Pfarrnachrichten 52/2016 - 4. Adventssonntag (A)

Einige Tage vor Weihnachten wird uns am vierten Adventssonntag der Heilige Josef durch eine der wenigen Bibelstellen vorgestellt, in denen von ihm kurz aber vielsagend berichtet wird. Der Heilige Matthäus formuliert es so (1,18f): „Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie, zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete - durch das Wirken des Heiligen Geistes. Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen.“

Die Erzählweise des Evangelisten legt nahe, dass Josef keinen Zweifel an der Treue und der moralischen Integrität seiner Verlobten hatte. Davon ist auch deshalb auszugehen, weil Maria ganz ohne Sünde war. Der Umgang mit ihr muss wegen der größeren Nähe insbesondere für den Heiligen Josef faszinierend gewesen sein: Nie auch nur eine Gemeinheit, kein böses Wort, keine „Zickerei“, keine Eitelkeit, kein Egoismus, keine falsche Bequemlichkeit.

Statt all dem immer wieder eine uneingeschränkte Offenheit, mit der diese junge, ganz außergewöhnliche Frau mit Namen Maria ohne jede Selbstbespiegelung auf die Menschen zugegangen ist und mit ihnen Umgang pflegte. Und eine Frömmigkeit, die nicht falsch verklärt, sondern in aller Natürlichkeit ihrem ganzen Wesen mitgegeben war und ihren Charakter in all seinen Zügen durchformte.

Aus dieser Perspektive betrachtet wollte der gerechte Josef all diese, besonders von ihm zutiefst wahrgenommenen Vorzüge „nicht bloßstellen“. Josef wollte das innere, das aus der Verbundenheit mit Gott entspringende einzigartige Wesen seiner Verlobten, das intime und ganz persönliche „Geheimnis“ in ihr, nicht einer verständnislosen Öffentlichkeit preisgeben, die das nicht nur nicht verstanden, sondern darüber sowie dann auch über seine Verlobte stattdessen nur gespottet hätte. Nach dem Motto: Da wird doch nur eine fromme Geschichte erzählt, um ein voreheliches Verhältnis zu vertuschen. Die ist doch auch nicht anders und besser als wir.

Josef schweigt aus Gerechtigkeit und Wertschätzung seiner allerheiligsten Verlobten gegenüber. Josef ist sich in einer realitätsnahen Selbsteinschätzung zutiefst bewusst, dass er als Verlobter und auserkorener Bräutigam diesem Wohnen Gottes in Maria aus eigener Kraft nicht richtig und gerecht erwidern und sich ihr gegenüber aus eigenem Vermögen nicht zutreffend und korrekt verhalten kann. Auch will er aus Respekt und Zuneigung seiner Verlobten gegenüber ganz im Hintergrund bleiben. Er verzichtet bewusst auf die falsche Genugtuung, sich als der große „Glückspils“ hervorzutun, den eine makellose und bezaubernde Verlobte liebt, schätz und ehrt. Damit möchte er sich zugleich nicht eigenmächtig einmischen in das Geheimnis der verwandelnden Einwohnung Gottes in Maria.

Das ist die „Gerechtigkeit“ des Heiligen Josef, die ihn zu einem bewundernswerten Respekt und einer einzigartigen Wertschätzung Mareins gegenüber geführt hat. Diese Gerechtigkeit hat ihm zugleich einen tiefen Zugang zu Gott und seinem Wirken zum Wohl von uns Menschen ermöglicht. So zögert er nicht, wie der Heilige Matthäus dann berichtet, als ihm das zur Gewissheit wird. Wie Maria ist auch Josef bereit, sich ganz dem anzuvertrauen, was Gott mit uns und dann durch uns zum Wohl aller Menschen vorhat.

Während Josef nämlich über all das nachdachte, „erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen. Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären, und man wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott ist mit uns. Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.“ (Mt 1,20-24)

Mit diesem Evangelium empfiehlt der Heilige Matthäus dem adventlichen Menschen, der das Große des Lebens in „Ego-Verblendung“ nicht sich selber zuschreibt, sondern von Gottes Ankunft erwartet, es zumindest ansatzweise wie der Heilige Josef zu machen. Richtig und ehrlich wird Weihnachten überall dort gefeiert, wo das Wohlwollen und die Wertschätzung dem anderen gegenüber vorurteilslos und uneingeschränkt gesucht und mit Gottes Hilfe, die aus ganzem Herzen zu erbitten ist, dann auch möglich wird. Die rechte Liebe von und zu Gott, dem Nächsten und sich selber ist eine einzige und untrennbar in sich verwobene Wirklichkeit, in der alles Leben gründet und gehalten wird.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 51/2016 - 3. Adventssonntag (A)

Johannes der Täufer beim Gebet; Juan van der Hamen y León - 1620-22

Am dritten Adventssonntag hören wir erneut von Johannes dem Täufer, allerdings in einer vordergründig widersprüchlichen Weise. Das Eintreten für die Wahrheit hatte Johanes nämlich ins Gefängnis gebracht. Die näheren Details erzählen die Synoptiker an anderer Stelle (vgl. Mk 6,17 ff und Mt 14,3 ff) folgendermaßen:

Schuld an der Festnahme des Johannes war Herodias, die Frau des Bruders von König Herodes, die dieser seinem Bruder weggenommen und sich selber zur Frau genommen hatte. Gegen diese Ungerechtigkeit hatte Johannes seine Stimme erhoben (Mk 6,18): „Du hattest nicht das Recht die Frau deines Bruders zur Frau zu nehmen.“ Vor allem „Herodias verzieh ihm das nicht und wollte ihn töten lassen.“ So kam es zur Gefangenschaft und zur späteren Hinrichtung des Täufers.

Im Gefängnis scheint dem mutigen Prediger die einstige Überzeugung, dass Jesus der Messias sei, zur Frage geworden zu sein. Noch vor relativ kurzer Zeit hatte er Jesus den Weg geebnet und ihn durch sein mutig-gewaltiges Auftreten eingeführt. Unerschrocken hatte er von allen gefordert, Jesus aus Nazareth den Weg zu bereiten und alles in sich Verkrümmte, Unehrliche und Verbogene zu richten und zu begradigen. Bei der unmittelbaren Begegnung mit Jesus (Joh 1,29 ff) hatte er ihn als „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ und sogar als „Sohn Gottes“ bezeugt.

Ähnlich bei der finalen Begegnung beider am Jordan, wo Jesus den Johannes um die Taufe bat. Der Täufer wollte es anfangs nicht zulassen und sagte (Mt 3,14): „Ich müsste von dir getauft werden, und du kommst zu mir?“ Nun im Gefängnis schien dies alles vergessen. Als „Johannes im Gefängnis von den Taten Christi hörte, schickte er seine Jünger zu ihm und ließ ihn fragen: Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten?

In Wirklichkeit aber zeigt sich in dieser Schwäche des Gefangenen die ganze Größe des Täufers. Genau dies hat einmal der Heilige Paulus im zweiten Brief an die Korinther (12,10) so ins Wort gebracht: „Ich bejahe meine Ohnmacht …, die ich für Christus ertrage; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ Die beiden großen Heiligen waren sich bewusst, dass sie ihr kraftvolles Predigen und ihr unbestechliches Eintreten für das Wahre, Gute und Gerechte nicht sich selber, sondern der Kraft Gottes verdankten. Und diese Kraft Gottes mussten auch die Heiligen immer wieder suchen; genauso wie wir durch das tägliche Beten, das regelmäßige Mitfeiern der Gottesdienste und den Empfang der Sakramente.

Auf diese Suchen hin antwortete Jesus den Abgesandten des nun Gefangenen (Mt 11,4-6): „Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein, und Taube hören; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt.“ Von daher erklärt sich die vordergründig widersprüchlich Weise, in der uns Matthäus am dritten Adventsonntag von Johannes dem Täufer berichtet.

Als die Gesandten des Täufers nämlich „gegangen waren, begann Jesus zu der Menge über Johannes zu reden; er sagte: Was habt ihr denn sehen wollen, als ihr in die Wüste hinausgegangen seid? Ein Schilfrohr, das im Wind schwankt? Oder was habt ihr sehen wollen, als ihr hinausgegangen seid? Einen Mann in feiner Kleidung? Leute, die fein gekleidet sind, findet man in den Palästen der Könige. Oder wozu seid ihr hinausgegangen? Um einen Propheten zu sehen? Ja, ich sage euch: Ihr habt sogar mehr gesehen als einen Propheten. Er ist der, von dem es in der Schrift heißt: Ich sende meinen Boten vor dir her; er soll den Weg für dich bahnen. Amen, das sage ich euch: Unter allen Menschen hat es keinen größeren gegeben als Johannes den Täufer.“ (Mt 11,7-11)

Die wahre Größe nicht nur des Täufers, sondern aller Menschen geht auf Gott zurück und wird von ihm jedem geschenkt, der diese wahre menschliche und am Ende ewige, weil von Gott kommende Größe sucht, erbittet und annimmt. Damit im Einklang heißt es in der Lesung zum dritten Adventssonntag (Jes 35,4): “Sagt den Verzagten: Habt Mut, fürchtet euch nicht! Seht, hier ist euer Gott!

Damit erklärt sich die finale Äußerung Jesu, mit der er das ungewöhnliche Hervorheben des Täufers vor allen anderen abschließt (Mt 11,11): „Doch der Kleinste im Himmelreich ist größer als er.“ Mit dem „Kleinsten im Himmelreich“ sind all die gemeint, die ihre Größe in Gott und nicht in sich selber suchen, wofür anschaulich der als Mensch im Gefängnis schwache Täufer steht.

Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 50/2016 - 2. Adventssonntag (A)

Prophet Jesaja - Michelangelo Sixtinische Kapelle

Gedanken zum zweiten Advent

Am zweiten Adventsonntag im Lesejahr „A“ werden bekannte Worte aus dem Buch Jesaja vorgetragen (Jes 11,1-5): „Aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht. Der Geist des Herrn lässt sich nieder auf ihm: der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht. [Er erfüllt ihn mit dem Geist der Gottesfurcht.] Er richtet nicht nach dem Augenschein, und nicht nur nach dem Hörensagen entscheidet er, sondern er richtet die Hilflosen gerecht und entscheidet für die Armen des Landes, wie es recht ist. Er schlägt den Gewalttätigen mit dem Stock seines Wortes und tötet den Schuldigen mit dem Hauch seines Mundes. Gerechtigkeit ist der Gürtel um seine Hüften, Treue der Gürtel um seinen Leib.

In einer Adventspredigt hat der emeritierte Papst Benedikt erklärt: „Das gesamte Alte Testament stellt eine einzige große Verheißung dar, die sich mit dem Kommen eines mächtigen Erlösers erfüllen musste. Vor allem im Buch Jesaja finden wir diese Zeugnisse. Es erzählt uns von dem Sehnen der Geschichte und der ganzen Schöpfung nach Erlösung, die der ganzen Welt neue Energien und neue Orientierung geben soll. So bekommt neben der Erwartung der Personen der Heiligen Schrift durch die Jahrhunderte hindurch auch unsere Erwartung ihren Raum und ihre Bedeutung, jene, die wir in diesen Tagen (des Advents) erfahren und die wir den ganzen Weg unseres Lebens hindurch behalten werden. Die ganze menschliche Existenz wird von diesem tiefen Empfinden beseelt, von dem Sehnen, das noch wahrer, noch schöner und noch größer wird, wenn wir es mit dem Verstand und dem Herzen erkannt und erfasst haben, und wenn es vor unseren Augen konkret wurde und uns wieder erhoben hat: »Jetzt kommt der allmächtige Herr: er wird Emmanuel genannt werden, Gott-mit-uns« (Eingangsantiphon der Messe des 21. Dezember).“

In diesen Tagen des Advents häufen sich Worte wie diese in den Gottesdiensten. Ein neuer König wird vorausgesagt, der sich ganz nach dem Willen Gottes ausrichten und sein Volk aus der Not befreien wird. Allen voran malt der Prophet Jesaja ein Bild vom Paradies. Er verkündet den Menschen in ihrer Not ein Reich des Friedens (vgl. Jes 11,6-10):

Der Wolf und das Lamm fressen zusammen auf der Wiese Gras und der fleischfressende Löwe lässt sich neben dem Rind das Stroh schmecken. Die Welt, in der die Kleinen von den Großen gefressen werden, wird nicht mehr sein. Die Starken werden Gast bei den Schwachen sein. Und als Steigerung des paradiesischen Bildes, weidet auf einer Wiese der Knabe den Löwen und das Kalb. Ein Säugling steckt seine Hand in die Höhle einer Schlange und nichts passiert. Der Säugling, die wehrloseste Erscheinungsform des Menschen tritt mit der gefährlichen Schlange in Kontakt, gleich einem konfliktfreien Spiel. Undenkbares wird Wirklichkeit. Für Böses und Gewalttätiges ist kein Platz mehr auf der Welt. Die Folge seiner gerechten Herrschaft ist vollkommene Harmonie.

Mit Beginn der frühen Kirche 800 Jahre später ist diese Verheißung mit der Geburt Jesu erfüllt. Gott ist mit seiner Welt noch nicht am Ende. Deshalb wird er selbst Mensch. Der Trieb, der aus der Wurzel neu hervorsprießt, ist kein anderer als Jesus. Er wird in Armut geboren und stirbt scheinbar verlassen am Kreuz. In seinem Leben, seinem Sterben und in seiner Auferstehung wird Gottes tröstliche Botschaft deutlich. Gott selbst geht mit uns in die tiefsten Abgründe unseres Lebens und hält diese Ohnmacht mit uns aus.

Ohne Macht sein, ohne Einfluss gegenüber den Mächtigen und den Mächten unserer Zeit. Das lässt uns diese große Spannung spüren, in der wir uns heute jeden Tag bewegen.

Mit Worten von Papst em. Benedikt XVI lässt sich dies sich mit einigen bevorzugten Ideen des hl. Irenäus (+ um 200) verbinden. „Mit dem Jesuskind erinnert Gott uns an die Ähnlichkeit mit ihm selber. Wir sehen, wie Gott ist. Und so erinnern wir uns auch daran, dass wir Gott ähnlich sein müssen. Und ihm nacheifern müssen. Gott hat sich geschenkt, Gott hat sich in unsere Hände gegeben. Wir müssen Gott nachahmen. Und schließlich die Idee, dass wir Gott schauen können. Es ist eine zentrale Idee des hl. Irenäus: Der Mensch sieht Gott nicht, kann ihn nicht sehen und bleibt so im Dunkeln über die Wahrheit, über sich selber. Aber der Mensch, der Gott nicht sehen kann, kann Jesus sehen. Und so sieht er Gott, so beginnt er, die Wahrheit zu sehen, so beginnt er zu leben. Der Retter kommt also, um das Werk des Bösen und alles, was uns von Gott fernhält, machtlos werden zu lassen, um die alte Herrlichkeit der ursprünglichen Vaterschaft wieder aufleben zu lassen.“ - (Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 49/2016 - 1. Adventssonntag (A)

Gedanken zum Advent

Von manch einem Weihnachtsmarkt und dem regelmäßig wiederkehrenden Kaufrausch zu Weihnachten geht eine falsche Botschaft aus. Mit dem ersten Advent beginnt nicht die Weihnachts- sondern die Adventszeit. Auch ist es irreführend vom sogenannten Weihnachtsgeschäft zu sprechen, das die Wirtschaftsexperten schon an Heiligabend in Bilanzübersichten analysiert haben. Es ist dann nicht einmal ein Adventsgeschäft gewesen. Denn wo es keinen richtigen Advent mehr gibt, da gibt es auch keine richtige Weihnacht mehr. Und wo es keine richtige Weihnacht mehr gibt, da gibt es auch keinen richtigen Advent mehr.

Das Wort „Advent“ leitet sich ab vom lateinischen „advenire“ = ankommen. Es ist kein geringerer als Gott, der ankommen möchte. Er möchte bei den Menschen „ankommen“, damit sie wieder bei sich selber ankommen und ihm so begegnen können.

