein Tod mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen. Er, der auf dem Thron saß, sprach: Seht, ich mache alles neu.“

Auch die in der Leseordnung vorgegebenen Verse aus dem Johannesevangelium enthalten etwas Endzeitliches. Im Anschluss an die Erzählung der Fußwaschung berichtet Johannes nämlich: „Als Judas hinausgegangen war, sagte Jesus: Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht, und Gott ist in ihm verherrlicht. Wenn Gott in ihm verherrlicht ist, wird auch Gott ihn in sich verherrlichen, und er wird ihn bald verherrlichen. Meine Kinder, ich bin nur noch kurze Zeit bei euch.“

Darauf folgt bei Johannes, was bei näherem Hinsehen beide Bibelstellen verbindet. Es ist das „neue Gebot“ wahrheitsgemäßer und umfassender Liebe, welches Jesus nun allen Menschen guten Willens hinterlässt.

Nach Johannes fährt Jesus in seiner Rede wörtlich fort: „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.

Die für immer erfüllende Erlösung ist nicht mehr aber auch nicht weniger als das, was uns nach Johannes als Liebe gemäß dem Vorbild Jesu geschenkt worden ist. Diese Liebe beginnt demnach schon in dieser Zeit. Ihre bleibende Vollendung allerdings liegt außerhalb von ihr, nämlich in der Endzeit. Erst dort findet die von Gott kommende und erfüllende Liebe als Erlösung aus aller sünd- und fehlerhaften Liebe ihre Vollendung.

Verschiedene Heilige haben uns dies als ihre persönliche Erfahrung hinterlassen. Der große heilige Papst Johannes Paul II. etwa hat einmal gesagt: „Die Liebe war für mich die Erklärung aller Dinge und die Lösung aller Probleme. Darum achte ich die Liebe hoch, wo immer sie zu erfinden ist.

Ähnlich äußerte sich vor vielen Jahrhunderten der heilige Augustinus: „Wo also die Liebe ist, was kann da noch fehlen? Wo sie aber nicht ist, was kann da nützen?“ Nicht weniger an praktischer Erfahrung spricht aus der Empfehlung desselben Heiligen: „Schweigst du, so schweige aus Liebe. Sprichst du, so spricht aus Liebe. Tadelst du, so tadle aus Liebe. Schonst du, so schone aus Liebe! Lass die Liebe in deinem Herzen wurzeln. Und es kann nur Gutes daraus hervorgehen.“

Und aus der Lebenserfahrung des Heiligen Josefmaria wird jemand nicht deshalb ein Heiliger, weil er jeden Tag etwas noch Anspruchsvolleres tun. Ein wirklich heiliger Mensch bemüht sich vielmehr darum, jeden Tag etwas mehr Liebe in das hineinzulegen, was er zu tun hat.

Es ist also notwendig, auch in der Liebe die Spreu vom Weizen zu trennen. Am Ende führt allein die selbstlos Liebe Jesu, die dem Nächsten den Vorrang vor sich selber einräumt, zu endgültiger Erfüllung und bleibender Erlösung. Das weiter zu entfalten und darzulegen ist äußerst spannend. Es sprengt aber den begrenzten Rahmen wöchentlicher Pfarrnachrichten.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 20/2019 (C)

Der vierte Sonntag in der Osterzeit wird auch „Hirtensonntag“ genannt. Das außergewöhnlich kurze Sonntags-Evangelium (Joh. 10,27-30) gibt gut bekannte und gleichermaßen anschauliche Worte Jesu wieder, deren erneutes Lesen, Hören und Betrachten sehr bereichernd ist. Dazu lade ich Sie herzlich ein.

Es geht um die folgenden Verse: „(27) Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie, und sie folgen mir. (28) Ich gebe ihnen ewiges Leben. Sie werden niemals zugrunde gehen, und niemand wird sie meiner Hand entreißen. (29) Mein Vater, der sie mir gab, ist größer als alle, und niemand kann sie der Hand meines Vaters entreißen. (30) Ich und der Vater sind eins.“

Wie so oft bei den bildhaften Vergleichen, deren Jesus sich zum besseren Verständnis bedient, übersteigt die gemeinte Wirklichkeit das verwendete Bild bei weitem. Ein Hirt mag sich für die Schafe noch so einsetzen. Wohl kaum wird er das in uneingeschränkter Selbstlosigkeit tun. Die Wolle muss am Ende nicht nur zum Wohl des Schafes runter. Und auch Fleisch und Milch werden nicht nur zum Wohl der Schafe verkauft und umgesetzt.

Ähnlich wird sich auch ein sehr guter Hirt in einer ausweglosen Gefahr verhalten: Wenn er sein eigenes Leben nur dadurch retten kann, dass er das Leben eines Schafes preisgibt, wird er wohl so handeln. Nicht aber Jesus, der sein Leben ausdrücklich für seine Schafe gibt (vgl. Joh 10,15). Genau hier übersteigt die gemeinte Wirklichkeit das verwendete Bild bei weitem.

Dennoch ist es ein starkes und hilfreiches Bild.

Jesus erklärt, dass er seine Schafe kennt und dass er mit dem Vater eins ist (s.o.). Jesus sagt also: ‚Ich kenne und liebe Euch so, wie der Vater Euch kennt und liebt.

Das ist kein Vergleich mehr, sondern im gleichnishaften Bild vom Hirt und seinen Schafen eine Gleichsetzung: Jesu als der gute Hirt hat eine innige Beziehung zu jedem seiner Schafe. Diese Beziehung ist genau jene, in welcher der Mensch gnadenhaft zu Gott selbst steht.

Die bildhafte Liebe des Hirten zu seinen Schafen ist in der das Bild überschreitenden Wirklichkeit also identisch mit Gottes bedingungsloser Liebe zu seinem liebsten Geschöpf: einem jeden von uns.

Ist uns das nicht nur irgendwie theoretisch, sondern auch in der Praxis bewusst? Das heißt: erfahren wir das im alltäglichen Leben? Hören wir Gottes Stimme? – Man muss sich Zeit nehmen und im Gebet ganz still dafür werden. Nur dann wird all das zur lebensnahen Realität.

Ist unser Leben davon geprägt, dem „Hirten“ zu folgen? Bestimmt uns von daher das Lebensgefühl, dass wir am Ende schon hier auf Erden, weil endgültig über unser irdisches Ende hinaus, „niemals zugrunde gehen“ werden?

Der heutige Hirtensonntag ist zugleich aus naheliegenden Gründen „Weltgebetstag für geistliche Berufe“; insbesondere für Priesterberufungen. Haben wir dabei bitte immer vor Augen, dass unsere Fürbitten die oft beklagte Monotonie lieblos daher Gesagtem immer dann überwinden, wenn Gott auch uns in unserem Alltag rufen und anreden darf, nämlich selber so zu leben, wie eben skizziert.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 17+18/2019 (C)

Vor gut 10 Jahren, in der Generalaudienz am 19.3.2008, hat Papst em. Benedikt XV. eine aufschlusseiche Meditation zum meist übersehenen Karsamstag über Gottes Schweigen gehalten. Im Grunde eröffnen sich erst von daher die eigentlichen Zugänge zur Freude der Osterbotschaft. So lege ich Ihnen diese Meditation für die Osterwoche besonders ans Herz. (Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

Der Karsamstag ist von tiefem Schweigen gekennzeichnet. Die Kirchen sind schmucklos und es sind keine besonderen Liturgien vorgesehen. Während die Gläubigen das große Ereignis der Auferstehung erwarten, verharren sie mit Maria in Gebet und Betrachtung. Es bedarf in der Tat eines Tages des Schweigens, um über die Wirklichkeit des menschlichen Lebens nachzudenken, über die Kräfte des Bösen und über die große Kraft des Guten, das aus dem Leiden und der Auferstehung des Herrn hervorgeht. Große Bedeutung kommt an diesem Tag dem Empfang des Sakramentes der Versöhnung zu, dem unverzichtbaren Weg, um das Herz zu reinigen und sich vorzubereiten, das Osterfest innerlich erneuert zu feiern. Wenigstens einmal im Jahr bedürfen wir dieser inneren Reinigung, dieser Erneuerung unserer selbst.

