|
- Child Jesus in the crip with donkey and ox. 12-2017. Pastell. Maria Bibiana
Nach der kurzen Adventszeit, wie sie kürzer nicht möglich ist, feiern wir schon am späten Nachmittag des vierten Advents Heiligabend.
Als Kinder waren wir die letzten Tage vor Heiligabend meist voller Erwartung. Zugleich konnten wir den Heiligabend meist kaum noch erwarten. Es lag wohl daran, dass unsere Erwartungen zu sehr auf die Geschenke ausgerichtet waren, die uns das Christkind bringen würde. Für das eigentliche Geschenk, um das es Weihnachten geht – das Christkind selber –, waren wir noch zu wenig ansprechbar.
Leider ist längst eine ganze Gesellschaft in dieser Kurzsichtigkeit, und damit sprichwörtlich in den Kinderschuhen stecken geblieben. Zu Viele leben nur quantitativ über dem, was Kinder erwarten. Ein Erwartungshorizont, der Erwachsenen entspricht, ist rar geworden.
Rechtzeitig zum diesjährigen Weihnachtsfest bekam ich von einer Ärztin, die Sankt Pantaleon seit ihrer Kindheit sehr verbunden ist, ein von ihr in dieser Adventszeit gemaltes Kreidebild. Es gefällt mir sehr. Und ich gebe es hier nun weiter, ohne es mit Ihr eigens abgesprochen zu haben. So werde ich sie zu Weihnachten ein wenig überraschen und mich auf diese Weise für das schöne Bild bedanken.
Ochs und Esel erinnern in ihrer scheinbaren Einfältigkeit daran, was nicht nur an Weihnachten wirklich wichtig ist. Das wird in diesem Bild anschaulich und gelungen ausgedrückt.
Von Herzen wünsche ich Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest und Gottes reichen Segen im Neuen Jahr!
Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
- Am 3. Adventsonntag wird in St. Pantaleon das rosene, silberdurchwirkte Barockgewand getragen.
Das Evangelium zum dritten Adventsonntag (Lesezyklus B) ist aus zwei Versgruppen zusammengesetzt. Die erste ist dem Johannes-Prolog, die zweite den Versen unmittelbar im Anschluss an den Prolog entnommen.
Die erste Versgruppe (Joh 1,5-8) fasst das Zeugnis des Täufers kurz und prägnant zusammen: „Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.
Mit der zweiten Versgruppe (Joh 1,19-28) folgt darauf das ausführliche Zeugnis des Täufers. Es wird durch die entscheidende Frage der Priester und Leviten an den Täufer eingeleitet: Wer bist du? Der Evangelist hat dieses Gespräch, welches die Identität des Täufers offen legen soll, kunstvoll gestaltet.
Die Leviten und Priester stellen dem Täufer drei aufeinanderfolgende Fragen, die sich immer weiter zuspitzenden. In ihrer ersten Frage formulieren sie noch ganz allgemein: „Wer bist du?“ Darauf antworten der Täufer nicht allgemeine, sondern ganz präzise: „Ich bin nicht der Messias.“. Der Täufer weiß von Anfang an, worum es nicht nur den Priestern und Leviten, sondern worum es hier grundsätzlich geht.
Auf diese erste, längst klare und auch zielbewusste Antwort folgt eine erste Nachfrage: „Bist du Elia?“ Der Täufer antwortet nun kürzer und prägnanter: „Ich bin es nicht.“ Erst dann folgt die entscheidende zweite Nachfrage, um die es hier eigentlich geht, und die Johannes deshalb bereits zu Beginn klar beantwortet hatte. Die Priester und Leviten aber fragen erst im dritten Anlauf zielgenau: „Bist du der Prophet?“ Mit Prophet ist der angekündigte Messias gemeint.
Der Täufer antwortet darauf nur noch wortkarg, aber klar und unmissverständlich: „Nein.“
Der Evangelist bereitet kunstvoll vor, was er dem Leser, und uns als Zuhörer sagen möchte. Der Zuspitzung in den Antworten des Täufers: „Ich bin nicht der Messias“ - „Ich bin es nicht“ - „Nein“ steht die Zuspitzung der Fragen in genau umgekehrter Reihenfolge der Priester und Leviten gegenüber. Sie fragen zuerst nur ganz allgemein: „Wer bist du?“; dann genauer: „Bist du Elia?“ Erst am Ende stellen sie die entscheidende Frage: „Bist du der Prophet / der Messias?“
Wie zwei Pyramide, die sich mit ihrer Spitzen berühren, spitzen sich kunstvoll gestaltet die Fragen der Diener und die Antworten des Täufers gegenläufig zu: Johannes sagt gleich zu Anfang: „Ich bin nicht der Messias“; und am Ende steht nur noch das klare „Nein“. Die Diener der Pharisäer hingegen stellen ihre Fragen, sich langsam steigernd, bis hin zu der eigentlichen Frage am Ende: „Bist du der Prophet / der Messias?“
Das finale, klare und kurze „Nein“ des Täufers bringt die fragenden Priester und Leviten in eine gewisse Verlegenheit: „Wer bist du?“ fragen sie erneut. „Wir müssen denen, die uns gesandt haben, Auskunft geben. Was sagst du über dich selbst?“
Erst jetzt wird Johannes gesprächig. Es folgt eine längere Antwort, die ein Gegengewicht gegen die immer kürzer gewordenen Verneinungen darstellt. Ausführlich erklärt Johannes jetzt: “Ich bin die Stimme, die in der Wüste ruft: ebnet den Weg für den Herrn!, wie der Prophet Jesaia gesagt hat.“
Diese sprachlich-poetische Textformung hat einen tieferen Sinn. Der Evangelist betont mit diesem Stilmittel, dass der Täufer ganz und gar keinen Zweifel an seiner Geringfügigkeit lassen möchte! In Abhebung gegen seine Nichtigkeit betont der Täufer die Größe des göttlichen Gesandten, dem er als Vorläufer nur den Weg bereiten und den er in das hellste Licht stellen möchte.
Genau darum geht es im christlichen Leben, in die uns die Adventzeit hineinholen möchte. „Ich taufe mit Wasser“, erklärt der Täufer im Folgenden. „Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt und der nach mir kommt; ich bin es nicht wert ihm die Schuhe aufzuschnüren.“ In den anderen Evangelien erklärt Johannes, dass er selber geringer werden muss. Der hingegen, den er ankündigt, hingegen müsse wachsen. Und der Täufer erklärt auch noch, dass der Kommende mit Geist und Feuer taufen würde; und nicht mehr nur mit Wasser.
Hier präzisiert nun der Täufer sein entschiedenes und eindeutiges Zeugnis. Und wir sollten uns zu Herzen nehmen, was der Täufer durch die kunstvollen Stilmittel des Evangelisten mit Nachdruck ins Wort gebracht hat: Nimm nicht dich, sondern Gott wichtig. Das ist die ganz wichtige Botschaft des heutigen Evangeliums, und auch der anderen Schriftlesungen zum dritten Advent.
Advent feiert, wer diese Lebenshaltung aus dem Glauben heraus pflegt: Nicht sich selber, sondern Gott wichtig nehmen. Und dann wird man im Glauben erfahren: „Gott ist wirklich größer als unser Herz“ (1 Joh 3, 20).
Wann haben wir das letzte Mal aus dem Glauben an Gott heraus gesagt: „Nimm dich mal nicht so wichtig.“ Vieles klärt sich, wenn wir das immer wieder einmal sagen, uns damit zugleich Gott anvertrauen, und in dieser Haltung leben.
Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
- St. Pantaleon: Barockkanzel mit Adventskranz
Ein Wort des Pfarrers zum Pantaleonunterstützungsfonds e.V.
Seit Januar 2008 bin ich nun bald zehn Jahre Pfarrer an St. Pantaleon. Ein guter Anlass, um Gemeinde und Förderer unserer Pfarrei über Erfreuliches aus diesen Jahren, aber auch über ein Anliegen zu informieren, das uns noch Sorge bereitet.
In diesen bald zehn Jahren haben wir gemeinsam mit bewundernswert großzügigen Personen zukunftsorientierte Projekte vorangebracht. Sie alle dienen dem Wohl der Kirche. Dazu gehören aufwendige Gebäudesanierungen, segenbringende, aber auch kräfteraubende Rechts- und Grundstücksgeschäfte. Auch umfängliche Garten- und Baumpflege mit Teil-Neugestaltung (KiTa-Außengelände) eines wunderbaren, aber auch sehr großen Innenstadt-Grundstücks gehören dazu. Jetzt steht eine komplette Dachsanierung der Kirche mit weiteren Instandsetzungen an.
Weitaus erfreulicher ist für mich als Pfarrer aber der deutlich spürbare seelsorgliche Aufschwung der letzten Jahre. Erfreulich deswegen, weil durch unser Beten und Arbeiten Menschen näher zu Gott gefunden haben. Und primär darum geht es! Das ist ja der Sinn unserer priesterlichen Arbeit zum Wohl der Gemeinde!
St. Pantaleon ist eine beliebte Hochzeitskirche. In der Folge wächst auch die Zahl der Taufen. Durch eine sehr persönliche und individuelle Ehe- und Taufvorbereitung finden Menschen oft ganz neu zu einem Leben aus dem Glauben. So wird unsere Pfarrkirche nicht nur ihrer besonderen Schönheit und kunsthistorischen Bedeutung wegen geschätzt. Sie wird zunehmend von solchen Gläubigen geliebt, die hier eine neue Heimat in der Kirche gefunden haben.
Die persönliche Seelsorge ist sicher die stärkste Seite unserer Arbeit. Das sagen uns Menschen aus nah und fern, die gerne nach hier kommen. Sie schätzen, dass wir uns für sie Zeit nehmen, wenn sie geistlichen Rat und seelsorgliche Begleitung suchen.
Die Vorbereitung auf die Erstbeichte, die Erstkommunion, die Firmung – darunter auch zahlreiche Erwachsenenfirmungen – und Wiederaufnahmen in die Kirche sind grundlegende Elemente unserer Seelsorge. Sie ist geprägt von individueller, aber auch zeitintensiver Zuwendung. Oft tauchen bei persönlichen Gesprächen kirchenrechtlich irreguläre Situationen auf. Hier bemühen wir uns, dass die Betroffenen die Wärme und Zuwendung der Kirche erfahren.
So bringen nicht nur die wirtschaftliche und kulturelle Verwaltung einer denkmalgeschützten Kirchenanlage wie St. Pantaleon, sondern auch die betont persönliche Seelsorge am Ende auch einen bürokratischen Aufwand mit sich, der deutlich über dem Durchschnitt einer Pfarrei liegt, auf deren Pfarrgebiet – wie in St. Pantaleon – gerade einmal 2.000 Katholiken wohnen.
Hier haben wir ein Problem. Und ich möchte es Ihnen erläutern.
Als Pfarrer an St. Pantaleon habe ich über all die Jahre und in erheblichem Maß viel Verwaltung und bürokratische Arbeit stillschweigend übernommen und im Verborgenen geleistet. Nach fast zehn Jahren intensiver Erfahrung möchte ich die mir zur Verfügung stehende Zeit nicht länger darauf verwenden.
Gerne möchte ich sie fortan mit dem füllen, was zum „Kerngeschäft“ eines Priesters gehört, der dafür geweiht wurde: Spendung der Sakramente, Unterweisung und Begleitung im Glauben, Stärkung der christlichen Familien, christliche Orientierung für die nachwachsende Generation von Kindern und Jugendlichen, Trost und Beistand im Alter, Hilfe und Unterstützung für Heimatlose und Bedürftige … Damit das möglich wird, möchte ich die gesamte Verwaltungsarbeit kompetenten Personen anvertrauen. Das lässt sich jedoch nur durch ausreichende finanzielle Mitteln erreichen.
Zu diesem Zweck, ausreichende finanzielle Mittel bereitzustellen, haben Wohltäter unserer Gemeinde den Pantaleonunterstützungsfonds e. V. gegründet. Sie wollen damit die seelsorgliche Arbeit unserer Pfarrei fördern. Dafür bin ich sehr dankbar.
Der Verein hat in einem ersten Schritt für einige Monate, und auf Dauer angelegt, zusätzliche Stunden für das Pfarrsekretariat finanzieren können. Damit wurde der Pfarrer von der notwendigen Verwaltungsarbeit, wie sie hier in hohem Maß anfällt, spürbar entlastet. Er kann sich immer mehr und bald ganz – davon träume ich noch – der Seelsorge widmen.
Von daher bitte ich: unterstützen auch Sie den Verein und helfen auch Sie, weitere Unterstützer zu finden. Derzeit geht es noch um eine Aufstockung der Stunden für das Pfarrsekretariat. Morgen wird es dann schon um andere, nicht weniger wichtige Anliegen gehen. So tragen Sie auf Ihre Weise die Seelsorge mit. Dafür danke ich Ihnen von Herzen.
Köln, den 09.12.2017 - Dr. Volker Hildebrandt (Pfarrer an St. Pantaleon)
„Komm, Herr! Reiß den Himmel auf und komm herab!“ - Dieser Ruf des Propheten Jesaja (Jes 63,19) steht als Überschrift über dem ganzen Advent.
Advent ist die Zeit der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest, an dem wir die Geburt des Sohnes Gottes auf Erden feiern. Doch wir denken nicht nur an ein Ereignis, das vor über 2000 Jahren stattgefunden hat. Die Geburt Jesu Christi wird vielmehr unter uns immer neu Gegenwart. Christus ist auch heute mitten unter uns. Zwar nicht mehr als das Kind von Betlehem oder als der Prediger von Galiläa. Aber doch als der auferstandene und lebendige Herr.
Immer neu ereignet sich die Christusgeburt auch in unserem Leben. Wir sind dazu berufen, Christus immer ähnlicher zu werden, immer mehr zu einem Abbild Jesu Christi zu werden. So wird Christus durch mich für andere erfahrbar. Dazu braucht es die Besinnung auf das Wesentliche. Jeder muss sich immer wieder die Frage stellen, ob er so leben möchte, wie Jesus Christus es von ihm erwartet und wie er den Willen Gottes in seinem Leben konkret werden lassen kann. Romano Guardini sagt:
"Was einmal in der Geschichte geschehen ist, soll sich im Leben der Glaubenden immer wieder ereignen. Damals ist der Herr gekommen, für Alle; Er muss aber immer neu kommen, für Jeden. Jeder von uns soll das Warten, Jeder die Ankunft des Herrn erfahren, damit ihm daraus Heil werde."
Wie können wir den Advent, die Zeit des Wartens, sinnvoll nutzen, damit wir die Ankunft des Herrn wieder neu erfahren? Romano Guardini empfiehlt drei Dinge:
1. "Vor allem sollen wir uns darum bemühen, etwas von ihm zu erfahren."
Das Lesen ist wichtig. Aus der Heiligen Schrift und guten religiösen Büchern erfahren wir etwas von Jesus Christus. Das hilft uns, ihn für uns neu zu entdecken.
2. "Doch es ist mehr nötig als bloßes Lesen und Denken. ... Wir müssen auch beten."
Wenn Jesus Christus in mir lebendig werden soll, dann muss ich mit ihm in Beziehung treten. Es genügt nicht, sich Jesus nur gedanklich vorzustellen. Jesus selbst will Einlass finden in mein Leben, mit seiner Liebe, mit seiner Kraft. Durch das Gebet kann ich in eine lebendige Beziehung treten mit Gott und seine Nähe erfahren.
3. "Ich glaube aber, wir müssen noch ein Drittes hinzunehmen, nämlich dass wir die Liebe üben."
Die Beziehung zwischen uns und Gott ereignet sich nicht in einem abgeschlossenen Raum. Sie drängt nach außen. Weil Gott ein Gott für alle Menschen ist, will er auch, dass die Menschen miteinander in Beziehung treten. Die Begegnung mit Gott wird erfahrbar in der Begegnung mit anderen Menschen. Die Liebe Gottes drängt, diese Liebe auch an andere Menschen weiterzuschenken.
Es sind drei konkrete Dinge, in die wir uns in diesem Advent erneut einüben können. Dann werden wir das Kommen des Herrn auch in unserem Leben erfahren. Dabei werden uns die Texte der Adventszeit eine große Hilfe sein. Wir hören in den Sonntagslesungen von den Verheißungen des Alten Bundes und wie sie sich in Jesus Christus erfüllt haben. Wir verehren die Heiligen, die in ihrem Leben Jesus Christus begegnet sind. Sie sind uns Vorbild der Liebe.
Lassen wir uns darauf ein. Dann wird Jesus auch in uns lebendig werden!
Weitgehend übernommen von http://www.praedica.de/Advent/Adventbetrachtung_1.htm - Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
- Die heilige und hochgeborene Landgräfin Elisabeth von Thüringen sah in jedem pflegebedürftigen Armen Jesus Christus. So ziert sie ein Heiligenschein. Aber auch der Kranke trägt ihn. Sein Heiligenschein ist zudem mit Jesu Kreuz geziert. Ikonographisch ist der Heiligenschein mit Kreuz meist Jesus Christus vorbehalten.
Mit dem Christkönigssonntag sind wir am Ende des Kirchenjahres angekommen. Dieser Festtag wurde erst 1925 von Papst Pius XI. mit dem Wunsch eingeführt, auf diese Weise „den Irrtum des Laizismus“ zu bekämpfen. Zugleich solle das Fest die Katholiken stärken, der laizistischen Verirrung Widerstand zu leisten.
Jahre später, in der Weimarer Republik und in der Zeit des Nationalsozialismus, spielte die Christkönigsverehrung bei der katholischen Jugend eine große Rolle. Mit ihrer Christus-Verehrung lehnte diese Jugend gezielt den Führerkult ab. Sie feierte ihren Glauben an Christus als den wahren Herrn und König mit Prozessionen und weiteren Feiern. Damit setzten zahlreiche Jugendliche ein deutliches Zeichen gegen die Ideologie des Nationalsozialismus.
Von daher ist das Christkönigsfest sehr geeignet, die immer nur relative Bedeutung und Größe all unserer Leistungen zu bedenken. Vor allem auch, dass wir unser Tun zu Lebzeiten verkehren und verdrehen können. Aus dieser Verdrehung bringen wir dann nicht mehr Gutes, sondern Böses hervor. Und hier gilt zugleich: Je mehr ein Mensch leisten kann, umso schlimmer kann er damit zerstören, Elend, Leiden und sogar den Tod bringen. Das ist in der Geschichte häufig der Fall gewesen.
Der Christkönigssonntag mit seinem Evangelium führt uns mit großer Klarheit vor Augen, dass Christus das letzte Wort über die Geschichte und auch ganz individuell über unser Leben hat. Und dazu in überraschender und aus menschlicher Perspektive ganz und gar nicht zu erwartenden Art.
Wenn unsere Zeit abgelaufen ist, so entnehmen wir der Rede Jesu im 25. Kapitel des Matthäusevangeliums, wird „der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommen und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen. Und alle Völker werden von ihm zusammengerufen werden, und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. Er wird die Schafe zu seiner Rechten versammeln, die Böcke aber zur Linken.“
Niemand wird dem Urteil des Menschensohnes widersprechen können. Denn er wird die Wahrheit sagen. Und niemand wird die Wahrheit länger verdrehen und andere damit täuschen können. Zudem wird der Menschensohn die Wahrheit, das Gute und das Schöne in einer bewegenden und existentiell so erschütternden Weise offen- und darlegen, dass damit der gute Mensch endgültig seine Erfüllung findet. Diese wird ihn ganz erfassenden und zu einer ihn verwandelnden Wahrheit und Wirklichkeit führen, die Gott selber ist.
Das Böse und jede Verdrehung des Guten, und damit jeder Lügner, Heuchler und Sünder – an erster Stelle der Teufel mit den Seinen – werden endgültig entmachtet. Sie werden nichts mehr vorzubringen haben. Ihr Dasein und ihre Lebensart sind dann für immer durchschaut.
Der Menschensohn und König wird „denen auf der rechten Seite sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Erde für euch bestimmt ist. Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen …“
Auf die erstaunte Frage der Gerechten, „Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben, oder durstig und dir zu trinken gegeben? Und wann haben wir dich fremd und obdachlos gesehen und aufgenommen, oder nackt und dir Kleidung gegeben? …“ wird der Menschensohn und König ihnen antworten: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“
Didaktisch und redaktionell gelungen verläuft der Dialog des Königs mit denen auf der linken Seite ganz genauso, nur andersherum: „Ich war hungrig, und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben …“ Auf ihre empörte Antwort: „Wann haben wir dich hungrig oder durstig oder obdachlos oder … gesehen und haben dir nicht geholfen?“ erwidert der König: „Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.“ Dann endet das Sonntagsevangelium mit der Feststellung: „Und sie werden weggehen und die ewige Strafe erhalten, die Gerechten aber das ewige Leben.“
Alles was wir wirklich Gutes in unserem Leben tun und getan haben, ohne kurzlebige Heuchelei und alles konterkarierende Eitelkeit, das bleibt im Herzen Gottes für immer. Dort wird es durch das Interesse Gottes an uns und an all dem Guten, was von uns ausgeht, verwandelt, verewigt und vergöttlicht. Am Ende wird uns all das von Gott so zurück geschenkt, dass es uns in unerwartet intensiver Weise mit hineinnimmt in diese Verwandlung und damit in die Mitte der innergöttlichen, nie erlöschenden und unauslotbaren ewigen Liebe.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
- Gleichnis von den Talenten - Portal St. Benno München
Mit dem Gleichnis Jesu von den Talenten führt die kirchliche Leseordnung am Ende des Kirchenjahres die Predigten Jesu über den engen Zusammenhang des diesseitigen mit dem jenseitigen Leben fort. Letzten Sonntag war es das Gleichnis von den fünf klugen und den fünf törichten Jungfrauen. Damit führt der Herr anschaulich vor Augen, dass wir durch die rechte Sorge um das „Öl des Lebens“ darüber entscheiden, ob unser Leben auch nach dem Tod Bestand hat.
Auch im Gleichnis von den Talenten (Mt 25,14-30) geht es darum, aber mit einer deutlich anderen Akzentsetzung. Jesus vergleicht das Himmelreich mit einen reichen „Mann, der auf Reisen ging: Er rief seine Diener und vertraute ihnen sein Vermögen an. Dem einen gab er fünf Talente Silbergeld, einem anderen zwei, wieder einem anderen eines, jedem nach seinen Fähigkeiten. Dann reiste er ab.“
Ein Talent ist eine ungeheure Menge an Silbergeld. Im Gleichnis verteilt der Mann insgesamt acht Talente. Ein wahres Vermögen. Die genaue Umrechnung ist schwierig. Nach heutigen Maßstäben könnte es sich um mehrere Millionen Euro gehandelt haben, die der Herr großzügig verteilt.