Vor sechs Jahren hat Papst Benedikt bei einer Audienz am Ende der Adventzeit diese Begegnung mit Gott einmal wie folgt beschrieben: „Mit dieser letzten Audienz vor dem Weihnachtsfest nähern wir uns zaghaft und voller Staunen dem ‚Ort‘, wo für uns und für unser Heil alles begann, wo alles sein Ziel fand, wo sich die Erwartungen der Welt und die des menschlichen Herzens mit der Präsenz Gottes trafen und kreuzten. Wir können schon jetzt einen Vorgeschmack auf die Freude durch dieses kleine Licht verspüren, das von der Grotte von Bethlehem aus begann, sich auf der ganzen Welt auszubreiten. Auf dem Weg des Advents, den zu leben uns die Liturgie einlud, wurden wir dabei begleitet, mit Bereitschaft und Dankbarkeit das große Ereignis der Ankunft des Herrn anzunehmen und in Fülle das Wunder seines Eintreffens in der Welt zu meditieren. Die freudige Erwartung, Charakteristik der Tage vor der heiligen Weihnacht, ist sicherlich die grundlegende Haltung des Christen, der eine fruchtbare Begegnung mit dem leben möchte, der kommt, um in unserer Mitte Wohnung zu nehmen: Jesus Christus, der Mensch gewordene Sohn Gottes.

Wir finden diese Einstellung des Herzens, die wir zu der unseren machen mögen, in jenen wieder, die als Erste den Messias aufnahmen: Zacharias und Elisabeth, die Hirten, das einfache Volk und besonders Maria und Joseph, die am eigenen Leib das Bangen, aber vor allem die Freude über das Geheimnis dieser Geburt erlebten.

Darüber hinaus ist der Advent eine Zeit, die uns auf das einstimmen hilft, was am Ende der Zeit eintreffen und kommen wird. Dann wird Gott ein zweites Mal in einzigartiger Weise in die Geschichte eintreten, die damit zu Ende geht. Es ist die Wiederkunft Jesu Christi zum letzten Gericht.

„Haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet!“ So hören wir es als Wort Jesu im Evangelium zum ersten Adventssonntag. Wer die Tage des Advents in der oben angedeuteten Weise als Chance nutzt, Gott wieder neu zu begegnen – im Gebet, in der Mitfeier der Gottesdienste, in der Lektüre der Heiligen Schrift und dem Empfang der Sakramente –, dessen ganze Lebenserwartung findet wieder zur Mitte und gewinnt von daher ein erneut ungeahnte erlösende Perspektive.

Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 48/2016 - 34. Sonntag im Jahreskreis (C)

Christus als Pantokratoer - Mosaik, Hagia Sophia

An diesem sogenannten Christkönigssonntag betet die Kirche in all ihren Sonntagsgottesdiensten: „Allmächtiger, ewiger Gott, du hast deinem geliebten Sohn alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden und ihn zum Haupt der neuen Schöpfung gemacht. Befreie alle Geschöpfe von der Macht des Bösen, damit sie allein dir dienen und dich in Ewigkeit rühmen.“ In diesem Gebet spiegelt sich wider, was Papst Pius XI im Jahr 1925 zur Einführung des Christkönigfestes vor knapp einem Jahrhundert bewogen hat.

Bis zu jener Zeit verband sich die Gewalt der jeweils Regierenden gewöhnlich mit der umfassenderen Herrschaft, die von Gott als dem Schöpfer aller Dinge ausgeht. Die Regierenden wussten sich an erster Stelle nicht dem Volk, sondern Gott verantwortlich. Sie ordneten ihre Herrschaft ein in die größere Herrschaft Gottes und verstanden ihre Unterordnung unter der Vorherrschaft Gottes nicht als Einschränkung, sondern als Voraussetzung und Absicherung, nicht zum Despoten zu werden.

Durch die säkulare Wende, nach der alle Gewalt vermeintlich vom Volk ausgehe, bedurfte es einer Klärung und zugleich einer Korrektur vor Missverständnissen, damit die Gesellschaft fortan nicht abhängig werde von der Diktatur des Zeitgeistes. Eben diese säkulare Fehlentwicklung hat die erste Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts durch das Erstarken kommunistischer und faschistischer Kräfte schließlich in den zweiten, verheerenden Weltkrieg geführt.

Zu Beginn dieser Entwicklung zeigte sich die Parteienlandschaft der Weimarer Republik hoffnungslos zersplittert. Auf den Straßen der großen deutschen Städte herrschten Chaos und Gewalt. Die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn war zerfallen. Und nicht nur im ehemaligen Zarenreich Russland erstarkten kommunistische und faschistische Kräfte, die Religion und Kirche grundsätzlich ablehnten.

Auf diese Situation bezog sich Papst Pius XI., als er am 11. Dezember 1925 seine Enzyklika „Quas Primas“ veröffentlichte und in der Einleitung unter anderem schrieb: „Jene Flut von Übeln hat eben deshalb die Welt überschwemmt, weil die meisten Menschen Jesus Christus und sein heiligstes Gesetz sowohl aus ihrem persönlichen Lebenswandel als auch aus der häuslichen Gemeinschaft und dem öffentlichen Leben verbannt haben".

Mit der Einführung eines neuen Hochfestes, des Christkönigssonntags, wollte Papst Pius XI. an den Herrschaftsanspruch Jesu erinnern und wieder Hoffnung auf eine bessere Zukunft schenken: „Wenn wir nun anordnen, Christus solle von der ganzen katholischen Welt als König verehrt werden, so wollen wir damit auch dem Bedürfnis unserer Zeit entgegenkommen und ein wirksames Heilmittel jener Pest entgegenstellen, welche die menschliche Gesellschaft befallen hat. Die Pest unserer Zeit ist der sogenannte Laizismus mit seinen Irrtümern und gottlosen Absichten.

Diese Anordnung hat an Aktualität nichts verloren. Zahlreiche fragliche Mehrheitsbeschlüsse lassen teils sehr deutlich erkennen, dass Demokratie alles andere als allmächtig ist. Sie ist eine geeignete und derzeit wohl die am geeignetste Organisationsform einer modernen Gesellschaft, sofern sie sich ihrer Grenzen, die auf die Begrenztheit des Menschen zurückgeht, bewusst bleibt.

In seiner Begrenztheit ist und bliebt der Mensch auf Erlösung durch seinen Schöpfer angewiesen. Das gilt dann auch für jede demokratische Gesellschaft, die nur dann segensreich sein kann und wird, wenn auch sie dieses und damit die Vorherrschaft Gottes und seiner „Spielregeln“ anerkennt.

Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

Pfarrnachrichten 45/2016 - 31. Sonntag im Jahreskreis (C)

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!

In drei Wochen geht das von Papst Franziskus ausgerufene Heilige Jahr der Barmherzigkeit nach 12 Monaten zu Ende. Begonnen hat es am 8. Dezember 2015. Seinen Abschluss findet es am 20. November 2016. Es ist ein schöner Zufall, dass die Lesungen und die Gebetstexte des aktuellen Sonntags um gerade dieses Thema kreisen. So bietet es sich an, das Anliegen und die Tragweite der Barmherzigkeit gegen Ende dieses besonderen Jahres ein weiteres Mal zu bedenken.

Im Tagesgebet von diesem Sonntag beten wir: „Allmächtiger, barmherziger Gott, es ist deine Gabe und dein Werk, wenn das gläubige Volk dir würdig und aufrichtig dient. Nimm alles von uns, was uns auf dem Weg zu dir aufhält, damit wir ungehindert der Freude entgegeneilen, die du uns verheißen hast.“

Es sei erneut betont, dass nicht Gott davon etwas hat, wenn wir ihm – wie es im Gebet erhofft und erfleht wird – „aufrichtig und würdig dienen“. Nicht Gott, sondern wir sind die Nutznießer; denn wer Gott „würdig und aufrichtig dient“, sieht sich immer mehr befreit von seinen engen Grenzen. Er wird gewissermaßen hinein befreit in Gottes Größe und sein weites Herz. Man erfährt, wie Gottes Größe das eigene Leben verändert und sich eine Weitherzigkeit ausbreitet, die nicht von einem selber kommt. Sie ist von Gott, geschenkt aus seinem Wohlwollen und seiner Güte. Wir können auch sagen, aus seiner unbegrenzten Barmherzigkeit.

Möglich ist das, weil Gott selber von Anfang bis Ende, von oben bis unten, ganz von innen bis uneingeschränkt nach außen hin barmherzig ist. Gott ist von seinem ganzen Wesen her, so drücken wir es begrifflich aus, Liebe und Barmherzigkeit. Diese Barmherzigkeit ohne Grenzen wird von Gott für uns begrenzte Geschöpfe dadurch möglich und wirklich, dass Gott sich gewissermaßen von seiner Unbegrenztheit her liebend und wohlwollend dem Menschen zuwendet. So ist es dem Menschen möglich, über seine eigenen Grenzen hinaus hineinzuwachsen in die Größe Gottes. Damit werden seine von Natur aus nur menschlich-irdischen Anlagen und Möglichkeiten vergöttlicht.

Es lohnt sich, und ich möchte dazu ermutigen, von dieser Sichtweise aus die Worte der ersten Lesung des heutigen Sonntags nicht nur einfach zu lesen, sondern Satz für Satz, Aussage für Aussage und sogar Wort für Wort zu bedenken, zu betrachten und sich betend und in Zwiesprache mit Gott der in ihnen enthaltenen Wahrheit zu öffnen. Dann wird diese Wahrheit über Gottes Barmherzigkeit zu einer Wahrheit, die unser Leben reformiert, von innen her saniert und neu strukturiert. Nach Gottes Barmherzigkeit wird dann auch unsere Barmherzigkeit sein.

Die erste, Ihnen zur betrachtenden Vertiefung empfohlene Lesung dieses Sontags ist dem Buch der Weisheit (11,22 – 12,2) entnommen: „Herr, die ganze Welt ist ja vor dir wie ein Stäubchen auf der Waage, wie ein Tautropfen, der am Morgen zur Erde fällt. Du hast mit allen Erbarmen, weil du alles vermagst, und siehst über die Sünden der Menschen hinweg, damit sie sich bekehren. Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du gemacht hast; denn hättest du etwas gehasst, so hättest du es nicht geschaffen. Wie könnte etwas ohne deinen Willen Bestand haben, oder wie könnte etwas erhalten bleiben, das nicht von dir ins Dasein gerufen wäre? Du schonst alles, weil es dein Eigentum ist, Herr, du Freund des Lebens. Denn in allem ist dein unvergänglicher Geist. Darum bestrafst du die Sünder nur nach und nach; du mahnst sie und erinnerst sie an ihre Sünden, damit sie sich von der Schlechtigkeit abwenden und an dich glauben, Herr.“

Es gibt Augenblicke“, so Papst Franziskus, „in denen wir aufgerufen sind, in ganz besonderer Weise den Blick auf die Barmherzigkeit zu richten und dabei selbst zum wirkungsvollen Zeichen des Handelns des Vaters zu werden.

Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 39/2016 - 25. Sonntag im Jahreskreis (C)

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!

In der zu Ende gehenden Woche haben wir das Fest „Kreuz- erhöhung“ gefolgt vom „Gedenktag der Schmerzen Mariens“ begangen. Aus diesem Anlass widmete Papst Franziskus die Frühmesse am Tag der „Kreuzerhöhung“ dem Priester Jacques Hamel, der am 26. Juli in der Kirche Saint-Étienne-du-Rouvray in Rouen getötet worden war. An der Messfeier nahmen auch der Bischof von Rouen, Msgr. Dominique Lebrun, und eine Gruppe von 80 Pilgern aus seiner Diözese teil. Papst Franziskus drückte anlässlich der Erinnerung an das Martyrium dieses französischen Priesters vor knapp 2 Monaten den Angehörigen und Gemeindemitgliedern seine Nähe und Verbundenheit aus.

Unter dem Titel „Töten im Namen Gottes ist satanisch“ veröffentliche das katholische Nachrichtenmagazin ZENIT den folgenden Bericht, den ich Ihnen im Folgenden, leicht bearbeitet, gerne wiedergeben möchte.

Papst Franziskus bezog eine eindeutige und klare Position und wünschte sich Einigkeit aller religiösen Konfessionen in diesem Punkt: „Und wie gut wäre es, wenn alle religiösen Konfessionen sagten: ‚Töten im Namen Gottes ist satanisch‘.

Seine Predigt begann Papst Franziskus mit Ausführungen zum Fest der Kreuzerhöhung und äußerte sich dann zum Märtyrertod im Christentum.

Das Fest der Kreuzerhöhung konkretisiere das Mysterium Christi. Jesus halte nicht fest am Privileg Gott zu sein, sondern er wurde, bis auf die Sünde, den Menschen gleich, und er erniedrigte sich bis zum Kreuzestod. Das Mysterium Christi leuchte darin auf, dass Christus zum Märtyrer wurde, um die Menschen zu erlösen. „Jesus Christus, der erste Märtyrer, der erste, der sein Leben für uns gibt.

So hätten auch die Märtyrer in der frühen Geschichte des Christentums ihren Glauben mit dem Leben bezahlt. Papst Franziskus erinnerte dann an die Märtyrer unserer Zeit, die getötet, gefoltert und gefangen gehalten würden. Einigen von ihnen habe man die Kehle durchgeschnitten.

Papst Franziskus reihte P. Jacques in die Reihe dieser Märtyrer ein. „Die Christen, die heute leiden – sei es im Gefängnis, sei es mit dem Tod oder bei der Folter – um Jesus Christus nicht zu leugnen, zeigen die Grausamkeit dieser Hinrichtungen auf.“ Diese Grausamkeit bezeichnete Papst Franziskus als „satanisch“.

Der Papst erinnerte daran, dass P. Jacques einen solchen grausamen Tod während der Messfeier erlitten habe. „Ein guter Mann, sanftmütig, brüderlich, der immer versuchte, Frieden zu stiften. Er wurde getötet, als ob er ein Krimineller wäre.“ Papst Franziskus teilte den Anwesenden auch seine innersten Gedanken hierüber mit: „Es gibt eine Sache, über die ich viel nachdenke: mitten in diesem schwierigen Moment, den er erlebte, inmitten auch dieser Tragödie, die er kommen sah …  verlor er nicht die Klarheit, den Mörder anzuklagen und ihn zu benennen. P. Jacques sagte deutlich: ‚Geh fort, Satan‘.“

P. Jacques habe sein Leben für uns gegeben, und dabei Jesus bekannt. P. Jacques mache uns Mut. Er helfe uns, ohne Furcht weiterzugehen. „Er ist ein Märtyrer! Und die Märtyrer sind selig. Wir müssen ihn verehren – Er möge uns Sanftmut geben, Brüderlichkeit, Frieden, und auch den Mut, die Wahrheit zu sagen: Töten im Namen Gottes ist satanisch.“

Der von Islamisten in Frankreich ermordete Priester Jacques Hamel darf schon jetzt als Seliger verehrt werden. Dies hat Papst Franziskus Bischof Dominique Lebrun von Rouen nach der Messe am Mittwoch in der „Casa Santa Martha“ bestätigt.

Vor Journalisten sagte Bischof Lebrun, dass Papst Franziskus ihm nach der Messe gesagt habe, er könne ein Foto von P. Jaques in der Kirche aufstellen, weil er von nun an ein Seliger sei. Sollte jemand sagen, dass der Bischof dazu nicht das Recht habe, dann dürfe er sich auf die persönliche Erlaubnis des Papstes berufen. Laut Bischof Lebrun plant die Diözese, nun den Seligsprechungsprozess zu eröffnen. Das Grab in Bonsecours, in der Nähe von Rouen, sei längst zu einem Wallfahrtsort geworden.

Eine Schwester von Pfarrer Hamel, Roselyne Hamel, war beim Pressegespräch und vorher bei der Messe zugegen. Sie betonte: „Unsere muslimischen Brüder beten zu einem Gott (…) der Liebe, Toleranz und der gemeinsamen Teilhabe. Es steht fest, dass diese jungen Menschen meinen Bruder getötet haben, im Namen eines Gottes, der tötet. Und das kann weder der Gott des Islams sein, noch ist es der Gott der Christen.

Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 28/2016 - 14. Sonntag im Jahreskreis (C)

Heilige Josemaría Escrivá de Balaguer

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!

Am Gedenktag des Hl. Josefmaria Escrivá, am Samstag, dem 26. Juni, hat Domkapitular Dr. Hofmann eine Predigt gehalten, von der wir den ersten Teil hier veröffentlichen möchten.

Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Papst Franziskus schreibt in der Verkündigungsbulle zum hl. Jahr der Barmherzigkeit: „Jesus Christus ist das Antlitz der Barmherzigkeit des Vaters. Das Geheimnis des christlichen Glaubens scheint in diesem Satz auf den Punkt gebracht zu sein.“ – Ganz ähnlich hatte es Papst Benedikt XVI. im Jahr 2008 am Barmherzigkeitssonntag mit Hinweis auf den hl. Papst Johannes Paul II. gesagt: „Die Barmherzigkeit ist der zentrale Kern der Botschaft des Evangeliums und der Name Gottes selbst“.

Es verwundert daher nicht, dass auch im Leben und in der Lehre des hl. Josefmaria Escrivá die Barmherzigkeit Gottes eine ganz wesentliche Bedeutung hat.

Der Prälat des Opus Dei, Bischof Javier Echevarría hat in einem ausführlichen Brief zu Beginn dieses außerordentlichen hl. Jahres eine ganze Reihe von wichtigen Aspekten dazu herausgestellt.

Hier und heute sei nur an drei Punkte erinnert: Der hl. Josefmaria glaubte an Gottes Barmherzigkeit und verkündete sie: 1. weil wir Gottes Kinder sind.

Von Augen- und Ohrenzeugen wird berichtet, dass einmal ein Priester des Opus Dei in Gegenwart des Gründers eine Betrachtung hielt und dabei sinngemäß sagte: „Das Fundament der Heiligkeit – das ist die Demut.“ – An dieser Stelle unterbrach der hl. Josefmaria den Priester und erklärte: „Die Demut ist wichtig; aber das Fundament der Heiligkeit – das ist die Gotteskindschaft.

Liebe Schwestern und Brüder, dieser Punkt ist keineswegs eine abgehobene Theologen-Diskussion: ein guter Vater und eine liebevolle Mutter brauchen keinen anderen Grund, um ihr Kind liebevoll in die Arme zu schließen, als einfach diesen einen: das ist mein Kind! Und auch, wenn das Kind nicht 100% gehorcht, auch, wenn es etwas angestellt oder wie wir sagen etwas „ausgefressen“ hat: die sicherste Grundlage für die Hoffnung auf Vergebung, auf Güte, auf Barmherzigkeit und Liebe ist und bleibt diese: „Vater – Mutter, ich bin dein Kind!“

Jesus hat uns in Taten und Worten erklärt: Der himmlische Vater liebt jedes seiner Kinder noch unendlich viel tiefer und zärtlicher als der beste irdische Vater.

Und beim Propheten Jesaja spricht der Herr: „Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn? – Und selbst wenn sie ihn vergessen würde – ich vergesse dich nicht.

Genau in diesem Sinne schreibt der hl. Josefmaria in seinem Buch „Der Weg“ (267): „Gott ist da wie ein liebender Vater. Jeden einzelnen von uns liebt Er mehr, als alle Mütter der Welt ihre Kinder lieben können. Er ist da, helfend, leitend, segnend… und verzeihend. – Wie oft hat sich die Stirn unserer Eltern geglättet, wenn wir ihnen nach einer Ungezogenheit sagten: Ich will es nie wieder tun! – Vielleicht haben wir am selben Tag aufs Neue gefehlt…- Unser Vater hat uns dann, mit vorgetäuschter Strenge in der Stimme und ernstem Gesicht getadelt – aber gleichzeitig wurde ihm das Herz weich, denn er kannte unsere Unbeständigkeit und dachte wohl: armes Kind, wie es sich anstrengt, um sich gut zu betragen! Wir müssen uns ganz davon durchtränken lassen und erfüllen lassen, dass der Herr unser Vater ist, Vater durch und durch, der an unserer Seite und im Himmel ist.

Liebe Schwestern und Brüder, Gott ist barmherzig, er fühlt mit uns, er hat ein Herz für mich, er ist bereit zur Vergebung – weil er mein und unser Vater ist. Diese frohe Botschaft hat der hl. Josefmaria verstanden, erfahren und gepredigt. Diese Saat der Freude und des Friedens hat er großzügig ausgesät.

Pfarrnachrichten 26/2016 - 12. Sonntag im Jahreskreis (C)

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!

Der Heilige Lukas berichtet im neunten Kapitel seines Evangeliums, dass Jesus in der Einsamkeit betete. Seine Jünger waren bei ihm. Vom geschilderten Zusammenhang (Verse 18-24) her kann man annehmen, dass Jesus im betenden Austausch mit seinem himmlischen Vater auch über sich selber nachgedacht hat. Als menschgewordener Sohn Gottes ist er neben seinem Sein als Gott auch ganz Mensch. Deshalb betet die Kirche im 4. Hochgebet: „Er hat wie wir als Mensch gelebt, in allem uns gleich außer der Sünde“.

So bewegen Jesus als Mensch genau dieselben Fragen, die auch uns bewegen: Wer bin ich? Wohin bin ich unterwegs? Was ist der Sinn meines Daseins? Welcher Lebensstil entspricht dem am besten? Durch welche Aufgaben lässt er sich realisieren? Wie verwirkliche ich das und damit am Ende auch mich selber, vor und mit Gott und den anderen? – Schließlich fasst Jesus diese Fragen in eine einzige zusammen und richtet sie an seine Jünger: „Für wen halten mich die Leute?“

Obwohl Jesus nun schon so lange zu den Menschen gesprochen und ihnen vieles erklärt hat, sprechen die Apostel aus, wie unzulänglich all das ist, was „die Leute“ so meinen und denken: „Einige (halten dich) für Johannes den Täufer, andere für Elija; wieder andere sagen: Einer der alten Propheten ist auferstanden.“

Wie die Apostel damals, so fragt Jesus den Christgläubigen daraufhin auch heute: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Damals ergriff Petrus als Erster das Wort und legte dar, was für den christlichen Glauben entscheidend ist: „Für den Messias Gottes.“ – Mit Petrus sind all diejenigen Christen, die glauben und bekennen, dass Jesus der Messias, der Gesalbte und Gesandte Gottes ist. In ihm ist Gott selber zu uns gekommen. In ihm wurde Gott Mensch, um uns zu erlösen. So ist es im Alten Testament angekündigt und vorausgesagt.

Wie erstmals beim Sündenfall (vgl. Gen 3) lässt der Mensch sich leider immer wieder blenden und täuschen. Er sucht Heil, Glück und Erlösung in sich selber (vgl. Gen 3,3). Das ist gemeint mit „den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht.“ Gott warnt den Menschen davor (Gen 2,17): „Sobald du davon isst, wirst du sterben.“ Die Schlange jedoch widerspricht und versucht den Menschen immer neu, damals wie heute. Ausdrücklich fordert sie gegen Gottes Warnung zum Genuss genau dieser „Frucht“ auf (Gen 3,6): „Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse.“ Nach dem Genuss und dem Vollzug dieses bösen Selbsterlösungsversuchs gingen Adam und Eva tatsächlich die Augen auf, aber anders als erwartet. Sie erkannten, „dass sie nackt waren“ (Gen 3, 7). Sie erkannten ihre Erbärmlichkeit und leiden fortan unter den Folgen (vgl. Gen 3.8-24) mit ihren Kindern und Kindeskindern bis heute.

Auf der Grundlage des Neuen Testamentes bis hin zum zweiten Vatikanischen Konzil (GS 22,1; vgl. KKK 1701 usw. usw.) lässt sich das weiter entfalten. Im Laufe der Geschichte wird Gott schließlich Mensch, um uns durch sein Leben als Mensch zu zeigen, wie man als Mensch wirklich Mensch wird und menschlich bleibt. Das gelingt am Ende nur, wenn man so wie Jesus sein Leben in Beziehung mit Gott und in Rückbindung an ihn entfaltet. Dem dient das regelmäßige Beten. Es ermöglicht, in stetiger Beziehung mit Gott zu leben.

Das Leben als Christ ist zutiefst von dieser Beziehung zu Gott bestimmt und sie entspricht voll und ganz dem christlichen Glauben an den einen Gott, dessen inneres Wesen ganz von der innergöttlichen Beziehung der drei göttlichen Personen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes geprägt ist. Der christliche Gott ist von seinem innergöttlichen Wesen her dreifaltige Beziehung und erfüllende Liebe, an denen er als Schöpfer und Erlöser sein liebstes Geschöpf, den Menschen, durch die menschgewordene zweite Person des Sohnes teilhaben lassen möchte. Gott bietet dem Menschen an, sich in sein göttliches Innere hineinnehmen zu lassen. Das ist Erlösung, wie Christen sie vom Evangelium her suchen, leben und verkünden.

Diese Überzeugung hat das christliche Verständnis von Religion zutiefst geprägt. Schon vom lateinischen Wortursprung her ist Religion christlich verstanden aus dem lateinischen „religare“ = „anbinden“ abgeleitet; denn sie ist „Anbindung“ bzw. „Rückbindung an Gott“. Deshalb sind in der islamischen Welt Staat, Politik und Religion auch nicht klar voneinander zu trennen.

Die christlich geprägte Welt hat demgegenüber durch den Glauben an die Menschwerdung Gottes einen besonders tiefen Zugang zur Würde des Menschen gefunden. In der Folge davon hat sie „das Gesetz“ und „Grundrechte wie Grundpflichten“ in der Würde des Menschen begründen und dort verankern können. Als Folge davon ist der westlichen Kultur eine Trennung von Staat, Politik und Religion gelungen, die dem Wort des Herrn entspricht (Mk 12,17): "Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört."

Selbstverständlich vertritt auch der Christ einen religiösen Absolutheitsanspruch (vgl. u.a. Apg. 4,12: „Und in keinem anderen [als Jeus] ist das Heil zu finden.“). Aber der Christ setzt alles daran, diesen seinen religiösen Absolutheitsanspruch in keinem Fall gegen die Würde des Menschen durchzusetzen. Christlicher Glaube ist „Anbindung“ bzw. „Rückbindung an Gott“, die man nur in Freiheit suchen und annehmen kann. Deshalb hat der Gott des Neuen Testamentes als menschgewordener Jesus auch die religiöse, in der Würde des Menschen gegründete Freiheit bis zum Äußersten ertragen und erduldet.

Im zweiten Teil des heutigen Evangeliums erklärt Jesus seinen Jüngern dann auch (Lk 9,22 ff): „Der Menschensohn muss vieles erleiden.“ Folglich verteidigt ein Christ als aufrechter Jünger Jesu bis zur Hingabe des eigenen Lebens gerade aus der Tiefe des Absolutheitsanspruches seines christlichen Glaubens auch die religiöse Freiheit, die für ihn in der Würde des Menschen wurzelt und dieser Würde unauslöschbar eingeschrieben ist.

Die hier in Kürze dargelegten auch größeren Unterschiede zwischen den großen Religionen und Kulturen sind dringend zu vertiefen und weiter zu erklären. Viele sehen diese Unterschiede überhaupt nicht. Wohl auch deshalb, weil Religion nur dann verstanden wird, wenn sie auch gelebt wird.

In den gegenwärtigen Herausforderungen stellt sich deshalb ganz von selber die Gretchenfrage: „Wie hältst du es mit der Religion?“ Wir tun gut daran, uns diese Frage auch auf unsere Zukunft hin ganz bewusst zu stellen und ihr engagiert nachzugehen. Wir werden ihr wohl auch gar nicht ausweichen können, wenn wir unsere westliche Kultur mit ihrem "Ja" zur Freiheit und damit zu einem Pluralismus mit seiner Vielfalt erhalten, weiter pflegen und entfalten wollen, wie sie in der recht verstandenen und gottgeschenkten Würde des Menschen verankert sind.

Um uns das alles besser verstehen zu lassen, ist Gott Mensch geworden. Dieser Glaube und seine Praxis haben uns bis hierher gebracht, wo wir derzeit stehen, und werden uns von hier auch weiterbringen, zudem mit einzigartiger Zukunftsperspektive.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 25/2016 - 11. Sonntag im Jahreskreis (C)

Natan zu David: „Du selber bist der Mann“ (siehe 2 Sam 12,ff)

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon,

in den biblischen Texten des elften Sonntags im Jahreskreis (vgl.: 2 Sam 12,7-10.13, Gal 2,16.19-21, Lk 7,36 - 8,3) geht es um Schuld und Vergebung. Zweifelsohne Themen, die mit zu dem ganz Wichtigen und Entscheidenden unseres Lebens gehören. Wir alle werden schuldig und sind deshalb auf Vergebung angewiesen. Dennoch wird beides in einer ganz merkwürdigen Weise aus dem Leben einfach immer wieder ausgeblendet. Man lebt so, als betreffe einen dies im Grunde überhaupt nicht.

Der eigentliche Grund dafür mag sein, dass wir uns ungern über unsere im Grunde beklagenswerte Situation im Klaren sein wollen. Da gibt es in jedem von uns die Neigung, das eigene Verhalten und sich selber, ohne wirklich darüber nachzudenken, einfach zu legitimieren und für gut und in Ordnung zu halten. In jedem von uns steckt die fundamentale Lebenslüge, die schon ganz zu Beginn Adam und Eva zu Fall gebracht hat. Wir nennen das „Erbsünde“.

Wenn Ihr vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse esst, so erklärt die Schlange sinngemäß (vgl. Gen 3,4 f), dann werdet ihr nicht sterben: „Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse.“ Die Schlange überzeugt Adam und Eva davon, ohne Rücksicht auf Gott das zu tun, was sie für richtig halten. Damit nehmen Adam und Eva göttliche Vollmacht in Anspruch. Sie legen selber fest, was gut und was böse ist. So erschaffen und entwerfen sie sich nach eigener Vorstellung. Sie legen autonom und vermeintlich schöpferisch fest, was für sie gut und richtig, und was für sie böse und falsch ist.

Hier geht es um hochinteressante und äußerst spannende Fragen. Etwa: Wann ist ein Tun gut und wann böse? Wie lässt sich beides voneinander unterscheiden? Ist ein Tun deshalb gut und richtig, weil ich überzeugt und der Meinung bin, so handeln zu dürfen? Ist mein Gewissen vielleicht durch gesellschaftliche Gepflogenheiten und Erziehung nur einfach „vorprogrammiert“, so dass ich es durch Emanzipation überwinden muss und verändern darf? Ist dann aber mein Gewissen nicht selbstgemacht und am Ende nur subjektiv und letztlich Einbildung?

Formt und bildet sich im Gewissen demgegenüber nicht schrittweise etwas von dem aus, was jedem in die Wiege des Lebens, unabhängig von Rasse, Herkunft und Erziehung, hineingelegt ist? Besteht dann das wirkliche Erwachsenwerden nicht darin, diese unveräußerliche Wahrheit des richtigen und guten Lebens zu vertiefen und konsequent zu entfalten; auch um sie von dem zu unterscheiden lernen, was zeitbedingte und nur äußerliche Gepflogenheit beziehungsweise Gewohnheit ist, die verändert werden kann, darf und vielleicht sogar muss?

Notgedrungen müssen wir es kurz machen.

Christlich glauben und leben heißt unter anderem, dass man an Gott als Schöpfer glaubt, der seiner Schöpfung bestimmte Regeln gegeben hat. Deshalb funktioniert sie und hat sie Bestand. Wo diese Regeln durchbrochen werden, was vorkommt, sprechen wir von Katastrophen. Sie haben aber durchaus einen Sinn, weshalb Gott sie – in welcher Form auch immer – zulässt. Sie sollen den Menschen als liebstes und mit Abstand größtes Geschöpf Gottes wachrütteln.