Dieser Samstag des Schweigens, der Betrachtung, der Vergebung und der Versöhnung mündet ein in die Osternacht, die uns in den wichtigsten Sonntag der Geschichte eintreten lässt, den Sonntag des Pascha Christi. Die Kirche wacht neben dem gesegneten neuen Feuer und betrachtet die große, im Alten und im Neuen Testament enthaltene Verheißung der endgültigen Befreiung von der alten Knechtschaft der Sünde und des Todes. Im Dunkel der Nacht wird am neuen Feuer die Osterkerze entzündet, Symbol für Christus, der glorreich aufersteht. Christus, Licht der Menschheit, vertreibt die Finsternis des Herzens und des Geistes und erleuchtet jeden Menschen, der auf die Welt kommt. Neben der Osterkerze erklingt in der Kirche die große österliche Verkündigung: Christus ist wahrhaft auferstanden, der Tod hat keine Macht mehr über ihn. Durch seinen Tod hat er das Böse für immer besiegt und allen Menschen das Leben Gottes geschenkt. …

Pfarrnachrichten 16/2019 (C)

Einzug Jesu in Jerusalem - Von Jean-Hippolyte Flandrin (1842-1848)

Im Folgenden gebe ich Ihnen einige Predigtgedanken von Papst Benedikt XVI. mit in die Karwoche. Der emeritierte Papst hat sie vorgetragen an einem Palmsonntag, am 01.04.2007. Darin geht er aus vom feierlichen Einzug Jesu in Jerusalem und entfaltet von da aus, dass unser Gotteslob ganz eng zusammenhängt mit der Nachfolge Christi. Eine gesegnete Karwoche! – Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

Wörtlich sagte Papst Benedikt XVI.: (Heute) schließen wir uns der Menge der Jünger an, die den Herrn in festlicher Freude nach Jerusalem geleiten. Wie sie loben wir den Herrn mit lauter Stimme für all die Wunder, die wir erlebt haben. Ja, auch wir haben die Heilstaten Christi gesehen und sehen sie: Wie er Menschen dazu bringt, auf ihr eigenes bequemes Leben zu verzichten und sich ganz in den Dienst der Leidenden zu stellen; wie er Menschen den Mut gibt, der Gewalt und der Lüge zu widerstehen und der Wahrheit in der Welt Raum zu schaffen; wie er ganz im stillen Menschen bewegt, einander Gutes zu tun, Versöhnung zu schaffen, wo Hass war; Friede zu schaffen, wo Feindschaft herrschte ...

Das Wort Nachfolge Christi ist eine Beschreibung des Ganzen der christlichen Exis­tenz überhaupt. Worin besteht sie? Was heißt das praktisch »Christus nachfolgen«? Am Anfang, bei den ersten Jüngern Jesu, hatte das Wort einen ganz einfachen Sinn. Es besagte, dass diese Menschen sich entschlossen, ihren Beruf, ihr Geschäft, ihr bisheriges Leben hinter sich zu lassen und stattdessen mit Jesus zu gehen. Es bedeutete einen neuen Beruf: den des Jüngers. Der grundlegende Inhalt dieses Berufs ist das Mitgehen mit dem Meister, das vollständige Sich-Anvertrauen an seine Führung. Nachfolge ist so etwas Äußerliches und zugleich etwas ganz Innerliches gewesen. Etwas Äußerliches: das Nachgehen hinter Jesus auf seinen Wanderungen durch Palästina; etwas Innerliches: die neue Orientierung der Existenz, die nicht mehr im Geschäft, im Broterwerb, im eigenen Wollen ihre Leitpunkte hat, sondern weggegeben ist an den Willen eines anderen. Ihm zur Verfügung stehen ist nun Lebensinhalt geworden. Wieviel Verzicht auf das Eigene, welche Wendung von sich selbst das für die Jünger einschloss, können wir aus einzelnen Szenen der Evangelien recht deutlich erkennen.

So wird aber auch schon sichtbar, was Nachfolge für uns bedeutet und was für uns ihr eigentliches Wesen ist: Es geht um eine innere Verwandlung der Existenz. Es geht darum, dass ich nicht mehr in mein Ich eingeschlossen bin und meine Selbstverwirklichung als meinen hauptsächlichen Lebensinhalt annehme. Es geht darum, dass ich mich freigebe an einen anderen hin – für die Wahrheit, für die Liebe, für Gott, der mir in Jesus Christus vorausgeht und den Weg zeigt. Es geht um die Grundentscheidung, nicht Nutzen und Erwerb, Karriere und Erfolg als letztes Ziel meines Lebens anzusehen, sondern Wahrheit und Liebe als die eigentlichen Maßstäbe anzuerkennen. Es geht um die Wahl, nur für mich selber zu leben oder mich wegzugeben – an das Größere hin. Und bedenken wir dabei, dass Wahrheit und Liebe nicht abstrakte Größen sind, sondern in Jesus Christus sind sie Person. Wenn ich ihm folge, dann trete ich in den Dienst der Wahrheit und der Liebe. Mich verlierend finde ich mich.

 

Pfarrnachrichten 14/2019 (C)

Der verlorene Sohn und der barmherzige Vater - Rembrandt (Selbstbildnis)

An diesem Sonntag wird als Tagesevangelium (Lk 15,11-32) das Gleichnis vom verlorenen Sohn, oder wie es anders auch genannt wird, das Gleichnis vom barmherzigen Vater vorgetragen. Es ist nicht nur das längste, es ist zudem auch eines der schönsten Gleichnisse Jesu.

Es geht um drei Personen: Um einen Vater und seine zwei Söhne. Eines Tages bittet der jüngere Sohn um seinen Erbteil. Dann zieht er fort, führt ein verschwenderisch-zügelloses Leben und gerät schließlich in äußerste Armut. Um zu überleben verdingt er sich als elend Heruntergekommener zum Schweinehüten. Dennoch kann er seinen Hunger nicht einmal von den Futterschoten stillen, die den Schweinen als Fraß vorgeworfen werden; denn „niemand gab ihm davon“.

Da geht er in sich, erinnert sich an seinen Vater und sagt zu sich selber: „Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen, und ich komme hier vor Hunger um. Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner.

Hier beschreibt Jesus die grundsätzliche Situation jedes Menschen. Ein jeder verdankt sich mit all seinen Möglichkeiten ursächlich nicht sich selbst. Auch in verirrter Suche nach falscher Freiheit kann die eigene Herkunft nicht abgelegt werden. Damit kann sie auch nicht abhandenkommen. Und darin liegt die äußerste Chance des undankbar „Verpeilten“ oder boshaft Verblendeten.

Wohl kann man die eigene, grundlegend von Gott geschenkte Herkunft verleugnen. Man kann sich scheinbar selbstbestimmt von ihm zu emanzipieren suchen. Als Mensch geht man dabei jedoch ein: Man verliert sich und sein Leben. Zugleich liegt in der unbestreitbaren Herkunft eine große, zu Lebzeiten unzerstörbare Chance: Die Chane der Bekehrung und der Umkehr.

