Pfarrnachrichten 52/2016 - 4. Adventssonntag (A)
Einige Tage vor Weihnachten wird uns am vierten Adventssonntag der Heilige Josef durch eine der wenigen Bibelstellen vorgestellt, in denen von ihm kurz aber vielsagend berichtet wird. Der Heilige Matthäus formuliert es so (1,18f): „Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie, zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete - durch das Wirken des Heiligen Geistes. Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen.“
Die Erzählweise des Evangelisten legt nahe, dass Josef keinen Zweifel an der Treue und der moralischen Integrität seiner Verlobten hatte. Davon ist auch deshalb auszugehen, weil Maria ganz ohne Sünde war. Der Umgang mit ihr muss wegen der größeren Nähe insbesondere für den Heiligen Josef faszinierend gewesen sein: Nie auch nur eine Gemeinheit, kein böses Wort, keine „Zickerei“, keine Eitelkeit, kein Egoismus, keine falsche Bequemlichkeit.
Statt all dem immer wieder eine uneingeschränkte Offenheit, mit der diese junge, ganz außergewöhnliche Frau mit Namen Maria ohne jede Selbstbespiegelung auf die Menschen zugegangen ist und mit ihnen Umgang pflegte. Und eine Frömmigkeit, die nicht falsch verklärt, sondern in aller Natürlichkeit ihrem ganzen Wesen mitgegeben war und ihren Charakter in all seinen Zügen durchformte.
Aus dieser Perspektive betrachtet wollte der gerechte Josef all diese, besonders von ihm zutiefst wahrgenommenen Vorzüge „nicht bloßstellen“. Josef wollte das innere, das aus der Verbundenheit mit Gott entspringende einzigartige Wesen seiner Verlobten, das intime und ganz persönliche „Geheimnis“ in ihr, nicht einer verständnislosen Öffentlichkeit preisgeben, die das nicht nur nicht verstanden, sondern darüber sowie dann auch über seine Verlobte stattdessen nur gespottet hätte. Nach dem Motto: Da wird doch nur eine fromme Geschichte erzählt, um ein voreheliches Verhältnis zu vertuschen. Die ist doch auch nicht anders und besser als wir.
Josef schweigt aus Gerechtigkeit und Wertschätzung seiner allerheiligsten Verlobten gegenüber. Josef ist sich in einer realitätsnahen Selbsteinschätzung zutiefst bewusst, dass er als Verlobter und auserkorener Bräutigam diesem Wohnen Gottes in Maria aus eigener Kraft nicht richtig und gerecht erwidern und sich ihr gegenüber aus eigenem Vermögen nicht zutreffend und korrekt verhalten kann. Auch will er aus Respekt und Zuneigung seiner Verlobten gegenüber ganz im Hintergrund bleiben. Er verzichtet bewusst auf die falsche Genugtuung, sich als der große „Glückspils“ hervorzutun, den eine makellose und bezaubernde Verlobte liebt, schätz und ehrt. Damit möchte er sich zugleich nicht eigenmächtig einmischen in das Geheimnis der verwandelnden Einwohnung Gottes in Maria.
Das ist die „Gerechtigkeit“ des Heiligen Josef, die ihn zu einem bewundernswerten Respekt und einer einzigartigen Wertschätzung Mareins gegenüber geführt hat. Diese Gerechtigkeit hat ihm zugleich einen tiefen Zugang zu Gott und seinem Wirken zum Wohl von uns Menschen ermöglicht. So zögert er nicht, wie der Heilige Matthäus dann berichtet, als ihm das zur Gewissheit wird. Wie Maria ist auch Josef bereit, sich ganz dem anzuvertrauen, was Gott mit uns und dann durch uns zum Wohl aller Menschen vorhat.
Während Josef nämlich über all das nachdachte, „erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen. Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären, und man wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott ist mit uns. Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.“ (Mt 1,20-24)
Mit diesem Evangelium empfiehlt der Heilige Matthäus dem adventlichen Menschen, der das Große des Lebens in „Ego-Verblendung“ nicht sich selber zuschreibt, sondern von Gottes Ankunft erwartet, es zumindest ansatzweise wie der Heilige Josef zu machen. Richtig und ehrlich wird Weihnachten überall dort gefeiert, wo das Wohlwollen und die Wertschätzung dem anderen gegenüber vorurteilslos und uneingeschränkt gesucht und mit Gottes Hilfe, die aus ganzem Herzen zu erbitten ist, dann auch möglich wird. Die rechte Liebe von und zu Gott, dem Nächsten und sich selber ist eine einzige und untrennbar in sich verwobene Wirklichkeit, in der alles Leben gründet und gehalten wird.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
Pfarrnachrichten 51/2016 - 3. Adventssonntag (A)
Pfarrnachrichten 50/2016 - 2. Adventssonntag (A)
Pfarrnachrichten 49/2016 - 1. Adventssonntag (A)
Gedanken zum Advent
Von manch einem Weihnachtsmarkt und dem regelmäßig wiederkehrenden Kaufrausch zu Weihnachten geht eine falsche Botschaft aus. Mit dem ersten Advent beginnt nicht die Weihnachts- sondern die Adventszeit. Auch ist es irreführend vom sogenannten Weihnachtsgeschäft zu sprechen, das die Wirtschaftsexperten schon an Heiligabend in Bilanzübersichten analysiert haben. Es ist dann nicht einmal ein Adventsgeschäft gewesen. Denn wo es keinen richtigen Advent mehr gibt, da gibt es auch keine richtige Weihnacht mehr. Und wo es keine richtige Weihnacht mehr gibt, da gibt es auch keinen richtigen Advent mehr.
Das Wort „Advent“ leitet sich ab vom lateinischen „advenire“ = ankommen. Es ist kein geringerer als Gott, der ankommen möchte. Er möchte bei den Menschen „ankommen“, damit sie wieder bei sich selber ankommen und ihm so begegnen können.
Vor sechs Jahren hat Papst Benedikt bei einer Audienz am Ende der Adventzeit diese Begegnung mit Gott einmal wie folgt beschrieben: „Mit dieser letzten Audienz vor dem Weihnachtsfest nähern wir uns zaghaft und voller Staunen dem ‚Ort‘, wo für uns und für unser Heil alles begann, wo alles sein Ziel fand, wo sich die Erwartungen der Welt und die des menschlichen Herzens mit der Präsenz Gottes trafen und kreuzten. Wir können schon jetzt einen Vorgeschmack auf die Freude durch dieses kleine Licht verspüren, das von der Grotte von Bethlehem aus begann, sich auf der ganzen Welt auszubreiten. Auf dem Weg des Advents, den zu leben uns die Liturgie einlud, wurden wir dabei begleitet, mit Bereitschaft und Dankbarkeit das große Ereignis der Ankunft des Herrn anzunehmen und in Fülle das Wunder seines Eintreffens in der Welt zu meditieren. Die freudige Erwartung, Charakteristik der Tage vor der heiligen Weihnacht, ist sicherlich die grundlegende Haltung des Christen, der eine fruchtbare Begegnung mit dem leben möchte, der kommt, um in unserer Mitte Wohnung zu nehmen: Jesus Christus, der Mensch gewordene Sohn Gottes.
Wir finden diese Einstellung des Herzens, die wir zu der unseren machen mögen, in jenen wieder, die als Erste den Messias aufnahmen: Zacharias und Elisabeth, die Hirten, das einfache Volk und besonders Maria und Joseph, die am eigenen Leib das Bangen, aber vor allem die Freude über das Geheimnis dieser Geburt erlebten.“
Darüber hinaus ist der Advent eine Zeit, die uns auf das einstimmen hilft, was am Ende der Zeit eintreffen und kommen wird. Dann wird Gott ein zweites Mal in einzigartiger Weise in die Geschichte eintreten, die damit zu Ende geht. Es ist die Wiederkunft Jesu Christi zum letzten Gericht.
„Haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet!“ So hören wir es als Wort Jesu im Evangelium zum ersten Adventssonntag. Wer die Tage des Advents in der oben angedeuteten Weise als Chance nutzt, Gott wieder neu zu begegnen – im Gebet, in der Mitfeier der Gottesdienste, in der Lektüre der Heiligen Schrift und dem Empfang der Sakramente –, dessen ganze Lebenserwartung findet wieder zur Mitte und gewinnt von daher ein erneut ungeahnte erlösende Perspektive.
Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
Pfarrnachrichten 48/2016 - 34. Sonntag im Jahreskreis (C)
Pfarrnachrichten 45/2016 - 31. Sonntag im Jahreskreis (C)
Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!
In drei Wochen geht das von Papst Franziskus ausgerufene Heilige Jahr der Barmherzigkeit nach 12 Monaten zu Ende. Begonnen hat es am 8. Dezember 2015. Seinen Abschluss findet es am 20. November 2016. Es ist ein schöner Zufall, dass die Lesungen und die Gebetstexte des aktuellen Sonntags um gerade dieses Thema kreisen. So bietet es sich an, das Anliegen und die Tragweite der Barmherzigkeit gegen Ende dieses besonderen Jahres ein weiteres Mal zu bedenken.
Im Tagesgebet von diesem Sonntag beten wir: „Allmächtiger, barmherziger Gott, es ist deine Gabe und dein Werk, wenn das gläubige Volk dir würdig und aufrichtig dient. Nimm alles von uns, was uns auf dem Weg zu dir aufhält, damit wir ungehindert der Freude entgegeneilen, die du uns verheißen hast.“
Es sei erneut betont, dass nicht Gott davon etwas hat, wenn wir ihm – wie es im Gebet erhofft und erfleht wird – „aufrichtig und würdig dienen“. Nicht Gott, sondern wir sind die Nutznießer; denn wer Gott „würdig und aufrichtig dient“, sieht sich immer mehr befreit von seinen engen Grenzen. Er wird gewissermaßen hinein befreit in Gottes Größe und sein weites Herz. Man erfährt, wie Gottes Größe das eigene Leben verändert und sich eine Weitherzigkeit ausbreitet, die nicht von einem selber kommt. Sie ist von Gott, geschenkt aus seinem Wohlwollen und seiner Güte. Wir können auch sagen, aus seiner unbegrenzten Barmherzigkeit.
Möglich ist das, weil Gott selber von Anfang bis Ende, von oben bis unten, ganz von innen bis uneingeschränkt nach außen hin barmherzig ist. Gott ist von seinem ganzen Wesen her, so drücken wir es begrifflich aus, Liebe und Barmherzigkeit. Diese Barmherzigkeit ohne Grenzen wird von Gott für uns begrenzte Geschöpfe dadurch möglich und wirklich, dass Gott sich gewissermaßen von seiner Unbegrenztheit her liebend und wohlwollend dem Menschen zuwendet. So ist es dem Menschen möglich, über seine eigenen Grenzen hinaus hineinzuwachsen in die Größe Gottes. Damit werden seine von Natur aus nur menschlich-irdischen Anlagen und Möglichkeiten vergöttlicht.
Es lohnt sich, und ich möchte dazu ermutigen, von dieser Sichtweise aus die Worte der ersten Lesung des heutigen Sonntags nicht nur einfach zu lesen, sondern Satz für Satz, Aussage für Aussage und sogar Wort für Wort zu bedenken, zu betrachten und sich betend und in Zwiesprache mit Gott der in ihnen enthaltenen Wahrheit zu öffnen. Dann wird diese Wahrheit über Gottes Barmherzigkeit zu einer Wahrheit, die unser Leben reformiert, von innen her saniert und neu strukturiert. Nach Gottes Barmherzigkeit wird dann auch unsere Barmherzigkeit sein.
Die erste, Ihnen zur betrachtenden Vertiefung empfohlene Lesung dieses Sontags ist dem Buch der Weisheit (11,22 – 12,2) entnommen: „Herr, die ganze Welt ist ja vor dir wie ein Stäubchen auf der Waage, wie ein Tautropfen, der am Morgen zur Erde fällt. Du hast mit allen Erbarmen, weil du alles vermagst, und siehst über die Sünden der Menschen hinweg, damit sie sich bekehren. Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du gemacht hast; denn hättest du etwas gehasst, so hättest du es nicht geschaffen. Wie könnte etwas ohne deinen Willen Bestand haben, oder wie könnte etwas erhalten bleiben, das nicht von dir ins Dasein gerufen wäre? Du schonst alles, weil es dein Eigentum ist, Herr, du Freund des Lebens. Denn in allem ist dein unvergänglicher Geist. Darum bestrafst du die Sünder nur nach und nach; du mahnst sie und erinnerst sie an ihre Sünden, damit sie sich von der Schlechtigkeit abwenden und an dich glauben, Herr.“
„Es gibt Augenblicke“, so Papst Franziskus, „in denen wir aufgerufen sind, in ganz besonderer Weise den Blick auf die Barmherzigkeit zu richten und dabei selbst zum wirkungsvollen Zeichen des Handelns des Vaters zu werden.“
Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
Pfarrnachrichten 39/2016 - 25. Sonntag im Jahreskreis (C)
Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!
In der zu Ende gehenden Woche haben wir das Fest „Kreuz- erhöhung“ gefolgt vom „Gedenktag der Schmerzen Mariens“ begangen. Aus diesem Anlass widmete Papst Franziskus die Frühmesse am Tag der „Kreuzerhöhung“ dem Priester Jacques Hamel, der am 26. Juli in der Kirche Saint-Étienne-du-Rouvray in Rouen getötet worden war. An der Messfeier nahmen auch der Bischof von Rouen, Msgr. Dominique Lebrun, und eine Gruppe von 80 Pilgern aus seiner Diözese teil. Papst Franziskus drückte anlässlich der Erinnerung an das Martyrium dieses französischen Priesters vor knapp 2 Monaten den Angehörigen und Gemeindemitgliedern seine Nähe und Verbundenheit aus.
Unter dem Titel „Töten im Namen Gottes ist satanisch“ veröffentliche das katholische Nachrichtenmagazin ZENIT den folgenden Bericht, den ich Ihnen im Folgenden, leicht bearbeitet, gerne wiedergeben möchte.
Papst Franziskus bezog eine eindeutige und klare Position und wünschte sich Einigkeit aller religiösen Konfessionen in diesem Punkt: „Und wie gut wäre es, wenn alle religiösen Konfessionen sagten: ‚Töten im Namen Gottes ist satanisch‘.“
Seine Predigt begann Papst Franziskus mit Ausführungen zum Fest der Kreuzerhöhung und äußerte sich dann zum Märtyrertod im Christentum.
Das Fest der Kreuzerhöhung konkretisiere das Mysterium Christi. Jesus halte nicht fest am Privileg Gott zu sein, sondern er wurde, bis auf die Sünde, den Menschen gleich, und er erniedrigte sich bis zum Kreuzestod. Das Mysterium Christi leuchte darin auf, dass Christus zum Märtyrer wurde, um die Menschen zu erlösen. „Jesus Christus, der erste Märtyrer, der erste, der sein Leben für uns gibt.“
So hätten auch die Märtyrer in der frühen Geschichte des Christentums ihren Glauben mit dem Leben bezahlt. Papst Franziskus erinnerte dann an die Märtyrer unserer Zeit, die getötet, gefoltert und gefangen gehalten würden. Einigen von ihnen habe man die Kehle durchgeschnitten.
Papst Franziskus reihte P. Jacques in die Reihe dieser Märtyrer ein. „Die Christen, die heute leiden – sei es im Gefängnis, sei es mit dem Tod oder bei der Folter – um Jesus Christus nicht zu leugnen, zeigen die Grausamkeit dieser Hinrichtungen auf.“ Diese Grausamkeit bezeichnete Papst Franziskus als „satanisch“.