Wie Adam und Eva damals, so lässt sich der Mensch auch heute weiterhin täuschen. Die Katastrophen in der Natur lassen ihn ahnen, was für schlimme Folgen Tabu- und fundamentale Regelbrüche, gemeint sind Verstöße gegen die eigene Natur, nach sich ziehen. Steckt nicht in jedem ein kleiner oder größerer „Klugscheißer“, der es vermeintlich besser weiß? So aber wird der Mensch durch Gott, der Katastrophen zulässt, wieder „geerdet“. Damit wird er fähig, seine im Grunde beklagenswerte Situation, damit zugleich aber auch seine Chance zu begreifen. Aus eigener Kraft vermag der Mensch sich nicht des Bösen zu entledigen und es zu überwinden. Das ist seine Situation; ohne Wenn und Aber, und somit auch beklagenswert. Aber er steht damit nicht verlassen, ohne Hilfe und aussichtlos alleine da.

Wo der Mensch mit Gottes Hilfe ähnlich wie David sagen und bekennen lernt (2 Sam 12,13): „Ich habe gegen den Herrn gesündigt“, was die Bitte um Vergebung und Erbarmen einschließt, wird der Mensch die erlösende und befreiende Liebe Gottes entdecken und fortan aus ihrer Kraft sich gut, wahr und richtig entscheiden und danach leben können.

Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 24/2016 - 10. Sonntag im Jahreskreis (C)

Auferweckung des Jünglings zu Nain (Lk 7,11-17) - Matthias Gerung (1500-1570) - public domain--Ottheinrich Folio081v-Lc7B

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!

Allen drei biblischen Lesungen des heutigen zehnten Sonntages im Jahreskreis ist gemeinsam, dass ein Toter lebendig wird und allen Beteiligten Gottes Segen und Heil zuteilwird.

Im alttestamentlichen ersten Buch der Könige (vgl. 1 Kön 17,17-24) hatte sich die Krankheit des Sohnes einer Witwe, die dem Propheten Elija Unterschlupf gewährt hatte, so verschlimmert, „dass zuletzt kein Atem mehr in ihm war.“ Da trug Elija den Jungen „in das Obergemach hinauf, … streckte sich dreimal über den Knaben … und rief zum Herrn und flehte: Herr, mein Gott, lass doch das Leben in diesen Knaben zurückkehren! Der Herr erhörte das Gebet Elijas. Das Leben kehrte in den Knaben zurück, und er lebte wieder auf.

Im Brief an die Galater, dem die zweite Lesung dieses Sonntags entnommen ist (vgl. Gal 1,11-19), erklärt Paulus, dass seine Bekehrung von Gott bewirkt wurde. Von daher kann Paulus sagen: „Das Evangelium, das ich verkündigt habe, stammt nicht von Menschen; ich habe es ja nicht von einem Menschen übernommen oder gelernt, sondern durch die Offenbarung Jesu Christi empfangen.“

Bei seiner Bekehrung ist Paulus wie ein Toter durch Gottes Wirken lebendig geworden. Schon von daher ist es korrekt, die Auferweckung des Jünglings von Nain, wie sie uns in der dritten biblischen Lesung des heutigen Sonntags aus dem Evangelium nach Lukas (Lk 7,11-17) vorgetragen wird, geistlich auszulegen. Darüber hinaus enthält die biblische Erzählung gerade dieser Totenerweckung viele interessante Details, die geradezu danach verlangen, die Erzählung geistlich auszulegen.

Lukas berichtet, dass Jesus mit „seinen Jüngern und einer großen Menschenmenge“ auf dem Weg in die Stadt Nain kurz vor den Stadttoren einem großen Trauerzug in Gegenrichtung begegnete. „Der einzige Sohn seiner Mutter, einer Witwe“ wurde unter großer Anteilnahme – „viele Leute aus der Stadt begleiteten sie“ – zu Grabe getragen. „Als der Herr die Frau sah, hatte er Mitleid mit ihr und sagte zu ihr: Weine nicht! Dann ging er zu der Bahre und fasste sie an. Die Träger blieben stehen, und er sagte: Ich befehle dir, junger Mann: Steh auf! Da richtete sich der Tote auf und begann zu sprechen, und Jesus gab ihn seiner Mutter zurück.“

Wie es dann genau und so im Detail weiterging, wie bis dahin erzählt, wird nicht mehr berichtet. Überliefert ist nur, und darauf kommt es eben an: „Alle wurden von Furcht ergriffen; sie priesen Gott und sagten: Ein großer Prophet ist unter uns aufgetreten: Gott hat sich seines Volkes angenommen. Und die Kunde davon verbreitete sich überall in Judäa und im ganzen Gebiet ringsum.“

Man kann wohl mit Recht davon ausgehen, dass die „vielen Leute aus der Stadt“, welche die Witwe begleiteten, nach einer Kehrwendung um hundertachtzig Grad nun mit Jesus und der ihm folgenden großen Menschenmenge (s.o.) zurück in die Stadt gingen. Damit ist der Bezug zu den Gedanken des Heiligen Paulus und dem alttestamentlichen Bericht über das „Aufleben“ des Knaben, ebenfalls „Sohn einer Witwe“ offensichtlich.

In einem bekannten Kirchenlied (GL 149) singen wird: „Liebster Jesu, wir sind hier, dich und dein Wort anzuhören; lenke Sinnen und Begier hin zu deinen Himmelslehren, dass die Herzen von der der Erden ganz zu dir gezogen werden.“ Und in der zweiten Strophe heißt es dann am Ende: „Gutes denken, tun und dichten, musst du selbst in uns verrichten“.

Die entscheidenden und segensreichen Wendungen unseres Lebens verdanken wir Gott. Aus eigener Kraft vermögen wir die „Not wendenden“ und deshalb notwendigen Veränderungen nicht vorzunehmen. Wenn unser Tun und Wirken dauerhaft segenreich sein und eben nicht nur temporär und vergänglich der eigenen Ehre dienen soll, müssen wir Gott um die Heilung unserer Arbeit bitten und sie ihm auch getrost überlassen.

Das bewahrt zum einen vor den negativen Folgen von Überforderung als „burnout“ oder Frust, wovon viele als konsequente Folge eines unseligen Leistungsdenkens geplagt werden. Zum anderen gelangen nur durch Gottes Gnade und Wirken, dem man deshalb den Vorrang und folglich den ersten Platz einräumt, unser Tun und damit wir selber zu den ihnen möglichen segensreichen Vollendungen.

Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 23/2016 - 9. Sonntag im Jahreskreis (C)

Jesus und der Hauptmann von Kafarnaum

Liebe Mitchristen und liebe Freunde von St. Pantaleon!

Im Evangelium vom heutigen neunten Sonntag im Jahreskreis (Lk 7,1-10) lobt Jesus einen für damalige Juden als „heidnisch“ und „ungläubig“ geltenden Hauptmann mit den Worten: „Ich sage euch: Nicht einmal in Israel habe ich einen solchen Glauben gefunden.“ Was war geschehen?

Dieser Hauptmann „hatte einen Diener, der todkrank war und den er sehr schätzte. Als der Hauptmann von Jesus hörte, schickte er einige von den jüdischen Ältesten zu ihm mit der Bitte, zu kommen und seinen Diener zu retten. Sie gingen zu Jesus und baten ihn inständig. Sie sagten: Er verdient es, dass du seine Bitte erfüllst; denn er liebt unser Volk und hat uns die Synagoge gebaut.

Daraufhin „ging Jesus mit ihnen. Als er nicht mehr weit von dem Haus entfernt war, schickte der Hauptmann Freunde und ließ ihm sagen: Herr, bemüh dich nicht! Denn ich bin es nicht wert, dass du mein Haus betrittst.“

Überall wo Eucharistie in der Form der Heiligen Messe gefeiert wird, betet weltweit die Gemeinde kurz vor Empfang der Heiligen Kommunion eben diese Worte des Hauptmanns in leicht abgewandelter Weise: „Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach. Aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.

Was also ist das für ein Glaube, den der Herr vor „den Leuten, die ihm folgten“ so ausdrücklich lobt, dass die Worte, die den Glauben des Hauptmanns auf den Punkt bringen, schon sehr früh in die höchste Form der Liturgie, die Feier der Eucharistie, übernommen wurden?

Der Evangelist bleibt die Antwort nicht schuldig. Zum einen überliefert Lukas in diesen weltweit bekannten Worten eine bestimmte Haltung, die er zusätzlich mit Worten des Hauptmanns unterstreicht: „Ich habe mich nicht für würdig gehalten, selbst zu dir zu kommen.“ Darüber hinaus überliefert Lukas einen Vergleich, mit dem der Hauptmann seinen Glauben definiert: „Auch ich muss Befehlen gehorchen, und ich habe selber Soldaten unter mir; sage ich nun zu einem: Geh!, so geht er, und zu einem andern: Komm!, so kommt er, und zu meinem Diener: Tu das!, so tut er es.“

Lukas betont also die Demut und mit ihr untrennbar verbunden die Ergebenheit des Hauptmanns als die beiden wesentlichen Vollzüge, die sein Glauben und Bitten außerordentlich lobenswert machen. Das sollte darüber nachdenken lassen, wie es bei einem selber aussieht: Bitte ich Gott? Und worum bitte ich ihn?

Bitte ich ihn, den Allmächtigen, nur um ein paar lumpige Cent statt um Millionen, wie es seiner Allmacht entspricht? Und: Ist es oft nicht unser Stolz, der uns das Beten schon auf seiner untersten und ersten Stufe als Bittgebet zunehmend vernachlässigen und am Ende ganz vergessen lässt?

Der Stolze sagt ganz klar: „Lass mich das mal selber machen.“ So wird und bleibt am Ende nur das, was der Stolze selber kann. Das jedoch ist eindeutig weniger, als was Gott vermag. Der Stolze nimmt das allerdings gar nicht mehr wahr, wenn ihm inzwischen die Weite und Größe des Demütigen abhandengekommen gekommen sind.

Der Demütige und Gott Vertrauende hingegen wendet sich mit seinen Bitten ganz anders an den Allerhöchsten. Der Demütige legt seine Bitten glaubend in die Hände Gottes, damit am Ende Gott das tut und geschehen lässt, was er als das Beste für uns erkannt hat und deshalb für uns so auch möchte. Das Bittgebet des Demütigen lautet am Ende immer: „Dein Wille geschehe.

Das demütige Bittgebet mit dem Zusatz „nicht mein, sondern dein Wille geschehe“ ist zugleich der erste Schritt in die Anbetung und in die Danksagung. Damit erwartet der Betende das Heil von Gott und nicht vom Ego. Dieses Gebet ist dann zugleich auch ein erster Schritt in die Aus- und Versöhnung mit Gott. Diese Art des Betens ist damit zugleich Wiedergutmachung.

Ihr Pfarrer Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 22/2016 - Dreifaltigkeitssonntag (C)

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!

Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ So formuliert Paulus in seinem Brief an die Römer (Kapitel 5, Vers 5), der uns am heutigen, dem sogenannten Dreifaltigkeitssonntag vorgetragen wird. Am Ende geht es immer wieder um die Liebe Gottes, wie sie etwa in der dichten Abfolge der kirchlichen Feste deutlich wird, die wir jüngst gefeiert haben und auch noch feiern werden.

Auf das Osterfest folgt Christi Himmelfahrt. 10 Tage später das Pfingstfest, am darauffolgenden Sonntag, das heutige Hochfest der Heiligsten Dreifaltigkeit, und kommenden Donnerstag Fronleichnam. Jedes Fest hat seinen besonderen Schwerpunkt und setzt damit Akzente. Beim heutigen Dreifaltigkeitssonntag geht es besonders darum, wie Gott in sich selber ist: Gott ist in sich selber Liebe. Und das wird besonders deutlich in der Tatsache, dass der eine Gott in drei Personen ist.

Gerade diese Tatsache, dass der eine Gott in drei Personen ist, lässt sich nur bedingt vermitteln. Die Dreifaltigkeit Gottes ist uns Menschen mit dem Vermögen der eigenen Vernunft nicht erschließbar. Allerdings können wir sehr gut nachvollziehen, dass diese Tatsache höchst vernünftig ist und unseren innersten Erfahrungen entspricht.

Wäre Gott allein und einsam, könnte er nicht von Ewigkeit her lieben. „Gott ist nicht Einsamkeit, sondern vollkommene Gemeinschaft“, so hat es Papst Benedikt XVI. einmal formuliert.

Immer schon ist es Menschen schwergefallen, die von Jesus geoffenbarte Wahrheit des einen dreifaltigen Gottes zu verstehen. Vor 1.500 Jahren etwa soll der irische König den Heiligen Patrick, den großen Missionar Irlands, an seinen Hof gerufen haben. Er wollte sich von ihm erklären lassen, wie Gott ein einziger und doch zugleich in drei Personen sein kann. „Ist es nun ein Gott, oder sind es drei Götter? Wie sollen wir das verstehen?“, soll er gefragt haben.

Der Heilige Patrick soll daraufhin ein dreiblättriges Kleeblatt gepflückt haben, wie es noch heute das irische Wappen ziert. Es ist ein Blatt, und doch zugleich sind es auch drei Blätter. So sei auch Gott in seiner Dreiheit ein einziger Gott: Der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Es sei ein großes Geheimnis, habe Patrick erklärt. Mit unserem Verstand werden wir es nicht begreifen. Aber mit unserem Herzen sollen wir es glauben. Das dreiblättrige Kleeblatt auf den Wiesen soll uns an den einen, in drei Personen lebenden Gott erinnern, und ihn achten und ehren lehren.

Nun ist aber die Anschaulichkeit dieser und anderer Vergleiche eher hinderlich, um nachvollziehen zu können, dass es höchst vernünftig ist, dass der eine Gott in drei Personen ist. Dafür ist weitaus mehr geeignet, was der Hl. Augustinus im vierten Jahrhundert an philosophischer Erklärung hinterlassen hat.

Da der Mensch als Abbild Gottes geschaffen ist, darf der Mensch u.a. seine innere Erfahrung der Selbstreflektion als grundgelegt in Gott auf ihn übertragen: Der Mensch kann über sich selber nachdenken und hat so ein Bild, eine Idee von sich selber, weil diese Art des Erkennens seiner selbst bei Gott in höchster Vollendung Wirklichkeit ist. Von daher konnte Augustinus viel besser die Vernünftigkeit des einen Gottes in drei Personen nachvollziehen.

Demnach erkennt Gott sein eigenes Wesen so vollkommen, dass die zeitlose Erkenntnis als „Wort“, das dann in der Geschichte der Menschen „Fleisch geworden ist“ (vgl. Prolog des Johannesevangeliums), immer schon in der Person des Sohnes da ist und war und sein wird.

Das ist in Analogie vergleichbar mit der Vorstellung, die jeder von sich selber hat. Man versteht von sich selber seine wesentlichen Züge. Es sind die wesensbestimmenden Züge seiner selbst, die aber als Erkanntes einem selber als ein Gegenüber dasteht, zu dem ich in einer anerkennenden Beziehung stehe.

Angesichts der göttlichen Vollkommenheit gibt es in Gott nur die Möglichkeit, und es ist überraschenderweise Ausdruck höchster Freiheit, das völlige Ebenbild seines eigenen Wesens als Erkanntes uneingeschränkt zu lieben. Diese grenzenlose Liebe zwischen Vater und Sohn ist als Heiliger Geist die dritte Person des einen Gottes.

Hier wird deutlich, dass die Dreifaltigkeit höchst „vernünftig“ aber zugleich ein Geheimnis ist, das nur als geschenkter Glaubens für uns fruchtbar werden kann.

Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 21/2016 - Pfingstfest (C)

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!