In diesem Gleichnis wird der Ablauf der Bekehrung anschaulich und großartig beschrieben. Der Katechismus der katholischen Kirche (KKK, 1439) fasst dies wir folgt zusammen: „Der Weg der Umkehr und der Buße wurde von Jesus eindrucksvoll geschildert im Gleichnis vom ’verlorenen Sohn’, dessen Mitte ’der barmherzige Vater’ ist (Lk 15‚11-24): Die Verlockung einer illusorischen Freiheit, das Verlassen des Vaterhauses; das äußerste Elend, in das der Sohn gerät, nachdem er sein Vermögen verschleudert hat; die tiefe Demütigung, Schweine hüten zu müssen und, schlimmer noch, die des Verlangens, sich am Schweinefutter zu sättigen; das Nachsinnen über die verlorenen Güter; die Reue und der Entschluss, sich vor dem Vater schuldig zu bekennen; der Rückweg; die großherzige Aufnahme durch den Vater; die Freude des Vaters: das alles sind Züge des Bekehrungsvorgangs. Das schöne Gewand, der Ring und das Festmahl sind Sinnbilder des reinen, würdigen und freudvollen neuen Lebens, des Lebens des Menschen, der zu Gott und in den Schoß seiner Familie, der Kirche, heimkehrt. Einzig das Herz Christi, das die Tiefen der Liebe seines Vaters kennt, konnte uns den Abgrund seiner Barmherzigkeit auf eine so einfache und schöne Weise schildern“.

Die Geschichte des jüngeren Sohns veranschaulicht den Weg des Sünders: Er verlässt das Haus des Vaters und zieht in ein fernes Land. Dort kann und will er die Pflichten der Liebe gegenüber Gott und den Seinen nicht erfüllen. Stattdessen hütet er am Ende Schweine. Er führt ein Schweineleben, das noch unter dem Niveau dieser Tiere liegt.

Dieser Sohn ist (…) in gewissem Sinn der Mensch aller Zeiten, beginnend bei dem ersten, der das Geschenk der Gnade und der ursprünglichen Gerechtigkeit verlor. (…) Das Gleichnis bezieht sich indirekt auf jede Art des Bruchs des Liebesbundes, auf jeden Verlust der Gnade und auf jede Sünde“ (Johannes Paul II., Dives in misericordia, Nr. 5).

Aber dann bekehrt er sich. Die Bekehrung verläuft in mehreren Schritten: Der Sohn wird sich bewusst, dass seinen Vater und damit auch Gott beleidigt hat (Lk 15,18). Er erkennt dann auch die Schwere seiner Sünde: „In der Tiefe des Gewissens des verlorenen Sohns kommt der Sinn für die verlorene Würde auf, jener Würde, die aus der Beziehung des Sohnes zu seinem Vater entspringt. Mit diesem Entschluss macht er sich auf den Weg“ (ebd., Nr. 19).

Dann berichtet die Erzählung vom Vater und seinem erstaunlichen Verhalten. So verhält sich Gott dem Menschen gegenüber. Gott verzeiht nicht nur. Wie der Vater im Gleichnis gibt er zudem das beste Gewand, einen Ring und er lässt das Mastkalb schlachten: „Der Vater des verlorenen Sohns ist seiner Vaterschaft … seiner Liebe treu, die er immer für seinen Sohn hegte. Das Gleichnis bringt diese Treue nicht nur durch die sofortige Aufnahme des heimgekehrten Sohnes … zum Ausdruck; es zeigt sie noch beeindruckender durch die großzügige Freude und den Jubel des Vaters bei der Rückkehr des Sohns“ (ebd., Nr. 6).

Nicht weniger bedeutsam und lehrreich ist das Verhalten des älteren Sohnes. Er fühlt sich beleidigt. Wie all jene, die sich „für gerecht hielten“ (Lk 18,9), und die dachten, Gott sei verpflichtet, „ihre gerechten Werke“ anzuerkennen. Es sind jene, die das barmherzige Verhalten Jesu den Sündern gegenüber als persönliche Missachtung und Beleidigung empfanden. „Der Mensch – jeder Mensch – ist auch dieser ältere Sohn. Der Egoismus macht ihn eifersüchtig, verhärtet sein Herz und verschließt ihn den Mitmenschen und Gott gegenüber. Die Güte und die Barmherzigkeit des Vaters erzürnen und verärgern ihn; die Freude über den wieder gefundenen Bruder verursacht bei ihm Bitterkeit. Auch in dieser Hinsicht muss er sich bekehren, um Versöhnung zu erlangen“ (Johannes Paul II., Reconciliatio et paenitentia, Nr. 6).

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 13/2019 (C)

Aus dem Evangelium vom dritten Sonntag in der Fastenzeit (Lk 13, 1-9) erfahren wir von zwei Katastrophen, die sich zur Zeit Jesu ereignet hatten. Zum einen hatte Pilatus bei religiösen Opferhandlungen die Opfernden umbringen lassen, so dass sich ihr Blut mit dem der Opfertiere vermischte, wie im Evangelium drastisch geschildert wird. Zum anderen war der Turm von Schiloach eingestürzt und hatte 18 Menschen unter sich begraben.

Damals waren viele der Meinung, dass die Opfer dieser zwei Katastrophen ganz große Sünder gewesen wären. Durch diese beiden Unglücke wären sie nun für ihre Sünden bestraft wurden. Der Herr korrigiert diese Anschauung, indem er sie zugleich vom Grundsätzlichen her bestätigt.

Über die erste Katastrophe sagt Jesus wörtlich: „Meint ihr, dass nur diese … Sünder waren, weil das mit ihnen geschehen ist, alle anderen … aber nicht? Nein, im Gegenteil: Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt.“ Ganz ähnlich lautet sein Kommentar zur zweiten Katastrophe: „Meint ihr, dass nur sie Schuld auf sich geladen hatten, alle anderen … aber nicht? Nein, im Gegenteil: Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt.

Daraus lässt sich zweierlei ableiten. Jesus lässt zum einen nicht zu, eine bestimmte Katastrophe als strafende Folge böser Taten eins zu eins den von der Katastrophe Betroffenen zuzuordnen. Zum anderen bestätigt Jesus, dass tragisch-unheilvolle Schicksalsschläge aus dem durch Menschen verursachten Bösen stammen. Ihr Urheber ist der Mensch durch seine Bosheit. Wäre der Mensch nicht böse geworden, dann hätten wir wohl weiterhin die paradiesischen Zustände des Anfangs.

Die Heilige Schrift beschreibt die paradiesischen Zustände immer nur bildhaft, ohne aus diesen Bildern sich ergebene Fragen weiter zu beantworten. So etwas in der Paradies-Vision bei Jesaja (11,6-8): „Der Wolf findet Schutz beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Junge leitet sie. Kuh und Bärin nähren sich zusammen, ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter und zur Höhle der Schlange streckt das Kind seine Hand aus.“

Eindeutig und verbindlich jedoch ist die biblische Antwort auf die Herkunftsfrage des Tragisch-Unheilvolle in dieser unserer Welt. Es wird primärursächlich nicht von Gott, sondern von der Gottlosigkeit des Menschen verursacht.