Der Papst erinnerte daran, dass P. Jacques einen solchen grausamen Tod während der Messfeier erlitten habe. „Ein guter Mann, sanftmütig, brüderlich, der immer versuchte, Frieden zu stiften. Er wurde getötet, als ob er ein Krimineller wäre.“ Papst Franziskus teilte den Anwesenden auch seine innersten Gedanken hierüber mit: „Es gibt eine Sache, über die ich viel nachdenke: mitten in diesem schwierigen Moment, den er erlebte, inmitten auch dieser Tragödie, die er kommen sah … verlor er nicht die Klarheit, den Mörder anzuklagen und ihn zu benennen. P. Jacques sagte deutlich: ‚Geh fort, Satan‘.“
P. Jacques habe sein Leben für uns gegeben, und dabei Jesus bekannt. P. Jacques mache uns Mut. Er helfe uns, ohne Furcht weiterzugehen. „Er ist ein Märtyrer! Und die Märtyrer sind selig. Wir müssen ihn verehren – Er möge uns Sanftmut geben, Brüderlichkeit, Frieden, und auch den Mut, die Wahrheit zu sagen: Töten im Namen Gottes ist satanisch.“
Der von Islamisten in Frankreich ermordete Priester Jacques Hamel darf schon jetzt als Seliger verehrt werden. Dies hat Papst Franziskus Bischof Dominique Lebrun von Rouen nach der Messe am Mittwoch in der „Casa Santa Martha“ bestätigt.
Vor Journalisten sagte Bischof Lebrun, dass Papst Franziskus ihm nach der Messe gesagt habe, er könne ein Foto von P. Jaques in der Kirche aufstellen, weil er von nun an ein Seliger sei. Sollte jemand sagen, dass der Bischof dazu nicht das Recht habe, dann dürfe er sich auf die persönliche Erlaubnis des Papstes berufen. Laut Bischof Lebrun plant die Diözese, nun den Seligsprechungsprozess zu eröffnen. Das Grab in Bonsecours, in der Nähe von Rouen, sei längst zu einem Wallfahrtsort geworden.
Eine Schwester von Pfarrer Hamel, Roselyne Hamel, war beim Pressegespräch und vorher bei der Messe zugegen. Sie betonte: „Unsere muslimischen Brüder beten zu einem Gott (…) der Liebe, Toleranz und der gemeinsamen Teilhabe. Es steht fest, dass diese jungen Menschen meinen Bruder getötet haben, im Namen eines Gottes, der tötet. Und das kann weder der Gott des Islams sein, noch ist es der Gott der Christen.“
Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
Pfarrnachrichten 28/2016 - 14. Sonntag im Jahreskreis (C)
Pfarrnachrichten 26/2016 - 12. Sonntag im Jahreskreis (C)
Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!
Der Heilige Lukas berichtet im neunten Kapitel seines Evangeliums, dass Jesus in der Einsamkeit betete. Seine Jünger waren bei ihm. Vom geschilderten Zusammenhang (Verse 18-24) her kann man annehmen, dass Jesus im betenden Austausch mit seinem himmlischen Vater auch über sich selber nachgedacht hat. Als menschgewordener Sohn Gottes ist er neben seinem Sein als Gott auch ganz Mensch. Deshalb betet die Kirche im 4. Hochgebet: „Er hat wie wir als Mensch gelebt, in allem uns gleich außer der Sünde“.
So bewegen Jesus als Mensch genau dieselben Fragen, die auch uns bewegen: Wer bin ich? Wohin bin ich unterwegs? Was ist der Sinn meines Daseins? Welcher Lebensstil entspricht dem am besten? Durch welche Aufgaben lässt er sich realisieren? Wie verwirkliche ich das und damit am Ende auch mich selber, vor und mit Gott und den anderen? – Schließlich fasst Jesus diese Fragen in eine einzige zusammen und richtet sie an seine Jünger: „Für wen halten mich die Leute?“
Obwohl Jesus nun schon so lange zu den Menschen gesprochen und ihnen vieles erklärt hat, sprechen die Apostel aus, wie unzulänglich all das ist, was „die Leute“ so meinen und denken: „Einige (halten dich) für Johannes den Täufer, andere für Elija; wieder andere sagen: Einer der alten Propheten ist auferstanden.“
Wie die Apostel damals, so fragt Jesus den Christgläubigen daraufhin auch heute: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Damals ergriff Petrus als Erster das Wort und legte dar, was für den christlichen Glauben entscheidend ist: „Für den Messias Gottes.“ – Mit Petrus sind all diejenigen Christen, die glauben und bekennen, dass Jesus der Messias, der Gesalbte und Gesandte Gottes ist. In ihm ist Gott selber zu uns gekommen. In ihm wurde Gott Mensch, um uns zu erlösen. So ist es im Alten Testament angekündigt und vorausgesagt.
Wie erstmals beim Sündenfall (vgl. Gen 3) lässt der Mensch sich leider immer wieder blenden und täuschen. Er sucht Heil, Glück und Erlösung in sich selber (vgl. Gen 3,3). Das ist gemeint mit „den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht.“ Gott warnt den Menschen davor (Gen 2,17): „Sobald du davon isst, wirst du sterben.“ Die Schlange jedoch widerspricht und versucht den Menschen immer neu, damals wie heute. Ausdrücklich fordert sie gegen Gottes Warnung zum Genuss genau dieser „Frucht“ auf (Gen 3,6): „Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse.“ Nach dem Genuss und dem Vollzug dieses bösen Selbsterlösungsversuchs gingen Adam und Eva tatsächlich die Augen auf, aber anders als erwartet. Sie erkannten, „dass sie nackt waren“ (Gen 3, 7). Sie erkannten ihre Erbärmlichkeit und leiden fortan unter den Folgen (vgl. Gen 3.8-24) mit ihren Kindern und Kindeskindern bis heute.
Auf der Grundlage des Neuen Testamentes bis hin zum zweiten Vatikanischen Konzil (GS 22,1; vgl. KKK 1701 usw. usw.) lässt sich das weiter entfalten. Im Laufe der Geschichte wird Gott schließlich Mensch, um uns durch sein Leben als Mensch zu zeigen, wie man als Mensch wirklich Mensch wird und menschlich bleibt. Das gelingt am Ende nur, wenn man so wie Jesus sein Leben in Beziehung mit Gott und in Rückbindung an ihn entfaltet. Dem dient das regelmäßige Beten. Es ermöglicht, in stetiger Beziehung mit Gott zu leben.
Das Leben als Christ ist zutiefst von dieser Beziehung zu Gott bestimmt und sie entspricht voll und ganz dem christlichen Glauben an den einen Gott, dessen inneres Wesen ganz von der innergöttlichen Beziehung der drei göttlichen Personen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes geprägt ist. Der christliche Gott ist von seinem innergöttlichen Wesen her dreifaltige Beziehung und erfüllende Liebe, an denen er als Schöpfer und Erlöser sein liebstes Geschöpf, den Menschen, durch die menschgewordene zweite Person des Sohnes teilhaben lassen möchte. Gott bietet dem Menschen an, sich in sein göttliches Innere hineinnehmen zu lassen. Das ist Erlösung, wie Christen sie vom Evangelium her suchen, leben und verkünden.
Diese Überzeugung hat das christliche Verständnis von Religion zutiefst geprägt. Schon vom lateinischen Wortursprung her ist Religion christlich verstanden aus dem lateinischen „religare“ = „anbinden“ abgeleitet; denn sie ist „Anbindung“ bzw. „Rückbindung an Gott“. Deshalb sind in der islamischen Welt Staat, Politik und Religion auch nicht klar voneinander zu trennen.
Die christlich geprägte Welt hat demgegenüber durch den Glauben an die Menschwerdung Gottes einen besonders tiefen Zugang zur Würde des Menschen gefunden. In der Folge davon hat sie „das Gesetz“ und „Grundrechte wie Grundpflichten“ in der Würde des Menschen begründen und dort verankern können. Als Folge davon ist der westlichen Kultur eine Trennung von Staat, Politik und Religion gelungen, die dem Wort des Herrn entspricht (Mk 12,17): "Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört."
Selbstverständlich vertritt auch der Christ einen religiösen Absolutheitsanspruch (vgl. u.a. Apg. 4,12: „Und in keinem anderen [als Jeus] ist das Heil zu finden.“). Aber der Christ setzt alles daran, diesen seinen religiösen Absolutheitsanspruch in keinem Fall gegen die Würde des Menschen durchzusetzen. Christlicher Glaube ist „Anbindung“ bzw. „Rückbindung an Gott“, die man nur in Freiheit suchen und annehmen kann. Deshalb hat der Gott des Neuen Testamentes als menschgewordener Jesus auch die religiöse, in der Würde des Menschen gegründete Freiheit bis zum Äußersten ertragen und erduldet.