Das erste der beiden alternativen Evangelien am Hohen Pfingstfest (Joh 20,19-23) berichtet, wie Jesus noch am Abend der Auferstehung in die Mitte der Jünger trat, die „aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten“. Er „sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite.“

Wie viele und welche Jünger es waren, ist nicht überliefert. Wohl aber, dass der Apostel Thomas nicht dabei war. Als acht Tage darauf der Herr erneut erschien, und Thomas diesmal dabei war, zeigt der Herr erneut seine Hände und seine Seite, und diesmal eigens für Thomas. Thomas hatte das ja als „Glaubens-Bedingung“ gefordert (Joh 20,25): „Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.“

So sagt Jesus bei seinem zweiten Erscheinen dann eigens zu Thomas (ibid.; 27): „Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“ Auch wenn diese beiden Jesus-Erscheinungen Wochen vor dem Pfingstereignis stattfanden, haben sie dennoch mit Pfingsten zu tun!

Beide Male wird deutlich, dass Gott sich nach seiner Menschwerdung, nach der Auferstehung und der 40 Tage späteren Himmelfahrt des Menschensohnes nicht einfach folgen- und spurlos in den Himmel zurückgezogen hat. Von nun an ist und bleibt Gott dem Menschen besonders nahe und verbunden. Die Wunden sind ein vielsagendes Zeichen dafür.

Mit den verklärten aber verbleibenden Wunden zeigt der Auferstandene, dass er weder seine noch unsere Verletzungen, Enttäuschungen, Mühen und scheinbaren Niederlagen abgelegt und vergessen hat. Sie sind fortan Vergewisserung, dass die Vergänglichkeit dieser Welt einmal endgültig überwunden sein wird und dass dies auch seine Jünger schon in ihrem irdischen Leben ausreichend erfahren und dessen gewiss werden.

Wir glauben an einen Gott, der uns nahe ist; nicht an einen Gott, der hinter den Wolken lebt. Wir glauben an einen Gott, der an unserem Leben Anteil nimmt; nicht an einen Gott, der weit entfernt und ohne Interesse an uns lebt. Wir glauben an einen Gott, der unser Dasein ermöglicht und uns auf unserem Weg bis zum Ende begleitet: Gott interessiert sich für jedes Schicksal. Mit unserem freien Willen möchte er es zur Blüte führen. – Und wer sich als glaubender Mensch darauf einlässt, erfährt im täglichen Leben, dass es so und nicht anders ist.

Schon in der Zeit des alten Bundes offenbart Gott, dass er immer für die Menschen da ist. Obwohl Gott ein geistiges Wesen ist, lässt er sich herab, dazu noch in zweifacher Weise: In seinem eingeborenen Sohn und in seinem heiligen Geist.

Irenäus von Lyon hat dies im 2. Jahrhundert in einem Bild zur Dreifaltigkeit einmal so erklärt: „Der Sohn und der Geist sind die beiden Hände unseres himmlischen Vaters.“ – Der Vater arbeitet also am Heil der Menschen immer mit diesen beiden Händen. Genauso spürt und erfährt der Gläubige das dann auch in seinem Alltagsleben.

Die beiden Hände des Vaters kümmern sich darum, dass der Gläubige zum einen im menschgewordenen Sohn ein echtes und göttlich-menschliches Vorbild hat, und dass der Gläubige zum anderen durch den Heiligen Geist das Menschlich-Göttliche zu seinem Heil entdecken und ihm folgen kann.

Die beiden Hände des Vaters, der Sohn und der Geist, sind immer da. Das Vorbild des Sohnes bleibt durch den Heiligen Geist lebendig: Sein Kommen auf die Erde, sein Heranwachsen in Nazaret, sein Arbeiten als „Sohn des Zimmermanns“, sein Beten unterwegs und zu Hause und nicht zuletzt sein Dasein für den Anderen im Lachen und Weinen, in Freude und Leid, im Tod und in der Auferstehung.

Der Heilige Geist ist die Hand Gottes, die dafür sorgt, dass das Vorbild und die Heilstaten Jesu allen lebendig und zugänglich bleiben. – Von Herzen wünsche ich Ihnen ein gnadenreiches Pfingstfest.

Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 20/2016 - 7. Oster-Sonntag (C)

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!

In den letzten Pfarrnachrichten wurde eingehend vom derzeit entstehenden Wohnprojekt für christliche Flüchtlingsfamilien hier im Gebäudeensemble um St. Pantaleon berichtet. Inzwischen hat auch die Presse, sogar weit über Köln hinaus, ausführlich über dieses inzwischen als Pilotprojekt eingestufte Unternehmen informiert.

Aus Platzgründen konnte letzte Woche in der erweiterten Pfarrbrieffassung am Ende nur kurz darauf hingewiesen werden, dass die entsprechenden Gebäude nach den in diesen Tagen unterschriebenen Verträgen nun für die nächsten neunundneunzig Jahren der Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbh gehören werden, die hier gemeinsam mit dem Erzbistum Köln großzügig investiert.

Die Idee für das Wohnprojekt als Ganzes verdanken wir Benjamin Marx. Er hat als Projektleiter für die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbh alle entscheidenden Ideen entwickelt und auf den Weg gebracht. Herr Marx ist bundesweit für gelungene Vorzeigeprojekte eines sozialen Wohnungsbaus besonderer Art bekannt.

Jüngst hat sein Berliner Projekt in der Harzer Straße auch europaweit ein ausnahmslos positives Echo in der Presse gefunden, nachdem die „Müllkinder von Neukölln“ aus eben dieser Harzer Straße für Negativschlagzeilen gesorgt hatten. Wir empfehlen Ihnen hierzu einen aufschlussreichen wie anschaulichen Bericht der Berliner Abendschau, den Sie unter folgendem Link aufrufen können: https://www.youtube.com/watch?v=EV3PXp7c6zM

Sollte der Link aus irgendeinem Grund nicht funktionieren, lässt sich diese 4 ½ minütige Abendschausendung über „Google“ unter den Stichworten „Roma-Wohnprojekt Harzer Straße – rbb – Berliner Abendschau“ problemlos finden. In manchem vergleichbar wird es voraussichtlich ab September hier in der Wohnanlage ähnlich zugehen, wenn die ersten Flüchtlingsfamilien an St. Pantaleon einziehen werden. Darüber haben wir letzte Woche ausführlich berichtet.

Die Kirchengemeinde St. Pantaleon ist froh und sehr dankbar, dass nach über zehn langen Jahren Still- und Leerstand im ehemaligen Altenheim, und damit verbunden einer in Manchem schwierigen Zeit und durchaus ungewissen Zukunft, sich nun alles zu einem guten und vielversprechenden Einvernehmen gewendet und einhellig geklärt hat. Die Kirchengemeinde stimmt voll und ganz den von Benjamin Marx für die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbh entwickelten Ideen und Visionen zu, und sie ist sehr glücklich darüber, dass das Erzbistum diese Lösung für den Pantaleonsberg angeregt und mitfinanziert hat. Die Kirchengemeinde dankt auch dem Vorbesitzer, dessen Großzügigkeit die Veränderung der Besitzverhältnisse und damit das Wohn- und Integrationsprojekt für vor allem christliche Flüchtlingsfamilien ermöglicht hat.

Im Zusammenhang mit den oben genannten Verträgen ist auch ein Beirat installiert worden, in dem das Erzbistum, die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbh und die Kirchengemeinde vertreten sind. Dieser Beirat berät über die Eckpunkte der gemeinschaftlichen und einvernehmlichen Zusammenarbeit, wie sie für das Wohnprojekt auch auf die Zukunft hin vorgesehen ist, und beschließt sie.

Die Kirchengemeinde weiß sich beschenkt, an diesem Projekt ehrenamtlich mitwirken zu können. Sie hat in Herrn Rainer Rosskopf einen zuverlässigen und kompetenten Menschen gefunden, der damit begonnen hat, den ehrenamtlichen Einsatz zum Wohl der Flüchtlinge zu organisieren. Vor Ort werden Sie, die sie sich für das Gemeindeleben an St. Pantaleon einsetzen und ihm Gestalt und ein Gesicht geben, in Zukunft wohl oft auch Herrn Maher Krait begegnen. Auch über seine Aufgabe haben wir bereits berichtet.

Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 19/2016 - 6. Oster-Sonntag (C)

Kardinal Woelki, Oberbürgermeisterin Reker und Sozialarbeiter Krait in St. Pantaleon

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!

Diesen Freitag hatten wir hohen Besuch. Unser Erzbischof, Kardinal Woelki, hat gemeinsam mit unserer Oberbürgermeisterin, Frau Reker, im Innenhof von St. Pantaleon eine Aleppo-Kiefer gepflanzt. Anlass war ein gemeinsamer Besichtigungstermin der Wohnanlage, die im ehemaligen Altenheim bis September weitgehend fertiggestellt sein wird. Damit ist der unerfreuliche, über 10 Jahre dauernde Leerstand nun endgültig Vergangenheit.

Die entstehende Anlage mit 32 Wohnungen ist vor allem für Christen gedacht, die aus dem Mittleren Osten als Flüchtlinge zu uns kommen. Wer von diesen Flüchtlingen im Rahmen der sogenannten Integrationsstufe I zwei oder drei Jahre rund um den Innenhof von St. Pantaleon wird wohnen können, hat Glück gehabt.

Er kommt nicht in einer Massenunterkunft mit Großküche und Speisesaal, mit Gemeinschaftsklo und Großraumdusche unter. Nicht eine Turnhalle wird sein vorübergehendes Zuhause, sondern eine kleine aber feine Wohnung, wo er in der Vertrautheit der eigenen Familie alles Notwendige vorfindet: Eine Wohnküche, eine mit Dusche und WC vollständig eingerichtete Nasszelle sowie akkurat eingerichtete Eltern- und Kinderzimmer.

Auch diese Zimmer sind alles andere als luxuriös. Aber sie vermitteln auf den ersten Blick den Eindruck, wieder ein Zuhause zu haben und endlich angekommen zu sein. Eingerichtet sind sie mit einer schlichten wie ansprechenden Bestuhlung, einem kleinen Schreibtisch und einer multifunktionalen Schlafcouch, die in den Nachtstunden als Etagenbett genutzt werden kann.

Schon das sind privilegierte Voraussetzungen, damit Integration gelingen kann. Aber die Wohnanlage an St. Pantaleon bietet noch mehr. Auf jeder Etage befindet sich ein großzügiger Gemeinschaftsraum und in dem weitgehend lichtdurchfluteten Keller entstehen Schulungs-, Sport-, Fortbildungs- und Hobbyräume. Auch die Erweiterung unseres Kindergartens um eine weitere Gruppe, der dann als ganzer integrativ betrieben wird, ist Bestandteil der integrativen Wohnanlage.

Die Gemeinschaftsräume werden bewusst auch Besuchern geöffnet, die nicht hier wohnen: ohne Unterschied anderen Flüchtlingen sowie Nachbarn und Menschen, die sich ehrenamtlich dafür einsetzen werden, dass Fremde bei uns Heimat finden. Kaum etwas verbindet mehr als gemeinschaftliches Kochen, gemeinsamer Sport, und ein Sprachunterricht, der anlässlich eines ehrenamtlichen Nachbarschaftsfrühstücks mit Händen und Füßen beginnt.

Nicht nur Behördengänge müssen vorbereitet werden. Auch die persönlichen Dokumente über Schul- und Berufsabschlüsse sind zu sortieren und müssen ggf. übersetzt werden. Das soll und muss bewusst nicht in den kleinen Wohnungen der hier untergebrachten Familien geschehen. Sie allein bestimmen, wen sie in ihre persönlichen Räume einladen wollen oder nicht.

Eine Schlüsselaufgabe, wie die Wohnanlage nach den gemäß diesen Vorgaben geschaffenen Möglichkeiten dann funktionieren wird, kommt Herrn Maher Krait, einem jungen Sozialarbeiter aus Syrien zu. In Damaskus hat er für Caritas international Notleidenden zur Flucht verholfen. Dann musste er selber fliehen. Für Frau und Kind ist die Nachreise vorbereitet. Die junge Familie wird dann ebenfalls hier wohnen.

Vom Fluchthelfer zum Flüchtling geworden wird er nun seinen Landsleuten als Integrationshelfer und „gute Seele des Hauses“ zur Seite stehen. Er wird unterstützt von Herrn Rainer Roskopf, von Beruf Anwalt, der das Ehrenamt organisieren wird. Am Ehrenamt Interessierte können sich von jetzt an unmittelbar an ihn wenden – er ist ja regelmäßig im Gottesdienst anzutreffen – oder auch über das Pfarrbüro. Mit Herz und Seele werden beide gemeinsam den Herzen und Seelen der Heimatsuchenden Türe und Wege dafür öffnen.

Hier in St. Pantaleon können wir an eine gelungene Integration vor 1.000 Jahren anknüpfen. Als die etwa 14jährige Theophanu aus dem byzantinisch-oströmischen in den ihr völlig fremden ostfränkisch-deutschen Kulturraum übersiedelte, fand ihre Seele Heimat in der Kölner Kirche des Heiligen Pantaleon. Der hier verehrte griechisch-byzantinische Märtyrer war ihr schon als Kind vertraut und bekannt. Jahre später hat Theophanu als weströmische Kaiserin die Geschicke des deutschen Reiches segensreich mitbestimmt.

Das sind Integrations-Perspektiven, von denen wir hier vor Ort nicht nostalgisch schwärmen und der Vergangenheit zugewandt träumen wollen. Wir wollen vielmehr vor dem Hintergrund dieser Vergangenheit von dem gegenwärtig Gegebenen und den nun geschaffenen Möglichkeiten ausgehen und in die Zukunft schauen.

Die oben skizzierte Integrationsarbeit werden wir auch vom Glauben der hier Ankommenden her auf eine solide Grundlage stellen. Mein Vorgänger, Pfarrer, Dr. Peter von Steinitz, hat vor 25 Jahren zum tauendjährigen Todestag der Kaiserin Theophanu einen bis heute segensreichen, und im Erzbistum Köln einzigartigen Austausch mit orthodoxen Christen ins Leben gerufen. Daran möchte ich anknüpfen. Ich habe vor, orthodoxe Geistliche für seelsorgliche Angebote und Gottesdienste zusätzlich an St. Pantaleon zu gewinnen, so dass Flüchtlinge auch religiös Heimat finden können.

Allerdings gehört das alles gar nicht uns, d.h. der Pfarrei St. Pantaleon. Und auch die Ideen und deren Umsetzung stammen nicht von uns, sondern von Benjamin Marx, der als Projektleiter das alles für die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbh, inzwischen Eigentümer der Gebäude, geplant und auf den Weg gebracht hat. Und das Erzbistum hat auch einiges dazu beigesteuert.

Warum wir dennoch gerne von unserem Projekt sprechen, das erzähle ich Ihnen nächste Woche.

Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 18/2016 - 5. Oster-Sonntag (C)

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!

Auch diesen Sonntag hören wir, wie schon am Sonntag davor, ein außergewöhnlich kurzes Evangelium. Es umfasst nur fünf, dafür aber sehr aufschlussreiche Verse, die unsere ganze Aufmerksamkeit in zweifacher Hinsicht fordern.

Zuerst einmal erklärt Jesus, nachdem Judas, der Verräter, hinausgegangen war (Joh 13,31): „Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht, und Gott ist in ihm verherrlicht.“ Diese Erklärung klingt dem gängigen Alltagsempfinden so fern und fremd, dass sie achtlos überlesen wird. Auch der bedeutungsvolle Zusammenhang mit dem Hinausgehen des Verräters ist nicht sofort erkennbar.

Demgegenüber scheint der zweite und letzte Teil des Evangeliums viel wichtiger und interessanter zu sein (ibid., 13,34): „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“ Und doch hat das Zweite mit dem Ersten zu tun und ist letztlich erst von daher möglich.

Schon immer ist über Judas Iskariot diskutiert worden. Er war wohl ein einsatzfreudiger, ein aktiver Mensch, der hohe Ideale hatte. Aber das alleine reicht nicht. Auch Adolf Hitler hatte hohe Ideale, und er hat sie konsequent verfolgt. Einen trägen, lustlosen und arbeitsscheuen Menschen hätte Jesus auch wohl kaum als Apostel und potentiell zukünftigen Bischof berufen.