Jedenfalls verbindet der Prophet Jesaja sein paradiesisches Bild mit der abschließenden Feststellung (Vers 9): „Man tut nichts Böses und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg; denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des HERRN, so wie die Wasser das Meer bedecken.“ Ähnlich dann auch der Herr (s.o.): „Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt.“

Das abschließende Gleichnis vom Feigenbaum, der nach drei Jahren ohne Früchte auf Anordnung des Besitzers umgehauen werden soll, durch die Intervention des Gärtners aber eine neue Chance für ein weiteres Jahr erhält, soll uns alle ermutigen. Wir sollen Gott nicht länger links liegen lassen. Wir sollen uns seiner wieder erinnern, damit er uns im Guten bewahren kann. Wir sollen nicht länger vor allem an uns und unser eigenes Leben denken. Denn dann werden wir sterben.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 12/2019 (C)

Carl Bloch: Verklärung Christi (um 1800)

Die Leidensankündigungen Jesu haben bei den Aposteln Verwunderung und sogar Ablehnung ausgelöst. Auch die Aufforderung Jesu, das Kreuz auf sich zu nehmen und ihm nachzufolgen, ist bis heute auf den ersten Blick alles andere als einladend. Man kann es getrost ganz offen sagen: Die zum Kern des Evangeliums gehörende Botschaft, dass der Mensch durch Jesu Tod am Kreuz erlöst worden ist und jeder das Heil nur in der Kreuzesnachfolge findet, ist und bleibt sperrig. Sie ist für die Apostel damals wie für uns heute eine Zumutung.

Acht Tage, nachdem Jesus den Aposteln sein Leiden und Auferstehen angekündigt und sie zur Nachfolge und Selbstverleugnung aufgefordert hatte (vgl. Lk 9,18-27), „nahm Jesus Petrus, Johannes und Jakobus beiseite und stieg mit ihnen auf einen Berg, um zu beten. Und während er betet, veränderte sich das Aussehen seines Gesichtes, und sein Gewand wurde leuchtend weiß" (ibid. 28 f). Bei dieser lichtvollen Verwandlung ließ der Herr die Apostel, die sowohl den Beginn dieses lichtvollen Ereignisses wie dann auch später die dunkle Stunde Jesu im Ölgarten verschlafen haben, für einen kurzen Augenblick seine Herrlichkeit schauen, wohl um ihren Glauben zu stärken und sie wieder Mut fassen zu lassen.

Dabei erschienen neben dem im Glanz der göttlichen Herrlichkeit strahlenden Herrn Mose und Elija, ebenfalls im strahlenden Licht, und sprachen mit ihm „von seinem Ende, das sich in Jerusalem erfüllen sollte“ (ibid. 30f). Petrus und die anderen, die nun wach wurden, hätten diesen lichtdurchfluteten Augenblick gerne festgehalten. Petrus schlägt vor, drei Hütten zu bauen. Aber noch während er redete „kam eine Wolke und warf ihren Schatten auf sie“ (ibid. 34).

Wir Menschen brauchen solche Augenblicke; und Gott schenkt sie auch. Sie schenken uns neuen Mut und die Kraft, vor den Herausforderungen des Lebens nicht weg zu laufen und den alltäglichen oder auch besonderen Schwierigkeiten nicht in falscher Weise auszuweichen.

Die Versammlung aller Gläubigen Sonntag für Sonntag im Gottesdienst ist ein solcher Augenblick besonderen Lichtes, wo Gottes Gegenwart ganz besonders erfahrbar und spürbar wird. Die Sonntagsmesse ist ein Fest des Glaubens. Sie ist in besonderer Weise „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens.“ Deshalb hat uns unser Erzbischof zu Beginn der diesjährigen Fastenzeit mit seinem Fastenhirtenbrief 2019 – „Wenn ihr als Gemeinde zusammenkommt“ – den konsequenten, sonntäglichen Besuch und die aktive Mitfeier der Heiligen Geheimnisse so sehr ans Herz gelegt.

Sonntag für Sonntag kommen die Gläubigen zusammen. Sie versammeln sich um das Zentrum des Glaubens: um die Eucharistie. Sie ist Jesus Christus selber; denn nach der Verwandlung in der Messfeier von Brot und Wein in den Leib und in das Blut Jesu, ist in ihr – der Eucharistie – Christus selber in den verbleibenden, nur noch äußeren Gestalten von Brot und Wein geheimnisvoll, aber dennoch wirklich und tatsächlich gegenwärtig.

Deshalb setzt der würdige Empfang der Kommunion immer voraus, in allem Wichtigen so zu leben, wie es einem Christen entspricht. Jede schwere Abweichung davon, also jede Unordnung und Schuld ist vorher im Sakrament der Versöhnung gegenüber Gott und der Gemeinschaft der Heiligen – und nur das darf und kann die Kirche in ihrem Kern sein – zu bekennen.

Möge die diesjährige Fastenzeit uns erneut mit Gott, mit unserem Nächsten und folglich dann auch zutiefst mit uns selber versöhnen.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 11/2019 (C)

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon,

unser lieber Erzbischof, Rainer Maria Kardinal Woelki, hat in seinem diesjährigen Fastenhirtenbrief die besondere Bedeutung der Eucharistie für das Leben der Kirche betont. Das Schreiben trägt den Titel: „Wenn ihr als Gemeinde zusammenkommt“.

Angefangen von den ersten Christen, die unter der Verfolgung im vierten Jahrhundert in Todesgefahr die Eucharistie gefeiert haben, ist die sonntägliche Eucharistiefeier bis heute „Quelle und Höhepunkt“ aller Aktivitäten einer Gemeinde, so unser Erzbischof.

Das Bewusstsein für die besondere Bedeutung der Eucharistie müsse sich aber erneuern. Denn die Feier der Eucharistie dient sowohl der Sammlung aller Gläubigen um den Tisch des Herrn als auch der Sendung hinaus in die Welt. Kardinal Woelki ruft deshalb ins Gedächtnis, dass Eucharistie die „sakramentale Vergegenwärtigung von Tod und Auferstehung Jesu Christi ist“.

Eine Besonderheit des diesjährigen Fastenhirtenbriefs ist ein eingedrucktes „Gebet für den „Pastoralen Zukunftsweg im Erzbistum Köln“. Dieser Text soll die geistliche Dimension des zukünftigen Weges unserer Kirche gerade auch in unserem Erzbistum verdeutlichen helfen und ist für das unterstützende Gebet anempfohlen.

Der diesjährige Fastenhirtenbrief liegt als Broschüre gedruckt im Eingangsbereich der Kirche an gewohnter Stelle aus. Über diesen Link können Sie ihn im pdf-Format von der Webseite des Erzbistums herunterladen.

Persönlich bin ich unserem Erzbischof für dieses mutige und klare Wort sehr dankbar, das im Grunde zugleich eine Selbstverständlichkeit für den gläubigen Christen sein sollte. Leider ist die Selbstverständlichkeit, mit der ein Getaufter die sonntägliche Eucharistie allem anderem vorzieht, flächendeckend verloren gegangen.

Wo aber das Gespür für die Bedeutung der sonntäglichen Eucharistie verlorengeht, da gehen schneller als bemerkt auch die christlichen Werte verloren. Es wäre mehr als Schade, wenn unsere Gesellschaft Schritt für Schritt wieder ins dunkle Heidentum zurückfallen würde. Leider ist dies als progressive Tendenz auch in zahlreichen öffentlichen Debatten inzwischen erschreckend präsent.

Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 10/2019 (C)

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!

Auf die ausgelassenen Karnevalstage folgt – beginnend mit Aschermittwoch – die vierzigtägige Fastenzeit zur Vorbereitung auf das große Osterfest. Als Empfehlung für diese Zeit werden in der Heiligen Messe am Aschermittwoch die folgenden drei Ratschläge unseres Herrn als Evangelium (Mt 6,1-5.16-18) vorgetragen:

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:

1 Hütet euch, eure Gerechtigkeit vor den Menschen zur Schau zu stellen; sonst habt ihr keinen Lohn von eurem Vater im Himmel zu erwarten.