Im zweiten Teil des heutigen Evangeliums erklärt Jesus seinen Jüngern dann auch (Lk 9,22 ff): „Der Menschensohn muss vieles erleiden.“ Folglich verteidigt ein Christ als aufrechter Jünger Jesu bis zur Hingabe des eigenen Lebens gerade aus der Tiefe des Absolutheitsanspruches seines christlichen Glaubens auch die religiöse Freiheit, die für ihn in der Würde des Menschen wurzelt und dieser Würde unauslöschbar eingeschrieben ist.
Die hier in Kürze dargelegten auch größeren Unterschiede zwischen den großen Religionen und Kulturen sind dringend zu vertiefen und weiter zu erklären. Viele sehen diese Unterschiede überhaupt nicht. Wohl auch deshalb, weil Religion nur dann verstanden wird, wenn sie auch gelebt wird.
In den gegenwärtigen Herausforderungen stellt sich deshalb ganz von selber die Gretchenfrage: „Wie hältst du es mit der Religion?“ Wir tun gut daran, uns diese Frage auch auf unsere Zukunft hin ganz bewusst zu stellen und ihr engagiert nachzugehen. Wir werden ihr wohl auch gar nicht ausweichen können, wenn wir unsere westliche Kultur mit ihrem "Ja" zur Freiheit und damit zu einem Pluralismus mit seiner Vielfalt erhalten, weiter pflegen und entfalten wollen, wie sie in der recht verstandenen und gottgeschenkten Würde des Menschen verankert sind.
Um uns das alles besser verstehen zu lassen, ist Gott Mensch geworden. Dieser Glaube und seine Praxis haben uns bis hierher gebracht, wo wir derzeit stehen, und werden uns von hier auch weiterbringen, zudem mit einzigartiger Zukunftsperspektive.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
Pfarrnachrichten 25/2016 - 11. Sonntag im Jahreskreis (C)
Pfarrnachrichten 24/2016 - 10. Sonntag im Jahreskreis (C)
Pfarrnachrichten 23/2016 - 9. Sonntag im Jahreskreis (C)
Pfarrnachrichten 22/2016 - Dreifaltigkeitssonntag (C)
Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!
„Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ So formuliert Paulus in seinem Brief an die Römer (Kapitel 5, Vers 5), der uns am heutigen, dem sogenannten Dreifaltigkeitssonntag vorgetragen wird. Am Ende geht es immer wieder um die Liebe Gottes, wie sie etwa in der dichten Abfolge der kirchlichen Feste deutlich wird, die wir jüngst gefeiert haben und auch noch feiern werden.
Auf das Osterfest folgt Christi Himmelfahrt. 10 Tage später das Pfingstfest, am darauffolgenden Sonntag, das heutige Hochfest der Heiligsten Dreifaltigkeit, und kommenden Donnerstag Fronleichnam. Jedes Fest hat seinen besonderen Schwerpunkt und setzt damit Akzente. Beim heutigen Dreifaltigkeitssonntag geht es besonders darum, wie Gott in sich selber ist: Gott ist in sich selber Liebe. Und das wird besonders deutlich in der Tatsache, dass der eine Gott in drei Personen ist.
Gerade diese Tatsache, dass der eine Gott in drei Personen ist, lässt sich nur bedingt vermitteln. Die Dreifaltigkeit Gottes ist uns Menschen mit dem Vermögen der eigenen Vernunft nicht erschließbar. Allerdings können wir sehr gut nachvollziehen, dass diese Tatsache höchst vernünftig ist und unseren innersten Erfahrungen entspricht.
Wäre Gott allein und einsam, könnte er nicht von Ewigkeit her lieben. „Gott ist nicht Einsamkeit, sondern vollkommene Gemeinschaft“, so hat es Papst Benedikt XVI. einmal formuliert.
Immer schon ist es Menschen schwergefallen, die von Jesus geoffenbarte Wahrheit des einen dreifaltigen Gottes zu verstehen. Vor 1.500 Jahren etwa soll der irische König den Heiligen Patrick, den großen Missionar Irlands, an seinen Hof gerufen haben. Er wollte sich von ihm erklären lassen, wie Gott ein einziger und doch zugleich in drei Personen sein kann. „Ist es nun ein Gott, oder sind es drei Götter? Wie sollen wir das verstehen?“, soll er gefragt haben.
Der Heilige Patrick soll daraufhin ein dreiblättriges Kleeblatt gepflückt haben, wie es noch heute das irische Wappen ziert. Es ist ein Blatt, und doch zugleich sind es auch drei Blätter. So sei auch Gott in seiner Dreiheit ein einziger Gott: Der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Es sei ein großes Geheimnis, habe Patrick erklärt. Mit unserem Verstand werden wir es nicht begreifen. Aber mit unserem Herzen sollen wir es glauben. Das dreiblättrige Kleeblatt auf den Wiesen soll uns an den einen, in drei Personen lebenden Gott erinnern, und ihn achten und ehren lehren.
Nun ist aber die Anschaulichkeit dieser und anderer Vergleiche eher hinderlich, um nachvollziehen zu können, dass es höchst vernünftig ist, dass der eine Gott in drei Personen ist. Dafür ist weitaus mehr geeignet, was der Hl. Augustinus im vierten Jahrhundert an philosophischer Erklärung hinterlassen hat.
Da der Mensch als Abbild Gottes geschaffen ist, darf der Mensch u.a. seine innere Erfahrung der Selbstreflektion als grundgelegt in Gott auf ihn übertragen: Der Mensch kann über sich selber nachdenken und hat so ein Bild, eine Idee von sich selber, weil diese Art des Erkennens seiner selbst bei Gott in höchster Vollendung Wirklichkeit ist. Von daher konnte Augustinus viel besser die Vernünftigkeit des einen Gottes in drei Personen nachvollziehen.
Demnach erkennt Gott sein eigenes Wesen so vollkommen, dass die zeitlose Erkenntnis als „Wort“, das dann in der Geschichte der Menschen „Fleisch geworden ist“ (vgl. Prolog des Johannesevangeliums), immer schon in der Person des Sohnes da ist und war und sein wird.
Das ist in Analogie vergleichbar mit der Vorstellung, die jeder von sich selber hat. Man versteht von sich selber seine wesentlichen Züge. Es sind die wesensbestimmenden Züge seiner selbst, die aber als Erkanntes einem selber als ein Gegenüber dasteht, zu dem ich in einer anerkennenden Beziehung stehe.
Angesichts der göttlichen Vollkommenheit gibt es in Gott nur die Möglichkeit, und es ist überraschenderweise Ausdruck höchster Freiheit, das völlige Ebenbild seines eigenen Wesens als Erkanntes uneingeschränkt zu lieben. Diese grenzenlose Liebe zwischen Vater und Sohn ist als Heiliger Geist die dritte Person des einen Gottes.
Hier wird deutlich, dass die Dreifaltigkeit höchst „vernünftig“ aber zugleich ein Geheimnis ist, das nur als geschenkter Glaubens für uns fruchtbar werden kann.
Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
Pfarrnachrichten 21/2016 - Pfingstfest (C)
Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!
Das erste der beiden alternativen Evangelien am Hohen Pfingstfest (Joh 20,19-23) berichtet, wie Jesus noch am Abend der Auferstehung in die Mitte der Jünger trat, die „aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten“. Er „sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite.“
Wie viele und welche Jünger es waren, ist nicht überliefert. Wohl aber, dass der Apostel Thomas nicht dabei war. Als acht Tage darauf der Herr erneut erschien, und Thomas diesmal dabei war, zeigt der Herr erneut seine Hände und seine Seite, und diesmal eigens für Thomas. Thomas hatte das ja als „Glaubens-Bedingung“ gefordert (Joh 20,25): „Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.“
So sagt Jesus bei seinem zweiten Erscheinen dann eigens zu Thomas (ibid.; 27): „Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“ Auch wenn diese beiden Jesus-Erscheinungen Wochen vor dem Pfingstereignis stattfanden, haben sie dennoch mit Pfingsten zu tun!