Der „Verrat“ des Judas bestand nicht in einer vordergründigen Unzufriedenheit und Ablehnung Jesu, in die seine anfängliche Begeisterung für Jesus plötzlich umgeschlagen wäre. Dafür war der in Jesus menschgewordene Gott auch viel zu interessant und faszinierend. Der Verrat des Judas hatte weitaus tiefere Wurzeln. Er stand der „Verherrlichung Gottes und des Menschensohnes“ entgegen. Judas hatte sich der „Verherrlichung Gottes und des Menschensohnes“ verschlossen und zuerst sie „verraten“. Damit hat Judas die Grundlage für ein nachhaltiges und segensreiches Tun und Wirken des Menschen zerstört.

Wie ein Adolf Hitler oder andere Terrorgrößen wollte ganz sicher auch Judas Iskariot ein Paradies schaffen und ein sorgenfreies Leben ermöglichen. Deshalb ist er Jesus anfangs mit Begeisterung gefolgt. Aber Judas wollte eine Erlösung zu einer schönen und besseren Zukunft – ähnlich ihm geistverwandter Weltverbesserer, die im Chaos enden und untergehen – über das Knie brechen, mit Macht durchsetzen und durch Gewalt nach eigenen Vorstellungen erzwingen.

Das aber steht Gott, seiner und des Menschensohnes Verherrlichung entgegen. Jesus, der Herr, zwingt nicht zum Glück. Er führt vielmehr jeden, der sich darauf einlässt, mit Geduld, Langmut und Liebe dorthin.

Deshalb steht die Verherrlichung Gottes im Vaterunser an erster Stelle: „geheiligt werde Dein Name“. Erst danach folgen die dann zugleich vorrangigen Vater-Unser-Bitten: „Dein Reich komme, Deine Wille geschehe“. Sie stehen vor der Bitte um das tägliche Brot, mit der ein gutes und erfülltes Leben erbeten wird; denn am Ende ist nur von Gott her ein gutes und erfüllendes Leben in echter, krisenfreier und beständiger Liebe möglich.

Die Erfahrung des Lebens bestätigt es. Ohne Gott wird die Liebe am Ende immer wieder durchkreuzt durch Eigensinn, Überheblichkeit, eine verheerende Selbstberufung und Selbstgerechtigkeit.

Mutter Teresa zum Beispiel hat dies ganz tief entdeckt und daraus gelebt. Sie hat offen erklärt, aus welcher Quelle sie ihre schier unerschöpfliche Liebe bezog: „Die Tätigkeit der Schwestern, alles was wir tun, ist einzig und allein die Frucht des Gebetes, die Frucht unserer Einheit mit Jesus in der Eucharistie. Dank dieser Einheit ist es uns möglich, uns dem Dienst an den Aussätzigen, den Sterbenden, den Kindern, denen die unerwünscht sind, und anderen Menschen hinzugeben. Wenn wir abends nach Hause kommen, halten wir eine Stunde lang Anbetung. Das ist der größte Schatz der Missionarinnen der Nächstenliebe.“

Auch wir sollten uns nicht von der Nörgelei und vom Griesgram unserer Zeit beirren lassen. Nach wie vor lassen sich andere Menschen von der Liebe berühren und verändern. Doch wir müssen immer zuerst bei uns anfangen und unser eigenes Herz an den Quell der Liebe bringen. Von anderen Liebe zu fordern, die man selbst nicht bereit ist zu nähren, um sie dann zu geben, ist Blödsinn.

Lassen wir noch einmal Mutter Teresa zu Wort kommen: „Denke nicht, dass Liebe, um wahrhaftig zu sein, außerordentlich sein muss. Notwendig ist nur, unablässig zu lieben. Wie kann eine Lampe brennen ohne unablässige Zufuhr kleiner Öltropfen?

Liebe Freunde: Was sind unsere Öltropfen in unseren Lampen? Es sind die kleinen Dinge des Alltags: die Freude, die Großherzigkeit, die kleinen guten Taten, die Demut und die Geduld. Ein einfacher Gedanke an jemand anderes. Unsere Art still zu sein, zuzuhören, zu vergeben, zu reden und zu handeln. Das sind die wahren Öltropfen, die unsere Lampen unser ganzes Leben hindurch lebhaft brennen lassen.“

Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 14/2016 - Oster-Sonntag (C)

Zum Barmherzigkeitssonntag (ehem. weißer Sonntag): Auf dem Bild von Vladimir Naumez, St. Pantaleon, Köln, Theophanu-Kapelle, steht unten geschrieben: "Jesus ich vertraue auf Dich."

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!

In seiner letzten Audienz vor diesem Osterfest hat Papst Franziskus das sogenannte österliche Triduum – Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag – in das besondere Licht des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit gestellt. Es führe uns in besonderer Weise das Geheimnis der grenzenlosen Liebe Gottes vor Augen, der sich wirklich völlig an jeden von uns verschenkt.

In der offiziellen deutschen Zusammenfassung dieser Katechese von Papst Franziskus heißt es dann wörtlich: „Am Gründonnertag offenbart Jesus durch die Fußwaschung und in der Eucharistie die Liebe, die sich in den Dienst stellt. Er gibt sich uns als Nahrung und ermutigt uns, diese Speise gleichfalls mit anderen zu teilen, auf dass eine wahre Gemeinschaft des Lebens entstehe unter allen, die bedürftig sind.

Der Karfreitag ist der höchste Ausdruck seiner Liebe. Jesus gibt sein Leben für das Heil der Welt hin. Seine Liebe erstreckt sich über alle Zeiten und jeden Ort. Sie ist eine unerschöpfliche Quelle des Heils für uns alle, die wir nach echter Liebe dürsten. Und wenn Gott uns im Tod Jesu seine höchste Liebe gezeigt hat, können und sollen auch wir, neu geboren im Heiligen Geist, einander lieben. Der Karsamstag schließlich ist der Tag des Schweigens. Jesus im Grab teilt mit der Menschheit das Los des Todes. Es ist ein Schweigen, das die Solidarität mit den Verlassenen zum Ausdruck bringt. Gott schweigt, aber aus Liebe. Dieser Tag wird für uns zur Erwartung des ewigen Lebens. Als geliebte Kinder hoffen wir auf das Wort des Herrn, der uns zum Ostermorgen führen will. Im Licht und in der Freude von Ostern erstrahlt uns das Geheimnis der Liebe und Barmherzigkeit Gottes in seiner ganzen Tiefe.“

Von Herzen wünsche ich Ihnen Trost und Stärke der Auferstehung und in diesem Sinne gesegnete Ostertage.

Ihr Pfr. Volker Hildebrandt

 

 

Pfarrnachrichten 13/2016 - Palmsonntag (C)

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!

Jahr für Jahr wird am Palmsonntag mit den Passionsberichten die Karwoche eröffnet. Auch wenn man die Passionsgeschichten längst zu kennen meint und sie einem gut vertraut erscheinen, gehen sie immer wieder unter die Haut. In ihnen wird erkennbar, wer dieser Gott für uns ist. Aus der Höhe des Himmels ist er zu uns hinabgestiegen. Er hat das Leben mit uns geteilt: nicht nur in Augenblicken freudiger Ereignisse, wie bei der Hochzeit zu Kana, sondern auch in schmerzhaften und traurigen Momenten, wie beim Tod des Lazarus.

Als menschgewordener Gott nimmt Jesus bereitwillig den Tod auf sich. Damit überwindet er die Sünde, die als Abwendung von Gott den Tod nach sich zieht. Dieser von Gott freiwillig gewählte Weg zur Erlösung des Menschen ist und bleibt für uns nie ganz zugänglich. Wirklich verstehen werden wir ihn nie. Aber aus dem gelebten Glauben kann man nachvollziehen, dass der Weg der Erlösung nicht größer, nicht vollendeter und dem Übel der Sünde nicht angemessener sein kann, als dass der menschgewordene Gott die von uns begangene Schuld auf diese Weise aus dem Weg räumt.

Im Kreuz nimmt der menschgewordene Gott die Sünde in ihrer ganzen Auswirkung auf sich. Damit nimmt er uns zugleich die Last der Sünde ab und befreit uns von ihr. Auf diese Weise erlöst Gott alle Menschen, sofern sie bereit sind, diesen Erlösungsweg Gottes anzuerkennen und ihm zugleich auf diesem Weg zu folgen.

Damit ist die Todesstunde Jesu zum einen die dunkelste Stunde der menschlichen Geschichte überhaupt. Zugleich ist sie aber auch die Stunde der Reinigung von allen Sünden, die Menschen je begangen haben und noch begehen werden. Damit ist sie zugleich die Sternstunde, die jeden Menschen heilsam auch mit sich selber konfrontiert.

Freude und Leid sind in der Erlösung in tiefer Weise eng verbunden. Das wird auch im Bilderzyklus zum Ausdruck gebracht, der auf der Schrägseite zum Süden hin des im 12. Jahrhundert geschaffenen und zu unserer Kirche gehörenden Albanusschreins für alle zugänglich zu sehen ist. Die ersten drei Bilderfelder haben wir in den vorausgehenden Ausgaben unseres Pfarrbriefes bereits erklärt.

Das letzte Bildfeld nun stellt das Martyrium des Heiligen dar. Links stehen zwei Personen, die an ihrem Heiligenschein als Gläubige zu erkennen sind. Sie sind ehrfürchtigen Zeugen des ergreifenden und durch den schmerzvollen Tod allen Segen bringenden Martyriums. Sie nehmen Anteil am Martyrium und verstehen das alles so auch immer besser.

Die dritte Person ist der Märtyrer Albanus. Er kniet auf einem Hügel, der Britannien darstellt. In Erwartung des bevorstehenden Schwertstreiches, der seinen Kopf abschlagen wird, hat er seinen Oberkörper bereits hingebungsvoll über ganz Britannien ausgestreckt. Sein Blick geht voller Hoffnung nach oben in den Himmel.

Von dort steigt ein Engel hernieder. In seinen mit einem Tuch bedeckten Händen trägt er etwas Wertvolles zum Himmel hinauf: Es ist die als Antlitz dargestellte Seele des Heiligen.

Ganz außen steht aufrecht der Henker. Interessanter Weise schaut auch er zum Himmel. Damit erinnert er an die bekannten Bibelworte: „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.“ (Lk 23,34) und „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn.“ (Mk 15,39).

Dort aber, wo das Schwert den Tod bringen und den Heiligen enthaupten wird, entspringt eine nie mehr versiegende Quelle. Dank ihrer breitet sich nun eine über ganz Britannien erstreckende Blumenpracht aus. Diese Bildersprache erklärt der berühmt wie tiefsinnige Ausspruch des frühchristliche Tertullian (um 160 – 220): „Das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche.

So sind Leid und Freude in der Erlösung in tiefer Weise eng verbunden. In der Erlösung geht das Leid über in immerwährende Freude: Auf die Erlösung durch den Tod folgt die Auferstehung. So werden das ausgedörrte Land und die Gemeinschaft der Menschen wieder gesund und sie bringen Blumen und Früchte.

Ihr Pfr. Dr. Volker Hldebrandt

 

Pfarrnachrichten 12/2016 - 5. Fastensonntag (C)

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!

Letzten Sonntag wurde uns im Gottesdienst das Gleichnis vom verlorenen Sohn vorgetragen. Alternativ wird es auch das Gleichnis vom barmherzigen Vater genannt. Am heutigen Sonntag hören wir nun, wie der Herr die in diesem Gleichnis bildhaft dargelegte grenzenlose Barmherzigkeit Gottes in die Praxis umsetzt.

Mitten hinein in seine Predigttätigkeit (vgl. Joh 8, 1ff) bringen „Schriftgelehrten und Pharisäer eine Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war. Sie stellten sie in die Mitte und sagten zu ihm: … Mose hat uns im Gesetz vorgeschrieben, solche Frauen zu steinigen. Nun, was sagst du?“

Damals war es nicht weniger geschmacklos als es auch heute wäre, in einer Synagoge oder Kirche den Gottesdienst auf diese Weise zu stören und zu torpedieren. Die Absicht der Schriftgelehrten und Pharisäer war eindeutig böse. Der Evangelist sagt es offen (ibid., 6): „Mit dieser Frage wollten sie ihn auf die Probe stellen, um einen Grund zu haben, ihn zu verklagen.“ Die Ehebrecherin war nur ein gefundenes „Mittel zum Zweck“.

Die Schriftgelehrten und Pharisäer hatten keine Empathie für diese Frau, weder für ihre Schuld noch für die Umstände, die zu ihrer Verfehlung führten. Und sie hatten wohl auch kein wirkliches Interesse an der Würde der Ehe, die zu schützen und zu bewahren Mose das Gesetz der Steinigung verfügt hatte. Und was war eigentlich mit dem Mann, den sie doch auch „beim Ehebruch auf frischer Tat ertappt“ haben müssen?

Der Herr lässt sich nicht in die Enge treiben. Er tut seinen Verfolgern weder den Gefallen, dem Gesetz des Mose zu widersprechen, und damit die Heiligkeit der Ehe und der zu ihr berufenen Menschen zu nivellieren. Noch tut er seinen Verfolgern den Gefallen, den Anspruch recht verstandener Barmherzigkeit durch Abgleiten in irreleitende Gleichgültigkeit aufzugeben und auszuhöhlen.

Stattdessen „bückte er sich und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Als sie hartnäckig weiterfragten, richtete er sich auf und sagte zu ihnen: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie. Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde.“ Als geschöpfliche Menschen können wir Gottes Barmherzigkeit im Ansatz nur dann verstehen und in ihrer Bedeutung ausloten, wenn wir unsere eigenen Verfehlungen nicht verharmlosen und im Verschwiegen aufzulösen versuchen.

Ein weiser Merksatz bringt treffend auf den Punkt: „Wer bekennt, der erkennt.“ Das gilt analog für das rechte Verständnis wahrer Barmherzigkeit. Im Ansatz vermag wahre Barmherzigkeit nur zu begreifen, wer seiner eigenen Verfehlungen wegen zunehmend auf sie setzt, an sie glaubt und sich immer mehr gerade auf sie stützt.

Das Sakrament der Hl. Beichte schafft hierfür optimale Voraussetzungen. Es war eine sehr gute und kluge Idee Gottes, uns dieses Sakrament zu schenken. Wo nicht mehr gebeichtet wird, da verliert sich auch das Gespür für die Größe der göttlichen Barmherzigkeit.

Man muss zu den eigenen Defiziten und Verfehlungen stehen, sie ungeschönt vor Gott bringen und bekennen. Angesichts der Unendlichkeit seiner Barmherzigkeit ist das möglich und erträglich. Wir vermögen dann nicht nur unsere eigene Erbärmlichkeit auszuhalten. Wir werden dann zugleich auch selber zunehmend in rechter Weise barmherzig.

Und so endet dann dieses Ereignis: „Als sie seine Antwort gehört hatten, ging einer nach dem anderen fort, zuerst die Ältesten. Jesus blieb allein zurück mit der Frau, die noch in der Mitte stand. Er richtete sich auf und sagte zu ihr: Frau, wo sind sie geblieben? Hat dich keiner verurteilt? Sie antwortete: Keiner, Herr. Da sagte Jesus zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“

Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 11/2016 - 4. Fastensonntag (C)

Rückkehr des verlorenen Sohnes - Jacopo Palma der Jüngere (* um 1548 in Venedig; † 1628 ebenda),

Liebe Mitchristen und liebe Freunde von St. Pantaleon!

Das Gleichnis vom „Verlorenen Sohn“ oder vom „Barmherzigen Vater“, wie es inzwischen auch genannt wird, ist das längste der neutestamentlichen Gleichnisse. Es ist in gewisser Weise auch das am meisten ergreifende, das uns Jesus erzählt. Es fügt sich harmonisch ein in die Stimmung, die den vierten Fastensonntag einer langen Tradition gemäß prägt.

„Freu’ dich, Jerusalem”, so beginnt seit vielen Jahrhunderten das Eingangsgebet des 4. Fastensonntags: lateinisch „Laetare, Jerusalem”. In der Folge wurde der vierte Fastensonntag seit dem Mittelalter Sonntag Laetare” genannt. Dieser Sonntag liegt mitten in der vierzigtägigen Fastenzeit. An ihm kommt eine besondere Freude auf angesichts der bevorstehenden Erlösung. Wie Mose aus der Ferne das Gelobte Land, sieht der Christ von „Laetare“ aus das Osterfest.