Heute bezeichnen wir mit „Talent“ die besondere Begabung eines Menschen. Diese Wortbedeutung hat sich im Laufe der Zeit aus diesem Gleichnis heraus entwickelt. Man hat immer schon verstanden, dass Jesus mit dem Gleichnis nicht Geld, sondern die Fähigkeiten meint, die Gott jedem Menschen geschenkt hat.
„Sofort begann der Diener, der fünf Talente erhalten hatte, mit ihnen zu wirtschaften, und er gewann noch fünf dazu. Ebenso gewann der, der zwei erhalten hatte, noch zwei dazu. Der aber, der das eine Talent erhalten hatte, ging und grub ein Loch in die Erde und versteckte das Geld des Herrn.“
Die Parallele zu unserem Leben lässt sich in Analogie zu den anvertrauten Talenten in Millionenhöhe leicht erkennen. Hat Gott nicht jedem großzügig zumindest ein Talent verliehen? Entscheidend ist die rechte Entfaltung des Talentes. Dabei ist es letztlich egal, welches Talent und wie viele jeder empfangen hat. – Wer das empfangene Talent in rechter Weise zur Entfaltung bringt, erfährt schon im irdische Leben viel Segen. Und er wird damit zugleich auch vielen anderen zum Segen. Jesus erklärt das gleichnishaft wie folgt:
„Nach langer Zeit kehrte der Herr zurück, um von den Dienern Rechenschaft zu verlangen. Da kam der, der die fünf Talente erhalten hatte, brachte fünf weitere und sagte: Herr, fünf Talente hast du mir gegeben; sieh her, ich habe noch fünf dazugewonnen. Sein Herr sagte zu ihm: Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!“
Auch der Diener mit den anfänglich zwei Talenten hat noch zwei weitere dazugewonnen. Der zurückgekehrte Herr sagt ihm wörtlich genau das Gleiche wie dem ersten. Die Menge der Talente spielt also in der Tat keine entscheidende Rolle.
„Zuletzt kam auch der Diener, der das eine Talent erhalten hatte, und sagte: Herr, ich wusste, dass du ein strenger Mann bist; du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast; weil ich Angst hatte, habe ich dein Geld in der Erde versteckt. Hier hast du es wieder.“
Wer seine Talente in falscher Weise nur für sich selber behält, sie nicht gewinnbringend für alle einbringt, der hat sie schon am Ende des irdischen Lebens so gut wie ganz verloren. Und er wird im ewigen Jenseits für immer nackt, bloß und erbärmlich sein. Entsprechend deutlich fällt die gleichnishafte Wortwahl Jesu gegenüber dem dritten Diener aus, mit der „sein Herr ihm antwortete: Du bist ein schlechter und fauler Diener! Du hast doch gewusst, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe und sammle, wo ich nicht ausgestreut habe. Hättest du mein Geld wenigstens auf die Bank gebracht, dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen zurückerhalten. Darum nehmt ihm das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat! Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat. Werft den nichtsnutzigen Diener hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird er heulen und mit den Zähnen knirschen.“
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
- Die fünf klugen und die fünf dummen Jungfrauen - Fresco im Visoki Dečani Kloster, Kosovo-Serbien, 14. Jahrhundert
Der kirchliche Jahreskreis neigt sich seinem Ende zu. Das spiegelt sich wider in den biblischen Sonntagslesungen. Und eine weitere Parallele findet sich in der herbstlichen Jahreszeit: Nach den goldenen Oktobertagen signalisieren die fallenden Blätter der trüben und schnell kürzer werdenden Novembertage, dass auch unsere irdische Lebenszeit einmal abgelaufen sein wird. Dann werden wir wie die gefallenen Blätter leblos im Grab vermodern.
Diesen Sonntag wird uns das Gleichnis von den fünf klugen und den fünf törichten Jungfrauen vorgetragen, die mit ihren Lampen dem Bräutigam entgegengingen. „Die törichten nahmen ihre Lampen mit, aber kein Öl, die klugen aber nahmen außer den Lampen noch Öl in Krügen mit. Als nun der Bräutigam lange nicht kam, wurden sie alle müde und schliefen ein. Mitten in der Nacht aber hörte man plötzlich laute Rufe: Der Bräutigam kommt! Geht ihm entgegen! Da standen die Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen zurecht. Die törichten aber sagten zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, sonst gehen unsere Lampen aus. Die klugen erwiderten ihnen: Dann reicht es weder für uns noch für euch; geht doch zu den Händlern und kauft, was ihr braucht.“
Anders als sonst – teils schon übertrieben wiederholt – geht es hier nicht um das Teilen. Denn nicht alles kann man teilen. Das wird oft vergessen.
Bei dem Öl der Klugen geht es um das Öl des Lebens. Damit ist eine Lebenshaltung, ein grundsätzlicher Lebensstil gemeint. Den kann man nicht quantitativ einfach aufteilen. Die Klugen sind jene, die ganz bei der Sache sind. Sie kalkulieren nicht, dass ein Vierminus ausreichen müsste, um am Ende noch in den Himmel zu kommen. Sie spekulieren nicht mit der Pseudobarmherzigkeit eines Opa-Gottes, der ein Auge schon zudrücken wird.
Die Klugen wollen mit ganzem Herzen dabei sein und sich für das Rechte einsetzen. Die Törichten hingegen sind nicht bei der Sache. – Das lässt sich nicht teilen. Es würde ja bedeuten, dass die Klugen das Gute und Wahre nur mit halber Leidenschaft suchen. Damit wäre den Törichten noch weniger geholfen.
Die Botschaft ist klar. Es liegt somit an uns, das Gemeinte mit Gottes wahrer Barmherzigkeit rechtzeitig umzusetzen. Denn die Zeit dafür ist begrenzt: auf unsere Lebenszeit nämlich. Zudem nimmt mit fortschreitendem Lebensalter die Zeit nicht einfach nur ab. Die Erfahrung zeigt: Je älter man wird, umso schwerer wird es, an das Öl des Lebens zu denken; an dieses Öl, das unser Leben entscheidend und bis in die Zukunft und Ewigkeit bestimmt.
Das Öl des Lebens ist all das, was das Leben schwungvoll, lebendig, einsatzfroh und großherzig macht. Wer sich, und dann auch noch notgedrungen, erst am Ende seines Lebens, kurz bevor der dann angekündigte Bräutigam kommt, eine Minimalportion davon irgendwie noch auf die Schnelle organisieren will, der ist zu spät dran. Das bringt das Gleichnis dann im Folgenden anschaulich auf den Punkt: „Während sie noch unterwegs waren, um das Öl zu kaufen, kam der Bräutigam; die Jungfrauen, die bereit waren, gingen mit ihm in den Hochzeitssaal, und die Tür wurde zugeschlossen. Später kamen auch die anderen Jungfrauen und riefen: Herr, Herr, mach und auf! Er aber antwortete ihnen: Amen, ich sage euch: Ich kenne euch nicht.“
Gottes Barmherzigkeit setzt unsere Bereitschaft voraus. Auch diese gehört wesentlich zum Öl des Lebens. Ohne und noch weniger gegen sie kann und will auch Gott nichts ausrichten. Er respektiert die Freiheit, die er uns Menschen gewährt hat. Und das uneingeschränkt.
So endet das Gleichnis mit den bekannten Worten Jesu: „Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.“
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
In manchen Kaffees kann man einen Pharisäer bestellen. Serviert wird eine große Kaffeetasse mit einem weit sichtbaren Sahnehäubchen obendrauf. Der harmlose Pharisäer hat‘s in sich: außer Kaffee einen doppelten Cognac nämlich. Die Produktbezeichnung dürfte biblischen Ursprungs sein.
Im heutigen Sonntagsevangelium (Mt 23,1-12) geht es um die leibhaftigen Pharisäer zur Zeit Jesu. Allerdings sind sie mit der antiken Welt nicht ausgestorben. Sie leben auch heute mitten unter uns. Aber man muss schon näher hinschauen, um sie zu entdecken. Zu oft lässt man sich durch das Sahnehäubchen täuschen. Ganz besonders, wenn es um uns selber geht.
Wenn Sie das Letzte erstaunt, dann bleiben Sie dran, lesen Sie weiter und machen Sie sich Ihre eigenen Gedanken dazu.
Jesus meint unzweifelhaft nicht nur die Pharisäer seiner, sondern auch unserer Zeit, wo er sagt: „Die Schriftgelehrten und die Pharisäer haben sich auf den Stuhl des Mose gesetzt. Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach dem, was sie tun; denn sie reden nur, tun selbst aber nicht, was sie sagen. … Alles, was sie tun, tun sie nur, damit die Menschen es sehen: Sie machen ihre Gebetsriemen breit und die Quasten an ihren Gewändern lang, bei jedem Festmahl möchten sie den Ehrenplatz und in der Synagoge die vordersten Sitze haben, und auf den Straßen und Plätzen lassen sie sich grüßen und von den Leuten Rabbi – Meister – nennen.“
Wohl sind die heutigen Pharisäer weniger zu erkennen an breiten Gebetsriemen, langen Quasten und dem Bemühen um die vordersten Sitze in der Kirche. Das ist zeitbedingt. Wie eh und je bestehen unsere Sahnehäubchen allerdings weiterhin in gepflegten Geschäftsmanieren, klug formulieren Statements, höflichen Brief- und Kommunikationsformen bis hin zu vordergründiger Dienst- und Hilfsbereitschaft sogar denen gegenüber, die uns nahestehen.
Besonders im Letztgenannten wird etwas deutlich, wovon niemand ganz frei ist. Die jedem innewohnende Tendenz nämlich, der guten Imagepflege wegen Gutes zu tun. Nach dem Motto: Tu Gutes und damit vor allem Dir selber.
Hier haben wir ein Problem. Denn ganz falsch ist das ja nicht. Es gehört sogar unverzichtbar dazu, bestätigt zu werden. Mit der erfahrbaren Bestätigung, dass etwas richtig guttut, wird deutlich, dass man etwas Gutes und Richtiges getan hat. Ohne Erfüllung und Bestätigung im Guten würden wir das Gute gar nicht und erst recht nicht mit Ausdauer verrichten können.
Aber es gilt immer wieder darauf zu achten, dass man wirklich das Gute und nicht doch schon wieder sich selber sucht. Da driften wir Menschen immer wieder ab. Die Theologie erklärt das mit der Erbsünde. Obwohl der Christ durch die Taufe von ihr gereinigt wurde, wirkt sie auch im Getauften noch nach. Der üble Keim der ersten Sünde (Gen 3,5, „Ihr werdet wie Gott“) ist weiterhin der Keim jeder weiteren Sünde bis heute.
Der Mensch ist weiterhin geneigt, mehr sich selber zu suchen und um sich selber zu kreisen, als der guten Sache und dem Gut der anderen zu dienen. Das ist überraschend oft die Ursache für eine falsche Verdächtigung, eine ungerechte Anklage und Verurteilung, für die Spaltung untereinander und in der Folge dann auch in sich selber. Der Mensch neigt dazu, Gott zu spielen. In seiner Beschränktheit merkt er gar nicht, dass er das gar nicht vermag, sondern dadurch nur alles auf sich selber bezieht und aus einer verirrten Perspektive wahrnimmt, beurteilt und kritisiert.
Die Antwort Jesu lautet (Mt 23,7-10): „nur einer ist euer Vater, der im Himmel … nur einer ist euer Lehrer, Christus … nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder.“
(Pfarrer Dr. Volker Hildebrandt) - St. Pantaleon - Fatima Madonna
Am 13. Oktober waren es 100 Jahre her, dass in dem kleinen abgelegenen portugiesischen Ort Fatima im Jahre 1917 drei kleine Hirtenkinder Maria erschien. Längst gehört Fatima zu einem der wichtigsten Wallfahrtsorte der katholischen Kirche.
Aus diesem Anlass geben wir auch in dieser und den nächsten Pfarrnachrichten eine gute Darstellung zu Fatima aus einer gratis-extra Ausgabe des PURmagazin (Fe-Medienverlag, Hauptstraße 22, D-88353 Kissleg) wieder.
--------------------------------------------------------------------------------------------------- Die ersten Ereignisse in Fatima werden schnell in weitem Umkreis bekannt. Der zuständige Bezirksvorsteher glaubt an einen von der Kirche inszenierten Schwindel und lässt wenige Stunden vor der vierten Erscheinung am 13. August die Kinder ins Gefängnis werfen. Draußen in der Cova da Iria warten derweil 20.000 Menschen vergeblich. Mit zermürbenden Verhören und der Androhung eines qualvollen Todes versuchen kirchenfeindliche Funktionäre die Kinder zur Leugnung der Erscheinungen zu bewegen. Doch die bleiben standhaft. Lieber möchten sie sterben, als „die schöne Frau verraten“. Nach zwei Tagen werden sie entlassen. Der Versuch, sie in Widersprüche verwickeln oder zum Widerruf bewegen zu können, scheitert. Maria erscheint den Kindern dann ein viertes Mal am 19. August 1917 und bittet wieder um Gebet und Opfer für die armen Sünder. Auf Lucias Bitte, doch ein Wunder zu tun, damit die Leute glauben könnten, antwortet die Dame: „Ja, ich werde im Oktober ein Wunder wirken, damit alle an meine Erscheinung glauben ... ihr werdet den heiligen Josef mit dem Jesuskind sehen, die der Welt den Frieden geben wollen. Ihr werdet unseren Herrn sehen, wie er die Welt segnet, ihr werdet auch Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz und Unsere Liebe Frau von den sieben Schmerzen sehen. Auch bei ihrer fünften Erscheinung am 13. September bittet die Jungfrau Maria um das Gebet für die armen Sünder und den Frieden der Welt.
------------------------------------------------------------------------------------------------------- 13 Jahre nach dem dann eingetretenen und glaubhaft bezeugten Sonnenwunder und nach gründlicher Prüfung aller dieser Ereignisse wurden die Erscheinungen von Fatima von der katholischen Kirche offiziell anerkannt. – Auf Fragen wie: Ist Maria wirklich in Fatima erschienen? Wie kann der Rosenkranz Frieden schaffen? usw. antwortete der Kölner Pfarrer Ulrich Filler u.a. den folgenden Fragen des PURmagizin. PUR: Als Mittel für den Frieden und die Bekehrung der Sünder empfiehlt die Muttergottes in Fatima das tägliche Rosenkranzgebet. Wie und warum soll es das Rosenkranzgebet schaffen, dass Friede und Umkehr unter den Menschen Einzug halten?
Pfr. Ulrich Filler: Der heilige Papst Johannes Paul II. lehrt in seinem Schreiben „Rosarium Virginis Mariae” (Der Rosenkranz der Jungfrau Maria): „Tatsächlich ist der Rosenkranz, wenn auch von seinem marianischen Erscheinungsbild her charakterisiert, ein zutiefst christologisches Gebet.“ Seiner Natur nach ist er auf den Frieden ausgerichtet: „Das ergibt sich aus der Tatsache, dass dieses Gebet in der Betrachtung Christi, des Fürstens des Friedens, besteht, der ‚unser Friede‘ ist (Eph 2,14). Wer das Christusgeheimnis verinnerlicht – und genau darauf zielt der Rosenkranz ab –, eignet sich das Geheimnis des Friedens an und macht es zu seinem Lebensentwurf.” Der Rosenkranz übt einen „friedensstiftenden Einfluss” auf den Beter aus und macht ihn bereit, „den wahren Frieden, der das besondere Geschenk des Auferstandenen ist, in seiner Umgebung weiterzuschenken.” Durch das Beten des Rosenkranzes werden wir zu „Friedensstiftern in der Welt.
- St. >Pantaleon - Fatima Madonna
Am 13. Oktober sind es 100 Jahre her, dass in dem kleinen abgelegenen portugiesischen Ort Fatima im Jahre 1917 drei kleine Hirtenkinder Maria erschien. Längst gehört Fatima zu einem der wichtigsten Wallfahrtsorte der katholischen Kirche. In St. Pantaleon befindet sich eine gelungene Darstellung der Gottesmutter von Fatima. Von Kitsch kann keine Rede sein. Aus diesem aktuellen Anlass geben wir in dieser und den nächsten Pfarrnachrichten in großen Auszügen eine überzeugende Darstellung von Fatima einer gratis-extra Ausgabe des PURmagazin (Fe-Medienverlag, Hauptstraße 22, D-88353 Kissleg) wieder.
--------------------------------------------------------------------------------------- Was geschah in Fatima? – Um die Mittagszeit des 13. Mai 1917 hüten Lucia (10 Jahre) und die Geschwister Jacinta (7) und Francisco (9) nahe ihrem kargen Dörfchen Fatima in der Cova da Iria im Herzen Portugals die Schafe. Plötzlich sehen sie einen mächtigen Blitzstrahl aus dem wolkenlosen Himmel fahren und über einer kleinen Steineiche ein helles Licht, das eine „wunderschöne Frau“ umstrahlt. Die Erscheinung schwebt über der Eiche und beruhigt die Kinder mit sanfter Stimme: „Habt keine Angst! Ich werde euch nichts antun!” Ein unglaublicher Anblick. Lucia wagt zu fragen: „Woher seid Ihr?” – „Ich komme vom Himmel!” – „Und was wollt Ihr?” – „Ich bin, gekommen, euch zu bitten, dass ihr sechsmal nacheinander jeweils zur selben Stunde am 13. jeden Monats hierherkommt. Dann werde ich euch sagen, wer ich bin und was ich von euch will.“ Abschließend bittet die „schöne Frau” die Kinder, täglich den Rosenkranz zu beten und alle Schwierigkeiten und Leiden Gott als Opfer darzubringen, um die Bekehrung der Sünder und den Frieden der Welt zu erlangen.
Als die Kinder nach Hause kommen, erzählen sie aufgeregt von ihrem Erlebnis. Doch niemand will ihnen glauben. Weil sie aber daran festhalten, sind sie von nun an Spott und Drohungen ausgesetzt.
Weitere Erscheinungen – Die Jungfrau erscheint – wie versprochen – auch in den folgenden fünf Monaten. Bei der zweiten Erscheinung am 13. Juni 1917 erfahren die Kinder, dass Jacinta und Francisco bald sterben werden. Lucia werde noch länger leben: „Jesus will sich deiner bedienen, damit ich mehr erkannt und geliebt werde.“ Zur dritten Erscheinung am 13. Juli 1917 strömen schon 3.000 Neugierige mit den Kindern in die Cova da Iria. Aber niemand – außer den Kindern – sieht die Erscheinung. Die Umstehenden hören nur einen Donnerschlag und sehen ein weißes Wölkchen, welches die Kinder umgibt. Die „schöne Frau” indes wiederholt ihre Bitten, täglich den Rosenkranz zu beten, und verspricht für Oktober ein Wunder, damit alle glauben könnten. …
----------------------------------------------------------------------------------------- 13 Jahre nach dem dann eingetretenen und glaubhaft bezeugten Sonnenwunder und nach gründlicher Prüfung aller dieser Ereignisse wurden die Erscheinungen von Fatima von der katholischen Kirche offiziell anerkannt. – Auf Fragen wie: Ist Maria wirklich in Fatima erschienen? Wie kann der Rosenkranz Frieden schaffen? usw. antwortete der Kölner Pfarrer Ulrich Filler u.a. den folgenden Fragen des PURmagizin. PUR: Viele Menschen haben ein Problem damit zu glauben, dass die Muttergottes wirklich vom Himmel auf die Erde kommt und Botschaften gibt, so wie in Fatima geschehen. Können Sie diese Schwierigkeiten verstehen?
Pfr. Ulrich Filler: Absolut. Es ist wirklich eine irre, phantastische Geschichte, die normale Erfahrungen übersteigt und sprengt. Übrigens auch die eines gläubigen Christen. Wer von uns hat schon mystische Glaubenserfahrungen, Erscheinungen der Muttergottes oder der Heiligen? Wenn Menschen von solchen Erfahrungen berichten, ist die Kirche zu Recht zunächst sehr skeptisch. Es braucht ein langes, aufwändiges Verfahren, bis die Kirche entscheidet: Diese Vision entspricht dem katholischen Glauben, sie ist als authentisch zu betrachten und kann – muss aber nicht – von den Gläubigen als Möglichkeit, als Bereicherung für das eigene christliche Leben genutzt werden. Als Christen glauben wir an einen Gott, der Mensch geworden ist, der sich einmischt, der gegenwärtig ist und handelt, der mich berührt und verwandeln möchte. In der Kirche und ihren Sakramenten ist Jesus Christus gegenwärtig und will mir begegnen – auch das ist manchmal schwierig zu glauben. Christus sagt im Evangelium: „Alles kann, wer glaubt.“ – Bitten wir mit dem Vater, der Heilung für seinen Sohn erhofft: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ (Mk 9,23f)
PUR: Unser Glaube sagt, dass die Offenbarung mit der Bibel abgeschlossen ist. Wozu noch Marienerscheinungen?
Pfr. Ulrich Filler: Offenbarung, Selbstmitteilung Gottes bedeutet: Gott offenbart sich nach und nach dem Volk Israel und zeigt ihm seinen Willen. Der Höhepunkt der Offenbarung Gottes ist seine Menschwerdung in Jesus Christus. Mit Christus und den Aposteln ist die Offenbarung Gottes abgeschlossen. Sie ist gegenwärtig in der Kirche und ihren Sakramenten und kann nicht mehr ergänzt oder verbessert werden. Es ist aber möglich, dass Gott sich daneben einem Einzelnen offenbart, sei es, um einen bestimmten Aspekt der allgemeinen Offenbarung zu betonen, sei es, um in einer bestimmten Situation zu einer Entscheidung zu raten. In einer Privatoffenbarung können Jesus, die Heiligen, Engel oder die Gottesmutter in übernatürlicher Weise erscheinen. Berühmte Privatoffenbarungen neben Fatima sind z. B. die der Gottesmutter im französischen Lourdes an Bernadette Soubirous (1858) oder an den Indio Juan Diego Cuauhtlatoatzin in Mexico (1531). Unser Katechismus lehrt: Die Privatoffenbarungen „sind nicht dazu da, die endgültige Offenbarung Christi zu ‚vervollkommnen‘ oder zu ‚vervollständigen‘, sondern sollen helfen, in einem bestimmten Zeitalter tiefer aus ihr zu leben.“ (KKK 67) - Erntedank 2017 St. Pantaleon
Der diesjährige erste Oktober wird in vielen Pfarreien als Erntedank gefeiert. Man soll ja mindestens so oft „danke“ sagen wie man „bitte“ gesagt hat. Zu oft wird diese Grundregel vergessen und außer Acht gelassen.