Beide Male wird deutlich, dass Gott sich nach seiner Menschwerdung, nach der Auferstehung und der 40 Tage späteren Himmelfahrt des Menschensohnes nicht einfach folgen- und spurlos in den Himmel zurückgezogen hat. Von nun an ist und bleibt Gott dem Menschen besonders nahe und verbunden. Die Wunden sind ein vielsagendes Zeichen dafür.
Mit den verklärten aber verbleibenden Wunden zeigt der Auferstandene, dass er weder seine noch unsere Verletzungen, Enttäuschungen, Mühen und scheinbaren Niederlagen abgelegt und vergessen hat. Sie sind fortan Vergewisserung, dass die Vergänglichkeit dieser Welt einmal endgültig überwunden sein wird und dass dies auch seine Jünger schon in ihrem irdischen Leben ausreichend erfahren und dessen gewiss werden.
Wir glauben an einen Gott, der uns nahe ist; nicht an einen Gott, der hinter den Wolken lebt. Wir glauben an einen Gott, der an unserem Leben Anteil nimmt; nicht an einen Gott, der weit entfernt und ohne Interesse an uns lebt. Wir glauben an einen Gott, der unser Dasein ermöglicht und uns auf unserem Weg bis zum Ende begleitet: Gott interessiert sich für jedes Schicksal. Mit unserem freien Willen möchte er es zur Blüte führen. – Und wer sich als glaubender Mensch darauf einlässt, erfährt im täglichen Leben, dass es so und nicht anders ist.
Schon in der Zeit des alten Bundes offenbart Gott, dass er immer für die Menschen da ist. Obwohl Gott ein geistiges Wesen ist, lässt er sich herab, dazu noch in zweifacher Weise: In seinem eingeborenen Sohn und in seinem heiligen Geist.
Irenäus von Lyon hat dies im 2. Jahrhundert in einem Bild zur Dreifaltigkeit einmal so erklärt: „Der Sohn und der Geist sind die beiden Hände unseres himmlischen Vaters.“ – Der Vater arbeitet also am Heil der Menschen immer mit diesen beiden Händen. Genauso spürt und erfährt der Gläubige das dann auch in seinem Alltagsleben.
Die beiden Hände des Vaters kümmern sich darum, dass der Gläubige zum einen im menschgewordenen Sohn ein echtes und göttlich-menschliches Vorbild hat, und dass der Gläubige zum anderen durch den Heiligen Geist das Menschlich-Göttliche zu seinem Heil entdecken und ihm folgen kann.
Die beiden Hände des Vaters, der Sohn und der Geist, sind immer da. Das Vorbild des Sohnes bleibt durch den Heiligen Geist lebendig: Sein Kommen auf die Erde, sein Heranwachsen in Nazaret, sein Arbeiten als „Sohn des Zimmermanns“, sein Beten unterwegs und zu Hause und nicht zuletzt sein Dasein für den Anderen im Lachen und Weinen, in Freude und Leid, im Tod und in der Auferstehung.
Der Heilige Geist ist die Hand Gottes, die dafür sorgt, dass das Vorbild und die Heilstaten Jesu allen lebendig und zugänglich bleiben. – Von Herzen wünsche ich Ihnen ein gnadenreiches Pfingstfest.
Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
Pfarrnachrichten 20/2016 - 7. Oster-Sonntag (C)
Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!
In den letzten Pfarrnachrichten wurde eingehend vom derzeit entstehenden Wohnprojekt für christliche Flüchtlingsfamilien hier im Gebäudeensemble um St. Pantaleon berichtet. Inzwischen hat auch die Presse, sogar weit über Köln hinaus, ausführlich über dieses inzwischen als Pilotprojekt eingestufte Unternehmen informiert.
Aus Platzgründen konnte letzte Woche in der erweiterten Pfarrbrieffassung am Ende nur kurz darauf hingewiesen werden, dass die entsprechenden Gebäude nach den in diesen Tagen unterschriebenen Verträgen nun für die nächsten neunundneunzig Jahren der Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbh gehören werden, die hier gemeinsam mit dem Erzbistum Köln großzügig investiert.
Die Idee für das Wohnprojekt als Ganzes verdanken wir Benjamin Marx. Er hat als Projektleiter für die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbh alle entscheidenden Ideen entwickelt und auf den Weg gebracht. Herr Marx ist bundesweit für gelungene Vorzeigeprojekte eines sozialen Wohnungsbaus besonderer Art bekannt.
Jüngst hat sein Berliner Projekt in der Harzer Straße auch europaweit ein ausnahmslos positives Echo in der Presse gefunden, nachdem die „Müllkinder von Neukölln“ aus eben dieser Harzer Straße für Negativschlagzeilen gesorgt hatten. Wir empfehlen Ihnen hierzu einen aufschlussreichen wie anschaulichen Bericht der Berliner Abendschau, den Sie unter folgendem Link aufrufen können: https://www.youtube.com/watch?v=EV3PXp7c6zM
Sollte der Link aus irgendeinem Grund nicht funktionieren, lässt sich diese 4 ½ minütige Abendschausendung über „Google“ unter den Stichworten „Roma-Wohnprojekt Harzer Straße – rbb – Berliner Abendschau“ problemlos finden. In manchem vergleichbar wird es voraussichtlich ab September hier in der Wohnanlage ähnlich zugehen, wenn die ersten Flüchtlingsfamilien an St. Pantaleon einziehen werden. Darüber haben wir letzte Woche ausführlich berichtet.
Die Kirchengemeinde St. Pantaleon ist froh und sehr dankbar, dass nach über zehn langen Jahren Still- und Leerstand im ehemaligen Altenheim, und damit verbunden einer in Manchem schwierigen Zeit und durchaus ungewissen Zukunft, sich nun alles zu einem guten und vielversprechenden Einvernehmen gewendet und einhellig geklärt hat. Die Kirchengemeinde stimmt voll und ganz den von Benjamin Marx für die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbh entwickelten Ideen und Visionen zu, und sie ist sehr glücklich darüber, dass das Erzbistum diese Lösung für den Pantaleonsberg angeregt und mitfinanziert hat. Die Kirchengemeinde dankt auch dem Vorbesitzer, dessen Großzügigkeit die Veränderung der Besitzverhältnisse und damit das Wohn- und Integrationsprojekt für vor allem christliche Flüchtlingsfamilien ermöglicht hat.
Im Zusammenhang mit den oben genannten Verträgen ist auch ein Beirat installiert worden, in dem das Erzbistum, die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbh und die Kirchengemeinde vertreten sind. Dieser Beirat berät über die Eckpunkte der gemeinschaftlichen und einvernehmlichen Zusammenarbeit, wie sie für das Wohnprojekt auch auf die Zukunft hin vorgesehen ist, und beschließt sie.
Die Kirchengemeinde weiß sich beschenkt, an diesem Projekt ehrenamtlich mitwirken zu können. Sie hat in Herrn Rainer Rosskopf einen zuverlässigen und kompetenten Menschen gefunden, der damit begonnen hat, den ehrenamtlichen Einsatz zum Wohl der Flüchtlinge zu organisieren. Vor Ort werden Sie, die sie sich für das Gemeindeleben an St. Pantaleon einsetzen und ihm Gestalt und ein Gesicht geben, in Zukunft wohl oft auch Herrn Maher Krait begegnen. Auch über seine Aufgabe haben wir bereits berichtet.
Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
Pfarrnachrichten 19/2016 - 6. Oster-Sonntag (C)
Pfarrnachrichten 18/2016 - 5. Oster-Sonntag (C)
Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!
Auch diesen Sonntag hören wir, wie schon am Sonntag davor, ein außergewöhnlich kurzes Evangelium. Es umfasst nur fünf, dafür aber sehr aufschlussreiche Verse, die unsere ganze Aufmerksamkeit in zweifacher Hinsicht fordern.