 2 Wenn du Almosen gibst, lass es also nicht vor dir herposaunen, wie es die Heuchler in den Synagogen und auf den Gassen tun, um von den Leuten gelobt zu werden. Amen, das sage ich euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten.

3 Wenn du Almosen gibst, soll deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte tut.

4 Dein Almosen soll verborgen bleiben, und dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.

5 Wenn ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler. Sie stellen sich beim Gebet gern in die Synagogen und an die Straßenecken, damit sie von den Leuten gesehen werden. Amen, das sage ich euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten.

6 Du aber geh in deine Kammer, wenn du betest, und schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.

16 Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler. Sie geben sich ein trübseliges Aussehen, damit die Leute merken, dass sie fasten. Amen, das sage ich euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten.

17 Du aber salbe dein Haar, wenn du fastest, und wasche dein Gesicht,

18 damit die Leute nicht merken, dass du fastest, sondern nur dein Vater, der auch das Verborgene sieht; und dein Vater, der das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.

So lade ich Sie herzlich dazu ein, nach Karneval den Aschermittwoch mit dem Besuch einer der Gottesdienste und dem Empfang des Aschenkreuzes zu begehen.

Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 09/2019 (C)

Bergpredigt – Fra Angelico 1437-1445

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!

Der für die Koordination der Seelsorge in der Innenstadt beauftragt Pfarrer Dr. Dominik Meiering lädt mit dem folgenden Schreiben alle Menschen guten Willens zu einem Konvent ein. Bei diesem Konvent geht es vor allem um die Frage: „Was können wir tun, um Menschen bei Ihrer Suche nach Sinn und auf ihrem Glaubensweg zu unterstützen, damit sie erfahren, dass Gott für ihr Leben relevant ist?

Machen Sie bitte mit, wenn auch Ihnen diese Frage wichtig ist und Sie sich zum Wohle aller mit einbringen möchten. – Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

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Neues wagen?! – Katholische Kirche Köln-Mitte

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Menschen guten Willens,

von vielen bin ich in den vergangenen Wochen immer wieder gefragt worden: Wie geht das weiter mit der Katholischen Kirche in der Kölner City? Braucht es neben dem vielen Guten, was es gibt, nicht auch neue Aufbrüche? Wie werden Glaube und Kirche in der kommenden Zeit erlebbar werden? Mit diesen Fragen setzen wir uns in unterschiedlichen Kreisen seit dem vergangenen Jahr auseinander. Und dabei hat die Diskussion über Aufbrüche und Neuanfänge von Kirche vor Ort für viele gerade erst angefangen.

Der Herr sprach zu Abram: Brich auf und zieh los in das Land, das ich Dir zeigen werde! Ich werde dich segnen und Du sollte ein Segen sein. Daher lade ich Sie – auch im Namen des Vorbereitungsteams und des Pastoralteams – ganz herzlich zu einem Konvent ein, bei dem wir über wichtige Weichenstellungen für die Katholische Kirche in Köln-Mitte sprechen wollen.

Termin: 30. März 2019 von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr

Ort:       Erzbischöfliches Berufskolleg Köln, Berrenrather Straße 121, 50937 Köln

Im Zentrum steht die Frage: Was können wir tun, um Menschen bei Ihrer Suche nach Sinn und auf ihrem Glaubensweg zu unterstützen, damit sie erfahren, dass Gott für ihr Leben relevant ist?  Der Konvent ist öffentlich zugänglich. Jede und jeder ist willkommen und kann mitmachen, der oder die dieses zentrale Anliegen unterstützen will. Die Pfarreien werden sich daran ebenso beteiligen, wie die fremdsprachigen Missionen, verschiedene Einrichtungen und jede Menge weitere engagierte Personen. Ab dem 15. März wird es die Möglichkeit geben, sich genauer auf der Internetseite www.katholisch-in-koeln.de zu informieren und dort anzumelden – was für unsere Planung hilfreich ist. Man kann aber auch einfach so zu dem Konvent kommen.

Wir werden auf verschiedene Projekte und Ideen schauen, die den sechs Handlungsfeldern zugeordnet sind, die in den vergangenen Monaten identifiziert worden sind: Nah – Wo wird Kirche erfahrbar? Wirksam – Was kann Kirche für die Menschen sein? Stark – Wie sind wir mit den Menschen auf Augenhöhe? Gesendet – Wer wird morgen von Gott sprechen? Berührt – Wo tanke ich geistlich auf? Einfallsreich – Wie sind wir up to date? Der Konvent will Prioritäten und Schwerpunkte formulieren, er ist auf gemeinschaftliches Nachdenken und gemeinsames Verantwortlichmachen ausgerichtet. Ziel des Konventes ist es, zu den oben skizzierten Handlungsfeldern zukunftsweisende Projekte in den Blick zu nehmen, die anschließend in Arbeitsgruppen weiterverfolgt werden. Wir wollen miteinander und voneinander lernen und neu Menschen, Glauben und Kirche relevant machen.

Danke für Ihr Kommen und Mitdenken!

Mit herzlichen Grüßen

Ihr Dominik Meiering

Koordinator Sendungsraum Köln-Mitte

 

Pfarrnachrichten 07/2019 (C)

Der dreimal heilige Gott ruft auch uns - Der wunderbare Fischfang (1515), Raphael

Auf dem Weg des geheimnisvollen Vollzugs der Eucharistie fordert der Priester die Gläubigen auf: „Erhebet die Herzen!“ Alle erheben sich zum Zeichen, dass sie nun mit ganzem Herzen, Willen und Verstand mit eintreten in das Geheimnis Gottes.

Ähnlich erging es dem Propheten Jesaja (vgl. Jes 6, 1-2a.3-8), als der heilige, unnahbare Gott ihn rief. Dabei wird Gottes Größe von den Engeln mit dem dreimal Heilig besungen: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt.“ Angesichts dieser Größe erfuhr Jesaja sich als unwürdigen, kleinen Menschen: „Weh mir, ich bin verloren, ich bin ein Mensch mit unreinen Lippen.“ Jesaja realisiert den unendlichen Abstand zu Gott, seinem Schöpfer, und vor Gottes Heiligkeit seine eigene Unwürdigkeit.

Nicht anders stehen auch wir vor Gott. Deshalb wiederholen wir in jeder Eucharistie den Lobpreis der Engel und stimmen in das dreimal Heilig ein. Vor der Wandlung erheben wir unsere Herzen zu Gott in Erwartung, dass er in der zweiten menschgewordenen Person des Sohnes in unsere Mitte herabsteigt: in der Gestalt von Brot und Wein, die in sein Leib und Blut verwandelt werden. Müssten nicht auch wir sagen: „Weh mir, ich bin verloren“?

Dann aber berührt ein Engel mit einer glühenden Kohle den Mund des Propheten. Das tut anscheinend weh. Aber es befreit zugleich. Schlagartig verändert sich die Situation. Die Schuld ist dem Propheten genommen. Nun sieht er Gott nicht mehr erdrückend und gefährlich, sondern als den, der bittet und fragt: „Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen?

Wie ist das bei uns? Die Frage ist nicht, ob Gott Schrecken einjagt oder ob wir vor Gott Angst haben. Wir sollten fragen: Wo ist es für mich heilsam, aus falscher Sicherheit aufgeschreckt und aufgerüttelt zu werden! – Wir kennen das vom „Sekundenschlaf“ am Steuer: Gnade dem, der noch rechtzeitig aufschreckt und nicht schon gegen einen Baum gefahren ist.