Das Wort "Danke" kommt etymologisch von "Denken". Das Wort „Danke“ drückt demnach etwas aus, was durchdacht ist. Im Wort „Danke“ wird des Näheren eine Erfahrung reflektiert, genauer eine Empfindung, die das Denken dann richtig einordnet.
Es gibt viele ganz verschiedene Empfindungen, je nach Situationen, auf die man mit dem Wort „Danke“ in seiner deshalb vielfältigen Bedeutung reagieren kann. Das reicht vom ironischen „Danke“ über ein verärgertes „Danke, das reicht“ bis hin zu tief empfundener Dankbarkeit. Mit dem „Danke sagen“ am Erntedank ist natürlich letztere gemeint.
Zugleich erinnert uns das Evangelium des 26. Sonntages an die Haltung der „Reue“. Reue ist die Wahrnehmung eines inneren Schmerzes, verursacht durch die Einsicht, etwas falsch gemacht zu haben. Dieser innere Schmerz wird unmittelbar ausgedrückt in der bekannten Redeweise: „Es tut mir leid.“
Dank und Reue sind natürlich zwei ganz verschiedene innere Wahrnehmungen. Aber am heutigen Sonntag werden wir an beide erinnert. Und beide sollte man kultivieren. Sie gehören zum „guten Ton“. Sie schaffen einen guten Ton, einen guten Umgang miteinander und eine gute Atmosphäre. Sie gehören auch unverzichtbar zum Glauben dazu. Der Mensch lebt nicht nur in Beziehung zu anderen und zu sich selber. Er steht auch in einer Beziehung zu Gott.
So erzählt Jesus das Gleichnis von den zwei ungleichen Söhnen (Mt 21,28-32). Wörtlich lesen wir bei Matthäus: „Ein Mann hatte zwei Söhne. Er ging zum ersten und sagte: Mein Sohn, geh und arbeite heute im Weinberg! Er antwortete: Ja, Herr!, ging aber nicht. Da wandte er sich an den zweiten Sohn und sagte zu ihm dasselbe. Dieser antwortete: Ich will nicht. Später aber reute es ihn, und er ging doch.“
Wer kennt das nicht? Man bittet jemanden um etwas, und der verspricht, das Erbetene zu tun, unterlässt es aber, weil er es vergisst, oder weil es ihm nicht wichtig ist. Und auch das kennen wir: Man bittet jemanden um etwas. Der aber sagt „nein“. „Ich kann nicht.“ „Ich habe keine Zeit.“ Oder so etwas Ähnliches. Aber dann tut er es doch. Weil er es sich anders überlegt hat. Weil es ihn reut, uns etwas abgeschlagen zu haben. So ist es auch in dem Gleichnis von den beiden ungleichen Söhnen im Evangelium nach Matthäus.
Jeder macht Fehler. Aber entscheidend ist nicht das „Ja” oder das „Nein” der beiden ungleichen Söhne. Entscheidend ist das Bereuen, die Reue, die Umkehr. Der erste Sohn hat „Ja” gesagt, aber dann doch nicht entsprechend gehandelt. Er bereut nichts. Der zweite Sohn hat „Nein” gesagt, aber dann dieses „Nein” bereut und den Willen des Vaters erfüllt.
Wie das Wort „Danke“ ist auch das Wort „Reue” ein ganz altes deutsches Wort. Es bedeutet Betrübnis oder Unzufriedenheit. Wer Reue empfindet, der ist betrübt – der ist traurig – über sein eigenes zurückliegendes oder bisheriges oder noch andauerndes Verhalten. Er möchte das, was er getan oder unterlassen hat, ungeschehen machen oder jetzt doch noch verrichten. Wie der Sohn, der „Nein” gesagt hat. Er bereut dieses „Nein” und die unterlassene Arbeit im Weinberg. Nach seiner Reue verrichtet er diese dann.
Reue ist zugleich immer auch Umkehr. Der Sohn, den das „Nein” reut, kehrt um von seiner Ablehnung und geht dann zu der ihm aufgetragenen Arbeit in den Weinberg. – Jesus sagt im Anschluss an das Gleichnis zu den Hohenpriestern und Pharisäern: „Ihr habt nicht bereut und nicht geglaubt”.
Wo Glaube ist, da ist auch Reue. Und wo vermeintlich Glaube aber keine Reue ist, da ist nicht wirklich Glaube an Jesus Christus, unseren Herrn und Erlöser. Da ist bestenfalls Meinung, dass Jesus ein interessanter Kerl ist. Ähnlich ist es mit dem Dank. Wirklichen Glauben gibt es nur dort, wo jemand Gott und seinem menschgewordenen Sohn zutiefst, das heißt existentiell dankbar ist.
Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
Wer Gott nicht ablehnt, geht gewöhnlich davon aus, dass Gott gerecht ist. Aber was genau ist damit gemeint? Muss deshalb jeder von Gott das Gleiche bekommen? – Offenbar nicht. Denn es gibt Große und Kleine, Gesunde und Kranke, besonders Kluge und nur durchschnittlich Begabte. Die von Gott empfangenen Gaben sind sehr unterschiedlich verteilt. Das ist Schöpfungsrealität.
An diesem Sonntag hören wir das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1-16a). Darin wird deutlich, in welcher Weise Gott gerecht ist: „Ein Gutsbesitzer verließ früh am Morgen sein Haus, um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben.“ Zunächst stehen alle Tagelöhner, die er anspricht, gleich da: „Er einigte sich mit den Arbeitern auf einen Denar für den Tag und schickte sie in seinen Weinberg.“
Diese werden am Abend ausreichend Geld haben, um sich und ihre Familie zu ernähren. Sie alle leben als Tagelöhner zwar von der Hand in den Mund. Aber wenn sie gleich am frühen Morgen Arbeit gefunden haben, dann verdienen sie so viel, dass es reicht und sie gut auskommen.
Aber nicht alle haben Arbeit. Die zweiten bis hin zu den letzten müssen warten und hoffen. Vielleicht werden sie doch noch angeworben. – Nun gibt es im Weinberg viel zu tun. So spricht der Gutsbesitzer um die dritte, sechste und neunte Stunde jeweils neue Arbeiter an. Anders als mit den ersten vereinbart er mit ihnen aber keinen festen Lohn. Er sichert ihnen nur zu: „Ich werde euch geben, was recht ist.“
Die Arbeitsleistung der später Hinzugekommen ist deutlich geringer. Sie können froh sein, überhaupt Arbeit gefunden zu haben. Und sie können nur hoffen, mit einem Gnadenlohn überleben zu können.
Sogar eine Stunde vor Feierabend, zur elften Stunde kurz vor Einbruch der Dunkelheit, holt der Gutsbesitzer noch einmal Arbeiter in seinen Weinberg. Das kommt selten vor. Zu so später Stunde findet man gewöhnlich keine Arbeit mehr.
Anders als mit den ersten redet der Gutsbesitzer mit diesen Letzten sogar noch über ihre persönliche Situation: „Was steht ihr hier den ganzen Tag untätig herum? Sie antworteten: Niemand hat uns angeworben. Da sagte er zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg!“ Der Gutsbesitzer nimmt sich ihrer als Mensch und Person an. Für ihn sind es nicht einfach die Letzten und Arbeitsschwachen, die keiner mehr will.
Am Ende ist das Erstaunen groß: An alle wird der Lohn eines Tagelöhners ausgezahlt: Ein Denar. Der Lohn ist für alle gleich.
Wer mehr verdient hätte, wäre überbezahlt. Denn genau ein Denar wurde doch mit den Ersten vereinbart. Es ist der damals allgemein übliche Tagessatz für einen Tag Arbeit. Dieser Lohn war ausreichend. Damit konnten ein Tagelöhner und seine Familie gut über die Runden kommen. Mit weniger als einem Denar hätte man jedoch nicht gut leben können.
Ist das ungerecht? Die im Gleichnis den ganzen Tag gearbeitet haben, empfinden das jedenfalls so. Sie wurden als Letzte ausbezahlt und erhofften, nun mehr als vereinbart zu bekommen. „Da erwiderte der Gutsherr einem von ihnen: Mein Freund, dir geschieht kein Unrecht. Hast du nicht einen Denar mit mir vereinbart? Nimm dein Geld und geh! Ich will dem letzten ebenso viel geben wie dir. Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will? Oder bist du neidisch, weil ich zu anderen gütig bin?“
Gottes Gerechtigkeit ist größer als viele vordergründig denken. Gottes Gerechtigkeit ist vor allem gütige Gerechtigkeit. Um sie zu erfahren muss man sich allerdings auf Gottes gütige Gerechtigkeit einlassen und Gott glaubend vertrauen. Aber dann begreift und erfährt man schon im irdischen Leben, dass mehr Glück und Erfüllung für einen persönlich gar nicht möglich sind.
Glaube ist nicht Opium, wie Karl Marx meinte, das den einfachen Mann nur vernebelt und unterwürfig hält. Glaube ist hingegen nüchterne und treffsichere Realitätswahrnehmung. Gott gibt den Seinen so viel, dass sie schon zu Lebzeiten nicht mehr zu übertreffendes Glück und Erfüllung erfahren. Das setzt aber Praxis im Glauben voraus. Ohne gelebten Glauben bleibt das eine nur schwer nachvollziehbare Behauptung. Wer aber glaubt und danach lebt, der erfasst dann auch schon im irdischen Leben zunehmend, was dieses Glück und diese Erfüllung mit Blick auf die Ewigkeit bedeuten.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
Diesen Sonntag gibt uns das Matthäusevangelium grundlegende Orientierung zum Thema Vergebung. Sie ist unverzichtbar für jede Gemeinschaft. Jeder von uns wird immer wieder schuldig und ohne Vergebung schließt jeder den anderen unwiderruflich und hoffnungslos aus. Die Gemeinschaft zerbricht und hört auf. Das schmerzhafte Scheitern vieler Ehen ist oft auf die Unfähigkeit zu vergeben zurückzuführen.
Offen schreibt ein Mann im Internet: »Ich bin in einer Ehe, wo meine Frau mir aus meiner Sicht geringste Kleinigkeiten nicht verzeiht. Ich rede von Kleinigkeiten, nicht vom Seitensprung o.ä. … Meine Fehler werden mir noch nach Jahren vorgehalten. Ich entschuldige mich, aber es wird „Wiedergutmachung“ eingefordert … Das Resultat nach 26 Jahren Ehe: alles zerrüttet. Über mich wird ein „Schwarzbuch der Missetaten“ geführt. Ich ziehe nun aus. Kein Verzeihen, keine Vergebung selbst kleinster Dinge.“
Und von einer Frau ist dort zu lesen: »Gestern Abend (wieder) Streit! Ich habe mich respektlos behandelt gefühlt, im Stich gelassen, bin erniedrigt worden. Er entschuldigt sich, ruft mich an, schreibt Nachrichten, bedauert sein Verhalten zutiefst. Es fällt mir nicht schwer, ihm zu verzeihen; ich habe mehr ein Problem mit der Tatsache, dass er mich respektlos behandelt. Ich verzeihe ihm, ja! Nur die Schwierigkeit ist, ihm WIRKLICH zu verzeihen, sodass … ich keine Wut mehr in mir habe. Es geht immer ein Teil in mir kaputt. Ich stelle anschließend die Frage, ob er wirklich DER Mann an meiner Seite sein kann. … Warum behandelt er mich immer so respektlos? … Vielleicht bin ich gar nicht in der Lage, ihm zu verzeihen, selbst wenn ich es sage!? Ich weiß es nicht, meine Gedanken sind durcheinander, bin sehr verwirrt. Ich muss nachdenken.«
Petrus fragt den Herrn (Mt 18,21): »Wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versündigt? Siebenmal?« Auf die Frage »wie oft?« nimmt Petrus die Antwort gleich vorweg: »Siebenmal?«
Die jüdischen Rabbiner kannten das dreimalige Vergeben in gleicher Sache. Irgendwann, so scheint es, muss doch einmal Schluss damit sein. Man kann doch nicht immer wieder neu vergeben!
Petrus geht deutlich weiter: »Siebenmal?« Die Zahl »sieben« drückt Vollkommenheit aus. Die siebenmalige Vergebung ist also nicht nur rein numerisch, sondern als unbeirrbare Haltung zu verstehen, allem zum Trotz immer wieder neu zu vergeben. Eigentlich hätte der Herr dem zustimmen müssen. Er antwortet aber (Mt 18, 22): »Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal« – d.h. noch öfter und intensiver als immer und beständig.
Mit einem eindrucksvollen Gleichnis (Mt 18,23-35) verdeutlicht Christus, dass sich die Fähigkeit zur Vergebung – auch sie entgegen zu nehmen – zu einer Charaktereigenschaft entfalten muss. So wird Vergebungsfähigkeit zu einem immerwährenden Verhalten, das den eigenen Lebensstil zutiefst bestimmt. Vergeben ist ein Prozess, auch ein Lernprozess, der lebenslang dauert und nie aufhört.
Vergebung setzt voraus, eigene Fehler uneingeschränkt einzugestehen und die Verantwortung dafür zu übernehmen. Deshalb sollte es nie heißen: »Es tut mir leid, dass ich so reagiert habe, aber du hast mich auch provoziert!« Dieses »Aber« bewirkt, dass die wohlgemeinte Entschuldigung eher als Beschuldigung rüberkommt und Versöhnung unmöglich macht. Mit der Übernahme der vollen Verantwortung für den Bereich, wo man wirklich gefehlt hat, wächst die innere Stärke, die Konsequenzen zu tragen und neu zu beginnen.
Auch Wiedergutmachung will in diesem Zusammenhang gelernt sein: Wenn eine Frau ihren Fehler wieder gut machen möchte, indem sie ihrem Mann die Garage aufräumt, er ihre Hilfeleistung aber eher als Einmischung empfindet, wird die Aufräumaktion wohl einen weiteren Streit provozieren.
Der Gläubige weiß sich in allem Bemühen darum nie alleine. Gott öffnet neue Türen und zeigt ungeahnte Wege und Möglichkeiten.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
Im Evangelium von diesem Sonntag (Mt 18, 15-20) spricht Jesus sehr unterschiedliche Themen an, die der Evangelist Matthäus scheinbar etwas unzusammenhängend aneinandergereiht hat. Schaut man näher hin, dann hat Matthäus das alles in dieser Reihenfolge wohl bedacht zusammengestellt.
Am Anfang des Sonntagsevangeliums geht es um die christliche Zurechtweisung, die seit Beginn der Kirche in vielen Gemeinschaften und Gemeinden praktiziert wurde. Sie geht unmittelbar auf Jesus zurück, wie wir in diesem Evangelium erfahren. Die christliche Zurechtweisung wird deshalb auch in Zukunft praktiziert werden, wo Jesu Worte ernst genommen werden.
Jesus fordert seine Jünger auf: „Wenn dein Bruder sündigt dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen.“
Im Grunde weiß und spürt jeder, dass dies der Normalfall sein sollte. Leider werden zu selten Mut und Stärke aufgebracht, andere auf ein offensichtliches Fehlverhalten hinzuweisen und zur Rede zu stellen. Das sollte am Anfang offen und ehrlich, immer nur unter vier Augen und in wohlwollender Absicht geschehen. Stattdessen wird hinter dem Rücken der Betroffenen viel zu oft einfach nur schlecht geredet. Das heizt zusätzliche die Gerüchteküche an. Das Übel wird damit nicht behoben. Es wird nur noch schlimmer.
Wer aber das Glück hat, zurecht gewiesen zu werden ganz im Sinne des Herrn, der sollte dankbar schweigen und genau zuhören. Nur so kann er in Ruhe darüber nachdenken und dann zum Wohl aller positiv an sich arbeiten, sich verändern und verbessern. Auch hier sieht die Realität leider oft ganz anders aus. Auf ein Fehlverhalten angesprochen neigen viele dazu, sich sofort zu rechtfertigen. So wird man am Ende wie ein übler Krankheitserreger resistent gegen jeden Heilungsversuch. Und man schadet der Vitalität und Gesundheit des Ganzen, also der Gemeinschaft.
Nicht weniger übel ist die Strategie, dem anderen als Reaktion auf eine gut gemeinte Zurechtweisung einfach vor Augen zu führen, dass ja auch er alles andere als vollkommen ist. Und dass zwischen den beiderseitigen Defiziten womöglich ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Die richtige und notwendige Veränderung bleibt so auf der Strecke.
Deshalb geht Jesus einen Schritt weiter. Er macht Mut und zeigt einen interessanten Weg auf, um in der Komplexität menschlicher Fehlreaktionen nicht zu resignieren. Er sagt wörtlich mit Blick auf den wohlwollend und ehrlich Zurechtweisenden und den resistenten Zurechtgewiesenen: „Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Männer mit, denn jede Sache muss durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden. Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner.“
Die dargelegte Eskalation wird nicht nötig sein, wo die grundlegende Intention des Herrn verstanden, im Glauben vollzogen und im konkreten Tun realisiert wird. Über das rein Menschliche hinaus inspiriert Jesus die Gemeinschaft seiner Jünger zudem vom Himmel aus. Und deshalb werden „die Mächte der Unterwelt“, wie Jesus es zuvor formuliert hatte (Mt 16,18) diese Gemeinschaft „nicht überwältigen“.
Hier wird der innere Zusammenhang des Sonntagsevangeliums deutlich. Die Aufforderung Jesu zur christlichen Zurechtweisung verbindet Matthäus vom inneren Zusammenhang her mit Worten Jesu über die Besonderheit der christlichen Gemeinschaft, der Kirche: „Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein. Weiter sage ich euch: Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
- Die Kreuzigung des Heiligen Petrus - Caravaggio um 1601
Über den heiligen Petrus hat man gewöhnlich eine gute Meinung. Zugleich berichtet die Heilige Schrift von Augenblicke, in denen dieser Heilige schwach geworden ist. Im Sonntagsevangelium dieser Woche (Mt 16,21-27) spitzt sich dies sogar überraschend zu. Jesus weist nämlich Petrus wegen eines schwerwiegenden Fehlverhaltens äußerst scharf zurecht und nennt ihn dabei sogar „Satan“.
Erst kurz zuvor hatte Jesus den Petrus seliggepriesen. Das war in Caesaréa Philippi (vgl. Mt 16, 13-20). Dort hatte Petrus den Herrn auf seine Frage hin als „Messias und Sohn des lebendigen Gottes“ bekannt. Woraufhin Jesus erklärt: „Nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel.“ Diese Fügsamkeit dem heiligen Geist gegenüber war für Jesus der Anlass, Petrus in sein zukünftiges Amt einzusetzen: „Du bist Petrus – der Fels –, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.“
Unmittelbar darauf aber scheint Petrus nicht nur „von allen guten Geistern“, wie wir sagen, sondern vor allem vom Geist Gottes verlassen. Jesus hatte nämlich damit begonnen, „seinen Jüngern zu erklären, er müsse nach Jerusalem gehen und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten vieles erleiden; er werde getötet werden, aber am dritten Tag werde er auferstehen.“ Daraufhin tanzte Petrus, auch im eigentlichen Sinn des Wortes, aus der Reihe.
Damals war es üblich, dass der Lehrer als Meister voranging und alle Schüler schön diszipliniert hinter ihm. Das wird auch im lateinischen Wort für Schüler deutlich: „discipulus“. Das sind Menschen, die diszipliniert sind. Als Jesus über seinen bevorstehenden Tod sprach, so führt der Evangelist es anschaulich aus, „nahm ihn Petrus beiseite und machte ihm Vorwürfe; er sagte: Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht geschehen!“
Das ist ja schon physisch nur dadurch möglich gewesen, dass Petrus seinen Platz als Schüler hinter dem Meister verließ. Damit verließ Petrus den für ihn – wie auch für uns – besten Platz. Der Evangelist führt uns Jesu Reaktion und Antwort darauf anschaulich nachvollziehbar vor Augen: „Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.“
Im Folgenden erklärt Jesus dann sehr klar in einem „Dreisatz“, was für den Heilige Petrus, und auch für jeden von uns, Voraussetzung ist für ein beglückendes und segensreiches Leben: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.“
Hier wird noch einmal deutlich, warum Petrus in seiner ersten Reaktion aus der Reihe getanzt war. Einer frommen Überlieferung nach bittet er seine Peiniger Jahre später dann ausdrücklich darum, mit dem Kopf nach unten gekreuzigt zu werden. Damit drückt er nun aus, dass er seinem Herrn nicht vorangehen, sondern ihm lediglich nur nachfolgen möchte.
Es sind insbesondere also drei Empfehlungen, die uns Jesus gibt: 1) sich selber verleugnen; 2) sein Kreuz auf sich nehmen und 3) ihm nachfolgen.
Sich selber verleugnen in dem Sinne, dass nicht Lust und Laune die Oberhand gewinnen. Dafür ist es hilfreich, voll Zuversicht an das Kreuz Jesu zu denken. Mit seinem Kreuz hat Jesus auch unser Kreuz auf sich genommen. Er trägt unsere Lasten. Und so werden sie für uns leichter. So bezeugt es schon das Alte Testament im Lied über den Gottesknecht (u.a. Jes 53,4). Dann bleiben wir in der Nachfolge Jesu und widerstehen der Versuchung auszuscheren und es scheinbar besser zu wissen.
Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
Wer als Christ leben möchte, weiß sich zu jeder Zeit herausgefordert. Der Abschnitt aus dem Sonntagsevangelium (Mt 16,13-20) kann dabei sehr hilfreich sein. Er berichtet über ein aufschlussreiches Gespräch Jesu mit seinen Jüngern. Es ereignete sich zudem ausgerechnet in Cesaréa Philippi. Die genaue Ortsangabe ist von Bedeutung, wie gleich erklärt wird.