Zuerst einmal erklärt Jesus, nachdem Judas, der Verräter, hinausgegangen war (Joh 13,31): „Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht, und Gott ist in ihm verherrlicht.“ Diese Erklärung klingt dem gängigen Alltagsempfinden so fern und fremd, dass sie achtlos überlesen wird. Auch der bedeutungsvolle Zusammenhang mit dem Hinausgehen des Verräters ist nicht sofort erkennbar.
Demgegenüber scheint der zweite und letzte Teil des Evangeliums viel wichtiger und interessanter zu sein (ibid., 13,34): „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“ Und doch hat das Zweite mit dem Ersten zu tun und ist letztlich erst von daher möglich.
Schon immer ist über Judas Iskariot diskutiert worden. Er war wohl ein einsatzfreudiger, ein aktiver Mensch, der hohe Ideale hatte. Aber das alleine reicht nicht. Auch Adolf Hitler hatte hohe Ideale, und er hat sie konsequent verfolgt. Einen trägen, lustlosen und arbeitsscheuen Menschen hätte Jesus auch wohl kaum als Apostel und potentiell zukünftigen Bischof berufen.
Der „Verrat“ des Judas bestand nicht in einer vordergründigen Unzufriedenheit und Ablehnung Jesu, in die seine anfängliche Begeisterung für Jesus plötzlich umgeschlagen wäre. Dafür war der in Jesus menschgewordene Gott auch viel zu interessant und faszinierend. Der Verrat des Judas hatte weitaus tiefere Wurzeln. Er stand der „Verherrlichung Gottes und des Menschensohnes“ entgegen. Judas hatte sich der „Verherrlichung Gottes und des Menschensohnes“ verschlossen und zuerst sie „verraten“. Damit hat Judas die Grundlage für ein nachhaltiges und segensreiches Tun und Wirken des Menschen zerstört.
Wie ein Adolf Hitler oder andere Terrorgrößen wollte ganz sicher auch Judas Iskariot ein Paradies schaffen und ein sorgenfreies Leben ermöglichen. Deshalb ist er Jesus anfangs mit Begeisterung gefolgt. Aber Judas wollte eine Erlösung zu einer schönen und besseren Zukunft – ähnlich ihm geistverwandter Weltverbesserer, die im Chaos enden und untergehen – über das Knie brechen, mit Macht durchsetzen und durch Gewalt nach eigenen Vorstellungen erzwingen.
Das aber steht Gott, seiner und des Menschensohnes Verherrlichung entgegen. Jesus, der Herr, zwingt nicht zum Glück. Er führt vielmehr jeden, der sich darauf einlässt, mit Geduld, Langmut und Liebe dorthin.
Deshalb steht die Verherrlichung Gottes im Vaterunser an erster Stelle: „geheiligt werde Dein Name“. Erst danach folgen die dann zugleich vorrangigen Vater-Unser-Bitten: „Dein Reich komme, Deine Wille geschehe“. Sie stehen vor der Bitte um das tägliche Brot, mit der ein gutes und erfülltes Leben erbeten wird; denn am Ende ist nur von Gott her ein gutes und erfüllendes Leben in echter, krisenfreier und beständiger Liebe möglich.
Die Erfahrung des Lebens bestätigt es. Ohne Gott wird die Liebe am Ende immer wieder durchkreuzt durch Eigensinn, Überheblichkeit, eine verheerende Selbstberufung und Selbstgerechtigkeit.
Mutter Teresa zum Beispiel hat dies ganz tief entdeckt und daraus gelebt. Sie hat offen erklärt, aus welcher Quelle sie ihre schier unerschöpfliche Liebe bezog: „Die Tätigkeit der Schwestern, alles was wir tun, ist einzig und allein die Frucht des Gebetes, die Frucht unserer Einheit mit Jesus in der Eucharistie. Dank dieser Einheit ist es uns möglich, uns dem Dienst an den Aussätzigen, den Sterbenden, den Kindern, denen die unerwünscht sind, und anderen Menschen hinzugeben. Wenn wir abends nach Hause kommen, halten wir eine Stunde lang Anbetung. Das ist der größte Schatz der Missionarinnen der Nächstenliebe.“
Auch wir sollten uns nicht von der Nörgelei und vom Griesgram unserer Zeit beirren lassen. Nach wie vor lassen sich andere Menschen von der Liebe berühren und verändern. Doch wir müssen immer zuerst bei uns anfangen und unser eigenes Herz an den Quell der Liebe bringen. Von anderen Liebe zu fordern, die man selbst nicht bereit ist zu nähren, um sie dann zu geben, ist Blödsinn.
Lassen wir noch einmal Mutter Teresa zu Wort kommen: „Denke nicht, dass Liebe, um wahrhaftig zu sein, außerordentlich sein muss. Notwendig ist nur, unablässig zu lieben. Wie kann eine Lampe brennen ohne unablässige Zufuhr kleiner Öltropfen?
Liebe Freunde: Was sind unsere Öltropfen in unseren Lampen? Es sind die kleinen Dinge des Alltags: die Freude, die Großherzigkeit, die kleinen guten Taten, die Demut und die Geduld. Ein einfacher Gedanke an jemand anderes. Unsere Art still zu sein, zuzuhören, zu vergeben, zu reden und zu handeln. Das sind die wahren Öltropfen, die unsere Lampen unser ganzes Leben hindurch lebhaft brennen lassen.“
Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
Pfarrnachrichten 14/2016 - Oster-Sonntag (C)
Pfarrnachrichten 13/2016 - Palmsonntag (C)
Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!
Jahr für Jahr wird am Palmsonntag mit den Passionsberichten die Karwoche eröffnet. Auch wenn man die Passionsgeschichten längst zu kennen meint und sie einem gut vertraut erscheinen, gehen sie immer wieder unter die Haut. In ihnen wird erkennbar, wer dieser Gott für uns ist. Aus der Höhe des Himmels ist er zu uns hinabgestiegen. Er hat das Leben mit uns geteilt: nicht nur in Augenblicken freudiger Ereignisse, wie bei der Hochzeit zu Kana, sondern auch in schmerzhaften und traurigen Momenten, wie beim Tod des Lazarus.
Als menschgewordener Gott nimmt Jesus bereitwillig den Tod auf sich. Damit überwindet er die Sünde, die als Abwendung von Gott den Tod nach sich zieht. Dieser von Gott freiwillig gewählte Weg zur Erlösung des Menschen ist und bleibt für uns nie ganz zugänglich. Wirklich verstehen werden wir ihn nie. Aber aus dem gelebten Glauben kann man nachvollziehen, dass der Weg der Erlösung nicht größer, nicht vollendeter und dem Übel der Sünde nicht angemessener sein kann, als dass der menschgewordene Gott die von uns begangene Schuld auf diese Weise aus dem Weg räumt.
Im Kreuz nimmt der menschgewordene Gott die Sünde in ihrer ganzen Auswirkung auf sich. Damit nimmt er uns zugleich die Last der Sünde ab und befreit uns von ihr. Auf diese Weise erlöst Gott alle Menschen, sofern sie bereit sind, diesen Erlösungsweg Gottes anzuerkennen und ihm zugleich auf diesem Weg zu folgen.
Damit ist die Todesstunde Jesu zum einen die dunkelste Stunde der menschlichen Geschichte überhaupt. Zugleich ist sie aber auch die Stunde der Reinigung von allen Sünden, die Menschen je begangen haben und noch begehen werden. Damit ist sie zugleich die Sternstunde, die jeden Menschen heilsam auch mit sich selber konfrontiert.
Freude und Leid sind in der Erlösung in tiefer Weise eng verbunden. Das wird auch im Bilderzyklus zum Ausdruck gebracht, der auf der Schrägseite zum Süden hin des im 12. Jahrhundert geschaffenen und zu unserer Kirche gehörenden Albanusschreins für alle zugänglich zu sehen ist. Die ersten drei Bilderfelder haben wir in den vorausgehenden Ausgaben unseres Pfarrbriefes bereits erklärt.
Das letzte Bildfeld nun stellt das Martyrium des Heiligen dar. Links stehen zwei Personen, die an ihrem Heiligenschein als Gläubige zu erkennen sind. Sie sind ehrfürchtigen Zeugen des ergreifenden und durch den schmerzvollen Tod allen Segen bringenden Martyriums. Sie nehmen Anteil am Martyrium und verstehen das alles so auch immer besser.