Ähnlich ist es mit dem religiösen Leben, insbesondere dem Gottesdienst. Es kann zur Routine werden. Und dann leben wir in einer unfruchtbaren Selbstgefälligkeit, die uns für Gott und sein rufendes Wort taub macht. Da ist das Erschrecken über Gottes Größe, über seine Heiligkeit und unsere Nichtigkeit heilsam. Auch wenn es weh tut wie eine glühende Kohle.

Nicht anders ist es Petrus und seinen Freunden ergangen (vgl. Lk 5,1-11). Sie wurden Zeugen des wunderbaren Fischfangs. Dabei wurde ihnen bewusst, wie klein und unwürdig sie sind im Vergleich zum Herrn, der auch Macht über die Fische hat. Deshalb „fiel Petrus Jesus zu Füßen und sagte: ‚Herr, geh weg von mir, ich bin ein Sünder‘.“ Ohne dieses heilsame Entsetzen wären sie Jesus wohl nicht gefolgt. Und sie wären keine Menschenfischer geworden.

Erstaunen und Erschrecken über Gottes Größe und Heiligkeit sind notwendiges Durchgangsstadium zu einem neuen Selbstbewusstsein, das Gott auch uns schenken möchte. Denn auch uns möchte er fragen: „Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen?“ Nur auf dem Weg der Anbetung, der Suche nach Gottes Größe und seiner geheimnisvollen Gegenwart in unserem Scheitern und Gelingen werden wir antworten können: „Hier bin ich, sende mich!

So mögen uns die wachsende Säkularisierung, das wachsende Vergessen Gottes, die zunehmende Individualisierung und Vereinzelung und das daraus folgende Auseinanderbrechen nachbarschaftlicher und gesamtgesellschaftlicher Solidarität erschrecken. Das alles ist für den, der Gott dennoch sucht, hilfreich und reinigend. Es gehört zum Weg der Erneuerung und Umkehr, um geläutert und gereinigt dann wieder sagen zu können: „Hier bin ich, sende mich.

Gott ruft auch heute. Zum Beispiel, den sonntäglichen Gottesdienst neu zu entdecken. Und das Bußsakrament sowie das tägliche Beten. Gott ruft auch heute, die eigene Familie, den Ehepartner, die Kinder bis hin zu Nachbarn und Kollegen vor ihn zu bringen. Und auch unsere alltägliche Arbeit mit ihren Erfolgen und Misserfolgen.

Da erfährt man Gottes Gegenwart. Mit Gewissheit wird man ihm begegnen. Und das nicht nur einmal. Wir werden Wunder erleben, die sich wiederholen und angesichts derer wir immer wieder singen können: „Heilig, heilig, heilig...

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 06/2019 (C)

Jesus in der Synagoge von Nazaret

Zum Sonntagsevangelium (vgl. Lk 4,21-30): Jesus hält gewissermaßen seine „Primizpredigt“. Zuvor hat er in der umliegenden Gegend bereits Wunder vollbracht und in Synagogen gelehrt. Dafür wurde er von allen gepriesen. Nun wurde er mit Spannung in seiner Heimatstadt erwartet. Wohl alle aus Nazareth – Jung und Alt, Einfache und Vornehme – hatten sich dort versammelt.

Die Verse davor berichten, wie ihm das Prophetenbuch Jesaja gereicht wurde. Wie zufällig schlug er das 61. Kapitel, Vers 18f auf, wo es heißt: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.

Die sich daran anschließende erste Heimatpredigt Jesu – „heute hat sich das Schriftwort, das ihr soeben gehört habt, erfüllt“ – findet anfangs Zustimmung und Beifall.

Was meint der Herr damit? Und wieso schlägt die anfängliche Zustimmung um in Ablehnung? Beides hängt eng miteinander zusammen. – Vielleicht kann man es so erklären: Eine gute Rede zu loben und einzelnen Aussagen zuzustimmen, das ist relativ leicht.

So mag es den Mitbürgern aus Nazareth anfänglich ergangen sein. Dann aber sind sie erstaunt: „Ist das nicht der Sohn Josefs?“, fragen sie. – Inzwischen haben sie offenbar bemerkt, dass ihr ehemaliger Nachbar nicht einfach nur eine gute Rede hält. Er möchte ihre Herzen berühren, und dass sie sich verändern. Er möchte den Abstand, der gewöhnlich zwischen Redner und Zuhörer besteht, verringern; ihn sogar aufheben. Alle spüren, dass er sie auf einen Weg mitnehmen möchte.

In ihm allein wohnt wirklich die ganze Fülle Gottes“, so sagt später einmal der Heilige Paulus über ihn (1 Kol 2,9). Jesus tritt in der Synagoge seiner Heimatstadt nicht nur als ehemalige Nachbar auf. Als der Gesalbte und Herr will er seine Zuhörer bewegen, dass auch sie sich der ganzen Fülle Gottes öffnen.

Wir wissen nicht, was Jesus damals in der Synagoge von Nazaret im Detail gepredigt hat. Aber offenbar waren es keine spektakulären Dinge. Denn er warf seinen Landsleuten vor, nur auf große Dinge aus zu sein: auf solche, die er in Kafarnaum gewirkt hatte. Die sollte er nun auch in Nazareth wirken.

Aber er vollbringt sie nicht. Stattdessen vergleicht Jesus seine bisherigen Nachbarn mit ihren ungläubigen Vorfahren. Zu ihrer Zeit hat Jahwe bei ihnen auch keine Wunder gewirkt; wohl aber bei den nichtjüdischen aber gläubigen Fremden: der Witwe aus Sarepta und dem Syrer Naaman.

Beide blieben zu Gott nicht in der Distanz des interessierten Zuhörers. Sie haben sich Gottes Wort zu Herzen genommen und darauf eingelassen. Der Herr wirft also seinen Zuhörer, und damit auch uns heute vor, dass wir zu sehr nur Zuhörer und Beobachter großer und interessanter Dinge bleiben wollen. Ihm jedoch geht es darum, dass alle seine Zuhörer in der Fülle Gottes wachsen und sich so bekehrend verändern.

Schließlich werden die Zuhörer von damals so wütend, dass sie ihn zum Abhang eines Berges treiben, um ihn hinunter zu stürzen. „Er aber schritt mitten durch die Menge hindurch und ging weg.“ Er lässt sie in ihrer Wut zurück. Die dürfen sie austoben.

So besteht immerhin noch die Hoffnung, dass auf die entgleisten Leidenschaften mit Gottes Hilfe nun ein Prozess des Bedauerns einsetzt, der reinigende Wirkung hat und zur umkehrenden, positiven Veränderung führt. (Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

Pfarrnachrichten 04/2019 (C)

Hochzeit zu Kana – Johannes 2,1-11 - Zillis

Die Hochzeit zu Kana mit der Weinspende (Joh 2,1-11) als erstes von Jesus gewirkte Wunder reiht sich ein in das große Hochzeitsbild, das sich vom Anfang der Heiligen Schrift, schon im Schöpfungsbericht, bis hin zu ihrem Ende, in der geheimen Offenbarung erstreckt.

Im Anfang schuf Gott den Menschen als Mann und Frau, die in ihrer gegenseitigen Anziehung und Liebe „ein Fleisch werden“ (Gen 2,24). Von da an werden im Alten Testament die Hochzeit und die Liebe von Mann und Frau sehr oft als Bilder für die göttliche Liebe verwendet. Die hochzeitlichen Gleichnisse Jesu wiederum dienen als Bilder für das Ende dieser Welt und die Zukunft des Menschen in der Ewigkeit. Am Ende, in der geheimen Offenbarung (19,7), ist die apokalyptische „Hochzeit des Lammes“ Bild der endgültigen Erlösung.