Jesus fragte die Jünger also in Cesaréa Philippi: „Für wen halten die Leute den Menschensohn?“ Sie antworteten: „Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für Jeremia oder sonst einen Propheten.“ – Daraufhin fragt er sie erneut, jetzt allerdings: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“
Cesaréa Philippi war in der Antike ein berühmter heidnischer Wallfahrtsort. Auf einem grandiosen Felsmassiv stand eine riesige Tempelanlage. Die Ruinen davon sind noch heute sichtbar. Herodes der Große hatte diesen Tempelbezirk zu Ehren des Kaisers Augustus errichtet, aus Dank dafür, dass Augustus ihm die Stadt geschenkt hatte. Und der Sohn von Herodes wiederum, der Tetrarch Philippus, hatte hier die Hauptstadt seines Herrschaftsgebiets errichtet. Die Stadt wurde dann – wie auch andere Städte zur Zeit Jesu: z.B. Caesaréa Maritima an der Mittelmeerküste – zu Ehren des römischen Kaisers „Caesaréa“ benannt. Zur Unterscheidung von den anderen Orten mit dem gleichen Namen erhielt sie noch den Namenszusatz „Philippi“. Damit wollte dann wohl der Tetrarch Philippus auch sich verewigen.
Zu all dem gab es in Cäsaréa Philíppi eine weitere Attraktion: das Heiligtum des griechischen Gottes Pan. Mittelpunkt war eine riesige, dunkle Höhle inmitten des imposanten Felsens. In Felsnischen standen zusätzlich noch Figuren weiterer Gottheiten.
Dieser Gott Pan wurde für all das angerufen, was nicht in den Zuständigkeitsbereich der anderen Götter fiel. Im Grunde wurde der Gott Pan für alles Mögliche und Unmögliche um Hilfe angerufen. Er war im Zweifelsfalle für alles zuständig. Täglich strömten Pilger in langen Prozessionen zu diesem allzuständigen Gott.
In diesem Ambiente heidnischer Vielgötterei, Götzenverehrung und Aberglaube war es nicht mehr verwunderlich, dass ein weltmännischer Kaiser Augustus sich als „Sohn Gottes“ anreden ließ. Münzen und Inschriften belegen es. Seine Nachfolger taten gleiches. Auch sie ließen sich nach dem Tod ihres „Kaiservaters“ „Sohn Gottes“ nennen.
Jesus und seine Jünger standen also nur wenige Meter entfernt vom Zentrum heidnischer Götzenverehrung auf der einen und damit korrespondierend auf der anderen Seite weltlich-mondän-überheblicher Vergänglichkeit. Im Gegensatz zu den vielen irrigen Meinungen über Jesus erklärt Petrus: „Du bist der Messias“, der Gesandte, der Erlöser und Heiland der Welt. Du bist nicht „Sohn“ eines angeblich göttlichen, in Wirklichkeit aber sterblichen Kaiser-Vaters. Du bist vielmehr „der Sohn des lebendigen Gottes.“
Stärker kann der Kontrast nicht sein. Und es ist nicht eine subjektive Meinung oder persönliche Weltanschauung bzw. Lebensbewältigungsstrategie, die der heilige Petrus hier zum Besten gibt. Was er über Jesus sagt steht nicht gleichberechtigt neben den sonstigen heidnischen Anschauungen und weltlichen Gepflogenheiten. Jesus als „der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ überragt alles Bisherige. Ausdrücklich sagt Jesus zu Petrus: „Nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel.“
Darauf folgen die Einsetzung des Petrusamtes und die Bestätigung der Kirche: „Ich aber sage dir: Du bist Petrus – der Fels –, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.“
Petrus, seine Nachfolger und mit ihnen die Kirche sind fortan die Garantie für die richtige Antwort auf die große Frage der Menschen, wie wir selig werden; wie wir glücklich Heil und erlösende Befreiung finden.
An gerader dieser Stelle mit der riesigen dunklen Höhle, der heidnischen Tempelanlage und der Ballung irdischer Macht kann man sich die „Mächte der Unterwelt“ gut vorstellen, von denen Jesus spricht. Die damaligen Götter und Götzen sind alle untergegangen. Die Kirche aber lebt.
Die alten Götter leben aber in den neuen Göttern und Götzen unserer Zeit weiter. Von daher sind die zwei Fragen Jesu auch heute für jeden wichtig. Besonders entscheiden ist dann die Antwort auf die zweite Frage: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich.“ In enger Verbundenheit mit der Kirche und ihrer Lebenspraxis fällt die Antwort immer richtig aus.
Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
- Rembrandt, Jesus rettet den sinkenden Petrus (um 1632/33, London, British Museum)
Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!
Wie ein roter Faden zieht sich durch alle drei biblische Lesungen vom 19. Sonntag im Jahreskreis - obwohl sie sehr unterschiedlich sind - die Bedeutung der Begegnung des Menschen mit Gott hindurch.
Indirekt wird der Zuhörer ermutigt, die Begegnung mit Gott allen Schwierigkeiten zum Trotz zu suchen und zu erproben, und darin nicht nachzulassen. Denn vor allem aus dieser Begegnung, die dann als Geschenk auch gelingt, lässt Gott sein Heil auf den Menschen übergehen. Ohne diese Begegnung verliert sich der Mensch. Er lebt dann an Gott vorbei und geht am Ende im Alltäglichen unter.
In diesem Sinne begegnet der Prophet Elija Gott im „sanften, leisen Säuseln“; nicht aber im heftigen Sturm. Auch nicht im Erdbeben oder im Feuer. Diese gehen dem Herrn nur voran, wie es im ersten Buch der Könige (19,19a.11-13a) heißt. Aber „in“ ihnen ist er nicht. Ähnliches wird uns, anschaulich erlebt und erfahren, im Evangelium (Mt 14,22-33) erklärt.
Im Anschluss an einer der Brotvermehrungen hatte Jesus die Jünger aufgefordert, an das andere Ufer vorauszufahren. Dann schickte Jesus auch alle andern nach Hause. Ganz alleine „stieg er auf einen Berg, um in der Einsamkeit zu beten.“ Als das Boot mit den Jüngern schon weit entfernt war, wurde es „von den Wellen hin und hergeworfen; denn sie hatten Gegenwind.“ Schließlich ging Jesus über den See auf sie zu. Sie aber erschraken und hatten große Angst. „Sie meinten, es sei ein Gespenst.“
Jesus konnte die Jünger beruhigen. Daraufhin bat Petrus, „auf dem Wasser“ zu ihm kommen zu dürfen. Sofort antwortet ihm Jesus und forderte ihn schlicht und einfach dazu auf: "Komm!" Nach den ersten sicheren Schritten auf dem Wasser achtet Petrus wohl nur noch darauf, „wie heftig der Wind war. So bekam er Angst und begann unterzugehen.“ Dass Jesu ihn schlicht und einfach dazu aufgefordert hatte, zu ihm zu kommen, hatte er wohl schon fast wieder vergessen und gar nicht mehr so richtig vor Augen.
Auch in der zweiten Lesung geht es um die Fülle der Begegnung mit Gott. Der Heilige Paulus wäre bereit, alle Übel auf sich nehmen, wenn dafür sein Volk und seine Brüder zur endgültigen Begegnung mit Gott durch Christus finden würden.
Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
- Gleichnis vom Schatz im Acker - Rembrandt oder Gerard Dou - um 1630
Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!
An diesem 17. Sonntag im Jahreskreis erklärt Jesus mit drei bekannten Gleichnissen das Himmelreich (Mt 13,44-52). Im ersten vergleicht er es mit einem Schatz, den ein Mann ganz unerwartet in einem Acker entdeckt. Vielleicht wurde dieses überraschende Glück einem Tagelöhner zuteil, der dort seine eintönige Alltagsarbeit verrichtete. Schnell „grub er ihn aber wieder ein. Und in seiner Freude verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte den Acker.“
Das zweite Gleichnis ist diesem ähnlich. Fügt aber, das erste ergänzend, einen wichtigen Akzent hinzu. Jesus vergleicht das Himmelreich nun „mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte sie.“
Das dritte Gleichnis lenkt den Blick auf den Himmel als endgültige Zukunft. So „ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Netz, das man ins Meer warf, um Fische aller Art zu fangen.“ Nachdem die guten Fische ausgesondert und in Körben gelegt sind, werden die schlechten „den Ofen geworfen, in dem das Feuer brennt. Dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen.“
Zum einen betont das erste Gleichnis, dass Gott immer unerwartet und unaufgefordert den ersten Schritt tut. Er schenkt überraschend und auch großzügiger als je gedacht. Es wäre aber falsch, deshalb die Hände in den Schoß zu legen. „Dann mach mal, lieber Gott“, wäre eine missverstandene und falsche Schlussfolgerung. Als unverzichtbare Ergänzung setzt deshalb das zweite Gleichnis einen Akzent auf den unentwegt Suchenden.
Ein wirklich Suchender betet regelmäßig. Und wenn er die Botschaft Jesu etwas besser kennt, dann nimmt er zumindest sonntags auch am Gottesdienst teil und empfängt regelmäßig die Sakramente. Nach Jesu Worten (vgl. Mt 7,8 und Lk 11,10) findet, wer sucht. Und es wird geöffnet, wenn jemand anklopft. „Denn wer bittet, der empfängt“ (s.o.). Dass Gott an unser Suchen, Anklopfen und Bitten nicht gebunden und darauf nicht angewiesen ist, verdeutlicht das erste Gleichnis. Dass wir aber darauf nicht verzichten dürfen, erklärt ausdrücklich das zweite und implizit das dritte Gleichnis.
Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
- 80 Jahre Opus Dei
- Segnung des Altars vom Hl. Josefmaria Escrivá
- Verabschiedung bei seinem letzten Besuch in St. Pantaleon am 10. Juni 2017 anlässlich einer Pilgermesse für dii Pfarrei St. Peter und Paul aus Kranenburg
Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!
In den letzten Tagen haben wir vielfältig Abschied genommen von unserem verehrten Alt-Erzbischof, Joachim Kardinal Meisner. Schon in meiner Zeit in Berlin habe ich ihn kennenlernen dürfen. Zwei Dinge sind mir aus diesen Jahren unvergesslich geblieben.
Zum einen hat er wiederholt von einem weißen Blatt Papier erzählt, das er am Vorabend seiner Priesterweihe mit Ort und Datum unterschrieben habe. Es sei ein Blankoscheck für Gott, der fortan das eintragen und ihm abverlangen könne, was er wolle. Dieser Blankoscheck habe in seiner Schreibtisch-Schublade einen festen Platz. Wenn ihn etwas zermürbe, dann hole er diesen Blankocheck hervor und begebe sich mit der von Gott zugelassenen Herausforderung ganz in dessen Hand.
Dazu passt die zweite Erinnerung. Monate vor seinem Wechsel nach Köln hat er vor uns Priestern vehement dementiert, dass er die Bischofsnachfolge in Köln antreten würde. Mit äußerstem Nachdruck und in sich völlig konsequent hat er uns dargelegt, warum er als Bischof der damals noch getrennten Stadt Berlin auf keinen Fall verlassen könne. Sinngemäß fügte er hinzu: Deshalb werdet ihr mich einmal im märkischen Sand beerdigen und nirgendwo anders.
Dass er dann wenige Wochen später dennoch nach Köln ging, hat sicher mit diesem Blankoscheck und dann auf jeden Fall mit Papst Johannes II. zu tun.
Nun hat der Herr sich ein letztes Mal dieses Blankoschecks bedient. Diesmal, um nicht nur etwas, sondern sein ganzes Leben zu fordern. Aber eben so, wie Gott die Seinen fordert. Und dazu sichtbar mit dem Stunden-Gebetbuch in der Hand.
Kardinal Meisner war oft in St. Pantaleon. Er hat die Kirche all ihrer Besonderheiten wegen sehr geliebt. Darüber hinaus hat er mit zahlreichen Besuchen seine Wertschätzung gegenüber dem Opus Dei gerne und uneingeschränkt zum Ausdruck gebracht. Wir werden seiner auch zukünftig im Gebet besonders gedenken.
Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
- Bilder vom Familienfrühlingsfest im Innenhof von St. Pantaleon vor zwei Wochen mit unserem Erzbischof, Kardinal Woelki – veranstaltet von der Aachener Siedlungs- und Wohnbaugesellschaft + KiTa
Nächsten Sonntag begehen wir unser jährliches Pfarrfest. Mit diesen Zeilen möchte ich Sie ganz herzlich dazu einladen. Zugleich bitte ich um Mithilfe, denn davon lebt das Pfarrfest: dass Viele mitanpacken und gemeinsam Freude haben.
Bei einem abwechslungsreichen Programm besteht zugleich reichlich Gelegenheit, sich auszutauschen und näher kennen zu lernen. Unser diesjähriges Pfarrfest ist zugleich Willkommensfest für die hier inzwischen mehrheitlich mit ihrer Familie wohnenden Flüchtlingen.
Das Pfarrfest beginnt mit der 10.00 Uhr-Familienmesse. Daran schließt sich die Prozession durch das Pantaleonsviertel an. In diesem Jahr gehen wir durch folgende Straßen:
Von der „Kirche St. Pantaleon“ -> „Am Weidenbach“ -> „Pantaleonswall“ -> „Waisenhausgasse“ -> „Martinsfeld“ -> „Schnurgasse“ bis zur Kirche der Karmelitinnen „Maria vom Frieden“: 1. Statio.
Von der Kirche „Maria vom Frieden“ zurück in die „Schnurgasse“ -> „Steinstaße“, -> „Am Trutzenberg“ -> „Vor den Siebenburgen“, und dann die kleine Strecke bis zur „Madonna am Weg“ (Kreuzung Waisenhausgasse, Trierer Str., Am Pantaleonsberg): kurze 2. Statio
Über die Straße „Am Pantaleonsberg“ zurück in die Kirche St. Pantaleon: 3. Statio
Gegen 12.00 Uhr geht es dann weiter im Innenhof. Die international bekannte Sängerin Sarah Ego wird das Fest mit Liedern aus dem Nahen Osten (u.a. das „Vater unser“ auf aramäisch, der Sprache Jesu) beginnen. Ein von Bibiana Jimenez einstudierter Willkommenstanz einiger unserer Kinder wird alle Anwesenden in Bewegung bringen. Die Tanz-Gruppe „Müllemer Junge“ setzt dann den rheinischen Akzent. Und der Medienkünstler, mein Namensvetter Volker Hildebrandt wird mit seinem Projekt „love pro toto“ vielleicht auch Sie ansprechen.
Neben einer Tombola werden das „Papiermond-Theater“ und unsere Erzieherinnen mit dem Theaterstück „Vom Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“ das Programm abrunden.
Bitte wählen Sie entweder auf der in der Kirche ausliebenden Liste jene Aufgaben und Zeiten, die Ihnen zusagen und die sie übernehmen möchten. Alternativ ist dies auch über doodle-Links möglich, die wir per Mail verschickt haben. Bitte melden Sie sich, wenn sie keine Mail erhalten haben und dieses online Verfahren vorziehen.
Ich freue mich auf Ihr Kommen! - Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrand - „Euer Herz sei ohne Angst. Glaubt an Gott und glaubt an mich.“ (Joh 14,1) – In dieser unseren wunderschönen Barock-Monstranz werden wir am Pfarrfest den Leib des Herrn durch unser Pantaleonsviertel tragen.
„Fürchtet euch nicht!“ Das wäre eine passende Überschrift zum aktuellen Sonntagsevangelium. Jesus sagt den Seinen, sie sollen sich nicht fürchten vor den Menschen, weil diese zwar „den Leib, aber nicht die Seele töten können.“ Der Herr schließt jedoch nicht jede Furcht aus, denn er fügt hinzu: „Fürchtet euch (aber) vor dem, der Seele und Leib ins Verderben der Hölle stürzen kann.“
Sich in gewisser Weise überhaupt nicht fürchten, in anderer aber sehr wohl: Das ist zusammengefasst die Kernaussage des aktuellen Sonntagsevangeliums. Der unterschiedliche Kontext bestimmt, wann Furcht und wann das Gegenteil angesagt ist. Dieser wiederum hat mit der Liebe zu tun.
Vor allem in den Begriffen Ehrfurcht und Gottesfurcht spiegelt sich das in schöner Weise wider: Die rechte Furcht bzw. Ehrfurcht entspringt der Liebe. Die Liebe bestimmt darüber, ob Furcht segensreich ist. Fehlt die Liebe, dann ist Furcht eine Belastung. Dann quält sie den Menschen, fesselt und knechtet ihn. Die Liebe hingegen befreit von allen bösen Ängsten. Ehrfurcht ist also eine gute und segensreiche Furcht, die der Liebe entspringt. Sie beschleunigt die Schritte auf das Gute hin. Zugleich bewirkt diese rechte und gute Furcht, »dass wir aufschauen, wohin wir unsere Füße setzen, um auf einem Weg nicht zu fallen, auf dem es so viele Anlässe zum Straucheln gibt.« (Theresia von Avila)
Damit wird wiederum deutlich, dass alle anderen Ängste von der Sünde und fehlender Liebe herrühren. Das gilt auch umgekehrt. Lassen nämlich Liebe und Ehrfurcht vor dem Schöpfer und seinem Werk nach, dann sündigt der Mensch. Dieses Nachlassen bringt alles zum Kippen. Es führt zum Abgleiten in die Sünde. Und die Sünde bringt als Folge wiederum die böse Angst in die Welt.
Deshalb darf die einzig wirkliche Furcht des Menschen nur die Furcht vor der Sünde sein: Die Angst davor, die Freundschaft mit Gott nicht ernst zu nehmen und dann zu verlieren. Außer der Sünde soll der Mensch nichts fürchten. Die Sünde wohl, denn durch sie kündigt er Gott die Freundschaft.
Das hat vor Jahren Papst Benedikt noch als Kardinal Ratzinger eindringlich auf den Punkt gebracht: »Wer Gott liebt, weiß, dass es nur eine wirkliche Bedrohung für den Menschen gibt, die Gefahr, Gott zu verlieren.« (J. Ratzinger, Auf Christus schauen, Freiburg 1989, S.46). Vor diesem Hintergrund wiederum hat Papst Johannes Paul II. bei seiner Amtsübernahme die unvergesslichen Worte gesprochen »Habt keine Angst, Christus aufzunehmen und seine Herrschergewalt anzuerkennen! (...) Habt keine Angst! Öffnet, ja reißt die Tore weit auf für Christus!«
Da passt es gut, dass wir nach der beeindruckenden Stadtprozession an Fronleichnam nun auch bei unserem Pfarrfest am So., dem 9. Juli, den Leib des Herrn (= „Frohn Lichnam“: das hochmittelalterliche Wort für „des Herren Leib“) durch die Straßen tragen werden.
Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
An diesem Sonntag erfahren wir aus dem Matthäusevangelium (Mt 9,36-10,8), dass Jesus, „als er die vielen Menschen sah, Mitleid mit ihnen hatte; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben.“
Wohl jeder hat Erfahrungen damit gemacht, dass nicht nur große Anstrengungen uns ermüden und erschöpften. Müdigkeit und Erschöpfung stellen sich auch ein, wenn man kein Ziel und keinen Sinn mehr erkennt. Ohne Ziel kann man sehr bald nicht mehr koordiniert weiterarbeiten. Und ohne einen Sinn im eigenen Tun zu erkennen, bringt man nichts mehr zustande.
Der Evangelist drückt diese Erfahrung in einem Bild aus, das Jesus oft in ähnlichen Zusammenhängen gebraucht hat: Im Bild von den Schafen mit ihrem Hirten. Ohne ihren Hirten finden die Schafe den Weg nicht mehr. Ihre vorzüglichen Weideplätze werden für sie unerreichbar. Der Ablauf des gewohnten Rhythmus gerät durcheinander. Damit gerät auch Lebenswichtiges aus den Fugen.
Im nächsten Vers des Sonntagsevangeliums sagt Jesus seinen Jüngern dann: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden.“ Danach, so der Evangelist, rief Jesus „seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben und alle Krankheiten und Leiden zu heilen“. Im Folgenden werden die Namen der zwölf Apostel der Reihe nach aufgezählt.
Es geht an diesem Sonntag also um das Volk Gottes. Gott hat den Menschen nicht vereinzelt erlöst. Und er hat auch nicht einfach nur alle vereinzelt erlöst. Gott hat die Menschen auch als Gemeinschaft erlöst. Und noch umfassender: Gott hat alle Menschen in dem erlöst, was zu ihnen gehört.
Aus diesem Grund „kommt keiner auf die asoziale Tour in den Himmel. Wer nur auf sich und sein eigenes Seelenheil bedacht ist, lebt a-sozial. Das ist im Himmel wie auf Erden unmöglich. Gott selbst ist nicht a-sozial; er ist nicht ein einsames, sich selbst genügendes Wesen. Der dreifaltige Gott ist in sich »sozial «, eine Gemeinschaft, ein ewiger Austausch der Liebe. Nach dem Modell Gottes ist auch der Mensch auf Beziehung, Austausch, Teilhabe und Liebe hin angelegt. Wir sind füreinander verantwortlich.“ (Youcat, Nr. 122)
Darüber hinaus ist die Kirche, in der Gott alle Menschen zu seinem Volk machen möchte, weitaus mehr, als wie sie von außen betrachtet erscheint. „Von außen betrachtet ist die Kirche nur eine geschichtliche Institution (= Einrichtung), mit historischen Leistungen, aber auch Irrtümern und sogar Verbrechen – eine Kirche der Sünder. Das ist aber nicht tief genug gesehen. Denn Christus hat sich so sehr auf uns Sünder eingelassen, dass er die Kirche nie verlässt, selbst wenn wir ihn täglich verraten würden. Diese untrennbare Verbindung von Menschlichem und Göttlichem, von Sünde und Gnade, ist das Geheimnis der Kirche. Mit den Augen des Glaubens gesehen, ist die Kirche deshalb unzerstörbar heilig.“ (Youcat, Nr. 124)
In der von Gott gewollten Kirche mit ihren Gläubigen und ihren Hirten verliert sich das ihr zutiefst verbundene Volk Gottes nicht länger. Die ihr Zugehörigen erfahren die unerschöpfliche Kraft, mit der Gott ihrem Leben einen so tiefen und großen Sinn schenkt, dass sie glücklich und erfüllt sind: Schon hier auf Erden, wenn auch nur unvollkommen, und dereinst in Fülle und ewig.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
- Der dreifaltige Gott bewahrt u.a. die Familie als sein Abbild
Nun ist mit dem Hohen Pfingstfest der sogenannte Osterfestkreis mit all den schönen Gedenk- und Feiertagen zu Ende gegangen. Aber mit dem Feiern sind wir damit noch nicht am Ende. Auf den Sonntag nach Pfingsten folgt der Dreifaltigkeitssonntag. Und auf dem darauffolgenden Donnerstag, dem Donnerstag der zweiten Woche nach Pfingsten, folgt das Hochfest des Leibes und Blutes Christi. Es trägt auch weiterhin den althergebrachten Namen „Fronleichnam“.
Diese Abfolge ist nicht zufällig. Aus unterschiedlicher Perspektive erhellen diese Feste die Unermüdlichkeit Gottes. Gott wird nicht müde, uns mitzuteilen, wer er in sich selber und wer er deshalb auch für uns ist.
In sich selber ist der eine Gott in drei voneinander verschiedenen Personen: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Jede dieser voneinander verschiedenen Personen ist ganz Gott. So ist der Vater der eine Gott, der Sohn ist der eine Gott und der Heilige Geist ist der eine Gott. Und dennoch sind es nicht drei Götter, obwohl Gott-Vater als Person weder Sohn noch Heiliger Geist, und so auch Gott-Sohn als Person weder Vater noch Heiliger Geist, und auch Gott-Heiliger-Geist als Person weder Vater noch Sohn ist.
Die Verschiedenheit liegt in der personalen Beziehung. Die Gleichheit im göttlichen Wesen. – Das gehört zu dem Größten, was weltweit bekannt ist. Es gibt nichts Größeres und Bedeutenderes. Schon der Heilige Augustinus hat trefflich dargelegt, dass diese Aussage in sich logisch, begrifflich schlüssig und ohne Widerspruch ist.
Dennoch scheint für viele die Dreifaltigkeit Gottes und was wir über sie sagen können, wenn überhaupt, ein theologisch-spekulatives Spiel mit Begriffen und Worten zu sein, das mit unserem realen Leben nicht viel zu tun habe. – Weit gefehlt. Die religiöse und auch theologisch-spekulative Verarmung unserer Zeit zahlt sich bitter aus. In unseren Breitengraden erleben wir das gerade.
In ihrer ganzen Tiefe ist das, was wir Liebe nennen und als solche ja auch real, wenn auch immer nur begrenzt und vielfach angefochten erfahren, umfassend und krisenfrei nur von Gott her als dem Dreifaltigen zu verstehen. Damit hängt umgekehrt auch zusammen, dass einer geringer werdenden Anbetung und Ehrfurcht Gott gegenüber zunehmende Kälte dem Nächsten gegenüber und wachsende Fixierung auf sich selber folgen.
Wer den dreifaltigen Gott nicht mehr anbetet, hat immer weniger Ehrfurcht vor dem Nächsten und kreist zunehmend um sich selber. Wer Gott nicht mehr ansatzweise als den zu sehen, anzubeten und anzunehmen vermag, der in sich selber ohne Vorbehalte und ohne jede Begrenzung personale Liebe und selbstloser Austausch in der Dreifaltigkeit ist, der wird sehr bald in den vielfältigen Anfechtungen, in denen wir der Liebe immer nur begegnen können, einknicken und sich doch wieder nur in sich selber verlieben.
Auf das Fest der dreifaltigen, innergöttlichen Liebe als Ursprung und Ziel jeder anderen, notwendig begrenzten Liebe am Dreifaltigkeitssonntag folgt das Fest der besonderen und bleibenden Liebe Gottes zu den Menschen an Fronleichnam. Das zweite ist das Fest der Kommunion, der Eucharistie bzw. der Heiligen Hostie.
In der Kommunion, der Eucharistie bzw. der Heiligen Hostie schenkt Gott sich uns Menschen bleibend. In ihr und durch sie speist er uns mit seiner Liebe, die er in sich ohne Grenzen ist.
Damit ist andeutungsweise umrissen, was wir nach der Wandlung in der Hl. Messe zu recht „Geheimnis des Glaubens“ nennen. Zugleich sind die Geheimnisse der Eucharistie wie der Heiligen Dreifaltigkeit nicht „Geheimnisse“, die besonders Studierten vorbehalten sind. Ihnen kommt jeder auf die Spur, der betet und der dabei insbesondere anbetet. Und das kann jeder, weil Gott jeden, der das möchte, dazu befähigt.
Unser aller Antwort auf die Gottlosigkeit dieser unsere Zeit heißt Anbeten. Hier abwinken: Das tun entweder die Dummen oder die, die es sich so überlegt haben, und die ihr Glück im Widerkäuen ihrer selbst suchen. Leider fördern sie damit auch das spürbare Aus- und Absterben in unserer Gesellschaft. – Dennoch bleibt Gott der Dreifaltige und der sich als eucharistische Speise, als „Pharmazie der Unsterblichkeit“ (Hl. Ignatius von Antiochien, + 117 n.Chr.) in seiner Liebe nach außen sich uns Schenkende.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
- Duccio di Buoninsegna - ca. 1310 - Altarretabel des Sieneser Doms
Die Geschichte ist bestimmt von einem tragisch-schicksalshaften Verhalten des Menschen. Diesem Verhalten kommt eine Schlüsselfunktion zu. Immer wieder entfernt der Mensch sich von Gott, vergisst ihn oder lehnt ihn sogar ab. Als Folge davon verliert der Mensch seine Mitte. Er kommt nicht mehr mit sich selber und in der Folge auch nicht mehr mit seinem Nächsten zurecht.
Das ereignete sich erstmals schon in den Anfängen, so wie die Heilige Schrift sie erzählt. Der Sündenfall beendete abrupt das ursprünglich paradiesische Verhältnis, in dem der Mensch in Harmonie hat leben können. Als er sich von Gott distanzierte und schließlich abwendete, verlor er auch das Einvernehmen mit sich und seinem Nächsten (Gen 3,7: „Da gingen beiden die Augen auf, und sie erkannten, dass sie nackt waren“).
Der Turmbau zu Babel schildert ähnlich anschaulich, wie das schicksalshafte Verhalten des Menschen seine Kreise zieht. Gemeinsam begann er ein gewaltiges Bauprojekt. Und es schien anfangs zu gelingen. Aber im gewaltigen Turmbau wollte der Mensch nicht nur ausdrücken, dass er gemeinsam stark ist. Der Turmbau war zugleich ein Vorbehalt, implizit ein Affront gegen Gott. Mit der Vollendung des Turmbaus wollte der Mensch sich und der ganzen Welt beweisen, dass nicht Gott, sondern er, der Mensch selber die Welt regiert.
Als Folge seines anmaßenden Verhaltens Gott gegenüber verlor der Mensch den sozialen Zusammenhalt. Die Einmütigkeit des Menschen verlor sich in der Sprachverwirrung. Der eine verstand den anderen nicht mehr. Der Verlust der bis dahin gemeinsamen Sprache führte zum Baustopp. Was er gemeinsam zu schaffen versucht hatte, dass zerbrach wieder. Der gewaltige Turm verfiel. Mit der gemeinsamen Schaffenskraft verlor der Mensch auch den sozialen Frieden.
Mit diesem zweiten Sündenfall will die Heilige Schrift den Menschen anschaulich vor Augen führen, was er trotz ähnlich sich wiederholender Geschichte bis heute nur schwer bereit ist, anzunehmen: Ohne und noch weniger gegen Gott ist es dem Menschen nicht möglich, etwas wirklich Großes und Bleibendes zu schaffen. Das übersteigt seine Möglichkeiten.
Gott bleibt demgegenüber nicht passiv; denn er wünscht sich für uns, dass wir das Große und Bleibende schaffen, wie es uns trotz allem Scheitern als Wunsch und Traum unauslöschlich in die Wiege gelegt ist. Es ist uns aber nur gemeinsam mit Gott möglichen. So reagiert Gott auf unser gottloses Verhalten mit Ausdauer und Geduld. Er mischt sich immer wieder zum Wohl des Menschen in die Geschichte ein. Das wird am Pfingsttag in einer ganz charakteristischen Weise deutlich.
Gott nimmt dabei die dem Menschen ermöglichte Freiheit nicht einmal ansatzweise zurück. Dafür mischt er sich aber ohne förmlich zu fragen, ob ihm das denn erlaubt sei, einfach ein in unser Leben.
Die Apostel hatten sich aus „Frucht vor den Juden“ verbarrikadiert und selber eingeschlossen. Ohne Vorankündigung trat er in ihre Mitte, zeigte ihnen seine Wunden und wünschte den Frieden. Dann hauchte er sie an und erfüllte sie mit dem Geist Gottes. Aus dieser Kraft können die Apostel und ihre Nachfolger fortan im Namen Gottes sogar Sünden vergeben (vgl. Joh 20,19-23).
Und als die Apostel nach der Herabkunft des Heiligen Geistes schließlich vor die Türe traten und zu predigen begannen, sind alle verwundert: „Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören?“ Es sind ja „Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselyten, Kreter und Araber.“ Obwohl es Galiläer sind, „die hier reden … hören wir sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden.“
Gott überwindet nicht nur die Sprachverwirrung, die wir Menschen immer wieder anrichten, kaum, dass wir Gott wieder vergessen. Er führt uns auch zurück zur Sprache des Herzens, die überall und von allen unter der Voraussetzung verstanden wird, dass man zumindest implizit bereit ist, sich dem Wirken Gottes und seines Geistes zu öffnen.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
- Eine ungewohnte Darstellung der Sendung des Hl. Geistes. Mehr im Text.
In der ersten Lesung des heutigen Sonntags lesen wir (Apg 1,12-14): „Als Jesus in den Himmel aufgenommen war, kehrten die Apostel vom Ölberg … nach Jerusalem zurück. … Sie gingen in des Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben. … Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern.“
Nicht Aktionen oder intensive Planungsarbeit bestimmen den Anfang der Kirche, sondern das Beten. Entscheidend und wichtig sind ja nicht die tollen oder weniger tollen Ideen, die womöglich die Apostel haben, sondern was Gott mit den Menschen vorhat und wie er sie verändert.
Dazu passt das wiedergegebene Pfingstbild, das um 1380 von einem unbekannten „Westfälischen Meister“ in Osnabrück geschaffen wurde. Aufbewahrt wird es im Wallraf-Richartz-Museum hier in Köln. Zu diesem Bild hat P. Pius Kirchgessner die folgende Bildmeditation verfasst, die wir hier leicht gekürzt wiedergeben ( vgl. http://www.pius-kirchgessner.de/07_Bildmeditationen/3_Pfingsten/Pfingstbild_druck.htm):
„Keine Spur vom Brausen eines gewaltigen Sturmes, kein Getöse, kein Aufspringen verschlossener Türen, keine vom Himmel fallende Flammen, keine Ekstase, kein Entzücken, kein Reden in fremden Sprachen, auch keine bestürzte, staunende oder gar hingerissene Menschenmenge, wie man das nach dem Pfingstbericht in der Apostelgeschichte (Kapitel 2) erwarten könnte.
Im Gegenteil: Dieses Bild strahlt Ruhe aus. Es ist geprägt von Sammlung und stiller Erwartung.
Die zwölf Apostel, angeführt von Maria (oben links) und Johannes (oben rechts) sitzen betend– die Hände gefaltet – nicht in einem verschlossenen Raum (Abendmahlssaal/Obergemach), sondern auf einer Rasenbank im Freien. Sie sind versammelt rings um einen runden Tisch. Links von Maria sitzt wohl Petrus. Von einem Apostel sehen wir nur den Rücken. Alle sind eng zusammengerückt und einander zugewandt.
Auffallend sind die vielen Rundformen um eine alles ordnende Mitte (wie bei einem Mandala). Der äußeren Kreisform der Bank folgt nach innen die „Runde“ der Versammelten, deren Köpfe allesamt von einem kreisförmigen Heiligenschein umgeben sind, wodurch noch einmal die Tisch-Runde betont wird.
Ein Detail ist besonders bemerkenswert: Oben zwischen Maria und Johannes ist der geschlossene Apostelkreis durchbrochen. Da ist eine Lücke, eine freie Stelle. Da ist sozusagen noch ein Platz frei. Ist es der von Jesus? Er ist ja nach seiner Auffahrt in den Himmel nicht mehr so wie vorher leibhaft unter den Seinen gegenwärtig. Aber er hat ihnen versprochen, dennoch auf neue Weise bei ihnen zu sein und bei ihnen zu bleiben. Er hat ihnen den Hl. Geist verheißen.
Und tatsächlich: An dem leeren Christusplatz ist im Gold des Hintergrunds eine Taube zu erkennen, Symbol für den Hl. Geist. Durch den Spalt kommt von oben der Heilige Geist in Taubengestalt in den Kreis, im Schnabel eine weiße Scheibe, eine Hostie, haltend.
Eine kühne Idee: Die Geist-Taube bringt das heilige Brot, den Leib Christi. Im Geheimnis der Eucharistie ist der Herr weiterhin gegenwärtig. Er schenkt sich im Brot des Lebens. Der Hl. Geist ist es, der die Gegenwart Christi in der Eucharistie bewirkt. Der Hl. Geist ist es auch, der die Kirche eint.
Es ist sicher kein Zufall, dass die Geist-Taube gerade zwischen Maria und „dem Jünger, den Jesus liebte“ dargestellt ist, zwischen denen, die auch unter dem Kreuz Jesu standen. – Der Hl. Geist, der auf Maria herabgekommen ist und sie überschattet hat, dieser Hl Geist ist der Geist der Liebe, der alle verbindet, zusammenhält, der alle eint.
Auch in der Mitte des Tisches ist eine weiße, runde Scheibe zu sehen. Ist es eine Patene, auf die die Hostie gelegt wird? Oder ist es sogar ebenfalls eine hell leuchtende Hostie? – Das weiße Rund wirkt wie die Nabe eines Rades. Wie Speichen gehen rote Strahlen davon aus, Geist-Strahlen. Sie führen zum Mund jedes einzelnen Tischgenossen in der Runde.
Noch etwas fällt auf: Jeder der hier Versammelten ist auf den anderen hingeordnet. Es ist ein Aufschauen, ein Einander-Anschauen, ein Hinhören und Zuhören. Die Menschen auf diesem Bild sind füreinander Auge und Ohr. Und gleichzeitig schauen und hören sie betend auf Gott. Eine Verbindung und Verbrüderung voller Harmonie, die noch durch die wunderschönen Farben der faltenreichen Gewänder unterstrichen und gesteigert wird.
Alle geben sie, alle empfangen sie. Intensive Kommunikation findet satt, Kommunion mit Christus und untereinander.“ - Mose und die 10 Gebote - Jusepe de Ribera - gemeinfrei
Immer noch denken viele beim Wort „Kirche“ an eine langweilige Straße mit vielen Verbotsschildern. Sie meinen: Als Christ zu leben sei beschwerlich und unattraktiv; wie ein Weg, der mit Geboten und Verboten gepflastert ist. Die Gebote Gottes werden oft vordergründig als fremdgesteuerter Eingriff in das persönliche Leben wahrgenommen, nicht aber als Wegweiser zur wahren Freude. In Wirklichkeit sind sie genau das.
Wer das Evangelium nicht kennt, denkt beim Wort „Gebote“ oft voreilig und unbedacht: „Du sollst; Du musst; Du darfst nicht ...!" – Demgegenüber knüpft Jesus im heutigen Evangelium (Joh 14,15-21) das Einhalten seiner Gebote an eine Voraussetzung: "Wenn ihr mich liebt, dann werdet ihr meine Gebote halten." Und am Ende heißt es in umgekehrter Reihenfolge: "Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt."
Die Gebote haben offenbar mit Liebe zu tun. Deshalb beginnen die zehn Gebote auch nicht mit dem, was der Mensch zu unterlassen oder zu erfüllen hat. Die alles orientierende Hinführung zu den Geboten lautet vielmehr (Deut 5,6): "Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus." Das heißt: 'Ich bin dein Gott, der dir die Freiheit und das Leben zurückgeschenkt hat.'
Die Gebote sind zutiefst mit der Liebe verwoben. Sie lassen die Liebe wachsen und sichtbar werden. – Dabei geht es nicht primär um unsere Liebe Gott und dem Nächsten gegenüber. An erster Stelle geht es um die Liebe, wie sie in Gott und mit ihm sogar identisch ist. Sie ist für uns grundlegend und zugleich unfassbar: Gott mag uns über alles. Deshalb hat er uns ins Dasein gerufen.
Gott will, dass wir sind und leben. Er hat uns gewollt durch die Liebe unserer Eltern. Diese schöpferische Liebe Gottes drücken Eltern aus, die ihrem Kind sagen: "Es ist gut, dass du da bist. Wir wollen und mögen dich, weil es so gut ist." – Diese Liebe ist die Grundlage unseres Lebens: Wir sind, weil Gott uns durch unsere Eltern liebt. Seine Liebe ist so stark, dass sie uns geschaffen und uns unser Dasein gegeben hat.
Diese Liebe Gottes kann sich in uns weiter entfalten. Sie kann in unserem Leben erfahrbar werden und all unser Tun durchströmen. Dann bleiben und versinken wir nicht irgendwo in unseren Begrenzungen. Eben dafür hat Gott uns die Gebote gegeben.
Die Gebote sind Wegweiser der Liebe. Sie führen uns zur Wurzel, zur Quelle der Liebe. Wer die Gebote hält, blüht auf. – Die Gebote sind Wegweiser, die erkennen lassen, was Gott mit uns gewollt, wie er uns gemeint hat. Die Gebote ermöglichen ein authentisches Leben, das unserem Menschsein durch und durch entspricht. Sie erhellen die Würde und Freiheit des Menschen. Sie verdunkeln und reduzieren gerade nicht.
Die Gebote sind eine Offenbarung der Würde des Menschen und der göttlichen Liebe, die uns in höchstmöglicher Freiheit leben lässt. – Diese Freiheit gibt es nur dort, wo man das Gute will und es aus ganzen Herzen, d.h. aus der Kraft der Liebe sucht und danach verlangt. In diesem Sinn hat der Hl. Augustinus geschrieben: "Liebe, und dann tue, was du willst."
Wo Liebe tiefer reicht, als oberflächliche Leidenschaft, da öffnet sie die Augen und lässt erkennen, was uns Menschen entspricht; was uns hinauswachsen lässt über uns selber: hinein in Gottes Liebe, die Anfang und Ende ist.
Unter anderem wird im Katechismus der Katholischen Kirche zusammengefasst, was gläubige Menschen erfahren konnten, weil sie ein Leben in enger Verbindung mit Gott geführt haben. Ihr Leben ist gelungen. So wird christliches Leben auch weiterhin gelingen. – Das Evangelium wie der Katechismus führen fast immer zu einem Zwiegespräch mit Gott: Zum Danken, Bitten und zu guten Vorsätzen.
Gott weiß, was für uns gut ist. Er nimmt gewöhnlich den Weg über seine Kirche, um uns das zu sagen. – Es lohnt sich, Nägel mit Köpfen zu machen. Der Christ hat mehr vom Leben.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
- Das Labyrinth der Kathedrale von Chartres im Département Eure-et-Loir in Frankreich erinnert an den anspruchsvollen Weg des Menschen zu Gott, der den Glauben schenk, um diesen Weg bis zur ewigen Erfüllung in Ihm gehen zu können. - Das Anfang des 13. Jahrhunderts gefertigte Labyrinth aus schwarzen und grauen Steinplatten ist im Fußboden der Kathedrale eingearbeitet. Es misst über 12 Meter im Durchmesser und ist ein 261,50 m langer Weg, der sich durch 11 konzentrische Kreise und 34 Kehren zum Zentrum windet. Die Anzahl der Steinplatten, die den Weg bilden, wird von der örtlichen Bauhütte mit 273 angegeben. (Bildquelle: commons.wikimedia.org)
Auf die österlichen Auferstehungs- und Erscheinungsberichte der ersten drei Sonntage nach Ostern folgen ab dem vierten Sonntag gleichnishafte Reden Jesu. So wird der Gottesdienstbesucher darin bestärkt, Jesus nach Ostern in neuer Weise, nun als Auferstandenem zu begegnen. Jesus ist nicht nur guter Hirt (vgl. vierter Sonntag nach Ostern) im Sinne eines guten Freundes. Er ist es darüber hinaus zugleich als allmächtiger Gott.
Das zu verstehen braucht Zeit. Es geht hier um ein Verstehen praktischer, und eben nicht theoretischer Art. In dieser Weise versteht, begreift und erfährt man nur in der Praxis, im täglichen als gläubiger Christ gelebten Leben. Ohne gläubige Praxis bleibt unzugänglich und folglich unverstanden, was mit dem guten Hirten als allmächtiger Gott in wirklicher Fülle gemeint ist.
Vom fünften bis zum siebten Sonntag nach Ostern sind die gleichnishaften Reden Jesu zugleich Abschiedsreden. Durch sie hat Jesus damals seine Jünger – und uns heute als seine Vertrauten – eingestimmt und vorbereitet auf die lange Zeit nach seiner Auferstehung.
Parallel dazu berichten die Lesungen dieser Sonntage eindrucksvoll von den Wochen und Jahren unmittelbar nach der Auferstehung und nachdem vom Pfingsttag an die Grundlegung der Kirche vollendet war. Von da an breiten sich Jesu Worte mit und in seiner Kirche unaufhörlich über den Erdkreis aus.
Da sind auch wir angesprochen. „Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich!“ (Joh 14,1) Das sagte Jesus seinen Jüngern, nachdem er ihnen beim letzten Abendmahl, beginnend mit der Fußwaschung, das Vermächtnis seine Liebe in Vollendung anvertraut hatte. Es ist aber auch der Augenblick, in dem Judas die Gemeinschaft Jesu und seiner Jünger als Verräter verlassen hat.
Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Das Herz des Judas war verwirrt. Er hat Jesus nicht verstanden.
Judas steht für die Vielen, die Gott nicht verstehen. Die sich von Gott abwenden, und ihn in ihrem Leben vergessen. Judas steht für die Vielen, die in der Gemeinschaft der Glaubenden heimatlos geworden sind und sie verlassen.
So ermutigt Jesus seine Jünger zu glauben, weil allein der Glaube das aushalten und ertragen lässt, was der Verstand am Anfang nicht verstehen kann. So wie der Verstand der Jünger das Leiden Jesu und seine Kreuzigung anfangs unmöglich nachvollziehen konnte, so geht es jedem Gläubige auch heute. Warum muss auch ich als Gläubiger leiden? Warum muss auch ich verfolgt und bedrängt werden?
Im heutigen Evangelium (Joh 14,1-12) spiegelt sich der Glaube, der anfangs das Verstehbare übersteigt, als Weg wider, der schließlich zum erfahrbaren Verstehen führt. So sagt Jesus seinen Jüngern, er werde sie verlassen, „um einen Platz für euch vorzubereiten.“ Danach werde er wiederkommen, „und ich werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin.“
Jesus behauptet schließlich: „Und wohin ich gehe - den Weg dorthin kennt ihr.“ Wie der Apostel Thomas damals so können ehrlicherweise auch wir heute erst einmal von unserem irdischen Begreifen her nichts Anderes darauf antworten als: „Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?“
Jesus antwortete dem Apostel damals und genauso auch uns heute: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.“ – Es ist der über das menschlich Verstehbare hinaus von Gott geschenkte Glaube, der in der Praxis des Glaubens (Beten, Beichten, Besuch des Gottesdienstes, Betrachten des eigenen Lebens aus der Perspektive der Heiligen Schrift und des Himmels …) zum Erkennen und Verstehen eben dieser gleichnishaften Worte Jesu führt.
Diese Erfahrung als fortschreitenden Prozess bringt ein kurzes Taize-Gebet unspektakulär aber treffend auf den Punkt: „Jesus, Liebe aller Liebe, du warst stets in mir, und ich vergaß es. Du warst zutiefst in meinem Herzen, und ich suchte dich anderswo. Als ich fern von dir war, hast du mich erwartet. Und jetzt wage ich, zu dir zu sagen: Auferstandener, du bist mein Leben.“
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
- "Ich bin die Tür" - Eingang der Kirche im Kloster Hosios Lukas, Griechenland
Nun begehen wir bereits den vierten Sonntag in der Osterzeit. Bislang standen im Gottesdienst die nachösterlichen Auferstehungs- und Erscheinungsberichte im Vordergrund. Von diesem Sonntag an ändert sich das. Auch an den folgenden Sonntagen werden wir teils gleichnishafte Reden Jesu aus dem Johannesevangelium hören. Sie beginnen an diesem Sonntag mit dem ersten Teilen der Gleichnis-Rede vom guten Hirten (Joh 10,1-10). So wird dieser Sonntag auch "Sonntag vom Guten Hirten" genannt.
Der Evangelist Johannes fasst die Reden Jesu zusammen und betrachtet die bildhaften Worte Jesu aus unterschiedlicher Perspektive. So führt er in ihren tieferen Sinn ein und lässt die verschiedenen Bilder einander ergänzen. Erst Schritt für Schritt wird das Gemeinte deutlich. So auch bei den Bildern vom Hirten und den Schafen.
Geradliniges, rationales Denken führt hier nicht weiter. Das eine Mal sagt Jesus, er sei der gute Hirt (Joh 10,11: „Ich bin der gute Hirt“), das andere Mal, er sei die Tür, durch welche die Schafe und ihre Hirten ein- und ausgehen (Joh 10,9: „Ich bin die Tür“). Wer hier nur einseitig denkt, kommt nicht weiter und wird den umfassenden Sinn der Worte Jesu nicht erfassen können.
Jesus stellt sich als „guter Hirt“ in die Tradition des Alten Testaments. Bereits dort wird Gott bildhaft als Hirt seines Volkes gesehen (Ez 34-37; Sach 13; Ps 23). Im Evangelium des heutigen Sonntags geht es allerdings zuerst um die Unterscheidung des guten Hirten vom „Dieb und Räuber“, der nicht durch die Tür hineingeht. „Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten.“ Anders Jesus: „Ich bin gekommen“, sagt er über sich selber, „damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ (Joh 10,0)
Neben Jesus gibt es also noch andere gute Hirten. Sie alle gehen, anders als die Diebe und Räuber, durch die Tür hinein. „Wer aber durch die Tür hineingeht, ist der Hirt der Schafe. Ihm öffnet der Türhüter, und die Schafe hören auf seine Stimme; er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen und führt sie hinaus.“ (Joh 10,2f)
Mit diesen Hirten sind wohl die Hirten der Kirche gemeint, die Jesus auf Erden weiterhin gegenwärtig sein lassen. Wie Jesus rufen sie die Schafe „einzeln beim Namen“. Sie unterweisen die Schafe im Glauben, gehen ihnen im Glauben voran und „führen“ sie aus dem Stall, dem engeren Bereich der Kirche „hinaus“. Sie helfen den Schafen, ihren ureigenen Platz in der Welt, in ihrer Familie und ihrem Beruf etc. zu finden. Sie halten die Herde zugleich zusammen; denn nur gemeinsam und als Herde können die Schafe überleben. – Ein spannendes Thema!
Wenn Jesus dann sagt: „Ich bin die Tür“ (Joh 10,7.9) ist damit nicht etwas Lebloses gemeint.
Wer durch eine Tür tritt, verlässt den bisherigen Raum und tritt in einen andern ein. Die Tür ist zugleich die Verbindung von zwei Räume. In diesem Sinne ist Jesus wie eine Tür. Er verbindet Himmel und Erde, Kirche und Welt.
Wer beides zusammenbekommen möchte, muss durch ihn hindurchschreiten. Das gilt besonders für jene, die anderen helfen möchten, Gott zu finden. Sie müssen selber immer wieder durch diese Tür hindurch und Jesus ganz verbunden sein.
Jesus ist es, der die Tür in die Kirche öffnet, und der zugleich den Weg zeigt, dass seine frohe Botschaft unseren Alltag wunderbar verändert. So ist Jesus auch die Tür zu Gott, dem Vater, und lässt uns eintreten in einen vertrauensvollen Umgang mit ihm. In dieser Weise eröffnet Jesus die Gemeinschaft mit Gott und von Gott aus untereinander als Volk Gottes und Kirche.
Wer durch diese Tür – Jesus Christus – eintritt, erfährt eine neue Welt, in der Leben in Fülle möglich ist.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
- Petrus „gürtete sich das Obergewand um, weil er nackt war, und sprang in den See.“
Die nachösterlichen Evangelien sind ganz offenbar mit zweifacher Absicht geschrieben. Die Evangelisten betonen als eines ihrer zwei Ziele, dass die Auferstehung Jesu wirklich geschehen ist. Dass Jesu physisch, real und in der Art aller sonstigen historisch wahrnehmbaren Ereignisse von den Toten auferstanden ist – so, wie alles andere, was sich außerhalb von einem selber zuträgt und ereignet – war von Anfang an wichtig und Thema.
Getreu dem Leitsatz (1 Joh 1,1): „Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefasst haben, das verkünden wir: das Wort des Lebens.“ gehört die Auferstehung Jesus als historisch belegte Begebenheit – durch Augenzeugen und darauf gestützte eindeutige Dokumente – zum unverzichtbaren Kern der christlichen Botschaft.
Darin haben die Evangelisten die eine ihrer zwei Aufgaben gesehen: Von der Auferstehung Jesu zu berichten und sie als historische Tatsache so weiterzugeben, wie sie sich unabhängig von dem dadurch ausgelösten eigenen inneren Erleben außerhalb von ihnen ereignet hat.
Die Auferstehung Jesu in diesem Sinne ist nämlich die Grundlage für den Glauben der Christen an die leibliche Auferstehung aller Menschen am Ende der Zeit. Da die Auferstehung Jesu im bislang genannten Sinne real ist, kann der Christgläubige in Gemeinschaft mit der Kirche im Schlussgebet des dritten Ostersonntags beten: „Ewiger Gott, du hast uns durch die Ostergeheimnisse erneuert. Wende dich uns voll Güte zu und bleibe bei uns mit deiner Huld, bis wir mit verklärtem Leib zum unvergänglichen Leben auferstehen.“
Schon Paulus erklärt diesen Zusammenhang im ersten Korintherbrief (1 Kor 15,12-14): „Wenn aber verkündigt wird, dass Christus von den Toten auferweckt worden ist, wie können dann einige von euch sagen: Eine Auferstehung der Toten gibt es nicht? Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos.“
Als das andere der zwei Ziele ihrer Berichte erzählen die Evangelisten zugleich mit dem äußeren Ereignis der Auferstehung Jesu, was dieses in der inneren und subjektiven Wahrnehmung der Apostel und anderen Jünger bewirkt hat. In dieser Hinsicht ist die Lektüre des Evangeliums, auch vom dritten Ostersonntag (Joh. 21,1-14), aufschlussreich und wunderbar. Wer diesen Bericht als Gläubiger liest und meditiert – wozu ich gerne ermutige –, findet sich hier wieder mit seinem eigenen Glaubensweg und seiner eigenen Glaubenserfahrung.
Darüber hinaus hilft die christliche Tradition, zu der auch die Ikonographie gehört, weitere Andeutungen in den Evangelien zu entschlüsseln und zu verstehen. In der hier wiedergegebenen Buchmalerei (Codex Egberti) ist Petrus pointiert notdürftige bekleidet dargestellt. Damit wird an das Kleid des Neugetauften erinnert. Dieser hat vor der Taufe seine alten Kleider und mit ihnen auch sein altes Leben abgelegt. In der Taufe zu einem neuen Leben geboren zieht er mit dem Taufkleid als neues Gewand Christus an (vgl. Röm. 13,14). So macht Petrus wie aus der Taufe neu geboren im neu geschenkten Glauben seine ersten Schritte auf den nun auferstandenen Jesus zu.
Desweitern ist hier die unausgesprochene Offenbarung Jesu (Joh. 21,12: „Keiner von den Jüngern wagte ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war.“) großartig dargestellt. Rechts am Ufer, erhöht, der hellgewandete Auferstandene. Zu seinen Füßen ein rundes Brot (mit dem Kreuzzeichen und den Bruchstellen als Hostie gekennzeichnet) und das Kohlenfeuer mit dem gegrillten Fisch. Der einladende Arm sucht den Kontakt zu Petrus und zu den übrigen Aposteln im Boot, die ihre offenen Hände Jesus entgegenstrecken.
Damit wird angedeutet, dass die Begegnung mit Jesus nach seiner Auferstehung in den Sakramenten der Kirche, besonders in der Taufe und der Eucharistie geschieht. So können die bislang vorgetragenen Impulse wie folgt auf den Punkt gebracht werden: Wer mit der Heiligen Schrift regelmäßig betet, Sonntag für Sonntag den Gottesdienst besucht und teilhat an der Eucharistie, seinen Glauben nach der Taufe immer wieder mit dem Sakrament der Beichte, dem „update“ der Taufe, erneuern lässt, der erfährt wie die Apostel, wie lebendig der Glaube, die Begegnung und die Freundschaft mit Jesus tatsächlich sind, weil er wirklich auferstanden ist von den Toten.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
- Der barmherzige Jesus – St. Pantaleon, Köln – von Wladimir Naumez
Zum „Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit“
Papst Johannes Paul II. wurde an einem zweiten Sonntag der Osterzeit (01. Mai 2011) von Papst Benedikt XVI. seliggesprochen. Traditionell wurde dieser Sonntag auch Weißer Sonntag genannt, da in der frühen Kirche die in der Osternacht Getauften bis zu diesen Tagen ihre weißen Taufgewänder getragen haben.
Auf Initiative Johannes Paul II. hat die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung am 05. Mai 2000 im Dekret „Misericors et miserator“ bekanntgegeben, dass am zweiten Sonntag der Osterzeit nunmehr der Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit gefeiert wird. Die liturgischen Texte und die Leseordnung bleiben dabei unverändert, da sie ohnehin die göttliche Barmherzigkeit zum Ausdruck bringen. Wir geben im folgenden Teile aus diesem Dekret wieder.
„Andachtsübungen zu Ehren der Göttliche Barmherzigkeit mit Ablässen verbunden.
»Großer Gott, dein Erbarmen und deine Güte sind unerschöpflich …« (Gebet nach dem Te deum), und »Großer Gott, du offenbarst deine Macht vor allem im Erbarmen und im Verschonen ...« (Tagesgebet vom 26. Sonntag im Jahreskreis), singt die Heilige Mutter Kirche in Demut und Treue. Gottes unermessliche Zuwendung sowohl dem gesamten Menschengeschlecht als auch dem einzelnen Menschen gegenüber leuchtet vor allem dann auf, wenn Sünden und moralische Fehler vom allmächtigen Gott vergeben und die Schuldigen wieder in väterlicher Liebe zur Freundschaft mit ihm zugelassen werden, die sie verdientermaßen verloren hatten. (…)
Die Göttliche Barmherzigkeit weiß tatsächlich auch die schwersten Sünden zu vergeben, aber während sie es tut, bewegt sie die Gläubigen dazu, einen übernatürlichen, nicht nur psychologischen Schmerz über die eigenen Sünden zu verspüren, damit die Gläubigen, immer mit Hilfe der göttlichen Gnade, den festen Vorsatz fassen, nicht mehr zu sündigen. Mit einer solchen inneren Haltung erlangt der Gläubige wirklich die Vergebung der Todsünden, wenn er das Bußsakrament fruchtbringend empfängt oder sie in einem Akt vollkommenen Schmerzes und vollkommener Liebe bereut mit dem Vorsatz, baldmöglichst das Bußsakrament zu empfangen. Denn unser Herr Jesus Christus lehrt uns im Gleichnis des verlorenen Sohnes, dass der Sünder sein Elend vor Gott mit den Worten »Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein« (Lk 15, 18–19) bekennen und auch spüren muss, dass es Gottes Werk ist: Er »war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden« (Lk 15, 32). (…)
Im Evangelium vom zweiten Sonntag der Osterzeit wird von den Wundertaten erzählt, die unser Herr Jesus Christus nach seiner Auferstehung in der ersten öffentlichen Erscheinung vollbracht hat: »Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert« (Joh 20, 19–23).
Damit die Gläubigen diese Feier mit ganzem Herzen begehen, hat der Papst festgelegt, dass der vorgenannte Sonntag (…) mit dem vollkommenen Ablass ausgestattet wird. Das hat den Zweck, dass die Gläubigen das Geschenk des Trostes des Heiligen Geistes in höherem Maß empfangen und so eine wachsende Liebe zu Gott und zum Nächsten entfalten können und, nachdem sie selbst die Vergebung Gottes empfangen haben, ihrerseits angeregt werden, sogleich den Brüdern und Schwestern zu vergeben. (…)
Der vollkommene Ablass wird unter den gewohnten Bedingungen (Empfang des Bußsakraments, der heiligen Eucharistie und Gebet nach Meinung des Heiligen Vaters) dem Gläubigen gewährt, der mit reinem, jeder, auch der lässlichen Sünde abgewandtem Herzen am zweiten Sonntag der Osterzeit, das heißt, dem »der Göttlichen Barmherzigkeit«, in einer Kirche oder einem Oratorium an den zu Ehren der Göttlichen Barmherzigkeit durchgeführten Andachtsübungen teilnimmt oder wenigstens vor dem Allerheiligsten Sakrament der Eucharistie – öffentlich ausgesetzt oder im Tabernakel aufbewahrt – das »Vater unser« und das »Credo« betet mit dem Zusatz einer kurzen Anrufung des Barmherzigen Herrn Jesus (z.B. »Barmherziger Jesus, ich vertraue auf dich!«) (…)
Die Priester, (…), vor allem die Pfarrer, sollen ihre Gläubigen in der angemessensten Weise von dieser heilsamen Verfügung der Kirche unterrichten; sie sollen selbstlos und hilfsbereit deren Beichte hören und am Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit nach der Feier der heiligen Messe oder der Vesper oder während einer Andacht zu Ehren der Göttlichen Barmherzigkeit die vorgenannten Gebete mit der dem Ritus entsprechenden Würde leiten; sie sollen, gemäß dem Wort des Herrn: »Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden« (Mt 5, 7), die Gläubigen in der Katechese behutsam dazu drängen, so häufig wie möglich Werke der Barmherzigkeit zu tun und dem Beispiel und Auftrag Jesu Christi folgen (…).
- Der Auferstandene - Mainzer Meister 1410-1420
Kein Evangelium beschreibt den Vorgang der Auferstehung. Alle Berichte erzählen nur davon, was nach dem Ereignis der Auferstehung geschah. Wie das Ereignis der Auferstehung sich ereignet hat, das bleibt verborgen. Offenbar soll es auch verborgen bleiben.
In dieser Osternacht hören wir das Oster-Evangelium nach Matthäus. Der Evangelist berichtet, dass „Maria aus Magdala und die andere Maria in der Morgendämmerung des ersten Tages der Woche zum Grab kamen, um nach ihm zu sehen.“ Sie folgen der Logik von Frauen, die ihre Liebe über den Tod hinaus einem besonders nahestehenden Menschen erweisen. So gehen sie zum Grab, um dort nach dem Rechten zu schauen.
Am Grab angekommen geschah etwas, mit dem sie überhaupt nicht gerechnet hatten. Es lag weit weg von dem lag, wo sie sich in ihrem Denken und Fühlen noch befanden. Es waren die sich überschlagenen Ereignisse der Tage zuvor mit der Gefangennahme, der Verurteilung und Hinrichtung Jesu. Noch waren die Frauen ganz darin gefangen. Deshalb geschah es für sie völlig unerwartet, dass mit einem „gewaltigen Erdbeben ein Engel des Herrn vom Himmel herabkam, an das Grab trat, den Stein wegwälzte und sich daraufsetzte. Seine Gestalt leuchtete wie ein Blitz, und sein Gewand war weiß wie Schnee. Die Wächter begannen vor Angst zu zittern und fielen wie tot zu Boden.“
Noch beeindruckender und überraschend aber war, was der Engel Ihnen dann sagte: „Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier, denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht euch die Stelle an, wo er lag.“
Drei Tage zuvor hatten die Frauen hautnah miterlebt, wie Jesu Leichnam ins Grab gelegt und wie es mit einem großen Stein verschlossen wurde. Auch waren dort Soldaten zum Bewachen abgeordnet. Nach menschlichem Ermessen war es ausgeschlossen, dass jemand unbemerkt das Grab öffnen und den Leichnam Jesu entfernen konnte. Das wollten die Gegner Jesu ja unter allen Umständen sicherstellen.
Wider Erwarten aber war das Graben leer. Die Frauen sahen es. Damit sind sie zugleich Zeugen, dass das Grab schon leer war, bevor der Engel den Stein wegwälzte. Das entscheidende Ereignis jedoch, das sich davor zugetragen haben musste – also die Auferstehung Jesu – haben sie nicht miterlebt. Es blieb ihnen verborgen. Und es wird für immer verborgen bleiben.
Die scheinbaren Widersprüche der Ostererzählungen nach Matthäus und Johannes, das Osterevangelium vom Tag, kann man getrost beiseitelassen. Diese berühren und verändern nicht das Eigentliche, was beide bezeugen.
Nach dem Johannesevangelium geht kurz nach dem Besuch der Frauen am leeren Grab der Apostel Petrus als Erster ins Grab hinein. Er „sah die Leinenbinden liegen und das Schweißtuch, das auf dem Kopf Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle.“ Dann folgte ihm Johannes. Als auch er ins Grab ging, „sah er und glaubte. Denn“, so betont Johannes, „sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste.“
Warum aber bleibt der Vorgang der Auferstehung auch in allen anderen Evangelien verborgen? – Wohl deshalb, weil die Auferstehung dem Irdischen entzogen, ausschließlich göttlich-himmlischer Natur ist. Jesus ist nicht in das irdische Leben zurückgekehrt, wie die Tochter des Jaïrus (Mk 5,21-43), oder wie Lazarus, nachdem er schon vier Tage im Grab gelegen hatte (Joh 11,39-44).
So ist das auch mit dem Glaubensweg eines Christen. Er findet sich und seinen Glauben widergespiegelt in den Osterevangelien. Es sind die nachösterlichen Ereignisse und die dabei gemachten Erfahrungen der Frauen und Jünger Jesu wie auch ihre Begegnungen mit ihm, die zugleich das Leben jedes Gläubigen erzählend auf den Punkt bringen.
Eine gute inhaltliche Vorbereitung etwa auf die Sakramente (Taufe, Erstbeichte und -kommunion, Firmung und Eheschließung) und ihre liturgisch gepflegte Feier sind meist sehr bewegend und prägend; ähnlich den nachösterlichen Ereignissen. Aber eine gewisse Zeit nach diesen Ereignissen geht es darum, den nicht irdischen, sondern exklusiv himmlischen und von dort geschenkten überirdischen und deshalb ganz und gar nicht erlebbaren Gaben und Gnaden genügend Raum im Leben zu geben. Dafür bedarf es besonders des täglichen Betens, der Sonntagsmesse und der Beichte.
Viele tun es nicht. Sie glauben damit nicht so, wie die Frauen und Jünger Jesu, die sich jeweils genau an das gehalten haben, was ihnen gesagt wurde. Deshalb können die Vielen, die es nicht tun, dem Auferstandenen auch nicht mehr so begegnen, wie damals diese.
Über die Verkündigung der faktischen Auferstehung hinaus geht es den Evangelisten also um die erzählende Darlegung des Weges, auf dem Gott und der ganze Himmel sich im irischen Leben eines Menschen kundtut, der uneingeschränkt in das Nichtfassbare hinein glaubt. So wird das irdisch-menschliche Leben von Gott her grundlebend verändert. Der ganze Himmel lässt es zu einer sogar täglichen Begegnung mit dem Auferstandenen und damit Gott selber werden.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
- Einzug in Jerusalem - Giotto di Bondone (1304–1306) - Arenakapelle in Padua
Mit der Feier des triumphalen Einzugs Jesu nach Jerusalem am Palmsonntag wird mit der der ungekürzten Passionsgeschichte im Gottesdienst zugleich die Karwoche eröffnet. Jedem aufrechten Menschen geht diese Geschichten nahe, unabhängig davon, ob er gläubig ist oder nicht. Denn in dieser Geschichte spiegeln sich Höhen und Tiefen jeden menschlichen Lebens wider. Ohne Leid und Schmerz ist es anerkannter Maßen unmöglich, dass menschliches Leben sich entfaltet und zu seiner Größe findet.
Zugleich aber fällt dem noch nicht Glaubenden die Tiefe und Wahrheit vom erlösenden Kreuz mehr als schwer. Aber darin steht der zum Glauben noch Unfähige nicht alleine da. Auch dem Gläubigen ist und bleibt diese Botschaft immer nur bedingt zugänglich. Denn: Was ist das am Ende für ein Glaube? Was vor allem ist frohmachend, befreiend und erlösend an der Botschaft von einem, der am Kreutz qualvoll verendet und das auch noch als Weg zum Heil einfordert (Mt 16,24): „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“
Der alleinige Verweis auf die Auferstehung ist zwar grundlegend und fundamental. Und er reicht prinzipiell auch aus. Er ist aber dem Raum des Glaubens zuzuweisen.
Bei allem Glauben fragt auch der Gläubige immer wieder nach Gründen. Und da ist er mit dem noch Ungläubigen auf Augenhöhe und kann mit ihm gemeinsam den Weg des Suchens und Fragens gehen.
Beide mögen etwa darüber staunen, warum in dem bekannten Lied „O Haupt voll Blut und Wunden“ von Paul Gerhard in der sechsten Strophe gesungen wird: „Ich danke dir von Herzen, o Jesu, liebster Freund, für Deines Todes Schmerzen, da du‘s so gut gemeint. Ach gib, dass ich mich halte zur dir und deiner Treu und, wenn ich einst erkalte, in dir mein Ende sei.“ Die Passionsgeschichte selber gibt Antwort und führt weiter.
In ihr findet sich eine Antwort etwa bei der Verhöhnung Jesu am Kreuz, wo die Umstehenden sagen (Mt 26,42): „Anderen hat er geholfen, sich selbst kann er nicht helfen. Er ist doch der König von Israel! Er soll vom Kreuz herabsteigen, dann werden wir an ihn glauben.“
Hier spiegelt sich einer Haltung wider, die der Botschaft und dem Leben Jesu ganz entgegensteht. Es ist eine Haltung, die am Ende zu Egoismus, zu Stolz und damit zur Isolation und sich von anderen ausschließender Selbstreferenz wird. Die Umstehenden sind sich zwar bewusst, dass Hilfe und Einsatz für und zum Wohl anderer einen großen Wert darstellen. Das heben sie auch lobend an Jesus hervor.
Aber der sie tragende Bezugspunkt ist nicht Gott, wie bei Jesus, sondern sie selber sind sich Mittelpunkt ihres Lebens. Am Ende kreisen diese Menschen doch wieder nur um sich selber. Mit dem „sich selbst kann er nicht helfen“ fordern sie Jesus indirekt doch auf: „Hilf dir selber!“ Damit offenbaren sie, dass Ihnen im Leben nur das wichtig ist, was am Ende vor allem ihnen selber nützlich ist. So wird auch der Einsatz für andere schließlich doch wieder auf das reduziert, was einem selber Nutzen bringt.
Die Schallmauer zum wirklichen und wahren Vertrauen und zum bedingungslosen Wohlwollen durchbrechen sie damit nicht. Und so bleibt ihnen auch die Erfüllung in der Liebe verschlossen. Denn diese lässt sich nur jenseits dieser Schalmauer finden, die Jesus mit seinem Tod am Kreuz durchbrochen hat.
Dafür danke ich ihm mit Paul Gerhard (s.o.) von ganzem Herzen. Und ich erfahre im Glauben, dass nicht ich, sondern Gott mein Ende ist. Er lässt mich nicht alleine. Er befreit und erlöst aus der sich selber isolierenden Selbstreferenz, die zu allen Zeiten zu Streit, zu Entzweiung und Scheidung und damit zur Zerstörung der Grundlage des Lebens geführt hat. (Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
- Auferweckung des Lazarus - Duccio
Am fünften Fastensonntag wird nicht nur ein ähnlich langes Evangelium vorgetragen wie letzten Sonntag. Es gibt auch eine interessante inhaltliche Parallele.
Letzten Sonntag ging es um die Heilung des Blindgeborenen (Joh 9, 1-41). Auf die Frage, ob „er selbst oder seine Eltern gesündigt haben, so dass er blind geboren wurde“, antwortet Jeus: „Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern das Wirken Gottes soll an ihm offenbar werden.“
Diesen Sonntag geht es um die Auferweckung des verstorbenen Lazarus (Joh 11,1-45). Als Jesus von seiner schweren Krankheit hörte sagt er: „Diese Krankheit wird nicht zum Tod führen, sondern dient der Verherrlichung Gottes.“
Da fragt man sich, wie und warum das „Wirken Gottes“ durch eine schwere Behinderung und „Gottes Herrlichkeit“ durch eine todbringende Krankheit deutlich werden sollen. Es scheint doch eher das Gegenteil der Fall zu sein. An diesem Sonntag zieht sich diese Perspektive durch das ganze Evangelium hindurch: vom Unverständnis Gott gegenüber zum grenzenlosen Glauben an ihn.
Als die Jünger noch hofften, dass Lazarus nur krank sei und schon wieder gesundwerde, und Jesus deshalb nicht wieder in das für sie inzwischen gefährlich gewordene Judäa zurückkehre, sagt ihnen Jesus „unverhüllt: Lazarus ist gestorben. Und ich freue mich für euch, dass ich nicht dort war; denn ich will, dass ihr glaubt.“ Auch hier fragt man unwillkürlich: Muss denn Lazarus sterben, damit die Jünger zum Glauben finden? Sind Krankheit und Tod nicht eher ein Übel, die an Gott verzweifeln lassen und von ihm entfernen?
Der Apostel Thomas jedoch reagiert ganz anders. Trotz der berechtigten Furcht vor der Rückkehr in die Nähe von Jerusalem sagt er daraufhin „zu den anderen Jüngern: Dann lasst uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben.“ Hier leuchtet etwas Geheimnisvolles auf. Statt Distanzierung lösen Krankheit und Tod – beim Apostel Thomas jedenfalls – eine größere Nähe zum Herrn aus.
Das wird weiter entfaltet. Als Marta hört, dass Jesus auf dem Weg sei, geht sie ihm entgegen und empfängt ihn mit den Worten: „Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben. Aber auch jetzt weiß ich: Alles, worum du Gott bittest, wird Gott dir geben.“ In ihren Worten klingt zwischen den Zeilen ein deutlicher Vorwurf an, der aber überstrahlt wird von grenzenlosem Vertrauen.
Ist das im Grunde nicht immer wieder so, dass wir Menschen erst durch göttliche Provokation, die an die Substanz geht, weil Gott Krankheit und Tod nicht einfach nur zulässt, sondern sie uns sogar schickt (vgl. Gen. 3,16-24), die Schallmauer im Glauben durchbrechen?
Offenbar durchschreiten wir nur dann den Weg von rational durchdachtem und vernünftigem, weil noch erklärbarem Glauben hin zu dessen viel wichtigeren Grundlage, wenn Gott uns herausfordert. Gott muss uns immer wieder neu aus alltäglicher Machbarkeit und selbstverwirklichender Gestaltungsfähigkeit zurück zu den Wurzeln unseres Daseins führen. Zur tiefsten Erkenntnis nämlich, dass wir unser Leben nicht uns selber und unserer so genialen Kreativität, sondern allein seiner bedingungslosen Liebe, und sogar Vorliebe für uns verdanken.
Der weitere Verlauf der Ereignisse bestätigt es. Auch Maria kann ihren Vorwurf in ihrem bis an die Grenze ihrer Liebe und ihres Vertrauens gehenden freundschaftlichen Umgangs mit Jesus nicht verbergen: „Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.“
Ihr unausgesprochener Vorwurf geht über in das geheimnisvolle, mysterienhafte Vertrauen einem Gott gegenüber, der uns Geheimnis und Mysterium bleibt. Gott ist unser Ursprung, den wir nie ganz begreifen können, weil er vor uns ist. Und er geht uns immer voraus. Aber er ist zugleich unser Ziel und unsere ganze Erfüllung. Ohne ihn wären wir nicht. Und ohne ihn gehen wir leer aus. Das begreift der Mensch offenbar nur, und nur dann ist er bereit, sich ganz darauf einzulassen, wenn Gott ihn provoziert und ihn liebevoll an die Grenze von Krankheit und Tod führt.
Gott hat keine Freude daran, dass er den Menschen auf diese Weise „erziehen“ und ihm dies dabei antun muss. Denn als Jesus sah, wie alle um Lazarus weinten, da weinte auch er. Und „die Juden sagten: Seht, wie lieb er ihn hatte!“
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
- Duccio di Buoninsegna: Die Heilung des Blindgeborenen (1308/11)
Auch diesen Sonntag, dem vierten Fastensonntag, hören wir im Gottesdienst erneut ein überaus langes Evangelium (Joh 9,1-41). In ihm wird der Weg eines Blinden geschildert, der gegen manche Widerstände, und am Ende wohl auch deshalb, aus der Blindheit schließlich zum Glauben an Jesus findet. Der Weg dieses Blinden und Sehendgewordenen steht exemplarisch für den Weg zum Glauben, wie viele Gläubige ihn gehen und erfahren.
Zu Beginn fällt auf, dass die Jünger Jesu den Herrn fragen, ob der Blinde oder seine Eltern Schuld daran haben, dass er blind geboren wurde. „Weder er noch seine Eltern haben gesündigt“, antwortet Jesus. An ihm solle vielmehr „das Wirken Gottes offenbar werden.“ Jesus widerspricht damit der verbreiteten Meinung, wie sie im geflügelten Wort zum Ausdruck kommt: „Die kleinen Sünden straft der liebe Gott sofort.“
Wie oft fragen Menschen sich: „Warum gerade ich? Warum muss ausgerechnet ich dieses oder jenes erleiden? Was habe ich denn Böses getan, dass mir dies oder jenes widerfährt?“ Mit dem Schicksal dieses Blindgeborenen und was sich dann ereignete, antwortet Jesus ihnen wie damals dem Blinden: Vertrau auf Gott! Sei zuversichtlich! Gott wird sich auch in deinem Leben zeigen und dich aus deiner Blindheit ins Licht führen. „Solange ich in der Welt bin“, sagt Jesus seinen Jüngern, „bin ich das Licht der Welt.“
Kurz und prägnant schildert daraufhin der Evangelist: „Als Jesus dies gesagt hatte, spuckte er auf die Erde; dann machte er mit dem Speichel einen Teig, strich ihn dem Blinden auf die Augen und sagte zu ihm: Geh und wasch dich in dem Teich Schiloach! Schiloach heißt übersetzt: Der Gesandte. Der Mann ging fort und wusch sich. Und als er zurückkam, konnte er sehen.“
Was der Blindgeborenen an äußerer Heilung erlebte, das wurde ihm dann auch im Glauben geschenkt. In dem Maß, wie von anderen – allen voran von einigen Pharisäern – bezweifelt wurde, dass Jesus diese Heilung bewirkt habe, wuchs an diesem Widerstand der Glaube des von der Blindheit Geheilten. In der Auseinandersetzung mit dem Unglauben derer, die ihm nun das Leben schwermachten, bewährte sich die zunehmend stärker werdende Überzeugung des Sehendgewordenen, dass „Jesus ein Prophet ist“.
Als der ehemals Blinde schließlich von einigen Pharisäern aus der Gemeinschaft der Synagoge ausgeschlossen wurde und Jesus davon erfuhr, traf er ihn erneut und fragte ihn: „Glaubst du an den Menschensohn? Der Mann antwortete: Wer ist das, Herr? Sag es mir, damit ich an ihn glaube. Jesus sagte zu ihm: Du siehst ihn vor dir; er, der mit dir redet, ist es. Er aber sagte: Ich glaube, Herr! Und er warf sich vor ihm nieder.“
So ist das auch heute. Wer sich dem Wirken Gottes nicht verschließt, wird überraschend erfahren, dass Gott durch scheinbar Belangloses – die Taufe und ihre Erneuerung durch die Beichte, das regelmäßige Beten und den regelmäßigen Besuch des Sonntags-Gottesdienstes, den geduldigen Umgang mit den eigenen Schwächen und denen seines Nächsten usw. – auch heute allen Ungewissheiten zum Trotz, sein Licht in diese Welt hinein schenkt und hell leuchten lässt.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
Für den dritten Fastensonntag sind zwei biblische Lesungen vorgesehen, bei denen es um lebensnotwendiges Wasser geht, das bildhaft zugleich das von Gott geschenkte Heil verdeutlicht.
Im Buch Exodus (17,3-7) erfahren wir, dass das nach Wasser dürstende Volk „gegen Mose murrte“: „Warum hast du uns überhaupt aus Ägypten hierher geführt? Um uns, unsere Söhne und unser Vieh verdursten zu lassen?“ Mose bangt schließlich um sein Leben und „schrie zum Herrn: Was soll ich mit diesem Volk anfangen? Es fehlt nur wenig, und sie steinigen mich.“
Daraufhin erbarmt Gott sich in einer tief prägenden, vom ganzen Volk durchlebten Erfahrung. Auf Gottes Weisung hin nimmt Mose den Stab und schlägt mit ihm, wie schon vor der Wüstenwanderung auf den Nil, nun auf einen Felsen. „Vor den Augen der Ältesten Israels“ fließt überreich klares Wasser hervor, von dem das Volk trinken und seinen Durst löschen kann. Mose nannte „den Ort Massa und Meriba (Probe und Streit), weil die Israeliten Streit begonnen und den Herrn auf die Probe gestellt hatten, indem sie sagten: Ist der Herr in unserer Mitte oder nicht?“
Noch eindringlicher wird Gottes Gegenwart unter den Menschen im Gespräch Jesu mit der Frau aus Samarien am Jakobsbrunnen dargelegt, nachvollzieh- und erfahrbar (vgl. Joh. 4,5-42).
Jesus hatte sich in der Mittagshitze am Jakobsbrunnen niedergelassen, während seine Jünger in den Ort gingen, „um etwas zum Essen zu kaufen.“ Um diese Stunde geht sonst niemand in die Gegenrichtung zum Brunnen. Dafür sind die kühlen und angenehmen Abendstunden, an denen der Gang zum Brunnen zugleich zum Erlebnis wird. Man trifft sich, tauscht Neuigkeiten aus und verbindet die Last der Mühe mit dem Angenehmen.
Diesmal aber ist es anders. Eine samaritische Frau kommt aus dem Ort zum Brunnen, um Wasser zu schöpfen. Offenbar nicht zufällig und nur dieses Mal. Denn nach fünf Männerbeziehungen lebt sie nun wieder mit einem zusammen, der nicht ihr Mann ist. Und das ist ihr Problem. Ihn ihrem Leben scheint vieles von dem, was sie in jungen Jahren erhofft hatte, danebengegangen und schief gelaufen zu sein.
So geht sie in der unerträglichen Mittagshitze, die sie aber immerhin vor der sie belastenden Gemeinschaft mit all den anderen Frauen schützt, ganz alleine zum Brunnen. Aber diesmal ist sie dort nicht alleine. Am Brunnen sitzt sogar ein Mann, zudem ein Jude, der sie auch noch anspricht und um Wasser bittet. - „Die Juden verkehren nämlich nicht mit den Samaritern“, fügt der Evangelist erklärend hinzu. So fragt die Frau aus Samarien erstaunt und verwundert: „Wie kannst du als Jude mich, eine Samariterin, um Wasser bitten?“
Gott bittet auch uns. Er bittet jeden Menschen, dass er ihm zumindest etwas Zeit schenkt und widmet. Nämlich eine Zeit des Betens und eine regelmäßige Zeit für den Sonntags-Gottesdienst. Das ist ein ganz besonderes Anliegen, dass Gott mit der Fastenzeit verbindet. So kann er auch an uns geschehen lassen, was sich im Alten Testament (s.o.) und dann in Fülle im Neuen ereignet hat.
Aus dem interessanten Gespräch mit der Frau ergibt sich schließlich, dass Jesus ihr Wasser anbietet; aber ein besonderes: „Wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.“ Womöglich eher mit Jesus scherzend, der Witze zu machen und „nicht ganz dicht zu sein“ scheint, erwidert sie: „Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe und nicht mehr hierher kommen muss, um Wasser zu schöpfen.“
Vielleicht sagt sie es aber insgeheim aus einer tiefen Sehnsucht heraus, trotz ihrer bislang unerfüllten Liebeswünsche schließlich doch den richtigen Weg, die richtige Anleitung und Unterstützung zu finden. Sie offenbart im Gespräch mit Jesus schließlich, dass ihr allem zum Trotz ein Stück Glaube an den Messias, den Erlöser geblieben ist.
Von da an nimmt nimmt das Gespräch eine andere Wendung. Und so ist das immer, wenn Menschen wieder beten. Wenn sie sich auf den vordergründig scheinbaren Schwachsinn einlassen, vor Gott still zu werden. Wenn sie sich immer wieder Zeit für das Beten und den sonntäglichen Gottesdienst nehmen, bis Gott „redet“; bis Gott jeden, der sich darauf einlässt, erkennen lässt, was noch fehlt, wo das Problem ist und was unser Leben zur Erfüllung werden lässt.
Jesus sagt ihr: „Geh, ruf deinen Mann, und komm wieder her.“ Nun liegt alles offen. Das Problem ist genannt und damit erkannt. So geschieht das auch in der Beichte. Wer bekennt, der erkennt. Deshalb gehört auch die Beichte zu dem, worum Gott uns in der Fastenzeit bittet.
So kann Gott sich durch seinen menschgewordenen Sohn dieser Frau, und so wird er sich auch heute wieder jedem als Messias offenbaren: „Ich bin es, ich, der mit dir spricht.“ Im weiteren Verlauf des Evangeliums wird deutlich, dass nicht nur diese Frau ihren Frieden findet. Ihr bisheriges Leben und die geheimnisvolle, ihr von Gott geschenkte Veränderung und Verwandlung ihres Herzens führen dazu, dass „viele Samariter aus jenem Ort zum Glauben an Jesus kamen.“
Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
- Berpredigt - Cosimo Rosselli 1481-82 - Sixtinische Kapelle
Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!
Der Eröffnungsvers des Gottesdienstes an diesem achten Sonntag im Jahreskreis stimmt mit Worten aus dem 18. Psalm auf die Heilige Feier ein: „Der Herr wurde mein Halt. Er führte mich hinaus ins Weite, er befreite mich, denn er hat an mir Gefallen.“ Diese Worte, die eine tiefe religiöse Erfahrung mit Gott widerspiegeln, sind ein Schlüssel zu einem tieferen Zugang zu den Lesungen dieses Sonntags.
Die erste Lesung ermutigt das Volk Gottes im babylonischen Exil nicht zu verzagen. Ihm fällt es schwer zu glauben, dass Gott es wieder in die Heimat zurückführen wird. Es fühlt sich von Gott verlassen und vergessen. Der Prophet Jesaja antwortet darauf mit einer Heilsankündigung (Jes 49,15-20), von der die Sonntagslesung nur den Anfang enthält (V. 15): „Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: ich vergesse dich nicht - Spruch des Herrn.“
Damit steht in einem inneren Zusammenhang, was in der zweiten Lesung der Heilige Paulus an die Korinther schreibt (1 Kor 4,1f): „Als Diener Christi soll man uns betrachten und als Verwalter von Geheimnissen Gottes. Von Verwaltern aber verlangt man, dass sie sich treu erweisen.“ Die Apostel und ihre Mitarbeiter sind nicht Herren der Gemeinde, sondern ihre Diener. Sie geben das weiter, was sie selbst empfangen haben: die Offenbarung Gottes durch Jesus Christus.
Ob sie aber ihren Dienst treu verwaltet haben, darüber steht das Urteil allein Gott zu: „Ich bin mir zwar keiner Schuld bewusst, doch bin ich dadurch noch nicht gerecht gesprochen; der Herr ist es, der mich zur Rechenschaft zieht.“ Deshalb gilt genauso auch für die anderen: „Richtet also nicht vor der Zeit; wartet, bis der Herr kommt, der das im Dunkeln Verborgene ans Licht bringen und die Absichten der Herzen aufdecken wird. Dann wird jeder sein Lob von Gott erhalten.“
Neben manch anderem geht es an diesem Sonntag in besonderer Weise um das Vertrauen des Menschen Gott gegenüber. Dieses Vertrauen des Menschen zu Gott kann allerdings nur dort wachsen und sich entwickeln, wo Menschen sich bewusst frei machen von einer fehlgeleiteten Sorge um die eigene Zukunft. Da sind wir beim Kern der biblischen Botschaft für diesen Sonntag.
Das Sonntagsevangelium (Mt 6,24-34) beginnt mit dem bekannten Wort Jesu: „Niemand kann zwei Herren dienen.“ Die folgenden Worte spitzen diese Aussage erklärend zu: „Er wird entweder den einen hassen und den andern lieben, oder er wird zu dem einen halten und den andern verachten. Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon.“
Bezeichnenderweise lautet die Kapitel-Überschrift zu diesen Versen des Matthäus-Evangeliums: „Von der falschen und der rechten Sorge.“ In Formulierungen, die das Zumutbare zu überschreien scheinen, mahnt Jesus: „Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und darum, dass ihr etwas anzuziehen habt. … Macht euch also keine Sorgen und fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen? Denn um all das geht es den Heiden. Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles braucht.“
Dass Jesu hier keine pseudoparadiesische Faulheit predigt, versteht sich aus dem an anderen Stellen Gesagten, wie z.B. im Gleichnis vom unnützen Diener (Mt 25,14-30) usw., von selber. Es geht nicht um einen verantwortungslosen Umgang mit Gottes Vorsehung. Es geht vielmehr darum, Gottes Vorsehung nicht durch übermäßige und falsche Sorgen immer weiter zu vergessen.
Am Ende eines solchen Weges, der von Gott entfernt, traut der Mensch Gott schließlich gar nichts mehr zu und er glaubt nur noch an das, was er selber und aus eigener Kraft erreichen kann. Damit verliert der Mensch die Möglichkeiten Gottes, die Gott dem Menschen aufschließen möchte. Durch falsche Emanzipation löst sich der Mensch von der Liebe Gottes, ohne die das Leben nicht dauerhaft lebenswert sein kann.
Fragen wir uns also: Um was kreisen unsere Gedanken? Was steht in unserem eigenen Leben an erster Stelle? Jesus hilft uns dabei mit den Worten: „Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie? … Euch … muss es zuerst um Gottes Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben.“
Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
- Bergpredigt - Rudolf Yelin d. Ä. (1864–1940)
In diesem Jahr wird viel von der Reformation gesprochen, die von Martin Luther ausgegangen ist. Aber man bedenkt dabei immer wieder zu wenig, dass der wirklich große und eigentliche Reformator, und an erster Stelle, Jesus Christus ist. Seine Reformation zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht gekommen ist, wie er selber es sagt, „um das Gesetz und die Propheten aufzuheben.“ Er fährt demgegenüber wörtlich fort: „Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen.“ (Mt 5,17).