Die dritte Person ist der Märtyrer Albanus. Er kniet auf einem Hügel, der Britannien darstellt. In Erwartung des bevorstehenden Schwertstreiches, der seinen Kopf abschlagen wird, hat er seinen Oberkörper bereits hingebungsvoll über ganz Britannien ausgestreckt. Sein Blick geht voller Hoffnung nach oben in den Himmel.
Von dort steigt ein Engel hernieder. In seinen mit einem Tuch bedeckten Händen trägt er etwas Wertvolles zum Himmel hinauf: Es ist die als Antlitz dargestellte Seele des Heiligen.
Ganz außen steht aufrecht der Henker. Interessanter Weise schaut auch er zum Himmel. Damit erinnert er an die bekannten Bibelworte: „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.“ (Lk 23,34) und „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn.“ (Mk 15,39).
Dort aber, wo das Schwert den Tod bringen und den Heiligen enthaupten wird, entspringt eine nie mehr versiegende Quelle. Dank ihrer breitet sich nun eine über ganz Britannien erstreckende Blumenpracht aus. Diese Bildersprache erklärt der berühmt wie tiefsinnige Ausspruch des frühchristliche Tertullian (um 160 – 220): „Das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche.“
So sind Leid und Freude in der Erlösung in tiefer Weise eng verbunden. In der Erlösung geht das Leid über in immerwährende Freude: Auf die Erlösung durch den Tod folgt die Auferstehung. So werden das ausgedörrte Land und die Gemeinschaft der Menschen wieder gesund und sie bringen Blumen und Früchte.
Ihr Pfr. Dr. Volker Hldebrandt
Pfarrnachrichten 12/2016 - 5. Fastensonntag (C)
Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!
Letzten Sonntag wurde uns im Gottesdienst das Gleichnis vom verlorenen Sohn vorgetragen. Alternativ wird es auch das Gleichnis vom barmherzigen Vater genannt. Am heutigen Sonntag hören wir nun, wie der Herr die in diesem Gleichnis bildhaft dargelegte grenzenlose Barmherzigkeit Gottes in die Praxis umsetzt.
Mitten hinein in seine Predigttätigkeit (vgl. Joh 8, 1ff) bringen „Schriftgelehrten und Pharisäer eine Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war. Sie stellten sie in die Mitte und sagten zu ihm: … Mose hat uns im Gesetz vorgeschrieben, solche Frauen zu steinigen. Nun, was sagst du?“
Damals war es nicht weniger geschmacklos als es auch heute wäre, in einer Synagoge oder Kirche den Gottesdienst auf diese Weise zu stören und zu torpedieren. Die Absicht der Schriftgelehrten und Pharisäer war eindeutig böse. Der Evangelist sagt es offen (ibid., 6): „Mit dieser Frage wollten sie ihn auf die Probe stellen, um einen Grund zu haben, ihn zu verklagen.“ Die Ehebrecherin war nur ein gefundenes „Mittel zum Zweck“.
Die Schriftgelehrten und Pharisäer hatten keine Empathie für diese Frau, weder für ihre Schuld noch für die Umstände, die zu ihrer Verfehlung führten. Und sie hatten wohl auch kein wirkliches Interesse an der Würde der Ehe, die zu schützen und zu bewahren Mose das Gesetz der Steinigung verfügt hatte. Und was war eigentlich mit dem Mann, den sie doch auch „beim Ehebruch auf frischer Tat ertappt“ haben müssen?
Der Herr lässt sich nicht in die Enge treiben. Er tut seinen Verfolgern weder den Gefallen, dem Gesetz des Mose zu widersprechen, und damit die Heiligkeit der Ehe und der zu ihr berufenen Menschen zu nivellieren. Noch tut er seinen Verfolgern den Gefallen, den Anspruch recht verstandener Barmherzigkeit durch Abgleiten in irreleitende Gleichgültigkeit aufzugeben und auszuhöhlen.
Stattdessen „bückte er sich und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Als sie hartnäckig weiterfragten, richtete er sich auf und sagte zu ihnen: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie. Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde.“ Als geschöpfliche Menschen können wir Gottes Barmherzigkeit im Ansatz nur dann verstehen und in ihrer Bedeutung ausloten, wenn wir unsere eigenen Verfehlungen nicht verharmlosen und im Verschwiegen aufzulösen versuchen.
Ein weiser Merksatz bringt treffend auf den Punkt: „Wer bekennt, der erkennt.“ Das gilt analog für das rechte Verständnis wahrer Barmherzigkeit. Im Ansatz vermag wahre Barmherzigkeit nur zu begreifen, wer seiner eigenen Verfehlungen wegen zunehmend auf sie setzt, an sie glaubt und sich immer mehr gerade auf sie stützt.
Das Sakrament der Hl. Beichte schafft hierfür optimale Voraussetzungen. Es war eine sehr gute und kluge Idee Gottes, uns dieses Sakrament zu schenken. Wo nicht mehr gebeichtet wird, da verliert sich auch das Gespür für die Größe der göttlichen Barmherzigkeit.
Man muss zu den eigenen Defiziten und Verfehlungen stehen, sie ungeschönt vor Gott bringen und bekennen. Angesichts der Unendlichkeit seiner Barmherzigkeit ist das möglich und erträglich. Wir vermögen dann nicht nur unsere eigene Erbärmlichkeit auszuhalten. Wir werden dann zugleich auch selber zunehmend in rechter Weise barmherzig.
Und so endet dann dieses Ereignis: „Als sie seine Antwort gehört hatten, ging einer nach dem anderen fort, zuerst die Ältesten. Jesus blieb allein zurück mit der Frau, die noch in der Mitte stand. Er richtete sich auf und sagte zu ihr: Frau, wo sind sie geblieben? Hat dich keiner verurteilt? Sie antwortete: Keiner, Herr. Da sagte Jesus zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“
Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt
Pfarrnachrichten 11/2016 - 4. Fastensonntag (C)
Pfarrnachrichten 10/2016 - 3. Fastensonntag (C)
Der Heilige Lukas berichtet (Lk 13,1 ff), wie „einige Leute zu Jesus kamen“ und ihm von einer Gräueltat erzählten, die von höchster Stelle angeordnet worden war. Pilatus hatte im heiligen Bereich des Jerusalemer Tempels eine Gruppe von Galiläern „beim Opfern umbringen“ lassen, „so dass sich ihr Blut mit dem ihrer Opfertiere vermischte.“ Daraufhin erinnerte Jesus an den Einsturz „des Turms von Schiloach“, der 18 Menschen unter sich begrub.
Damals wie heute verbinden Menschen Katastrophen, Unglücke und tragische Unfälle mit der Schuld des Menschen. In volkstümlicher Redeweise pflegen einige zu sagen: „Kleine Sünden straft der liebe Gott sofort.“ Da ist grundsätzlich etwas Wahres dran. Aber nicht so, wie es oft vordergründig missverstanden wird. Darauf macht Jesus aufmerksam und verweist auf die tieferliegenden Zusammenhänge.
Jesus präzisiert: „Meint ihr, dass nur diese Galiläer … oder jene achtzehn Menschen … Sünder waren … und Schuld auf sich geladen haben, … weil das mit ihnen geschehen ist, alle anderen aber nicht? Nein, im Gegenteil: Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt.“
Damit bestätigt Jesus, dass die nicht paradiesischen Zustände unserer Erde unmittelbar mit der Schuld des Menschen zu tun haben. Sie sind durch sein sündhaftes Verhalten verursacht worden. Allerdings nicht so, dass die Größe des Unglücks und die Schwere der Katastrophe unmittelbar dem Gewicht und der Tragik der Sünden der Verunglückten entsprechen.
Es verhält sich vielmehr so: Die Menschen bilden eine Solidargemeinschaft im Guten und Schönen wie im Leiden und Unglück, in welcher der eine sich für den anderen freut oder leidet und eintritt. Das geschieht unbeabsichtigt oder auch, was dann sehr verdienstvoll sein kann, freiwillig und aus Vorsatz. Deshalb muss, wer Verständnis aufbringt für den Standpunkt: „Wie kann man nach Auschwitz noch an Gott glauben“, genauso auch Verständnis aufbringen für den Standpunkt: „Wie kann man nach Auschwitz nicht mehr an Gott glauben“!