Nur an diesem wie auch an einem zweiten Sonntag im Jahr, am dritten Adventsonntag nämlich, kann der Priester bis heute die liturgische Farbe „Rosa” tragen. Die Farbe geht zurück auf den „Rosensonntag“, wie dieser vierte Fastensonntag seit dem Mittelalter auch genannt wurde. An diesem Tag überreichte der Papst eine goldene Rose, anfangs an Mitglieder der Kurie, später an verdiente Fürsten. Die aus Silber getriebene und vergoldete Rose steht für Christus: Die Dornen erinnern an die Passion, das Gold der Rose an die Auferstehung.

Das hat übrigens auch mit dem erstmals 1823 so genannten Rosenmontag zu tun. Das Festordnende Comitee in Köln, das am Sonntag Laetare, am „Rosensonntag“ in der Fastenzeit tagte, hatte für 1823 einen Karnevalsumzug für den Montag nach dem im nächsten Jahr anstehenden „Fastnachtssonntag“, also für den Montag nach dem letzten Sonntag vor der Fastenzeit organisiert. Nach dem am „Rosensonntag“ tagenden Gremium wurde dann der Umzug am Montag nach dem Fastnachtssonntag „Rosenmontagsumzug“ genannt.

Am Sonntag Laetare – kommen wir auf diesen Tag zurück – war das strengere Fasten schon immer ausgesetzt. Nach einer alten und bewährten Tradition widerspricht es dem besonderen Fasten nicht, an diesem einen Tag in der Mitte dieses sonst 40-tägigen Fastens (mit Ausnahme auch der übrigen Sonntage) im rechten Maß auch „secundum carnem” (gemäß dem Fleisch) zu leben. Laetare war und ist eine Art „Bergfest”, auch „Mittfasten“ genannt. Die Unterbrechung des besonderen Fastens steht im Dienst des Fastens und ermöglicht, während der übrigen Fastentage „secundum spiritum” (gemäß dem Geiste), in gewisser und maßvoller Weise also unter Verzicht auf Fleischliches zu leben. Nur so bleibt und wird der Mensch gut, richtig und frei.

So schließt sich der Kreis zum genannten Gleichnis. Der jüngere von zwei Söhnen ließ sich vom Vater sein Erbe auszahlen. Er zog in die Fremde und verschleuderte dort sein Vermögen. Durch eine Hungersnot, die seine Situation noch verschlimmerte, fand er sich schließlich als hungernden Schweinehirt wieder, dem sogar der Schweinefraß verwehrt blieb. Da ging er in sich, erkannte seine Schuld und beschloss, zu seinem Vater zurückzukehren. Er sagte sich (Lk 15,17-19): „Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen, und ich komme hier vor Hunger um. Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner.

Die Reaktion des Vaters ist überwältigend. Sie lässt gleichnishaft Gottes Barmherzigkeit erkennen: „Der Vater sah ihn schon von weitem kommen, und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.“ (Lk 15,20)

Wie tief auch immer der Mensch gefallen sein mag: Für Gott ist und bleibt er dennoch der geliebte Sohn oder die geliebte Tochter. Allerdings muss der Mensch bereit sein, Gottes Hinweise und Anregungen zur Umkehr, die bis hin zur erniedrigenden Entbehrung reichen können, auch wirklich anzunehmen; und nicht nur im Spiel der Gedanken zu verbleiben. Man muss also auch bereit sein, Gottes Hinweise und Anregungen folgerichtig umzusetzen. Diese folgerichtige Bereitschaft drückt sich konkret etwa in den notwendigen Schritten hinein in die Beichte aus. Diese Bereitschaft führt mit Gewissheit zu der Erfahrung des verlorenen Sohnes, wie der Herr sie im Gleichnis vom barmherzigen Vater anschaulich beschreibt. … Warum also zögern wir noch?

Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt

 

Pfarrnachrichten 10/2016 - 3. Fastensonntag (C)

Der Heilige Lukas berichtet (Lk 13,1 ff), wie „einige Leute zu Jesus kamen“ und ihm von einer Gräueltat erzählten, die von höchster Stelle angeordnet worden war. Pilatus hatte im heiligen Bereich des Jerusalemer Tempels eine Gruppe von Galiläern „beim Opfern umbringen“ lassen, „so dass sich ihr Blut mit dem ihrer Opfertiere vermischte.“ Daraufhin erinnerte Jesus an den Einsturz „des Turms von Schiloach“, der 18 Menschen unter sich begrub.

Damals wie heute verbinden Menschen Katastrophen, Unglücke und tragische Unfälle mit der Schuld des Menschen. In volkstümlicher Redeweise pflegen einige zu sagen: „Kleine Sünden straft der liebe Gott sofort.“ Da ist grundsätzlich etwas Wahres dran. Aber nicht so, wie es oft vordergründig missverstanden wird. Darauf macht Jesus aufmerksam und verweist auf die tieferliegenden Zusammenhänge.

Jesus präzisiert: „Meint ihr, dass nur diese Galiläer … oder jene achtzehn Menschen … Sünder waren … und Schuld auf sich geladen haben, … weil das mit ihnen geschehen ist, alle anderen aber nicht? Nein, im Gegenteil: Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt.“

Damit bestätigt Jesus, dass die nicht paradiesischen Zustände unserer Erde unmittelbar mit der Schuld des Menschen zu tun haben. Sie sind durch sein sündhaftes Verhalten verursacht worden. Allerdings nicht so, dass die Größe des Unglücks und die Schwere der Katastrophe unmittelbar dem Gewicht und der Tragik der Sünden der Verunglückten entsprechen.

Es verhält sich vielmehr so: Die Menschen bilden eine Solidargemeinschaft im Guten und Schönen wie im Leiden und Unglück, in welcher der eine sich für den anderen freut oder leidet und eintritt. Das geschieht unbeabsichtigt oder auch, was dann sehr verdienstvoll sein kann, freiwillig und aus Vorsatz. Deshalb muss, wer Verständnis aufbringt für den Standpunkt: „Wie kann man nach Auschwitz noch an Gott glauben“, genauso auch Verständnis aufbringen für den Standpunkt: „Wie kann man nach Auschwitz nicht mehr an Gott glauben“!

Das Leiden, die vielen Unglücke und Krankheiten bewirken nicht nur Schlechtes und Böses. Es kann auch viel Gutes aus ihnen erwachsen. Deshalb lässt Gott das alles zu. Das „Fell“ von uns Menschen scheint manchmal so dick und undurchdringlich zu sein, dass wir anders wohl nicht aus uns herauskommen, um endlich unserer Verantwortung gegenüber unseren Nächsten und nicht zuletzt auch Gott gegenüber in dem uns möglichen Maß gerecht zu werden.

Das wird dem Betrachter des vorletzten in Kupfer getriebenen und vergoldeten Reliefs auf der nach Süden zeigenden Schräg-Seite unseres Albanus-Schreins anschaulich vor Augen geführt. Es stellt den mit dem Prozess Jesu parallelisierten Augenblick dar, in dem der Heilige Albanus, der als einziger durch einen Heiligenschien auszeichnet ist, an eine Säule gebunden und unter dem wachsamen Blick des Richters auf dem Richterstuhl stellvertretend für den Priester „Amphibolus“ ausgepeitscht wird.

Die Umschrift erklärt alles: „LETATUR CESUS FIT EI PROTECTIO JHESUS * FERT PLAGAS MITTIS ILLATAS A PARASITIS“. Frei und leicht erklärend übersetzt: „Um ihn zu schützen, lässt er sich schlagen, und bringt Freude wie Jesus * er trägt die Wunden, die ihm von diesen Parasiten, die sie verursachen, zugefügt werden.

Albanus hatte sich durch Kleidertausch als „Amphibolus“ ausgegeben und gefangen nehmen lassen, der ihn als Priester im Glauben unterwiesen und getauft hatte. Auf diese Weise konnte „Amphibolus“ entkommen. Der Heilige Albanus nimmt die ungerechte Strafe auf sich und lässt sich nun an seiner Stelle und für ihn auspeitschen. So verschont und schützt er den „Amphibolus“ vor der Bosheit der „Parasiten“, und er lässt aus dem Bösen Gutes erwachsen.

Gott lässt nicht nur Böses zu, weil aus ihm viel Gutes erwachsen kann. Er hat darüber hinaus eine unendliche Geduld. In unbegrenzter Barmherzigkeit setzt er sich dafür ein, dass der Sünder sein unfruchtbares Leben endlich hinter sich lässt, sich bekehrt, und sich fortan um ein allen wohltuendes und beglückendes Leben bemüht. Das wird in der das Sonntagsevangelium abschließenden bildhaften Rede (vgl. Lk 13, 6-9) vom unfruchtbaren Feigenbaum mitten im Weinberg deutlich, den der Winzer (der Sohn Gottes) gegenüber dem Gutsbesitzer (Gott Vater) in Schutz nimmt. All seiner Unfruchtbarkeit zum Trotz bietet der Winzer an, ihn über das Maß zu pflegen und zu düngen, damit „er vielleicht doch noch Früchte trägt“.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 08/2016 - 1. Fastensonntag (C)

Die Verurteilung des Hl. Albanus, vergoldetes Kupferrelief, 12. Jahrhundert, Albanusschrein, St. Pantaleon, Köln

An diesem ersten Fastensonntag erfahren wir vom Evangelisten Lukas (4,1f), dass „Jesus, erfüllt vom Heiligen Geist, die Jordangegend verließ.“ In dieser Gegend hatte er sich von Johannes im Jordan taufen lassen. Nun „führte ihn der Geist vierzig Tage lang in der Wüste umher, und dabei wurde Jesus vom Teufel in Versuchung geführt. Die ganze Zeit über aß er nichts; als aber die vierzig Tage vorüber waren, hatte er Hunger.

In der Bibel ist an einigen Stellen vom Teufel die Rede. Das hören manch Falschfrommen nicht so gerne. Sie versuchen, einem den Teufel auszureden. Das sei doch nur symbolisch gemeint. Der französische Schriftsteller Charles Baudelaire bemerkte dazu treffend: „Die größte List des Teufels ist die, uns zu überzeugen, dass es ihn gar nicht gibt.“ – Es gibt ihn also, den Versucher, griechisch „Diabolus“, den Durcheinanderwerfer, den Faktenverdreher, den Verleumder. Viele Heilige haben ihre Erfahrungen mit ihm machen müssen, so z.B. der heilige Pfarrer von Ars.

Dieser Durcheinanderwerfer ist kein harmloses Kerlchen, keine Witzfigur mit Mistgabel und Pferdefuß. Die Bibel sagt, dass er eine mächtige Persönlichkeit ist. Im Trotz gegen Gott will er die Welt beherrschen. Und er ist darauf aus, die Menschen in seine Gottlosigkeit hineinzuziehen. Doch die Bibel sagt auch, dass Gott ihm Grenzen steckt: bis hierher und nicht weiter!

Warum aber führte Gott seinen Sohn durch den Geist in die Wüste, dass er sich dort einer entbehrungsreichen vierzigtägigen Abstinenz im Gebet unterwerfe? Und warum lässt er am Ende auch noch zu, dass der Teufel sich an ihn heranmacht, um ihn in seine Gewalt zu bekommen?

Von der vierzigtägigen Entbehrung in der Wüste mit der abschließenden Versuchung durch den Teufel lässt sich der Bogen ziehen bis in die dunkelste aller Nächte, die an existentieller Herausforderung nicht zu überbieten ist: Die Nacht in Getsemani, in der Jesus im Gebet mit sich, dem Vater und seinem Schicksal bis zum Äußersten ringt: „Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht mit mir!“ (Mt 26,38)

In Getsemani hat Jesus betend den auf ihn zukommenden, schmach- und schmerzvollen Tod am Kreuz ungeschminkt vor Augen. Auch, soweit fassbar, den Sinn des Ganzen; nämlich: alle Bosheit und alles Böse des Menschen mit der Unendlichkeit göttlichen Erbarmens entgegenzunehmen und auf sich zu laden, und so selbst den abgründigsten Widerwärtigkeiten des Menschen endgültig ihre zerstörende, verräterische und widergöttliche Kraft zu nehmen: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ (ibid. 39)

Was für Gott in seinem Menschsein gilt, in dem er uns in Jesus Christus in allem gleichgeworden ist bis auf die Sünde, gilt für jeden von uns: „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.“ Deshalb betet Jesus. Und er sagt und bittet folgerichtig seine Jünger und damit auch uns, die wir dennoch immer wieder einschlafen: „Konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen? Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet.“ (ibid. 40f)

Aber macht das ganze Beten, Fasten und alles Bemühen darum, als anständiger und aufrechter Kerl zu leben und ein solcher zu bleiben, überhaupt Sinn? Was hat sich denn durch Jesu Tod am Kreuz verändert? Sind Mensch und Welt wirklich besser geworden? Hat sich denn spürbar etwas zum Positiven verändert, angesichts immer wieder neu aufflammender Gräueltaten und abscheulicher Widerwärtigkeiten und Verbrechen?

Offenbar gehört die Versuchung, sich die vom Vater uns allen auferlegte, recht verstandene Selbstverleugnung und Kreuzwegnachfolge (vgl. Lk 9,23-25) zu ersparen, ihnen auszuweichen und sie zu umgehen, zum Kern aller Versuchung. Es ist die Versuchung, gegen den erlösenden Willen des Vaters ausschließlich nach eigenen Vorstellungen zu leben.

Wenn wir ehrlich sind, müssen wir alle gestehen, dass die drei Versuchungen Jesu in der Wüste (vgl. Lk 4,1-13) – das leckere Brot, die Verlockung weltlicher Macht sowie irdischer Größe und Ehre, und schließlich völlig überzogene Selbstsicherheit und ein aufgesetztes Selbstbewusstsein – uns allen näherliegen, als das Vertrauen und der Glaube an das viel Größere, Beglückendere und Bleibende, was von Gott kommt.

Auf der Giebelseite (nach Süden hin) des Albanus-Schreines aus dem 12. Jahrhundert wird manches davon in der zweiten Darstellung aus dem Leben des Hl. Albanus veranschaulicht und in der inspirierenden Umschrift verdeutlicht.

Der Heilige Albanus hat den Priester „Amphibolus“, der ihn unterwiesen und getauft hat (erste Darstellung; vgl. Pfarrbrief vom letzten Sonntag), vor den römischen Christen-Verfolgern entkommen lassen. Beide tauschten ihre Kleider. So konnte Amphibolus fliehen. Für ihn ging Albanus ins Netz der Verfolger und nahm den Tod auf sich.

In Anlehnung an den verlogenen Prozess vor dem Hohen Rat steht deshalb zwischen dem durch den Heiligenschein vor allen anderen Personen ausgezeichneten Albanus und dem Richter auf dem Stuhl (hier ist der Thron anders als in der ersten Darstellung nicht der Lehr-, sondern der Richterstuhl) ein verlogener Kerl. Er ist nicht aufrecht, sondern gekrümmt. Es ist der „homo incurvatus“, der in sich selbst gekrümmte und verlogen-verbogene Mensch, wie der Hl. Anselm von Canterbury den Sünder nennt. Er leg vor dem Richter und allen Anwesenden ein falsches Zeugnis gegen den Hl. Albanus ab, wie einst die falschen Zeugen gegen Jesu vor dem Hohen Rat.

Die wörtlich nicht leicht zu übersetzende Umschrift (MARTYR DISCUSSUS ET NOMEN DICERE IUSSUS + QUENAM SECTETUR QUALIS SIT ET UNDE FATETUR) soll den Betrachter inspirieren, sich seine eigenen Gedanken zu machen: „Dem Märtyrer wird zu reden befohlen, und den Namen zu nennen, dem er folgt und wer er sei, und von daher gesteht er.