Zur Hochzeit passt dann auch der vorzügliche Wein, den Jesus in Kana aus den Wasserkrügen schöpfen lässt. Schon hier wird deutlich, dass Gott als Mensch kein Kostverächter ist. Vor den Augen aller lebt er vor, sich in rechter Weise des Lebens zu erfreuen. Jesus hat viel gebetet und anspruchsvoll gefastet. Aber er war auch gerne zu Gast und hat selber großzügig eingeladen: In Kana, bei den Brotvermehrungen bis hin zum Abendmahl.

Gemeinsam mit Jesus gelingt es überraschen gut die goldene Mitte zu finden. Die goldene Mitte ist alles andere als Mittelmäßigkeit. Sie ist ganz präzise sogar Ihr genaues Gegenteil. Die goldene Mitte ist genau das Richtige.

Worin besteht für uns Menschen genau das Richtige, und wie findet man die goldene Mitte? Die Antwort darauf findet unter dem Strich nur, wer an den Gott glaubt, der in seiner Menschwerdung unsere Welt mit dem Himmel wieder versöhnt und verbunden hat, und der unser Leben damit neu und endgültig in der Ewigkeit verankert und in diese zurückgeholt hat.

Bei der Hochzeit zu Kana lässt sich dies im Gespräch zwischen Jesus und Maria festmachen. Nachdem Maria bemerkt hatte, dass der Wein ausgegangen war, beschränkt sie sich auf den Hinweis: „Sie haben keinen Wein mehr.“ Getreu ihrer Grundhaltung (Lk 1,38) „ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ überlässt sie das Entscheidende Gott dem Herrn. Aber wir sollen ihm auch nicht alles überlassen. Denn Jesus erwidert überraschend (Joh 2,4): „Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“

Das ist so übersetzt nur schwer zu verstehen. Es wird aber interessant, wenn man von der lateinischen Urfassung ausgeht. Da steht nämlich: „Quid mihi et tibi est, mulier?“ Wörtlich übersetzt: „Frau, was ist mir und Dir?

Das kann man dann folgendermaßen verstehen: Du willst mir jetzt, vor meiner Stunde, doch nicht alles überlassen! Diese Stunde wird kommen. Jetzt aber hat jeder seinen Anteil, den er beiträgt: Du deinen und ich meinend. Bedenke und suche beides. Wir zwei, und von nun an alle Menschen, können mit Gott leben und gemeinsam mit ihm wirken. Dann wird das Leben schon auf Erden zur goldenen Mitte hin verändert und das Wasser des Lebens wird in köstlichen Wein „verwandelt“. Und am Ende, wenn die Stunde gekommen ist, wird der Wein endgültig verwandelt: Als Erfüllung und bleibende, ewig „goldene Mitte“.

Bei der Hochzeit zu Kana ist es nur Wasser, das Jesus in wunderbaren Wein verwandelt. Als aber seine Stunde gekommen war, verwandelt er Wein in sein Blut: In das Blut seiner Hingabe und Liebe. So nimmt er beim Abendmahl und dann bei der Vergegenwärtigung dieses Mahles in jeder Feier der Eucharistie die Hochzeit des „Himmlischen Lammes“ vorweg, in die er alle hineinnehmen möchte.

Maria tut ihren Job. Sie sensibilisiert die Diener, die daraufhin auch ihr Bestes tun: Sie füllen die Krüge nicht mittelmäßig, sondern bis zum Rand: „usque ad summum.“ (Joh 2,7)

Jede gut verrichtete menschliche Arbeit – nicht jedoch schlechte und halbe Arbeit – kann zu einer Begegnung mit Gott und damit zu betendem Arbeiten werden. Dafür ist eine regelmäßige Besinnung auf Gott, ein konstantes Gebetsleben notwendig. So, wie es Maria in Kana vormacht: „Sie haben keinen Wein mehr.“ Die Antwort des Herrn lässt nicht auf sich warten: „Ich bin dabei. Ich erledige meins. Tu du deins.

In dieser Verbundenheit mit Gott wird unser alltägliches Leben und Arbeiten zu einem ganz besonderen Tun. Es wird zu einem durchgebeteten, zu einem menschlich-göttlichen Tun, das unser Leben wie Wasser in Wein, in den Wein der goldenen Mitte verwandelt.

Sonntag für Sonntag wird dieses Tun als Gott dargebrachte Gabe in Brot und Wein – als Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit (Gabengebet bei der Hl. Messe) – im Geheimnis der Eucharistie zu Christus selbst. Im Geheimnis dieser Feier identifiziert sich Gott mit unserem Tun und dessen Früchte.

Als verwandelte Gaben schenkt er sich uns dann in ihnen, bis er uns am Ende ganz hineinnehmen wird in die endgültige Verwandlung zur goldenen Mitte im ewigen Leben.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 03/2019 (C)

Johannes der Täufer ging Jesus als letzter der Propheten unmittelbar voraus. Und er taufte, indem er zum Zeichen der Läuterung und Buße alle im Wasser untertauchte, die zu ihm kamen.

Auch Jesus ließ sich von Johannes taufen. Aber nicht als Sünder, sondern in Solidarität mit denen, die ihre Sünden abwaschen und zurücklassen wollten. Zugleich erwartete Jesus als Mensch, wie der Täufer, das Reich Gottes, in das jeder persönlich und einzeln von Gott durch die Taufe hingeholt wird.

So wie Lukas die Taufe Jesu erzählt, denkt man unwillkürlich an die christliche Taufe; auch wie sie gespendet wird. Die Taufe des Johannes war wohl auch Vorbild für sie. In gewissem Sinne ist Johannes also der „Erfinder“ der Taufe.

Als aber Jesus sich taufen ließ, trat an die Stelle der Buß-Taufe des Johannes etwas Neues. Nun ist es die Taufe „mit Heiligem Geist und mit Feuer“ (Lk 3,16), die im Namen des dreifaltigen Gottes gespendet wird.

Die meisten wurden und werden als Kleinstkinder getauft. Auch wenn sie nichts davon mitbekommen, ist die Taufe Grundlage und Anfang des christlichen Lebens. Deshalb ist es gut, Kinder möglichst bald nach der Geburt zu taufen. Man gibt ihnen so das Wichtigste mit auf ihren Weg. Vielen ist das nicht mehr bewusst. Sie wissen nicht mehr, was es bedeutet, wenn jemand sagen kann: „Ich bin getauft“.

Nun sind die Erzählungen von der Taufe Jesu auch persönliche Glaubensunterweisung. Sie ermöglichen, die Bedeutung der Taufe anschaulich und einen selbst betreffend nachzuvollziehen. – Schließen Sie also einfach die Augen. Steigen Sie vor Johannes in Gedanken zusammen mit Jesus ins Jordanwasser; hinein in Ihre eigene Taufe. Durchleben sie neu, was in Ihrer Taufe geschehen ist; was sie für Sie bedeutet und was Ihnen gegeben wurde

Vertrauen Sie und haben Sie Mut. Treten Sie am Ufer des Jordan-Flusses gemeinsam mit Jesus aus der Menschenmenge hervor, direkt vor Johannes, den Bußprediger. „Bereitet dem Herrn den Weg. Ebnet ihm die Straßen! Jede Schlucht soll aufgefüllt werden, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden. Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt.“ (Lk 3,4-6)

Gott will zu Ihnen kommen. Sind Sie bereit?

Die Taufe wird Sie von Ihren Sünden befreien und von Ihrer Gottferne ganz in Gottes Nähe bringen. Sie müssen das aber auch wünschen, von ganzem Herzen; und es wirklich wollen, soweit das Ihnen jetzt möglich ist. Dieser Wunsch und dieses Wollen schließt untergeordnet, aber unverzichtbar ein Zweites mit ein: den Wunsch zur Umkehr und die Kultivierung dieses Wunsches bis zum tätigen Wollen.

Sie müssen also wünschen, um es schließlich tun zu wollen: sich von allem Bösen verabschieden, von aller Selbstbezogenheit, von allen „Götzen“, die das Leben beherrschen und subjektiv oft wichtiger sind als Gott: Geld, Karriere, Anerkennung, Erfolg, Vergnügen, Bequemlichkeit...

Wollen Sie Gott den ersten Platz einräumen? Und das immer wieder, da wir Gott gleich schon wieder vergessen haben? Wollen Sie nach dem Evangelium leben, Jesu Worte verbindlich bedenken und ernst nehmen? Wenn, dann werden Sie auch erfahren, was es heißt, dass Sie getauft sind.

Sie treten so – gemeinsam mit Jesus, der sie begleitet und solidarisch an Ihrer Seite steht – aus der Menge heraus, hin zu Johannes. Und dieser Kerl drückt Sie unter Wasser. Sie halten den Atem an und bekommen keine Luft mehr. Das Auftauchen jedoch bestimmen nicht Sie.

Das beängstigende Gefühl unter Wasser und ohne Luft kann zur Todesangst werden. – Wenn, dann ist alles im Lot. Denn Jesus ist an Ihrer Seite. Und die Taufe ist ja wie ein Tod (vgl. Röm 6,3-4). Es stirbt der „alte Mensch“. Und das tut weh.

Es ist der schmerzliche, aber auch befreiende Abschied aus festgefahrenen, aber schlechten Gewohnheiten. Von verqueren Anhänglichkeiten, von irritierender Selbstbezogenheit, vom eigenen „Ego“. Genau jetzt und in diesem Augenblick. Diesen Schritt müssen Sie allein tun. Es ist Ihre ganz persönliche Entscheidung. Aber der Herr ist an Ihrer Seite. Und mit ihm gehen Sie nicht unter.

So erklärt es der Hl. Paulus im Brief an die Römer (s.o.): Wie „wir mit Christus begraben wurden durch die Taufe auf den Tod“, so werden wir, „wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, als neue Menschen leben“.

Sobald Sie das betend nachvollziehen, sind Sie auch schon wieder an der Wasseroberfläche. Sie atmen tief durch. Und Sie steigen als neuer Mensch aus dem Wasser, rundum und in der Tiefe Ihrer Person gereinigt und verwandelt.

Dann erleben auch Sie an der Seite unseres betenden Herrn (vgl. L 3,21f), wie „der Himmel sich öffnet“ und „der Heilige Geist sichtbar in Gestalt einer Taube“ herabkommt. Dann hören auch Sie die Stimme des göttlichen Vaters: „Du bist mein geliebter Sohn“, meine geliebte Tochter: Nun gefällst Du mir, Dir selber und allen Menschen. Lebe fortan in dieser Weise dein Leben, deinen Alltag. Und kehre immer wieder dahin zurück.

Dann werden Sie und durch Sie alle erfahren, warum der Herr schließlich den Seinen sagte (Mt 28,18-20): „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 02/2019 (C)

Lukas berichtet über die Heiligen drei Könige: „Da fielen sie nieder und huldigten ihm.“ - Drei Tage nach Epiphanie, am 9. Januar, machen wir es ihnen nach! - Herzliche Einladung zu den Gebetszeiten am Tag des ewigen Gebetes (siehe Aushang und hier auf der Home-Page).

Auf, werde Licht, Jerusalem, denn es kommt dein Licht, und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir“ (Jes 60,1). Am Fest der Heiligen drei Könige, dem Fest „Epiphanie“, beschreibt die Kirche in ihrer Leseordnung, worum es an diesem Festtag geht. Epiphanie ist ein Fest des Lichtes.

Mit dem göttlichen Menschenkind ist das wahre Licht in die Welt gekommen. „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.“ So verkünden die Engel den Hirten auf dem Feld (Lk 2,11). Den Sterndeutern aus dem Osten ist dafür ein Licht, ein Stern aufgegangen. In diesem Stern erkennen sie den, der die Menschen Licht werden lässt; der ihnen die Macht schenkt, Kinder Gottes zu werden (vgl. Joh 1,9.12).

Der Weg der Weisen aus dem Morgenland ist der Anfang einer großen Prozession, die sich die Geschichte hindurch ununterbrochen fortsetzt und nie enden wird. Mit den drei Weisen beginnt die Wanderung der Menschheit zu Jesus Christus – zu dem Gott, der im Stall geboren wurde; der am Kreuze starb und der als Auferstandener bei uns bleibt alle Tage bis zur Vollendung der Welt (vgl. Mt 28,20).

Nach den Hirten kommen die Weisen dieser Welt. Es kommen Große und Kleine, Könige und Knechte, Menschen aller Kulturen und aller Völker. Die Männer aus dem Morgenland sind die ersten, denen viele folgen alle Jahrhunderte hindurch. Nach der großen Vision des Propheten Jesaja sagt die Lesung aus dem Brief des Heiligen Paulus an die Epheser das Gleiche nüchtern und einfach aus: Die „Heiden sind Miterben“ geworden. Sie „gehören zu demselben Leib und haben an derselben Verheißung in Christus Jesus teil durch das Evangelium.“ (vgl. Eph 3,6) Auch in dieser Akzentuierung wird das bereits im Alten Testament, im zweiten Psalm vorausgesagt: „Ich gebe dir die Völker zum Erbe, die Enden der Erde zum Eigentum“ (Ps 2,8).

Die Weisen aus dem Morgenland sind die ersten. Sie öffnen den Weg der Völker zu Christus.

In einer Predigt am Fest der Heiligen drei Könige hat Papst Benedikt XVI. hierzu weiter ausgeführt: „Es gab wohl viele Sternkundige im alten Babylon. Aber nur diese drei sind aufgebrochen und dem Stern nachgegangen, den sie als Stern der Verheißung, als Wegweiser zum wahren König und Retter erkannten. Es waren, so dürfen wir sagen, Männer der Wissenschaft, aber solche, die nicht nur vielerlei wissen wollten: Sie wollten mehr. Sie wollten verstehen, worum es im Menschsein geht. Sie hatten wohl von der Verheißung des heidnischen Propheten Bileam gehört: »Ein Stern geht in Jakob auf, ein Zepter erhebt sich in Israel« (Num 24,17).

Sie gingen der Verheißung nach. Sie waren Menschen des unruhigen Herzens, die sich nicht mit dem Vordergründigen und Gewöhnlichen begnügten. Sie waren Menschen auf der Suche nach der Verheißung, auf der Suche nach Gott. Und sie waren wache Menschen, die die Zeichen Gottes, seine leise und eindringliche Sprache wahrzunehmen vermochten.

Aber sie waren auch mutige und zugleich demütige Menschen: Wir können uns vorstellen, dass sie manchen Spott ertragen mussten, weil sie sich auf den Weg zum König der Juden machten und dafür viel Mühsal auf sich nahmen.

Für sie war nicht entscheidend, was dieser oder jener, was auch einflussreiche und gescheite Leute von ihnen dachten und sagten. Ihnen ging es um die Wahrheit selbst, nicht um die Meinung der Menschen. Dafür nahmen sie die Verzichte und Mühen eines langen und ungewissen Weges auf sich. Ihr demütiger Mut war es, der ihnen schenkte, sich beugen zu können vor dem Kind armer Leute und in ihm den verheißenen König zu erkennen, den zu suchen und den zu kennen das Ziel ihres äußeren und inneren Weges gewesen war.“

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)