Das Leiden, die vielen Unglücke und Krankheiten bewirken nicht nur Schlechtes und Böses. Es kann auch viel Gutes aus ihnen erwachsen. Deshalb lässt Gott das alles zu. Das „Fell“ von uns Menschen scheint manchmal so dick und undurchdringlich zu sein, dass wir anders wohl nicht aus uns herauskommen, um endlich unserer Verantwortung gegenüber unseren Nächsten und nicht zuletzt auch Gott gegenüber in dem uns möglichen Maß gerecht zu werden.
Das wird dem Betrachter des vorletzten in Kupfer getriebenen und vergoldeten Reliefs auf der nach Süden zeigenden Schräg-Seite unseres Albanus-Schreins anschaulich vor Augen geführt. Es stellt den mit dem Prozess Jesu parallelisierten Augenblick dar, in dem der Heilige Albanus, der als einziger durch einen Heiligenschien auszeichnet ist, an eine Säule gebunden und unter dem wachsamen Blick des Richters auf dem Richterstuhl stellvertretend für den Priester „Amphibolus“ ausgepeitscht wird.
Die Umschrift erklärt alles: „LETATUR CESUS FIT EI PROTECTIO JHESUS * FERT PLAGAS MITTIS ILLATAS A PARASITIS“. Frei und leicht erklärend übersetzt: „Um ihn zu schützen, lässt er sich schlagen, und bringt Freude wie Jesus * er trägt die Wunden, die ihm von diesen Parasiten, die sie verursachen, zugefügt werden.“
Albanus hatte sich durch Kleidertausch als „Amphibolus“ ausgegeben und gefangen nehmen lassen, der ihn als Priester im Glauben unterwiesen und getauft hatte. Auf diese Weise konnte „Amphibolus“ entkommen. Der Heilige Albanus nimmt die ungerechte Strafe auf sich und lässt sich nun an seiner Stelle und für ihn auspeitschen. So verschont und schützt er den „Amphibolus“ vor der Bosheit der „Parasiten“, und er lässt aus dem Bösen Gutes erwachsen.
Gott lässt nicht nur Böses zu, weil aus ihm viel Gutes erwachsen kann. Er hat darüber hinaus eine unendliche Geduld. In unbegrenzter Barmherzigkeit setzt er sich dafür ein, dass der Sünder sein unfruchtbares Leben endlich hinter sich lässt, sich bekehrt, und sich fortan um ein allen wohltuendes und beglückendes Leben bemüht. Das wird in der das Sonntagsevangelium abschließenden bildhaften Rede (vgl. Lk 13, 6-9) vom unfruchtbaren Feigenbaum mitten im Weinberg deutlich, den der Winzer (der Sohn Gottes) gegenüber dem Gutsbesitzer (Gott Vater) in Schutz nimmt. All seiner Unfruchtbarkeit zum Trotz bietet der Winzer an, ihn über das Maß zu pflegen und zu düngen, damit „er vielleicht doch noch Früchte trägt“.
(Pfr. Dr. Volker Hildebrandt)
Pfarrnachrichten 08/2016 - 1. Fastensonntag (C)
Pfarrnachrichten 04/2016 - 2. Sonntag im Jahreskreis (C)
Pfarrnachrichten 03/2016 - Fest der Taufe des Herrn (C)
Pfarrnachrichten 02/2016 - 2. Sonntag Weihnachtszeit (C
Liebe Mitchristen und Freunde von St. Pantaleon!
„Im Anfang war das Wort…“ Das hören wir an diesem zweiten Sonntag in der Weihnachtszeit nun zum dritten Mal. Es sind die ersten Worte aus dem Prolog des Johannesevangeliums.
Wiederholungen können ermüden. Geht es jedoch um Wesentliches, dann können wir es nicht oft genug hören. Worte, die ans Wesen gehen, erfreuen und richten auf. Wir hören sie gerne und immer wieder. – Und darum geht es im Prolog des Johannesevangeliums: Es geht um Grundlegendes, um für uns ganz Wesentliches!
„Im Anfang war das Wort…“ Der Evangelist knüpft ganz bewusst dort an, wo alles begonnen hat. So steht dann ja auch ganz zu Beginn der Heiligen Schrift geschrieben: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde; die Erde aber war wüst und leer, Finsternis lag über der Urflut, und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.“
„Im Anfang“, als alles begann, hat Gott die belebte und die unbelebte Schöpfung ins Dasein gerufen. Allem hat Gott eine Ordnung gegeben, indem er sprach: Auf sein Wort hin wurden Wüste und Leere mit Leben erfüllt; Licht durchbrach die Finsternis. Und aus der Urflut erhob sich acker- und weidefähiges Land. Schließlich rief er den Mensch ins Leben. Über allem aber schwebte sein, d.h. Gottes Geist.
Im Vorwort zu seinem Evangelium geht Johannes ganz bewusst von dieser ersten und grundlegenden Wahrheit aus: „Im Anfang war das Wort... Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.“
Auf Gott geht alles zurück, was ist. Ohne ihn wäre nichts. Gott steht am Anfang und er allein ist der Ursprung von allem, was ist. – Für unser Leben und auch unser Zusammenleben ist es wesentlich und höchst bedeutsam, unseren Ursprung, die Verankerung und die Verwurzelung unseres Lebens, nicht außer Acht zu lassen und das alles beiseite zu schieben. Die Geschichte lehrt zu Genüge, dass Menschen ohne Gott im wahren Sinn des Wortes zu gottlosen Gesellen degradieren und die von ihnen errichteten Gesellschaftsordnungen zu gnaden- und lieblosen Gebilden.
Nun geht Johannes über diese grundlegende Wahrheit, wie sie das ganze Alte Testament bestimmt, einen deutlichen und ganz wesentlichen Schritt hinaus. – Bis zum Kommen unseres Herrn Jesus Christus hat Gott nur gesprochen: Im Anfang das Schöpfungswort; später das Berufungswort. So hat Gott Abraham, später Mose und dann die Propheten berufen. Durch die Propheten hat er dann zu seinem Volk gesprochen.
Schließlich, und damit endet die alttestamentliche Zeit, ist Gott als dieses göttliche Wort selber Fleisch und damit Mensch geworden. Und so ist er zu uns gekommen. – Gott hat von da an nicht mehr nur gesprochen. Er ist selber gekommen und hat durch die Hingabe seines Wortes an und in diese seine Schöpfung hinein ihr einen entscheidend neuen Wert hinzu gegeben.
Aus diesem Grund leitet derselbe Evangelist Johannes dann seinen ersten Brief mit der feierlichen Bezeugung ein: „Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefasst haben, das verkünden wir: das Wort des Lebens.“
So wie Gott am Anfang alles durch sein gesprochenes Wort hat entstehen lassen, so hat er nun durch das Wort, in dem er selber die Gestalt der Schöpfung annimmt, diese grundlegend renoviert und erneuert. Das Evangelium, die uns von Gott gebrachte frohe Botschaft, ist also ein Neuanfang, der über den ersten, den Anfang in der Schöpfung deutlich hinausgeht.
Was einst durch Gottes Wort als Schöpfung begonnen hat, wird nun durch die Fleischwerdung des Wortes erneuert und dabei zugleich veredelt, um einmal endgültig vollendet zu werden. – Das Wort, durch das alles geschaffen wurde, ist nun selber Schöpfer-Geschöpf geworden: Jesus Christus ist wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich. In ihm ist die Schöpfung – vor allem im Menschen als Abbild Gottes – in der ursprünglich gewollten Gestalt erneuert und mit Gott endgültig verbunden: „das Wort ist Fleisch geworden“.
Auch wenn wir die Tragweite von diesem letzten Schritt Gottes nie ganz begreifen und ausloten können, ergreift und erneuert Gott nun jeden, der dies alles wie Maria in seinem Herzen bewahrt und darüber nachdenkt (vgl. Lk. 2,19).
Ihr Pfr. Dr. Volker Hildebrandt