Alles, was sich „Reformation“ nennt, ist nur dann segensreich, wenn es sich an die „Reformation“ Jesu Christi hält und an ihr Maß nimmt. Man findet sie grundgelegt in der Bergpredigt. Dort sagt Jesus (ibid. 18f): „Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich. Darum sage ich euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“
Hier ist nicht der Ort, die Reformation Luthers von diesem Grundsatz aus kritisch zu durchleuchten, auf die der Herr seine Erneuerung aufbaut, predigt und vorlebt. Hier ist aber wohl der Ort, dieses Fundament, von dem aus Jesus die Aktualisierung der Gebote Gottes fordert, ein wenig zu erhellen.
Auf den ersten Blick scheint Jesus im Sonntagsevangelium (Mt 5,17-37) die Gebote des Alten Bundes durch neue zu ersetzen. Er wiederholt im Stil einer Antithese: „Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: … Ich aber sage euch …“ Wie so oft muss man auch hier genauer hinschauen. Das Neue, was der Herr predigt, ist nichts wirklich neu oder anders. Es entspricht vielmehr dem Eigentlichen und der letzten Absicht der 10 Gebote.
Jesus enthüllt, was das „Alte“ für ein gutes und gerechtes Leben als praktische Folge mit sich bringt. Der Herr reinigt die zehn Gebote vom Rost, der sich durch die Nachlässigkeit der Menschen und ihre minimalistische Bequemlichkeit über sie gelegt hat. Christus zeigt den wahren und gereinigten Sinn, auf den Gott immer schon den Alten Bund aufgebaut hat.
Nie bestand im Alten Testament ein Gegensatz zwischen dem Sinaigesetz und dem Glauben Abrahams. Wer den zehn „Weisungen“ Gottes vom Berg Sinai folgt, der steht im wahren Glaubensgehorsam. Diesen aber haben die „Pharisäer und Schriftgelehrten” in ihrer Selbstgerechtigkeit nicht mehr im Herzen. Der umfassende Glaubensgehorsam berührt und reformiert ihr Leben nicht mehr. Deshalb muss ihre „Gerechtigkeit” in Richtung auf Abraham und noch mehr auf Jesus hin überschritten und „weit größer“ werden (s.o.).
Schon am Berg Sinai hat Gott diesen Sinn seiner Gebote für die Menschen geoffenbart: „Erweist euch als heilig und seid heilig, weil ich heilig bin” (Lev 11,44). Jesus greift diese Aufforderung in der Bergpredigt auf und wiederholt sie, nur mit anderen Worten: „Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist” (Mt 5,48). Wer mit Gott im Bund stehen will, soll seiner Haltung und Gesinnung entsprechen. Alle zehn Gebote meinen das. Das also ist ihr Sinn.
Jesus zeigt und er lebt uneingeschränkt vor, dass die Erfüllung der Gebote möglich ist: bis zum Kreuz und zur Auferstehung. In Verbundenheit mit ihm wird dann auch von uns nichts Unmögliches verlangt. Die erste Lesung sagt es ausdrücklich: „Wenn du willst, kannst du das Gebot halten; Gottes Willen zu tun ist Treue.“ (Sir 15,15). Diese „Treue” ist der innere Wunsch, der aus der liebenden Verbundenheit mit dem Herrn erwächst, seiner Weisung dankbar zu entsprechen. „Dieses Gebot, auf das ich dich heute verpflichte, geht nicht über deine Kraft und ist nicht fern von dir“, heißt es dann im Buch Deuteronomium. Das Wort der Gebote „ist ganz nah bei dir, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen, du kannst es halten“ (Dtn 30,11.14).
So erschließt sich die Reformation, zu der Jesu Christus die Menschen ermutigt, und wie sie bereits im Alten, wie Gott es gegeben hat, enthalten ist: „Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein … Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen. … Schwört überhaupt nicht. Euer Ja sein ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen“ (Mt 5,22.28.34a.37).
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
- "Licht für die Heiden; Licht für die Welt" - Rembrandt: Selbstportrait als greiser Simeon
"Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt!" – Vor drei Jahren hat Papst Franziskus vor dem Angelus auf dem Petersplatz das Evangelium dieses Sonntages, wie folgt ausgelegt:
»Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag! - Im Evangelium des heutigen Sonntags, das unmittelbar auf die Seligpreisungen folgt, sagt Jesus zu seinen Jüngern: „Ihr seid das Salz der Erde… Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt 5,13.14). Das überrascht uns ein bisschen, wenn wir bedenken, wen Jesus vor sich hatte, als er diese Worte sprach. Denn wer waren seine Jünger? Sie waren Fischer, einfache Leute…
Doch Jesus betrachtet sie mit den Augen Gottes, und seine Worte versteht man am besten, wenn man sie im Zusammenhang mit den Seligpreisungen sieht. Was er sagen will ist: Wenn ihr arm vor Gott seid, wenn ihr barmherzig seid, wenn ihr ein reines Herz habt, wenn ihr Frieden stiftet… dann seid ihr das Salz der Erde und das Licht der Welt!
Um diese Metaphern besser verstehen zu können, müssen wir bedenken, dass das mosaische Gesetz vorschrieb, jeder Opfergabe, die man Gott darbrachte, etwas Salz hinzuzufügen, als ein Symbol des Bundes. Und das Licht war für das Volk Israel ein Sinnbild für die messianische Offenbarung, die die Finsternis des Heidentums besiegt.
Die Christen, das neue Israel, empfangen daher eine Mission gegenüber allen anderen Menschen: Mit ihrem Glauben und der Nächstenliebe können sie der ganzen Menschheit eine Richtung geben, sie heiligen und fruchtbar machen. Wir alle, die wir die Taufe empfangen haben, sind Jünger und Missionare, dazu berufen, in der Welt ein lebendes Evangelium zu werden: Mit einem heiligen Leben werden wir unserem Umfeld „Geschmack“ verleihen und es vor dem Verfall bewahren, genau wie das Salz es tut; und mit dem Zeugnis einer echten Nächstenliebe werden wir das Licht Christi in die Welt tragen.
Doch wenn wir Christen unseren Geschmack verlieren und unser Licht auslöschen, dann verliert unsere Anwesenheit an Wirksamkeit.
Wie schön ist doch unsere Aufgabe, Licht in die Welt zu bringen! Denn wir haben diese Aufgabe. Und sie ist schön! Sehr schön ist es auch, das Licht aufzubewahren, das wir von Jesus empfangen haben.
Ein Christ sollte immer ein strahlender Mensch sein, der Licht bringt, der immer Licht verbreitet! Ein Licht, das nicht von ihm kommt, sondern ein Geschenk Gottes ist, ein Geschenk Jesu. Wir sind Träger dieses Lichts. Wenn ein Christ dieses Licht auslöscht, hat sein Leben keinen Sinn mehr: Er bleibt nur noch dem Namen nach Christ; ein Leben ohne Licht ist ein Leben ohne Sinn.
Jetzt will ich euch fragen: Wie wollt ihr leben? Wie eine brennende Laterne, oder wie eine erloschene? An oder aus? Wie wollt ihr leben?
Wie ein brennendes Licht! Gott gibt uns dieses Licht, und wir geben es an die anderen weiter. Eine brennende Laterne! Das ist die christliche Berufung.«
- Bergpredigt, Fresco von Fra Angelico in Florenz im Markuskloster (1437-1445)
„Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.“ (Mt 5,3-4) So hören wir im Sonntagsevangelium. Biblische Aussagen wie diese sind schwierig: Wie kann ein Wort von Gott sein, das Arme und Trauernde selig preist?
Man wird den Seligpreisungen nicht gerecht, versteht man sie nur als Hinweis auf den Himmel. Ohne Zweifel wird nach dem Zeugnis der Geheimen Offenbarung (21,4) im Himmel vieles anders sein; alles wird endlich und endgültig gut sein: „Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen, der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen.“
Zugleich ist der Himmel nicht einfach die Umkehr irdischer Verhältnisse nach dem Motto: "Wer hier auf Erden gelitten hat, wer arm war und ein trauriges Leben geführt hat, der wird dann nicht mehr leiden; der wird dann reich sein und sich freuen". Wäre das so, dann müsste auch gelten: "Wer sich hier auf Erden gefreut hat, wer hier ein gutes Auskommen hatte, wird dann ewig leiden müssen und für immer darben."
Vorstellungen wie diese entsprechen nicht der Bibel. Paulus etwa zählt im Galaterbrief (5,22) als Frucht des Geistes „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte und Treue“ auf. Gaben, die nach Paulus dem Gläubigen schon zu Lebzeiten, nicht erst im Himmel zuteilwerden; wenngleich, das ist richtig, im Himmel in für uns jetzt noch unvorstellbarer und vollendeter Fülle.
Wenn der Himmel nicht einfach die Umkehrung der irdischen Verhältnisse, und die Seligpreisungen nicht einfach billige Vertröstung auf das Jenseits sind: Wer sind dann „die Trauernden, die getröstet werden“? Und welche Traurigkeit ist gemeint?
Die Jünger Jesu wurden einmal kritisiert, weil sie nicht fasteten wie die Anhänger des Täufers Johannes. Jesus weist die Kritik zurück: „Können denn die Hochzeitsgäste weinen und trauern, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Es werden aber Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam genommen sein; dann werden sie weinen“ (Mt 9, 15).
„Weinen und trauern“ bezieht der Herr auf die Abwesenheit des Bräutigams. Wenn der Messias ihnen „weggenommen“ wird, dann werden sie trauern. Der empfundene Schmerz ist somit Trauer angesichts von Leid und Tod Jesu und seiner durch die Sünde hervorgerufener Abwesenheit. Damit ist der empfundene Schmerz auch Trauer über die Sünde als Ursache von Jesu Leiden und Absenz. Es ist Klage und Weinen über die Schuld des Menschen, die Jesus bereitwillig im Kreuz auf sich nimmt, um so die Menschen zu entlasten und den Weg zur Erlösung aufzutun. – Ähnliches findet sich am Ende des Markus Evangeliums (16,10): Maria aus Magdala eilt, nachdem sie den auferstandenen Christus gesehen hat, zu den Aposteln, „um es denen zu berichten, die mit ihm zusammen gewesen waren und die nun klagten und weinten“, betrübt über den Tod ihres Herrn und geliebten Meisters.
In der Fassung der Bergpredigt bei Lukas (6,25) wird den „Trauernden, die getröstet werden“ ein Weheruf gegenübergestellt: „Weh euch, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet klagen und weinen.“ Gemeint sind die, die „jetzt“ lachen, die den gegenwärtigen Anlass der Trauer nicht verstehen. Es sind jene, die mit dem gekreuzigten Herrn „ihren Spott treiben“ und ihn „verlachen“ und „verhöhnen“ (Lk 22,63; 23,35).
Mit Trauer ist hier also das Weinen über den Tod Christi und über die Sünde der Menschen gemeint; jene Trauer, die im Herzen der Jünger aufsteigt, als ihr Herr „zu Tode betrübt“ (Mt 26,38) in das Geheimnis seiner Passion eintritt. Von der Sache her kann die selig machende Traurigkeit der Bergpredigt sich nur auf diese Trauer beziehen. Mit ihr ist folglich nicht ausschließlich menschlich-irdisches Leid gemeint; nicht rein innerweltlich irdische Heimsuchung, in der kein richtiger Sinn erkennbar wird und die leicht dazu verführen, sie mit vordergründiger Vertröstung auf den Himmel zu bewältigen und abzutun. So etwas käme Betrug und Zynismus gleich. Man darf Leidende und Darbende nicht zu einer geduldigen Annahme ihres Elends mit der alleinigen Begründung auffordern, Gott sorge schon dafür, dass spätestens nach dem Tod im Himmel alles besser werde. Das wäre nicht nur materiell, das wäre vor allem spirituell zu dürftig und zu wenig. Mit einer solchen Begründung alleine würde man es sich zu leicht machen. Das wäre unverantwortlich.
Die selig gepriesenen Trauernden sind dem gegenüber die, welche „um Christus, den Bräutigam trauern“; die ihm nachfolgen, an seinem Opfer teilhaben und selber zur Opfergabe werden, getreu seiner Aufforderung (Lk 9,23): „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach“. – Die selig gepriesene Traurigkeit ist damit der Schmerz über die menschliche Schuld, die das Opfer Christi nach sich zieht; bis hin zum Schmerz über die bewusste oder unbewusste Schuld derer, die aus Verblendung oder Unwissenheit gerade diese Traurigkeit und diesen Schmerz nicht mit– und nachempfinden können; sogar darüber lachen und spotten.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
- „Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und seinen Bruder Andreas; sie warfen ihre Netze in den See, denn sie waren Fischer. Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm.“ (Mt 4,18-20)
Oft lassen sich interessante Querverbindungen in den Sonntagslesungen entdecken. Die von diesem Sonntag sind sehr deutlich.
Die erste Sonntags-Lesung aus dem Buch Jesaja ist vor einem bestimmten historischen Hintergrund geschrieben. Im Jahr 732 v. Chr. waren große Teile des israelitischen Nordreichs dem assyrischen Reich angegliedert. Die Bevölkerung Galiläas (die Stämme Sebulon und Naftali) waren verschleppt und in das Dunkel der Geschichtslosigkeit hinausgestoßen. Dazu lesen wir im Prophetenbuch Jesaja (Jes 8,23b): „Einst hat der Herr das Land Sebulon und das Land Naftali verachtet.“
Dies ist nicht in dem Sinne zu verstehen, dass Gott so verachtet, wie das unter Menschen leider immer wieder vorkommt. Die Verachtung, die Gott den genannten Ländern gegenüber zeigt, ist Folge des gottlosen Lebens dieser Länder. Das ist heute nicht anders. So wird mit diesem Wort der Bibel der Mensch aufgerufen, sich wieder auf Gott und ein gutes Leben zu besinnen. Der Mensch wird zugleich daran erinnert, dass allein Gott weiß, wie das Leben der Menschen gelingt. Der Besserwisser und Selbstgerechte handelt sich notwendigerweise Gottes Verachtung ein.
In dieser Situation sagt das Prophetenbuch Jesaja für die in der Dunkelheit und Gottlosigkeit Lebenden ein Licht voraus (Jes 9,1): „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf.“ Für den Evangelisten Matthäus geht diese Verheißung mit Jesus in Erfüllung, als er in das Gebiet von Galiläa kommt.
So hören wir es dann im Sonntags-Evangelium (Mt 4,13-16): „Jesus verließ Nazaret, um in Kafarnaum zu wohnen, das am See liegt, im Gebiet von Sebulon und Naftali. Denn es sollte sich erfüllen, was durch den Propheten Jesaja gesagt worden ist: ‚Das Land Sebulon und das Land Naftali, die Straße am Meer, das Gebiet jenseits des Jordan, das heidnische Galiläa: das Volk, das im Dunkel lebte, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen‘.“
In Galiläa beginnt Jesus seine öffentliche Tätigkeit, ruft das Reich Gottes aus, heilt Kranke und lädt zur Nachfolge ein (Mt 4,17): „Von da an begann Jesus zu verkünden: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.“
Jesu Worte und Wunder sind Zeichen des Heils, das Gott den Menschen schenkt. Jesus ist in erster Linie aber nicht gekommen, um mit Worten nur über konkrete Schwierigkeiten hinweg zu trösten und temporäre Gesundheits-Verbesserung zu bringen. Gottes Sohn bringt ein umfassendes Heil, das nach der Auferstehung ewig und für immer ist. Anfang und Grundlage dafür werden allerdings schon im irdischen Leben gelegt, das deshalb von entscheidender Bedeutung ist.
Vor den Wundern berichtet Matthäus deshalb, wie Jesus die ersten Jünger beruft: Petrus und Andreas, Jakobus und Johannes; zweimal zwei Brüder. Dabei erfährt der Leser des Evangeliums, was entscheidend ist für das Heil und für ein Leben nach der immer besseren Vorstellung und Idee, die Gott von jedem hat.
Als Jesus (Mt 4, 18-20) „am See von Galiläa … zwei Brüder sah, Simon, genannt Petrus, und seinen Bruder Andreas, die ihre Netze in den See warfen, denn sie waren Fischer, sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.“ Auf diese Aufforderung Jesu hin überliefert Matthäus ganz pointiert nur das folgende: „Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm.“
Hier wird deutlich, worum es geht. Die zukünftigen Apostel diskutieren nicht hin und her. Sie hören den Ruf und verstehen ihn mit dem Herzen, noch ehe sie mit dem Verstand wissen, was die Nachfolge ihnen bringen wird an Größe; aber auch an dafür notweniger Erniedrigung seiner selbst. Denn nur wer Jesus auch in seiner Erniedrigung nachzufolgen bereit ist, wird Gottes Größe in sich und wie er sie für den Menschen bereithält, verstehen und erfahren. (Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
- Taufe Christi - Giovanni Bellini - 1500-02-Vincenza
Man kann wohl zu Recht davon ausgehen, dass Jesus lange Jahre abseits einer größeren Öffentlichkeit wie die meisten anderen Männer seiner Zeit gelebt hat. Wohl hat er keine eigene Familie gegründet. Seinen Lebensunterhalt jedoch wird er rechtschaffend mit seiner Berufsarbeit verdient haben.
Ab einem bestimmten Moment tritt er in der Öffentlichkeit auf, predigt und wirkt Wunder. Zu Beginn dieses öffentlichen Wirkens lässt er sich von Johannes im Jordan taufen. Bei Matthäus lesen wir: „Kaum war Jesus getauft und aus dem Wasser gestiegen, da öffnete sich der Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.“ (Mt 3,16-17)
Überraschend ist auch, warum Jesus sich taufen lassen wollte. Als Sohn Gottes und von seinem göttlichen Wesen her war er als Mensch ohne Sünde. Der Täufer war deshalb auch sehr erstaunt. Der Evangelist drückt es wie folgt aus (Mt 3,14-15): „Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm: Ich müsste von dir getauft werden, und du kommst zu mir? Jesus antwortete ihm: Lass es nur zu! Denn nur so können wir die Gerechtigkeit, die Gott fordert, ganz erfüllen. Da gab Johannes nach.“
Hier ergeben sich vor allem drei Fragen: Was für eine Gerechtigkeit fordert der Vater? Warum fordert er, sie ganz zu erfüllen? Und drittens: Warum hat der himmlische Vater an seinem Sohn Gefallen gefunden?
In der Tradition der kirchlichen Verkündigung lassen sich diese Fragen wie folgt beantworten: Bei der Schaffung des Menschen hat Gott Adam und Eva die besondere Gnade geschenkt, mit ihm in tiefer Freundschaft zu leben. Der Mensch sollte durch diese Gnade Gott ähnlich und ihm wie ein Kind nahe sein.
Der Versuchung des Teufels erlegen verlor sich der Mensch jedoch in der irrigen Vorstellung, durch eigenes Wissen und selbst erworbene Vorzüge nicht länger wie ein Gott vertrauendes und ihn liebendes Kind leben zu sollen, sondern fortan in quasi göttlicher Vollmacht sein Leben autonom ganz alleine in die Hand nehmen und die Entscheidung über Gut und Böse nur noch vor sich selber verantworten zu müssen. Gegenüber Gott als Schöpfer ist das Ungehorsam und Hochmut in einem. So haben die ersten Menschen und mit ihnen alle ihre Nachkommen die Gnade dieser besonderen Freundschaft mit Gott verloren.
Um das so Verdrehte wieder richtig zu stellen, hat Jesus seinen Schritt in die Öffentlichkeit mit einem Akt der Demut, des Gehorsams und der Buße begonnen. Er reiht sich ein in die Schar der bußwilligen und umkehrbereiten Sünder. Jesus selber ist als Mensch und Gott uneingeschränkt sündenfrei. Aber er gehört als erster zu jenen, die für die Sünde Buße tun. Und er nimmt auch die Folge der Sünde auf sich: Unordnung, Chaos und Tod. Diese Folgen wurde lange Zeit, von manchen leider missverstanden, „Sündenstrafen“ genannt. Richtig verstanden sind diese Folgen aber die Strafe für die Sünde, die Jesus als Sühne auf sich nimmt.
In demütigem Gehorsam bringt er als Sohn des Vaters den Ungehorsam der Menschen wieder in Ordnung und tut etwas zur Wiedergutmachung, um die vom Vater geforderte Gerechtigkeit ganz zu erfüllen: Jesus lässt sich als Unschuldiger taufen. Zu Beginn im Jordan und am Ende seines irdischen Lebens am Kreuz (vgl. Lk 12,50).
Das ist es, was dem himmlischen Vater gefällt, der deshalb bei der Verklärung auf dem Berg noch hinzufügt: „auf ihn sollt ihr hören“ (Lk 9,35).
Wer Jesu Einstellung übernimmt und in seinem Tun und Leben folgt, dem werden die Vertrautheit und Freundschaft mit Gott wieder zuteil. Die Erfahrungen einer Lebensverwirklichung nach den Grundsätzen Jesu sind davon geprägt, erneut Kind Gottes zu sein. Getauft sein bedeutet deshalb, alles wieder von Gott zu empfangen. Dann vermag man den Lebensstil und die Grundhaltung Jesus immer segensreicher für das eigene Leben zu entschlüsseln und Jesus zu folgen.
Das Fundament für ein Leben als Kind Gottes ist die Demut. Jesus sagt ausdrücklich (Mt 11,29): „Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen.“ Und der heilige Augustinus erklärt dazu: „Jesus sagte nicht: Lernt von mir eine Welt zu bauen, die Toten aufzuwecken und noch größere Wunderwerke zu tun als es sie in der Welt schon gibt, sondern lernt von mir, denn ich bin sanft und demütig von Herzen. Es ist weit besser, in aller Demut und Furcht Gott zu dienen, als Wunder zu wirken.“
Die Demut besteht in der Liebe zur Wahrheit und in der wahren Selbsteinschätzung vor Gott und den Mitmenschen. „In Demut schätze der eine den anderen höher ein als sich selbst“, sagt der H. Paulus (Phil 2,3). Wenn diese Grundlage fehlt, wird unser Leben unchristlich.
Demut wird lateinischen mit dem Wort „humilitas“ bezeichnet. In diesem Ausdruck klingt das Wort „humus“ an, das heißt Boden. Wir sollen also auf den Boden gelangen, auf den Boden der Wirklichkeit, dass wir nur Geschöpfe und nicht Gott sind, aber dass wir durch Jesus auch die geliebten Kinder unseres himmlischen Vaters sind.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt) |