Albanus bekennt sich zu Jesus. Er verschweigt aber den Namen des Amphibolus, der ihn zuvor darin unterrichtet hat, in der Kraft des Kreuzes allen Fassaden und Lebenslügen Stand zu halten. So bezeugt Albanus das wahre Leben und verhilft ihm zum Sieg über alle Gottlosigkeiten, menschliche Verirrungen und Abscheulichkeiten. Dafür nimmt Albanus anstelle des Amphibolus die Verurteilung und den Tot auf sich (vgl. die folgenden Darstellungen; mehr dazu an den folgenden Sonntagen). Damit legt Albanus als Bekenner (Märtyrer) Zeugnis ab für die verwandelnde Kraft Gottes durch den Glauben: Das ist faszinierende, erlösende und verwandelnde Realität, die größeres Gewicht hat, als alles nur Irdisch-Menschliche.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 04/2016 - 2. Sonntag im Jahreskreis (C)

Hochzeit zu Kana, Gerard David, um 1500/10, Öl auf Holz, 96 X 128 cm

Die weltweit bekannteste Hochzeit .... Gedanken zum Sonntagsevangelium (Joh. 2,1-11)

Sein erstes Wunder wirkt Jesus ausgerechnet bei einer Hochzeit. Wie seine Mutter Maria gehörten er und seine Jünger zu den geladenen Gästen (Joh 2,1-2). Aus diesem Grund ist die „Hochzeit zu Kana“, wie sie seitdem oft genannt und künstlerisch vielfältig dargestellt wurde, wohl die bekannteste jemals gefeierte Hochzeit. Der Berichterstatter, der Evangelist und Heilige Apostel Johannes, nennt dieses Wunder mit Absicht „Zeichen“ (ibid. 2,11): “So tat Jesus sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn.“

Dieses „Zeichen“ besteht ausgerechnet darin, dass Jesus einer Hochzeitgesellschaft, die dem Wein offenbar ordentlich zugesprochen hatte, so dass er ausgegangen war (vgl. ibid. 2,3), weitere 600 Liter besten Weines verschaffte. Der für das Festmahl Verantwortliche, der über dieses „Zeichen“ und wie es dazu kam nicht informiert war (ibid., 2,9: „Er wusste nicht, woher der Wein kam.“), war so erstaunt, dass er den Bräutigam rufen ließ und ihm erklärte (ibid., 2,10): „Jeder setzt zuerst den guten Wein vor und erst, wenn die Gäste zu viel getrunken haben, den weniger guten. Du jedoch hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten.“

Mit diesem ersten „Zeichen“ und seiner aktiven Teilnahme an der ausgelassenen Feier einer Hochzeit mit womöglich schon leicht weinseligen Hochzeitsgästen unterstreicht Jesus zum einen die Größe und Würde der sakramentalen Ehe: „Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ (Mt. 19,6). Darüber hinaus schließt er den tiefen Sinn unseres irdischen Lebens auf.

Jesus ist kein weltfremder Asket; keine Spaßbremse; keiner, der zum Lachen in den Keller geht. Das hat er später noch oft genug bewiesen. Er hat viel gefastet und gebetet, aber er hat auch viele Einladungen zum Feiern angenommen. Die verärgerten Schriftgelehrten haben ihn deshalb als „Fresser und Säufer“ (ibid. 11,19) tituliert.

Jesus Christus, der Herr, lässt sich nicht in unsere simplen Schubladen und Schablonen pressen. Als erstes Zeichen, gewissermaßen als Amtsantritt des Heilands, schenkt er verschwenderisch viel Wein, verschwenderisch viel Freude. Aus dem Glauben heraus haben tiefgläubige Christen deshalb immer schon ihr irdisches Leben mit Freude und ohne erbärmlich zu versacken so zu genießen gewusst, wie es sich Gott zu unserer irdischen Erfüllung und als Vorzeichen ewigen Glücks gewollt und ausgedacht hat.

Die verschwenderische und schon fast himmlische Fülle des geschenkten Weines weist voraus auf den „Hochzeitsbund Gottes mit uns Menschen“. Gott ist nun mal kein Geizkragen. Wer wie dieses Brautpaar so klug ist, Jesus zu sich einzuladen, der nimmt an seiner göttlichen Fülle teil. Dann wird einem schon jetzt ein Vorgeschmack auf das ganz große Glück geschenkt, das in der Ewigkeit kommen wird.

Besonders aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang das kurze Gespräch, dass Maria mit ihrem Sohn Jesus führt (Joh 2,3-4): „Als der Wein ausging, sagte die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. Jesus erwiderte ihr: Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“

Die schwer verstehbare Antwort Jesu lässt sich sehr schön von der lateinischen Übersetzung her deuten: „Quid mihi et tibi, mulier“„Was ist mein und was ist Dein, Frau?“ Als folgerichtige Reaktion darauf stimmt Maria die Diener unverzüglich auf das Bevorstehende ein (ibid. 2,5): „Was er Euch sagt, das tut“. Dadurch „vorgewarnt“ füllten die Diener die Krüge dann auch „bis zum Rand“ (ibid., 2,7).

So muss jeder Christ in sein von Gott kommendes Leben, das er als Gläubiger deshalb Gott wiederum anvertraut, alles einbringen und in die Waagschale werfen, was er als Mensch vermag. Gott weiß dann schon, wie er ein solch irdisch erfülltes Leben „in besten Wein verwandelt“. Und das in verschwenderischer Fülle: 600 Liter! Davon trinken wir heute noch.

Mit der Verwandlung von Wasser in Wein setzt Jesus sein erstes „Zeichen“, mit dem er schrittweise die Stunde vorbereitet, die in Kana „noch nicht gekommen“ (s.o.) war. Sie kam im Abendmahlsaal, wo Jesus Wein in sein Blut verwandelt, das er dann am Kreuz für uns vergossen hat. „Vater, die Stunde ist gekommen“, betet Jesus zur Einstimmung (Joh 17,1).

Hier vollzieht sich die grundlegende Verwandlung, die alle die vorbereitenden und vorausgehenden erst ermöglichen: Die Verwandlung des in dieses irdisch-vergängliche Leben „sündhaft verliebten“ Menschen hinein in die Erlösung.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

 

Pfarrnachrichten 03/2016 - Fest der Taufe des Herrn (C)

Taufe Christi - Giovanni Bellini 1500-02 - Vincenza

Am Fest der Taufe des Herrn, das wir diesen Sonntag feiern, kommt in anderer Weise das erneut zum Ausdruck, was schon am Fest der Heiligen Drei Könige deutlich wurde.

Die Weisen aus dem Morgenland brachen auf und nahmen eine beschwerliche Reise in Kauf, um dem „neugeborenen König der Juden“ (Mt 2, 2) die Ehre zu erweisen. Den Neugeborenen finden Sie jedoch nicht in einem königlichen Palast, umgeben von großer Dienerschaft und in einer prachtvollen Königswiege, sondern in einem Stall, umgeben von Tieren und Stallgeruch und in deren Futterkrippe.

Durch Gottes Gnade geht Ihnen auf, wie unendlich groß dieses Königskind ist. Gott selber ist in ihm zum kleinsten unter den menschlichen Geschöpfen geworden: Ein hilfloses Kind, das ganz angewiesen ist auf die Geborgenheit bei seiner Mutter und allen Menschen. Die Macht seiner Herrschaft ist die Liebe, die all jene anspricht, die – im Gegensatz zu Herodes – um aufrichtige Menschlichkeit bemüht sind.

Um die Menschlichkeit zu bewahren müssen wir zugleich die „Pietas“, die Frömmigkeit und Ehrfurcht Gott gegenüber kultivieren. Das eine geht nicht ohne das andere. Ohne Menschlichkeit verlieren wir die „Pietas“, ohne „Pietas“ die Menschlichkeit.

Das praktizierten die drei Könige im Gegensatz zu Herodes sehr konkret. Sie brachten Gold, Weihrauch und Myrre dar: Geschenke, die eingestandener Maßen den alltäglichen Bedürfnissen nicht gerade entsprachen. In diesem Augenblick hätte die Heilige Familie bestimmt etwas anderes dringender gebraucht: Aber Weihrauch, Myrre und Gold haben einen tieferen Sinn: Sie drücken „Pietät“, Ehrfurcht und Wertschätzung aus, und sind Folge der Gerechtigkeit.

In jener Zeit bedeuten die Gaben von Gold, Weihrauch und Myrre die Anerkennung einer Person als König und Gott. Mit ihren Geschenken stellen sich die Weisen unter das neugeborene Kind, dessen Göttlichkeit ihnen erschien und offenbar wurde. Ihr Kniefall ist als Akt der Unterwerfung Ausdruck ihrer Gerechtigkeit Gott gegenüber, dem wir alles verdanken.

Als Folge davon können sie nun auch den Mitmenschen in ganz bestimmter Weise sehen: In Ehrfurcht und Wertschätzung, mit denen sich Gerechtigkeit dann auch unter und zwischen den Menschen entfalten kann. Von dieser göttlichen Begegnung im Stall an können die Weisen nicht mehr auf ihrem bisherigen Weg weitergehen. Sie können nicht mehr zu Herodes zurückkehren. Sie können nicht mehr gemeinsam als Verbündete mit einem so mächtigen wie grausamen Herrscher dessen gottlose Wege gehen. Sie haben sich auf den Weg des Jesuskindes begeben und folgen fortan ihm, indem sie auf einem anderen Weg nach Hause zurückkehren.

Bei seiner Taufe wird Jesus durch die Offenbarung aus dem Himmel erneut als Sohn Gottes offenbart. Als der ganz Sündenlose reiht er sich ein in die Schar der Sünder: Aus Wertschätzung, aus Ehrfurcht und Liebe sowohl gegenüber dem göttlichen Vater, dem Schöpfer aller Menschen, wie auch gegenüber dem – weil es vom ersten nicht zu trennen ist –, was in jedem Menschen trotz seiner Sünden an unzerstörbarem Rest, an wahrer Menschlichkeit bleibt und geblieben ist.

Von da an ruft Jesus auf zu Umkehr und Bekehrung, für die in der Taufe der Grund gelegt wird.

Gegenwärtig verstehen viele diese Botschaft nicht mehr, die aus dem Stall von Bethlehem und von der Taufe des Herrn her verkündet wird. Den Unverständigen fehlt die Fähigkeit, im Herzen ein Kind zu bleiben. Übersteigerte Selbstsicherheit und Eigenmächtigkeit machen nicht nur blind für all das, was von Gott kommt. Sie trüben auch die Gerechtigkeit, die Wertschätzung und Pietät Gott und dem Nächsten gegenüber.

Zu viele maßen sich an, die Realität gänzlich zu kennen, und sie haben bereits ihr endgültiges Urteil über die Dinge gefällt. Das verschließt ihr Herz für die Neuheiten Gottes und die individuelle Würde eines jeden Menschen. Zu viele vertrauen eher sich selbst als Gott und können nicht glauben, dass er die Größe besitzt, sich so klein zu machen, um uns nah zu sein.

Es fehlt vielen die Demut, sich dem unterzuordnen, was größer ist. Und es fehlt vielen der Mut, an das zu glauben, was groß ist, auch wenn es sich in einem wehrlosen Kind offenbart. Dem Gläubigen hingegen ist aufgetragen, mit Gottes Hilfe im Herzen ein Kind zu bleiben, sich weiterhin wundern und damit über sich selber hinauswachsen zu können. So kann man dem Weg folgen, den der Stern von Bethlehem aufzeigt, und den die drei Könige und dann vor allem Jesus selber gegangen ist. Das ist der Weg Gottes.

(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)

 

Pfarrnachrichten 02/2016 - 2. Sonntag Weihnachtszeit (C

Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!

„Im Anfang war das Wort…“ Das hören wir an diesem zweiten Sonntag in der Weihnachtszeit nun zum dritten Mal. Es sind die ersten Worte aus dem Prolog des Johannesevangeliums.

Wiederholungen können ermüden. Geht es jedoch um Wesentliches, dann können wir es nicht oft genug hören. Worte, die ans Wesen gehen, erfreuen und richten auf. Wir hören sie gerne und immer wieder. – Und darum geht es im Prolog des Johannesevangeliums: Es geht um Grundlegendes, um für uns ganz Wesentliches!
„Im Anfang war das Wort…“ Der Evangelist knüpft ganz bewusst dort an, wo alles begonnen hat. So steht dann ja auch ganz zu Beginn der Heiligen Schrift geschrieben: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde; die Erde aber war wüst und leer, Finsternis lag über der Urflut, und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.“

„Im Anfang“, als alles begann, hat Gott die belebte und die unbelebte Schöpfung ins Dasein gerufen. Allem hat Gott eine Ordnung gegeben, indem er sprach: Auf sein Wort hin wurden Wüste und Leere mit Leben erfüllt; Licht durchbrach die Finsternis. Und aus der Urflut erhob sich acker- und weidefähiges Land. Schließlich rief er den Mensch ins Leben. Über allem aber schwebte sein, d.h. Gottes Geist.

Im Vorwort zu seinem Evangelium geht Johannes ganz bewusst von dieser ersten und grundlegenden Wahrheit aus: „Im Anfang war das Wort... Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.“

Auf Gott geht alles zurück, was ist. Ohne ihn wäre nichts. Gott steht am Anfang und er allein ist der Ursprung von allem, was ist. – Für unser Leben und auch unser Zusammenleben ist es wesentlich und höchst bedeutsam, unseren Ursprung, die Verankerung und die Verwurzelung unseres Lebens, nicht außer Acht zu lassen und das alles beiseite zu schieben. Die Geschichte lehrt zu Genüge, dass Menschen ohne Gott im wahren Sinn des Wortes zu gottlosen Gesellen degradieren und die von ihnen errichteten Gesellschaftsordnungen zu gnaden- und lieblosen Gebilden.

Nun geht Johannes über diese grundlegende Wahrheit, wie sie das ganze Alte Testament bestimmt, einen deutlichen und ganz wesentlichen Schritt hinaus. – Bis zum Kommen unseres Herrn Jesus Christus hat Gott nur gesprochen: Im Anfang das Schöpfungswort; später das Berufungswort. So hat Gott Abraham, später Mose und dann die Propheten berufen. Durch die Propheten hat er dann zu seinem Volk gesprochen.

Schließlich, und damit endet die alttestamentliche Zeit, ist Gott als dieses göttliche Wort selber Fleisch und damit Mensch geworden. Und so ist er zu uns gekommen. – Gott hat von da an nicht mehr nur gesprochen. Er ist selber gekommen und hat durch die Hingabe seines Wortes an und in diese seine Schöpfung hinein ihr einen entscheidend neuen Wert hinzu gegeben.

Aus diesem Grund leitet derselbe Evangelist Johannes dann seinen ersten Brief mit der feierlichen Bezeugung ein: „Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefasst haben, das verkünden wir: das Wort des Lebens.“

So wie Gott am Anfang alles durch sein gesprochenes Wort hat entstehen lassen, so hat er nun durch das Wort, in dem er selber die Gestalt der Schöpfung annimmt, diese grundlegend renoviert und erneuert. Das Evangelium, die uns von Gott gebrachte frohe Botschaft, ist also ein Neuanfang, der über den ersten, den Anfang in der Schöpfung deutlich hinausgeht.

Was einst durch Gottes Wort als Schöpfung begonnen hat, wird nun durch die Fleischwerdung des Wortes erneuert und dabei zugleich veredelt, um einmal endgültig vollendet zu werden. – Das Wort, durch das alles geschaffen wurde, ist nun selber Schöpfer-Geschöpf geworden: Jesus Christus ist wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich. In ihm ist die Schöpfung – vor allem im Menschen als Abbild Gottes – in der ursprünglich gewollten Gestalt erneuert und mit Gott endgültig verbunden: „das Wort ist Fleisch geworden“.

Auch wenn wir die Tragweite von diesem letzten Schritt Gottes nie ganz begreifen und ausloten können, ergreift und erneuert Gott nun jeden, der dies alles wie Maria in seinem Herzen bewahrt und darüber nachdenkt (vgl. Lk. 2,19).

Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt